BGH 5. Zivilsenat, Beschluss vom 07.02.2019, V ZB 89/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen V ZB 89/18 (BGH)

vom 7. Februar 2019 (Donnerstag)


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Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4 gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 25. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 35.000 €.

I.

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Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind im Grundbuch in Erbengemeinschaft als Eigentümer zu 1/2-Anteil des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes eingetragen. Die Beteiligten zu 5 und 6 pfändeten den Miterbenanteil des Beteiligten zu 1 und erwirkten die Überweisung des Anteils zur Einziehung. Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 2017 verkauften und übertrugen sie ihn an die Beteiligte zu 4. Unter Vorlage des Erbanteilskaufvertrages haben die Beteiligten zu 4 bis 6 die Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich des Erbanteils des Beteiligten zu 1 beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 11. April 2018 hat das Amtsgericht - Grundbuchamt - die Eintragung u.a. von der Vorlage einer Anordnung des Vollstreckungsgerichts nach § 844, § 857 Abs. 5 ZPO oder einer Genehmigung des Beteiligten zu 1 in der Form des § 29 Abs. 1 GBO abhängig gemacht. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 4 bis 6 ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 4 weiterhin die Aufhebung der Zwischenverfügung und die Eintragung der Erbteilsübertragung in das Grundbuch erreichen.

II.

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Das Beschwerdegericht meint, das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis bestehe, da die Überweisung zur Einziehung nach § 857 Abs. 1, §§ 835 ff. ZPO den Gläubiger nur dazu ermächtige, das Recht des Schuldners aus dem gepfändeten Erbanteil geltend zu machen und alle in dem Recht des Schuldners begründeten, der Befriedigung des Gläubigers dienende Maßnahmen durchzuführen. Eine Veräußerung des Miterbenanteils, sei es durch Versteigerung des Anteils oder - wie hier - durch einen freihändigen Verkauf, sei dagegen nicht schon nach einer Pfändung und Überweisung des Anteils möglich, sondern nur nach einer entsprechenden Anordnung des Vollstreckungsgerichts. Hieran fehle es. Ein Einverständnis des Beteiligten zu 1 mit dem Verkauf liege ebenfalls nicht vor.

III.

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Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Annahme des Grundbuchamtes und des Beschwerdegerichts, die beantragte Eintragung der Erbteilsübertragung auf die Beteiligte zu 4 setze eine entsprechende Anordnung des Vollstreckungsgerichts oder eine (formgerechte) Genehmigung des Beteiligten zu 1 voraus, hält einer rechtlichen Prüfung stand.

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1. Die beantragte Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 22 Abs. 1 GBO scheidet aus, weil es durch den Vertrag vom 29. Dezember 2017 nicht unrichtig geworden ist.

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a) Überträgt ein Miterbe gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB seinen Anteil an dem Nachlass auf einen Dritten und gehört zu dem Nachlass ein Grundstück, wird eine Grundbuchberichtigung erforderlich. Der Erwerber erhält durch die Veräußerung zwar nicht die Miterbenstellung als solche (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 1959 - V BLw 34/59, BGHZ 31, 253, 255). Er tritt aber an Stelle des veräußernden Miterben in dessen vermögensrechtliche Stellung am Nachlass ein. Dies führt hinsichtlich des Eigentums an dem Grundstück zu einer Rechtsänderung, die grundbuchmäßig im Wege der Berichtigung kenntlich gemacht werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1967 - III ZR 73/66, NJW 1969, 92).

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b) Da hier nicht der Beteiligte zu 1, sondern die Beteiligten zu 5 und 6 den Miterbenanteil des Beteiligten zu 1 an die Beteiligte zu 4 übertragen haben, hätte dies nur dann die Unrichtigkeit des Grundbuchs zur Folge, wenn sie zu einer solchen Veräußerung aufgrund der Pfändung und Überweisung des Erbanteils berechtigt gewesen wären. Dies verneint das Beschwerdegericht zu Recht. Die Pfändung und Überweisung des Anteils eines Miterben am Nachlass berechtigt den Vollstreckungsgläubiger nicht dazu, den Erbanteil freihändig zu veräußern. Hierzu bedarf es vielmehr eines gesonderten Beschlusses des Vollstreckungsgerichts, an dem es vorliegend fehlt.

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aa) Der Anteil eines Miterben an dem Nachlass kann gemäß § 859 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 ZPO gepfändet werden. Insoweit handelt es sich um eine Zwangsvollstreckung in ein anderes Vermögensrecht, für die gemäß § 857 Abs. 1 ZPO die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in Forderungen gemäß § 828 ff. ZPO entsprechend gelten. Dies bedeutet, dass der Gläubiger mit der Pfändung ein Pfändungspfandrecht (§ 804 Abs. 1 ZPO) an dem Erbanteil erwirbt, nicht jedoch an den einzelnen Nachlassgegenständen (BGH, Urteil vom 12. Mai 1965 - VIII ZR 86/67, BGHZ 52, 99, 102). Für die Verwertung des gepfändeten Anteils findet § 835 Abs. 1 ZPO Anwendung, d.h., der Anteil wird dem Gläubiger - wie hier den Beteiligten zu 5 und 6 - zur Einziehung überwiesen. Die in der Vorschrift ebenfalls vorgesehene Überweisung an Zahlungs statt scheidet nach allgemeiner Auffassung aus, da es bei einem Erbteil an einem von der Vorschrift vorausgesetzten Nennwert fehlt (vgl. nur Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1690; BeckOK BGB/Lohmann, [1.5.2018], § 2033 Rn. 37).

