BAG 4. Senat, Urteil vom 12.12.2018, 4 AZR 123/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 4 AZR 123/18 (BAG)

vom 12. Dezember 2018 (Mittwoch)


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Bezugnahmeklausel - Günstigkeitsvergleich - Darlegungslast

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 25. Januar 2018 - 7 Sa 100/17 - insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Juli 2017 - 22 Ca 373/16 - zurückgewiesen hat.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Juli 2017 - 22 Ca 373/16 - insoweit abgeändert, als es die Klage abgewiesen hat.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung ein Tarifgehalt der Gehaltsgruppe 3 „nach dem 5. Tätigkeitsjahr“ des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweiligen Fassung zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis und darüber, ob dessen Entgeltregelungen gegenüber einem unmittelbar und zwingend geltenden Haustarifvertrag günstiger sind.

2

Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit Filialen im ganzen Bundesgebiet. Die Klägerin, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen seit dem 1. Dezember 1995 als Kassiererin beschäftigt.

3

Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 15. September 2006 heißt es ua.:

        

„2.     

Sie erhalten für Ihre Tätigkeit eine Vergütung von EUR  779,23 brutto für 54,70 Std./monatlich = 16 % der tariflichen Monatsarbeitszeit.

                 

Im vorstehenden Betrag sind enthalten:

        
                 

nach Tarifgruppe GB 3 / St. 01.04.00  EUR ____ brutto

        

3.    

Etwaige die tariflichen Ansprüche übersteigende Mehrbezüge werden bei einer Veränderung der tariflichen Ansprüche verrechnet, es sei denn, dass ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen wird.

        

…       

                 
        

14.     

Die Bedingungen dieses Anstellungsvertrages behalten ihre Gültigkeit auch dann, wenn eine Änderung der bisherigen Tätigkeit und / oder eine Änderung des Entgeltes - bei Teilzeitbeschäftigung auch der Arbeitszeit - eintritt. Im übrigen gelten die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel , die Gesamtbetriebsvereinbarungen der K AG, sowie die Betriebsordnung der o.g. Betriebsstelle in ihrer jeweiligen Fassung.“

4

Nach einem Vertragszusatz beträgt die monatliche Arbeitszeit der Klägerin nunmehr 55 Stunden.

5

Die Beklagte war tarifgebundenes Mitglied im Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. Sie beendete ihre Mitgliedschaft mit dem 6. Mai 2013. In der Folgezeit schloss der Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. mit der Gewerkschaft ver.di weitere Tarifverträge, die ua. die Erhöhung des Entgelts vorsahen.

6

Seit ihrem Austritt zahlt die Beklagte an die Klägerin nur noch ein Entgelt auf Basis des am 6. Mai 2013 geltenden Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel. Nachfolgende tarifliche Entgelterhöhungen gab sie nicht mehr weiter.

7

Die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di vereinbarten mit Wirkung zum 2. Dezember 2016 einen „Zukunftstarifvertrag Karstadt Warenhaus“ (Zukunfts-TV). Dieser sieht ua. vor, dass Entgelterhöhungen durch die Tarifabschlüsse des Hamburger Einzelhandels für die Jahre 2013 bis 2016 ausgesetzt werden und regelt die „Zukünftigen Erhöhungen des Karstadt-Tarifentgelts“.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei nach dem Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel zu vergüten. Dieser fände in seiner jeweils geltenden Fassung aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Zukunfts-TV werde hingegen nicht von der Klausel in Nr. 14 des Arbeitsvertrags erfasst. Aufgrund des Günstigkeitsprinzips hätte die Anwendung der Verbandstarifverträge hinsichtlich der Vergütung Vorrang vor der Geltung des Zukunfts-TV.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg in ihrer jeweils geltenden Fassung anwendbar sind und deshalb die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung ein Tarifentgelt der Gehaltsgruppe 3 „nach dem 5. Tätigkeitsjahr“ des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweiligen Fassung zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, Nr. 14 des Arbeitsvertrags beziehe sich auch auf den Zukunfts-TV. Das ergebe sich insbesondere aus dem Verweis auf die betrieblichen Regelungen. Wollte man dieser Abrede keine Bezugnahme auf die Haustarifverträge der Beklagten entnehmen, sei die dann bestehende Lücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Im Übrigen gehe die Klägerin selbst davon aus, dass der Zukunfts-TV für sie gelte. Soweit dieser günstigere Leistungen, wie etwa eine erhöhte Sonderzahlung für Gewerkschaftsmitglieder und einen Warengutschein vorsehe, habe sie diese in Anspruch genommen.

11

Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Belang - die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Berufung rechtsfehlerhaft zurückgewiesen. Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

13

I. Die Klage ist als sog. Elementenfeststellungsklage (sh. nur BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 15, BAGE 138, 269) zulässig.

14

1. Der Antrag ist nach gebotener Auslegung hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

15

a) Zwar fehlt im Wortlaut des Antrags die genaue Bezeichnung der Tarifverträge, deren Anwendbarkeit auf ihr Arbeitsverhältnis die Klägerin begehrt. Aus der Klagebegründung ergibt sich aber, dass es sich dabei um den zwischen dem Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweiligen Fassung handelt.

16

b) Das Feststellungsbegehren bezieht sich trotz des weiter gehenden Inhalts lediglich auf den betreffenden Gehaltstarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung. Soweit auch die Flächentarifverträge für den Hamburger Einzelhandel genannt werden, handelt es sich lediglich um ein Begründungselement für das auf den Gehaltstarifvertrag beschränkte Begehren. Die Klagebegründung befasst sich nur mit der Höhe des Arbeitsentgelts nach diesem Tarifvertrag. In dieser Weise hat das Landesarbeitsgericht den Antrag ersichtlich verstanden und dagegen hat die Klägerin keine Einwände erhoben. In zeitlicher Hinsicht betrifft das Feststellungsbegehren ausweislich der Klagebegründung trotz seiner lediglich zukunftsgerichteten Formulierung die Zeit ab dem Inkrafttreten des Zukunfts-TV am 2. Dezember 2016. Das hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch klargestellt.

17

2. Für den so verstandenen Antrag besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche und noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (st. Rspr., zB BAG 25. Januar 2017 - 4 AZR 520/15 - Rn. 16) besondere Feststellungsinteresse. Durch die gerichtliche Entscheidung kann der Streit der Parteien über die - dynamische - Anwendbarkeit der Gehaltstarifverträge für den Hamburger Einzelhandel auf ihr Arbeitsverhältnis geklärt werden (zu diesem Erfordernis zB BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 16, BAGE 151, 221).

18

II. Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin nach den Bestimmungen des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweiligen Fassung zu vergüten. Dessen Regelungen sind gegenüber denen des unmittelbar und zwingend (§ 4 Abs. 1 TVG) geltenden Zukunfts-TV günstiger.

19

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme nicht die Entgeltregelungen des Zukunfts-TV, sondern nur diejenigen des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweiligen Fassung Anwendung. Das ergibt die Auslegung der Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag (zur Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, BAGE 134, 283).

20

a) Nr. 2 des Arbeitsvertrags sieht ein beziffertes Monatsentgelt unter Verweis auf die „tarifliche Monatsarbeitszeit“ und eine bestimmte Tarifgruppe vor. Die Angabe bezieht sich, wie sich aus der ergänzenden Regelung in Nr. 14 des Arbeitsvertrags ergibt, auf die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel und damit auf den entsprechenden Flächentarifvertrag (vgl. insoweit BAG 11. Juli 2018 - 4 AZR 533/17 - Rn. 23), dh. den Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel. Eine solche Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt darf ein Arbeitnehmer redlicherweise dahingehend verstehen, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde für die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht statisch sein, sondern solle sich entsprechend den Entwicklungen des maßgebenden Tarifvertrags verändern (BAG 25. Januar 2017 - 4 AZR 520/15 - Rn. 46; 8. Juli 2015 - 4 AZR 51/14 - Rn. 16 mwN). Für dieses Verständnis spricht auch Nr. 3 des Arbeitsvertrags. Der Regelung liegt sowohl die Annahme zugrunde, bei dem vereinbarten Arbeitsentgelt handele es sich um ein Tarifgehalt, als auch die Möglichkeit, dass sich die tariflichen Ansprüche verändern können, also einer Dynamik unterliegen. Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme, als Arbeitsentgelt sei lediglich der konkret bezifferte Betrag vereinbart, haben im Arbeitsvertrag keinen Niederschlag gefunden.

21

b) Eine Bezugnahme auf den Zukunfts-TV enthält der Arbeitsvertrag nicht.

22

aa) Ein solcher Verweis ergibt sich weder aus Nr. 2 noch aus Nr. 14 des Arbeitsvertrags. Die Klausel in Nr. 14 nimmt Bezug auf die Tarifverträge einer bestimmten Branche, dh. eines bestimmten Wirtschaftszweigs. Da eine Branche regelmäßig eine Vielzahl von Unternehmen umfasst, ist unter einem Branchentarifvertrag üblicherweise ein Flächentarifvertrag zu verstehen (BAG 11. Juli 2018 - 4 AZR 533/17 - Rn. 23). Das gilt im Streitfall umso mehr, als der Zusatz „Hamburger“ Einzelhandel den Bezug zur „Fläche“ unterstreicht.

23

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt der Verweis auf die „Gesamtbetriebsvereinbarungen ... sowie die Betriebsordnung ... in ihrer jeweiligen Fassung“ in Nr. 14 des Arbeitsvertrags keinen Rückschluss auf den Willen der Parteien betreffend die in Bezug genommenen Tarifverträge zu. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge einerseits und Betriebsvereinbarungen andererseits betrifft unterschiedliche Normenwerke mit grundlegend verschiedenen Wirkungen. Während Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG „automatisch“ unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis gelten, erfassen die Normen von Tarifverträgen grundsätzlich nur die kongruent tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien. Dem Umstand, dass die Arbeitsvertragsparteien die - räumlich einschlägigen - Betriebsvereinbarungen und Gesamtbetriebsvereinbarungen in Bezug genommen haben, kommt deshalb für die Auslegung der Verweisung auf Tarifverträge keine Bedeutung zu. Soweit vereinzelt gebliebenen Entscheidungen des Senats (BAG 23. Januar 2008 - 4 AZR 602/06 - Rn. 24; 23. März 2005 - 4 AZR 203/04 - zu I 1 b bb (2) (a) der Gründe, BAGE 114, 186) Gegenteiliges zu entnehmen sein sollte, hat der Senat daran ausdrücklich nicht mehr festgehalten (BAG 11. Juli 2018 - 4 AZR 533/17 - Rn. 27).

24

cc) Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt insoweit - anders als die Beklagte meint - nicht in Betracht. Es fehlt an einer Regelungslücke.

25

(1) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit. Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, bedeutet noch nicht, dass es sich um eine planwidrige Lücke handelt (BGH 11. Januar 2012 - XII ZR 40/10 - Rn. 24). Von einer Planwidrigkeit kann nur dann die Rede sein, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich wäre, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (BAG 24. August 2011 - 4 AZR 683/09 - Rn. 24; 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 27 mwN, BAGE 138, 269).

26

(2) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

27

(a) Eine Bezugnahmeklausel, die - zeitdynamisch - auf konkret bezeichnete Flächentarifverträge verweist, mag im Falle des späteren Abschlusses eines Haustarifvertrags aus Sicht einer der Vertragsparteien als „lückenhaft“ empfunden werden (so etwa Henssler in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 10 Rn. 81). Diese Regelungslücke ist jedoch nicht planwidrig. Haustarifverträge im Allgemeinen und auch Sanierungstarifverträge im Speziellen sind - wie auch im Streitfall zum maßgebenden Zeitpunkt des Vertragsschlusses - nicht unüblich. Ein möglicherweise entstehendes Bedürfnis zum Abschluss solcher Tarifverträge ist im Arbeitsleben auch nicht unvorhersehbar. Hätten die Parteien deren Anwendbarkeit sicherstellen wollen, wäre ihnen eine entsprechende Formulierung unbenommen gewesen.

28

(b) Die Erstreckung der zeitdynamischen, auf die Anwendung der Flächentarifverträge gerichteten Bezugnahmeklausel auf Haustarifverträge ist auch nicht erforderlich, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (aA Henssler in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 10 Rn. 81). Die in Nr. 14 des Arbeitsvertrags genannten Flächentarifverträge finden entsprechend dem von den Parteien zum Ausdruck gebrachten Willen auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Deren ergänzende Auslegung dahingehend, dass auch Haustarifverträge erfasst würden, hätte zur Folge, dass der Vertragsinhalt über seinen Wortlaut hinaus erweitert würde. Es würden dadurch nicht nur Tarifverträge zur Anwendung gelangen, die einen anderen Geltungsbereich haben, sondern auch solche, die - anders als bei verbandsbezogenen Firmentarifverträgen - von anderen Tarifvertragsparteien geschlossen worden sind. Dies ist vom erkennbaren Willen der Arbeitsvertragsparteien nicht erfasst (sh. BAG 11. Juli 2018 - 4 AZR 443/17 - Rn. 22; 16. Mai 2018 - 4 AZR 209/15 - Rn. 19 mwN).

29

(3) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten schließlich nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin im Zukunfts-TV geregelte Einmalzahlungen entgegengenommen haben soll.

30

(a) Ein späteres Verhalten der Klägerin kann nicht zur Auslegung des Arbeitsvertrags herangezogen werden, weil es keine Rückschlüsse auf den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden Erklärungswillen der Parteien zulässt (vgl. zu diesem Erfordernis BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 924/08 - Rn. 18; 15. März 2006 - 4 AZR 132/05 - Rn. 38 mwN). Zum damaligen Zeitpunkt bestand bei der Beklagten kein Haustarifvertrag. Zudem gilt der Zukunfts-TV für das Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit. Das von der Beklagten angeführte Verhalten der Klägerin kann deshalb - was ohne Hinzutreten weiterer Umstände zudem naheliegt - auch allein darin seinen Grund haben.

31

(b) Weiterhin ist es durch die Entgegennahme von Leistungen aus dem Zukunfts-TV nicht zu einer konkludenten Vertragsänderung gekommen. Dazu hätte es eines Antrags und einer Annahme iSv. §§ 145 ff. BGB bedurft. Daran fehlt es. Die Klägerin hat kein Vertragsangebot abgegeben. Es ist auch weder festgestellt noch behauptet, dass sie Leistungen nach dem Zukunfts-TV verlangt hätte, die ihr nach dem Flächentarifvertrag nicht zustanden. Die bloße Gewährung von Leistungen nach dem Zukunfts-TV durch die Beklagte musste die Klägerin auch nicht als einen Antrag auf Änderung der vertraglichen Bezugnahmeklausel verstehen. Sie konnte aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit davon ausgehen, die Leistung erfolge in Vollzug der sich daraus ergebenden Verpflichtung.

32

2. Die Entgeltregelungen des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel sowie die des gleichfalls zu berücksichtigenden Manteltarifvertrags in ihrer jeweiligen Fassung sind gegenüber den Vergütungsregelungen des unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltenden Zukunfts-TV günstiger iSd. § 4 Abs. 3 TVG.

33

a) Der Zukunfts-TV lautet auszugsweise:

        

A.    

Tarifliche Rahmenbestimmungen

                 

I.    

Geltungsbereich

                          

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für alle bestehenden Betriebe des Unternehmens in der Bundesrepublik Deutschland. …

                 

II.     

Anerkennung der Tarifverträge

                          

Karstadt Warenhaus erkennt alle gültigen regionalen Tarifverträge des Einzelhandels an. Diese Tarifverträge gelten dynamisch, das heißt für den jeweiligen räumlichen Geltungsbereich in ihrer jeweiligen (auch ersetzenden) Fassung und mit ihrem jeweiligen Rechtsstatus. Ausnahmen von der Anerkennung sind in diesem Tarifvertrag abschließend vereinbart.

