BSG 6. Senat, Beschluss vom 12.09.2018, B 6 KA 12/18 B

Das Urteil unter dem Aktenzeichen B 6 KA 12/18 B (BSG)

vom 12. September 2018 (Mittwoch)


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(Vertragsarzt - Regelung des § 95d SGB 5 verstößt nicht gegen Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit)

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. März 2018 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 33 000 Euro festgesetzt.

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I. Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.

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Nach Hinweisschreiben vom 25.9.2009 und 26.11.2009 auf den bevorstehenden Ablauf der Frist für den Nachweis der Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V am 31.12.2009 kürzte die zu 1. beigeladene KÄV das vertragsärztliche Honorar des Klägers seit dem Quartal I/2010 zunächst um 10 % und später um 25 %. Mit weiteren Schreiben vom 19.4.2011, 8.8.2011 und 31.10.2011 informierte die Beigeladene zu 1. den Kläger darüber, dass bis zum 31.12.2009 lediglich 111 der erforderlichen 250 Fortbildungspunkte nachgewiesen worden seien und wies mit Schreiben vom 31.10.2011 und vom 16.5.2012 darauf hin, dass sie einen Antrag auf Zulassungsentziehung stellen müsse, falls die erforderlichen Fortbildungsnachweise nicht bis zum Ablauf der Nachfrist am 31.12.2011 erbracht worden seien. Im Jahr 2015 gab der Zulassungsausschuss Anträgen der Beigeladenen zu 1. auf Entziehung der Zulassung statt. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der beklagte Berufungsausschuss zurück. Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg.

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Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht.

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II. 1. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Er hat in seiner Beschwerdebegründung eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

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Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfG Beschluss vom 14.6.1994 - 1 BvR 1022/88 - BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG Beschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG wird bei der Grundsatzrüge nur genügt, wenn der Beschwerdeführer eine Frage formuliert, deren Beantwortung nicht von den Umständen des Einzelfalles abhängt, sondern die mit einer verallgemeinerungsfähigen Aussage beantwortet werden könnte (zu dieser Anforderung vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Zudem muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen (vgl BSG Beschluss vom 3.2.2015 - B 13 R 261/14 B - Juris RdNr 8; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 14d); eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 S 3 SGG nicht gerecht. Auch lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 7.11.1994 - 2 BvR 2079/93 - DVBl 1995, 35, Juris RdNr 15).

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Das Vorbringen des Klägers genügt diesen Anforderungen nicht. Es fehlt bereits an einer klar formulierten Rechtsfrage und es ist auch nicht Aufgabe des Senats, die Darlegungen des Klägers darauf zu untersuchen, ob sich aus ihnen evtl eine Rechtsfrage herausfiltern lässt (vgl BSG Beschluss vom 14.2.2007 - B 13 R 477/06 B - RdNr 8; BSG Beschlüsse vom 5.2.2003 - B 4 RA 66/02 B - und vom 5.3.2003 - B 4 RA 100/02 B - alle veröffentlicht bei Juris). Der Kläger macht allgemein geltend, dass die Rechtssache "in vielerlei Hinsicht" grundsätzliche Bedeutung habe. Mit seinem weiteren Vorbringen, dass er über seine Fortbildungspflicht nicht rechtzeitig informiert worden sei und dass die Beigeladene zu 1. den Eindruck erweckt habe, die Nachweisfrist zu verlängern, macht er einzelfallbezogen Umstände geltend, die die Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG begründen sollen. Daraus ergibt sich jedoch keine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Entsprechendes gilt für die Behauptung, dass die Entziehung der Zulassung in seinem Fall unverhältnismäßig sei, weil die vorangegangenen Honorarkürzungen wegen des geringen Anteils seines Honorars, das er aus der Behandlung gesetzlich Versicherter beziehe und wegen des hohen Anteils privat versicherter Patienten, kein geeignetes Sanktionsmittel gewesen sei, um ihm die Schwere seines Verstoßes zu verdeutlichen. Im Übrigen dürfte nicht nur die Honorarkürzung, sondern ebenso die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung für ihn weniger gravierende Auswirkungen haben als für Vertragsärzte, die - ihrer Verpflichtung aus § 95 Abs 3 S 1 SGB V entsprechend - im Umfang ihrer Zulassung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen.

