BSG 14. Senat, Beschluss vom 18.02.2019, B 14 AS 44/18 B

Das Urteil unter dem Aktenzeichen B 14 AS 44/18 B (BSG)

vom 18. Februar 2019 (Montag)


Datenquelle: www.rechtsprechung-im-internet.de (Direktlink)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Zulässigkeit der Berufung - Ermittlung des Beschwerdegegenstandswerts - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Meldeaufforderung - auf eine Geldleistung gerichteter Verwaltungsakt - Berufungswert nach Höhe der Leistungsminderung - Verfahrensmangel - Verwerfung der Berufung durch Beschluss - Mitteilung des Grundes für die Unzulässigkeit der Berufung

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. Februar 2018 - L 5 AS 1840/17 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

1

Der Kläger selbst hat mit am 8.3.2018 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 3.3.2018 gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

2

Der PKH-Antrag ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG erfolgreich zu begründen. Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

3

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte ersichtlich.

4

Insbesondere folgt ein Zulassungsgrund nicht aus der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage nach der Statthaftigkeit einer Berufung nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG, soweit eine Meldeaufforderung Gegenstand des Rechtsstreits ist. Unabhängig von ihrer Klärungsfähigkeit im konkreten Rechtsstreit ist diese Frage nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sich aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG ergibt, dass auch beim Rechtsschutz gegen eine Meldeaufforderung der Wert des Beschwerdegegenstandes sich nach der Höhe einer Leistungsminderung bei einem Meldeversäumnis bemisst (so bereits die in Rechtsstreiten der Beteiligten ergangenen Entscheidungen BSG vom 24.8.2017 - B 4 AS 256/17 B - und BSG vom 24.8.2017 - B 4 AS 223/17 B - Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss durch BVerfG vom 15.1.2018 - 1 BvR 2720/17; zuletzt BSG vom 26.6.2018 - B 14 AS 431/17 B). Dies folgt aus der Eigenschaft der Meldeaufforderung als ein Verwaltungsakt, der die nach § 59 SGB II iVm § 309 SGB III bestehende Meldeobliegenheit der Leistungsberechtigten konkretisiert (zur VA-Qualität BSG vom 19.12.2011 - B 14 AS 146/11 B). Wird sie angefochten, stellt sie sich prozessual als ein auf eine Geldleistung gerichteter Verwaltungsakt iS von § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG dar (Wehrhahn in jurisPK-SGG, 2017, Onlineausgabe, § 144 RdNr 15.3, Aktualisierung Juni 2018), weil ihre Nichtbefolgung grundsätzlich zur Leistungsminderung führt und sie im Hinblick auf den Berufungswert nicht unabhängig von dieser rechtlichen Wirkung betrachtet werden kann.

5

Soweit vorliegend nicht nur die Meldeaufforderung, sondern auch die nachfolgende Leistungsminderung Gegenstand des Rechtsstreits ist, besteht kein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf im Hinblick auf die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG. Die Leistungsminderung betrifft eine Geldleistung. Sind gemäß § 56 SGG sowohl die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderung als auch die Aufhebung der Leistungsminderung Streitgegenstand, richtet sich der Berufungswert allein nach der Höhe der Leistungsminderung. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG sei auf den Streit über die Leistungsminderung nicht anwendbar, weil diese zugleich eine Verhaltensmissbilligung beinhalte. Bei den §§ 31 bis 32 SGB II handelt es sich nicht um Strafvorschriften, nach denen aufgrund eines bestimmten schuldhaften Verhaltens bestimmte Strafen "verhängt" werden, sondern um die gesetzlichen Folgen von Obliegenheitsverletzungen, weil die Durchsetzung zB einer Meldeaufforderung nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden darf (BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R - BSGE 119, 17 = SozR 4-4200 § 31a Nr 1, RdNr 47).

6

Nach Durchsicht der Verfahrensakte ist auch nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des LSG durch Prozessurteil anstelle einer Entscheidung durch Sachurteil, weil das LSG im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG davon ausgegangen ist, dass die Berufung des Klägers nicht statthaft war. Aus diesem Grund verspricht eine Divergenzrüge ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg.

7

Soweit das LSG die Berufung durch Beschluss nach § 158 Satz 2 SGG als unzulässig verworfen hat, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht ersichtlich. Die gemäß § 62 SGG erforderliche Anhörung (BSG vom 24.4.2008 - B 9 SB 78/07 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 3 RdNr 9) ist erfolgt. Unschädlich ist vorliegend, dass dem Kläger im Rahmen der Anhörung nicht mitgeteilt worden ist, aus welchem Grund das Gericht die Berufung für unzulässig gehalten hat. Ein solcher Hinweis ist nur dann erforderlich, wenn eine Überraschungsentscheidung droht, weil das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem nach dem Prozessverlauf nicht zu rechnen war (Groth in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, VIII. Kap, RdNr 75; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 158 RdNr 6; vgl auch BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 12/17 B - RdNr 4 zu § 153 Abs 4 Satz 2 SGG sowie ferner BSG vom 19.12.2006 - B 7a AL 148/06 B; vgl auch BVerwG vom 4.10.2010 - 9 B 17.10 zu § 125 Abs 2 Satz 3 VwGO; aA wohl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Aufl 2017, SGG, § 158 RdNr 8). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.

8

Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften und ist deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG). Die Verwerfung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.