                 

III.   

Ausnahmen von der Geltung der Flächentarifverträge

                          

Zur Anpassung der seit dem Austritt von Karstadt Warenhaus aus der tarifgebundenen HDE-Mitgliedschaft im Frühjahr 2013 entstandenen Lücke zwischen dem damaligen und dem gegenwärtigen Entgeltniveau werden unter Berücksichtigung der dadurch entstehenden wirtschaftlichen Belastungen für das Unternehmen folgende Abweichungen von den Flächentarifverträgen vereinbart:

                          

1.    

Aktuelles Karstadt-Tarifentgelt

                                   

Mit Inkrafttreten dieses Tarifvertrages besteht ein Anspruch auf Tarifentgelt gemäß Tarifabschluss für die Tarifjahre 2011 bis 2013. Die zwischen den Tarifvertragsparteien in den Ländern vereinbarten Entgelterhöhungen aus den Tarifabschlüssen 2013 für die Tarifjahre 2013 und 2014 sowie 2015 für die Tarifjahre 2015 und 2016 werden ausgesetzt. …

                          

2.    

Zukünftige Erhöhungen des Karstadt-Tarifentgelts

                                   

a)    

Kennzahlenabhängige Steigerungen in den Jahren 2017-2020 unter Beteiligung einer Entgelt-Kommission, Mindesterhöhungen in den Jahren 2018, 2019 und 2020

                                            

In den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 erfolgen anstelle der Entgeltsteigerungen der regionalen Flächentarifverträge jeweils kennzahlenabhängige Entgelterhöhungen.

                                            

In den Jahren 2018, 2019 und 2020 muss mindestens eine Erhöhung von 1,25% jeweils zum 1.3. eines Jahres festgelegt und gezahlt werden.

                                            

Die Entgeltsteigerungen werden von einer Kommission mit Vertretern beider Seiten nach folgenden Maßgaben kennzahlenabhängig festgelegt:

                                   

…       

        
                 

IV.     

Einmalzahlungen

                          

Die Einmalzahlungen (tarifliche Sonderzuwendung / ‚Weihnachtsgeld‘; Urlaubsgeld) werden wie folgt gewährt:

                          

Abweichend von den jeweiligen tariflichen Bestimmungen erhalten

                          

a)    

alle Mitarbeiter zum Fälligkeitszeitpunkt 60% des ihnen zustehenden Brutto-Betrags; zusätzlich erhalten sie 52% des ihnen zustehenden Brutto-Betrags in Form eines Warengutscheins; …

                          

b)    

Mitarbeiter, die zum Stichtag 01.04. eines Jahres eine ver.di-Mitgliedschaft nachweisen, erhalten zum Fälligkeitszeitpunkt 80% des ihnen zustehenden Brutto-Betrags; zusätzlich erhalten sie 52% des ihnen zustehenden Brutto-Betrags in Form eines Warengutscheins. ...

                 

…       

        
        

B.    

Bestimmungen zur Standort- und Beschäftigungssicherung

                 

I.    

Es besteht Einigkeit, dass bestehende Filialen bis zum Ablauf des 31.03.2021 oder bis zur Kündigung des Tarifvertrags nicht geschlossen werden. Karstadt verzichtet daher bzgl. der bestehenden Filialen bis zum Ablauf des 31.03.2021 oder bis zur Kündigung des Tarifvertrags auf Betriebsschließungen und Entlassungen durch betriebsbedingte Beendigungskündigungen.

                 

…       

        
                 

III.   

Bestimmungen zur Beschäftigungssicherung

                          

…       

                          

3.    

Die Beschäftigungssicherung steht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Absenkung der Tarifentgelte im Sinne von Ziff. A. dieser Vereinbarung. Auf die Beschäftigungssicherung können sich deshalb solche Mitarbeiter nicht berufen, die geltend machen, an die Regelungen über abgesenkte Tarifentgelte im Sinne von Ziff. A. dieser Vereinbarung nicht gebunden zu sein.

                 

…“