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Ferner legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit von Fragen zur Verhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung als Folge der Verletzung der Fortbildungspflicht nicht in der erforderlichen Weise dar. Der Senat hat sich damit bereits in einem Beschluss vom 28.10.2015 näher befasst (B 6 KA 36/15 B - Juris RdNr 8 ff). Auf diese Entscheidung geht der Kläger in der Beschwerdebegründung jedoch nicht ein. Vielmehr räumt er ausdrücklich ein, dass "die Rechtsfrage der Verhältnismäßigkeit einer Zulassungsentziehung bei Verstoß gegen die Fortbildungsverpflichtung … bereits höchstrichterlich entschieden" sei, und macht zur Begründung einer gleichwohl bestehenden Klärungsbedürftigkeit nur allgemein geltend, dass "der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen werden kann". Er legt jedoch nicht dar, dass von dieser - nie auszuschließenden - Möglichkeit im vorliegenden Zusammenhang tatsächlich Gebrauch gemacht worden wäre und belegt seine Angabe auch nicht mit konkreten Entscheidungen oder Literaturfundstellen.

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Auch soweit der Formulierung, es sei "höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob die erste Fortbildungsverpflichtungsphase zwischen 2004 und 2009 zumindest als Anlaufphase noch keinen Zulassungsentzug vorsehen durfte" eine Rechtsfrage zu entnehmen sein sollte, ändert dies nichts an der Unzulässigkeit der Beschwerde, weil der Kläger nicht darlegt, ob sich die Antwort darauf aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Senats ergibt. Mit Fragen zur Verletzung der Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V hat sich der Senat in mehreren Entscheidungen befasst, die den vom Kläger als "Anlaufphase" bezeichneten Fünf-Jahres-Zeitraum von 2004 bis 2009 zum Gegenstand hatten. Bereits in einem Urteil vom 11.2.2015 (B 6 KA 19/14 R - SozR 4-2500 § 95d Nr 1 = MedR 2015, 831 RdNr 16 ff), in dem es um Honorarkürzungen wegen Verletzung der Fortbildungspflicht nach Ablauf des ersten Fünf-Jahres-Zeitraums nach Einführung des § 95d SGB V ging, hat der Senat ausgeführt, dass die gesetzliche Regelung einschließlich der in letzter Konsequenz vorgesehenen Entziehung der Zulassung auch im Hinblick auf den darin liegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) nicht zu beanstanden ist. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Honorarkürzungen wegen Verletzung der Fortbildungspflicht in dem genannten Zeitraum war ferner Gegenstand eines Beschlusses des Senats vom 13.5.2015 (B 6 KA 50/14 B - Juris). Mit Zulassungsentziehungen als Folge einer Verletzung der Fortbildungspflicht im ersten Fünf-Jahres-Zeitraum nach Einführung des § 95d SGB V hat sich der Senat in den veröffentlichten Beschlüssen vom 28.10.2015 (B 6 KA 36/15 B - Juris) und vom 11.2.2015 (B 6 KA 37/14 B - ArztR 2015, 215 = MedR 2015, 687) befasst. Keine dieser - im Urteil des LSG angeführten - Entscheidungen findet in der Beschwerdebegründung Erwähnung. An der erforderlichen Auseinandersetzung mit der bereits vorliegenden einschlägigen Rechtsprechung fehlt es damit vollständig.

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Der Senat war - auch mit Blick auf die Bitte des Klägers um einen Hinweis, falls weiterer Sachvortrag erforderlich sei - nicht verpflichtet, den Kläger vorab auf die Unzulänglichkeit seines Vortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG. § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht (BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 20.1.2015 - B 13 R 439/14 B - BeckRS 2015, 65952 RdNr 10 mwN).

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO).

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3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der Festsetzung der Vorinstanzen, die ihre Grundlage in vorgelegten Unterlagen zum Honorarumsatz des Klägers hat und von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden ist.