BSG 12. Senat, Beschluss vom 27.11.2018, B 12 R 41/18 B

Das Urteil unter dem Aktenzeichen B 12 R 41/18 B (BSG)

vom 27. November 2018 (Dienstag)


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Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - Statusfeststellung - Gesamtwürdigung - Berücksichtigung eines deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegenden und Eigenvorsorge zulassenden Honorars als Indiz für selbstständige Tätigkeit

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 4.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 589,32 Euro festgesetzt.

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I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Klägerin für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2013 Sozialversicherungs- und Umlagebeiträge in Höhe von insgesamt 16 589,32 Euro zu zahlen hat, weil der Beigeladene zu 1. wegen seiner (vorwiegend) Hausmeistertätigkeiten für die Klägerin aufgrund einer Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag (Bescheid vom 8.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.8.2015). Das SG Karlsruhe hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 6.6.2017). Das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung zurückgewiesen. Der Beigeladene zu 1. habe kein Unternehmerrisiko getragen und sei auf dem Markt auch nicht als Unternehmer in Erscheinung getreten. Er habe einen festen Stundenlohn von 9 oder 9,50 Euro nebst Zuschlägen erhalten, der die eine angemessene soziale Absicherung erlaubende Vergütung eines Unternehmers bei weitem nicht erreiche. Das Fehlen fachlicher Weisungen führe zu keinem anderen Ergebnis (Urteil vom 20.6.2018). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

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II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat die allein geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

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1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung in Übereinstimmung mit dem Beigeladenen zu 1. nicht.

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Die Klägerin misst der Frage,

        

"ob im Rahmen der Gewichtung und Abwägung aller Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbständigen Tätigkeit dem Indiz der Höhe der vereinbarten Vergütung eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt",

eine grundsätzliche Bedeutung bei. Damit ist schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

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Ungeachtet dessen ist auch die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG lässt die Beschwerde aber vermissen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 31.3.2017 (B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30), auf das die Klägerin selbst Bezug nimmt, darauf hingewiesen, dass es sich bei einem deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegenden und Eigenvorsorge zulassenden vereinbarten Honorar zwar um ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, zugleich aber nur um eines von unter Umständen vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien handele (aaO RdNr 50). Weshalb trotz dieser Entscheidung die aufgeworfene Frage klärungsbedürftig sein soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Die Klägerin behauptet, dass trotz dieser Rechtsprechung "Auslegungszweifel" beständen, zeigt diese aber nicht auf.

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2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Unabhängig davon, ob die Klägerin sich widersprechende Rechtssätze mit Blick auf die Urteile des BSG vom 31.3.2017 (B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30) und 25.4.2012 (B 12 KR 24/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 15) aufgezeigt hat, ist jedenfalls nicht dargelegt worden, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch infrage gestellt hätte. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und § 162 Abs 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3 S 1, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG.