BGH 2. Zivilsenat, Urteil vom 11.12.2018, II ZR 455/17

Das Urteil unter dem Aktenzeichen II ZR 455/17 (BGH)

vom 11. Dezember 2018 (Dienstag)


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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. August 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist, soweit es Versäumnisurteil ist, vorläufig vollstreckbar.

Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.

Von Rechts wegen

1

Die Beklagten waren alleinige Vorstandsmitglieder der H.   AG und alleinige Geschäftsführer der H.             GmbH (im Folgenden: H.  GmbH). Die H.   AG war alleinige Gesellschafterin der H.  GmbH. Über das Vermögen der Gesellschaften, die über einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag verbunden waren, wurde jeweils am 1. Mai 2013 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet.

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Die Klägerin, eine Sparkasse, stand bereits seit mehreren Jahren mit dem H.   Konzern in einer Geschäftsverbindung, als dieser im Jahr 2011 im Hinblick auf ein erwartetes Umsatzwachstum Investitionen in den Standort L.   plante. Dabei sollte die Klägerin im Rahmen eines Konsortialkredits der H.  GmbH einen Betrag von insgesamt 12,3 Mio. € zur Verfügung stellen. Zu diesem Zweck schlossen die Klägerin und die H.  GmbH im Februar 2012 mehrere Darlehensverträge. Diese sahen als Kündigungsgrund unter anderem das Unterschreiten bestimmter Finanzkennzahlen (Kapitaldienstdeckungsgrad und Eigenmittelquote) vor, die als "Schwelle II" bezeichnet und näher definiert wurden.

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Die Klägerin begehrt im Rahmen einer offenen Teilklage Schadensersatz in Höhe von 500.000 €. Sie trägt vor, nach Abschluss der Darlehensverträge seien ihr weitere Unterlagen der Gesellschaften übermittelt worden, insbesondere Ende Februar 2012 die betriebswirtschaftlichen Auswertungen der H.   AG und der H.  GmbH für das Jahr 2011 sowie im Mai 2012 der Jahresabschluss der H.   AG zum 31. Dezember 2011. Danach sei es im Jahr 2012 zur Auszahlung der Darlehen in Höhe von 9 Mio. € gekommen. Aufgrund einer unzutreffenden Buchführung bezüglich Jahresumsatz und -überschuss, die den Beklagten bekannt gewesen sei, habe die Klägerin aus den vorgelegten Unterlagen ein unzutreffendes Bild über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaften gewonnen, insbesondere sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass die Finanzkennzahlen die "Schwelle II" tatsächlich nicht eingehalten hätten. Unter Berücksichtigung der Verwertungserlöse sei ihr ein Schaden in Höhe von 6.971.721,82 € entstanden.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage vollumfänglich weiter.

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Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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Da der Beklagte zu 1 im Verhandlungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, ist über die Revision insoweit antragsgemäß durch Teilversäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).

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A. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

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Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten könne nicht auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283b StGB gestützt werden, da § 283b StGB kein Schutzgesetz sei. Regelungszweck der Vorschrift sei die Abwehr abstrakter Gefahren für die Vermögensinteressen der Gläubiger, vermittelt durch eine Selbstinformation des Unternehmers. Die mittelbar gläubigerschützende Wirkung sei nicht ausreichend zur Bejahung des Schutzgesetzcharakters. Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Individualschutz beabsichtigt gewesen wäre. Weiter sei der Kreis der geschützten Personen nicht hinreichend klar bestimmt. Der Darlehensgeber werde von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 265b, 263 StGB ausreichend geschützt, wenn er durch vorsätzlich falsche Angaben des Geschäftsführers über die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft zum Abschluss eines Darlehensvertrages und zur Valutierung des Darlehens veranlasst werde. Im Übrigen sei die Klägerin durch die unzulängliche Buchführung nicht zu einem Vertragsabschluss veranlasst worden, sondern habe lediglich die Kündigung des bereits bestehenden Vertragsverhältnisses unterlassen.

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Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 265b StGB seien von der Klägerin nicht dargelegt worden. Weder habe sie vorgetragen, dass die beanstandeten Unterlagen mit Kenntnis der Beklagten an die Klägerin übersandt worden seien, noch seien Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes hinsichtlich der Erheblichkeit der Unterlagen für die Valutierung oder Kündigung der Darlehensverträge dargetan. Hinsichtlich einer Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB fehlten Ausführungen zu einem Bewusstsein der Beklagten, dass die Manipulation der Buchhaltung die Klägerin veranlassen könnte, auf eine Kündigung der Darlehensverträge noch vor deren Valutierung zu verzichten. Für einen Anspruch aus § 826 BGB fehle es an der Darlegung eines Schädigungsvorsatzes der Beklagten.

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B. Das Berufungsurteil muss aufgehoben werden, weil die Berufungsanträge nicht mitgeteilt sind und es damit den Anforderungen des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht genügt. Die Berufungsanträge müssen im Berufungsurteil zumindest sinngemäß wiedergegeben werden. Die Wiedergabe ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich dem Gesamtzusammenhang der Gründe das Begehren des Berufungsführers noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - II ZR 21/12, ZIP 2014, 216 Rn. 18 mwN). Die Berufungsanträge hat das Berufungsgericht, das hinsichtlich des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Feststellungen auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen und die Klageabweisung mitgeteilt hat, nicht wiedergegeben. Das Rechtsschutzbegehren der Klägerin ergibt sich auch nicht mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Zwar unterlag die offene Teilklage in erster Instanz insgesamt der Abweisung. Ob die Klägerin ihren erstinstanzlichen Sachantrag jedoch unverändert weiterverfolgt hat, lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Das Schweigen des Berufungsurteils lässt noch nicht den Schluss zu, dass die Klägerin ihre Teilklage unverändert weiterverfolgt hat.

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C. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts die Abweisung der Klage nicht durchweg tragen:

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I. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 265b StGB nicht verneint werden.

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1. Nach den bisherigen Feststellungen hat die Klägerin - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - hinreichend vorgetragen, dass die beanstandeten Buchführungsunterlagen von den Beklagten persönlich, bzw. mit deren Kenntnis an die Klägerin übersandt worden seien. Der Sachvortrag im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 24. Mai 2016 ist vom Landgericht, auf dessen Gründe das Berufungsurteil zum Sach- und Streitstand verweist, in Bezug genommen worden. Dort führt die Klägerin aus, der Beklagte zu 2 könne nicht mit Nichtwissen bestreiten, dass die Unterlagen der Klägerin zur Verfügung gestellt worden seien, da es sich um eigene Handlungen der Beklagten als damalige Vorstände bzw. Geschäftsführer der H.   AG und der H.  GmbH handele. Zugunsten der Klägerin muss jedenfalls das als ihre Behauptung verstanden werden, die Beklagten hätten durch eigene Handlungen an der Übermittlung der Unterlagen mitgewirkt. Da die Unterlagen von Gesellschaften eingereicht wurden, deren vertretungsberechtigte Organe die Beklagten waren, können sie sich auch nicht ohne weiteres mit Nichtwissen erklären (§ 138 Abs. 4 ZPO).

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2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts muss auf Grundlage des Vortrags der Klägerin ein bedingter Vorsatz der Beklagten hinsichtlich der Erheblichkeit der Unterlagen für ihre Entscheidung über die Valutierung des Kredits im Rahmen der Prüfung des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 265b StGB bejaht werden.

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Die Klägerin hat unter anderem vorgetragen, die Beklagten hätten bewusst Umsatzerlöse in die Handelsbücher eingebucht, die tatsächlich nicht bestanden. Danach waren den Beklagten die Fehlerhaftigkeit der Unterlagen und der Verstoß gegen die Buchführungspflichten bekannt. Weiterhin liegt es auf der Hand, dass den Beklagten als Geschäftsführern der H.  GmbH und Vorständen der H.   AG die wesentlichen Grundzüge der Kreditverträge mit der Klägerin, die sie selbst unterzeichnet hatten, bekannt waren. Daraus lässt sich im geschäftlichen Verkehr auch der Schluss ziehen, dass sich die Beklagten über die Bedeutung der Unterlagen für eine Valutierung oder Kündigung der Kredite bewusst waren (vgl. LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 265b Rn. 95). Es ist - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - allenfalls ein sehr schwaches Indiz gegen einen bedingten Vorsatz der Beklagten, dass die Valutierung der Darlehen von der Vorlage der Dokumente unabhängig war. Die H.   GmbH und die H.   AG waren unabhängig von der Valutierung kreditvertraglich zur Vorlage von Quartalsberichten und Jahresabschlüssen verpflichtet. Für die Beklagten war somit ohne Weiteres ersichtlich, dass der Klägerin so eine fortlaufende Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaften ermöglicht werden sollte.

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II. Auch eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB kann mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden.

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Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagten hätten bewusst Umsatzerlöse in die Handelsbücher eingebucht, die tatsächlich nicht bestanden, so dass es ihr vor der streitgegenständlichen Valutierung der Kredite nicht möglich gewesen sei, die wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der H.  GmbH und der H.  AG anhand der vorgelegten Unterlagen zu erkennen.

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Angesichts dieses in der Revisionsinstanz als zutreffend zu unterstellenden Vorbringens hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe keinen ausreichenden Vortrag zum Schädigungsvorsatz der Beklagten gehalten und es fehle an der Darlegung, dass die Beklagten billigend in Kauf genommen hätten, die Klägerin werde bei einer ordnungsgemäßen Führung des Buchwerks die Kredite kündigen.

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1. Der Vorsatz, den der Anspruchsteller bei § 826 BGB vorzutragen und zu beweisen hat, enthält ein "Wissens-" und ein "Wollenselement". Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, also die Schädigung des Anspruchstellers, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Die Annahme eines - vorliegend allein in Betracht kommenden - bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Dazu genügt es nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt. Vertraut der Täter darauf, der als möglich vorausgesehene (oder vorauszusehende) Erfolg werde nicht eintreten, und nimmt er aus diesem Grund die Gefahr in Kauf, liegt allenfalls bewusste Fahrlässigkeit vor; dagegen nimmt der bedingt vorsätzlich handelnde Täter die Gefahr deshalb in Kauf, weil er, wenn er sein Ziel nicht anders erreichen kann, es auch durch das unerwünschte Mittel erreichen will (BGH, Urteil vom 20. November 2012 - VI ZR 268/11, ZIP 2013, 27 Rn. 32 mwN). Hinsichtlich der Beweisführung kann sich im Rahmen des § 826 BGB aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. Allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden war. Vielmehr ist immer eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erforderlich (BGH, Urteil vom 20. November 2012 - VI ZR 268/11, ZIP 2013, 27 Rn. 33 mwN).

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2. Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, dass das Berufungsgericht diese Grundsätze berücksichtigt hat. Angesichts der Gesamtumstände besteht auf Basis des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts an der Darlegung einer vorsätzlichen Handlungsweise der Beklagten durch die Klägerin kein Zweifel. Den Beklagten war bei einer Parallelwertung in der Laien-sphäre positiv bewusst, dass durch die Manipulation der Buchführung und der darauf aufbauenden Zahlenwerke Dritte zu Vermögensdispositionen auf fehlerhafter Tatsachengrundlage veranlasst werden können. Insbesondere im Hinblick auf die Klägerin war den Beklagten bekannt, dass diese die fehlerhaften Unterlagen erhalten würde. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Beklagten einen Zusammenhang mit der Valutierung oder Kündigung der Kredite vorgestellt haben. Durch ihr Verhalten haben sie eine Schädigung der Klägerin als Folge ihrer Bilanzmanipulation zumindest billigend in Kauf genommen.

21

III. Ein Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283b Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 StGB scheidet hingegen aus.

22

1. Für § 283b Abs. 1 Nr. 1 StGB fehlt es bereits an einem tauglichen Tatobjekt. Die Klägerin bezieht sich auf eine Manipulation der vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen der H.   AG und der H.   GmbH. Hingegen beziehen sich die Tathandlungen der Vorschrift auf die Handelsbücher, zu deren Führung der Kaufmann gesetzlich verpflichtet ist. Dabei wird an die handels- und gesellschaftsrechtlichen Buchführungspflichten gemäß § 238 Abs. 1, §§ 242, 264 HGB, §§ 150, 152 AktG, §§ 41 ff. GmbHG angeknüpft. Demnach sind Handelsbücher alle fortlaufenden Aufzeichnungen über Geschäftsvorfälle, die dazu bestimmt und geeignet sind, die Handelsgeschäfte und die Lage des Vermögens eines kaufmännischen Unternehmens ersichtlich zu machen. Welche Aufzeichnungen im Einzelfall erforderlich sind, ist gesetzlich nicht abschließend festgelegt und muss nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung bestimmt werden (allgemeine Meinung, vgl. Pöschke in Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 238 Rn. 32; MünchKommStGB/Radtke/Petermann, 2. Aufl., § 283 Rn. 46; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 238 Rn. 1; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 238 Rn. 13 ff.).

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Betriebswirtschaftliche Auswertungen sind kein Teil der Handelsbücher im Sinne von § 238 Abs. 1 HGB. Sie stellen Auswertungen in Form einer strukturierten Zusammenfassung von Zahlen der Finanzbuchhaltung des Unternehmens dar, denen lediglich ein vorläufiger Charakter als Controlling-Instrument zukommt. Ihre konkrete Ausgestaltung ist weder gesetzlich noch in den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung festgelegt (vgl. LG Oldenburg, WM 2001, 2115, 2117; Bösinghaus, Analyse und Auswertung der DATEV-BWA, 3. Aufl., S. 17). Auch Bilanzen, auf die sich die Klägerin ebenfalls bezieht, unterfallen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu den Handelsbüchern nicht dem Tatbestand des § 283b Abs. 1 Nr. 1 StGB.

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2. Dass die Beklagten den Tatbestand des § 283b Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht haben könnten, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass Handelsbücher oder sonstige Unterlagen beiseite geschafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt worden seien. Desgleichen fehlt es an einem Vortrag der Klägerin, der einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur fristgerechten Bilanzierung gemäß § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StGB begründen könnte.

25

3. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin mit der Begründung verneint, dass § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist.

26

a) Die vom Bundesgerichtshof bislang offengelassene Frage, ob § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen ist, wenn ein Außenstehender im Vertrauen auf das ihm zugänglich gemachte, in vom Geschäftsführer zu vertretender Weise unzulängliche Buchwerk zu Vermögensdispositionen - insbesondere zur Gewährung eines Kredits an die Gesellschaft - veranlasst wird und gerade deswegen bei der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen kann, weil diese entgegen dem buchmäßig dargestellten Bild nicht kreditwürdig war (BGH, Urteil vom 13. April 1994 - II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 378 f.), ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

27

aa) Der Bundesgerichtshof hat im Anschluss an das Reichsgericht die handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften nicht als Schutzgesetze zugunsten bestimmter Personen aufgefasst (RGZ 73, 30, 34; BGH, Urteil vom 10. Juli 1964 - Ib ZR 208/62, WM 1964, 1163, 1164), andererseits jedoch auch erwogen, ob etwa im Falle einer Vermögensvermengung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter eine Durchgriffshaftung über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283b StGB in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 12. November 1984 - II ZR 250/83, ZIP 1985, 29, 30; Urteil vom 13. April 1994 - II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 378).

28

bb) Die instanzgerichtliche Rechtsprechung und Teile des Schrifttums verneinen allgemein die Schutzgesetzqualität des § 283b StGB (OLG Hamm, GmbHR 2014, 1044, 1045; OLG Düsseldorf, AG 2011, 31; OLG München, Urteil vom 7. Mai 2008 - 20 U 5630/07, juris Rn. 31; OLG Brandenburg, ZIP 2005, 1073, 1074; KG, NZG 2002, 383, 385; OLG Düsseldorf, OLGR 1994, 66, 67; Kort in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 91 Rn. 188; Krieger/Sailer-Coceani in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 91 Rn. 20; Büteröwe in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 41 GmbHG Rn. 17; Koch in Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl., § 91 Rn. 3; Hölters/Müller-Michaels, AktG, 3. Aufl., § 91 Rn. 12; Schmidt in Ensthaler/Füller/Schmidt, GmbHG, 2. Aufl., § 41 Rn. 42; Alexander in Schwerdtfeger, GesR, 3. Aufl., § 41 GmbHG Rn. 60). Zur Begründung wird angeführt, die Art der Verletzung und des Kreises der geschützten Personen sei nicht hinreichend klar bestimmt. Eine unmittelbare kausale Verknüpfung zwischen Verletzung der Buchführungspflicht und dem geltend gemachten Schaden lasse sich in der Regel nicht feststellen, wie auch nicht, von welchem Augenblick an die mangelhafte Buchführung zu einem allgemeinen Gläubigerschaden geführt habe.

29

cc) Der überwiegende Teil des Schrifttums spricht sich jedoch allgemein für die Einordnung des § 283b StGB als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB aus (MünchKommGmbHG/Fleischer, 2. Aufl., § 41 Rn. 31; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 91 Rn. 28; Fleischer, WM 2006, 2021, 2029; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 41 Rn. 22; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 91 Rn. 11; Paefgen in Ulmer, GmbHG, 2. Aufl., § 41 Rn. 29; Tiedchen in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 41 Rn. 17; Winter/Marx in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 3. Aufl., § 41 Rn. 22; MünchKommBGB/Wagner, 7. Aufl., § 823 Rn. 138; Hager in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 823 Rn. G 42; Hennrichs, Festschrift Kollhosser, 2004, S. 214; Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997, S. 138; Rottkemper, Deliktische Außenhaftung der Leitungsorganmitglieder rechtsfähiger Körperschaften, 1996, S. 73; Canaris, Festschrift Larenz, 1983, S. 73; Verse, ZHR 170 [2006] 398, 417; Biletzki, BB 2000, 521, 524; K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 842; Scholz/Schneider, GmbHG, 12. Aufl., § 43 Rn. 332; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 482). Dabei wird unter anderem auf die spezifische Funktionsstörung der Binnenhaftung nach Eintritt der Insolvenz und die Vergleichbarkeit mit der Durchgriffshaftung der Gesellschafter wegen Vermögensvermischung verwiesen.

30

b) Der Senat folgt der Auffassung, wonach § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist.

31

Das in § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB enthaltene gesetzliche Verbot ist nicht hinreichend konkret, da es an einem bestimmbaren Personenkreis fehlt.

32

Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als Schutzgesetz nur geeignet, soweit das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind (BGH, Urteil vom 27. November 1963 - V ZR 201/61, BGHZ 40, 306, 307). Eine solche Konkretisierung lässt sich indes, soweit es um die allgemeinen Auswirkungen der Verletzung der Buchführungspflicht auf die Gläubigerinteressen geht, in den Fällen der § 283 Abs. 1 Nr. 5-7, § 283b Abs. 1 StGB nicht bejahen. Denn es ist - im Gegensatz zu einem Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht - unmöglich festzustellen, von welchem Augenblick an die mangelhafte Aufstellung einer Bilanz zu einem - allgemeinen - Gläubigerschaden geführt hat (BGH, Urteil vom 13. April 1994 - II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 379).

33

Der Personenkreis muss auch von vornherein durch die Norm geschützt sein. Es genügt deshalb nicht, dass der Kreis der geschützten Personen durch den Zurechnungszusammenhang zwischen Schutzgesetzverletzung und Schaden eingegrenzt werden kann (aA K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 842). Anderenfalls würde jedes Strafgesetz zu einem Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB.

Rechtsbehelfsbelehrung:

34

Gegen das Teilversäumnisurteil kann die säumige Partei innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung dieses Urteils beginnt, schriftlich Einspruch durch eine von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnete Einspruchsschrift beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe (Postanschrift: 76125 Karlsruhe) einlegen.

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