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bb) Durch eine Überweisung zur Einziehung wird der Gläubiger zu allen im Recht des Schuldners begründeten, der Befriedigung dienenden Maßnahmen ermächtigt. Handelt es sich um eine Geldforderung i.S.d. § 829 Abs. 1 ZPO, darf er im eigenen Namen die Forderung kündigen, einziehen, mit ihr aufrechnen und vor allem auf Leistung an sich klagen (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1978 - VII ZR 219/77, NJW 1978, 1914). Wird dem Gläubiger - wie hier - ein Erbanteil zur Einziehung überwiesen, berechtigt ihn dies dazu, die Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) zu betreiben. Er kann hierzu gemäß § 363 Abs. 2 FamFG bei dem Nachlassgericht einen Antrag auf Vermittlung der Auseinandersetzung durch einen Notar stellen oder auch eine Teilungsklage gemäß § 2042 Abs. 1, §§ 749 ff. BGB gegen die Miterben erheben (vgl. MükoBGB/Gergen, 7. Aufl., § 2033 Rn. 37; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1694 f.; Liermann, NJW 1962, 2189). Der Gläubiger ist zudem nach § 2042 i.V.m. § 753 BGB, § 181 Abs. 2 Satz 1 ZVG berechtigt, zum Zwecke der Gesamtauseinandersetzung selbständig den Antrag auf Teilungsversteigerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1998 - IX ZR 284/97, NJW-RR 1999, 504).

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cc) Die Überweisung der gepfändeten Geldforderung (§ 829 Abs. 1 ZPO) bzw. des gepfändeten Rechts (§§ 857 ff. ZPO) zur Einziehung - hier des Erbanteils - gibt dem Gläubiger jedoch nicht die Befugnis, die Forderung oder das Recht auf einen Dritten zu übertragen.

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(1) Der Pfändungsgläubiger wird bei einer Überweisung zur Einziehung nicht Inhaber der Forderung oder des Rechts; die Inhaberschaft der Forderung oder des Rechts verbleibt vielmehr bei dem Schuldner (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1978 - VII ZR 219/77, NJW 1978, 1914; Urteil vom 8. Oktober 1981 - VII ZR 319/80, BGHZ 82, 28). Deshalb erwirbt der Gläubiger die Verfügungsbefugnis nicht uneingeschränkt. Etwas anderes gilt nur bei einer Überweisung der Forderung an Zahlungs statt zum Nennwert (vgl. § 835 Abs. 1 und 2 ZPO). Bei einer solchen Vorgehensweise steht dem Gläubiger die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über die Forderung zu, er kann sie also insbesondere auch veräußern, trägt auf der anderen Seite aber das Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderung, weil die Vollstreckungsforderung in Höhe des überwiesenen Betrages ungeachtet der Bonität des Drittschuldners als erloschen gilt (§ 835 Abs. 2 ZPO). Abgesehen davon, dass - wie oben geführt - bei der Pfändung eines Erbanteils eine Überweisung an Zahlungs statt von vorneherein ausscheidet, ist der Erbteil des Beteiligten zu 1 den Beteiligten zu 5 und 6 nur zur Einziehung überwiesen worden.

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(2) Möchte der Gläubiger bei einer Überweisung zur Einziehung einer gepfändeten Geldforderung diese veräußern, ergibt sich eine solche Befugnis nicht bereits aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, weil die Veräußerung über eine „Einziehung“ der Forderung hinausgeht. Der Gesetzgeber erkennt aber in § 844 ZPO an, dass es Fallkonstellationen geben kann, in denen eine von § 835 Abs. 1 ZPO abweichende Verwertungsart angezeigt sein kann. Dies ist der Fall, wenn die gepfändete Forderung bedingt oder betagt oder ihre Einziehung wegen der Abhängigkeit von einer Gegenleistung oder aus anderen Gründen mit Schwierigkeiten verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, führt dies aber nicht schon als solches dazu, dass der Gläubiger zu einer anderen Verwertungsart befugt ist, er die Forderung also beispielsweise veräußern darf. Vielmehr bedarf es hierzu eines gesonderten Beschlusses des Vollstreckungsgerichts. Dies beruht darauf, dass sich die Rechtfertigung einer anderweitigen Verwertung nicht nur nach dem Interesse des Gläubigers an der alsbaldigen Befriedigung beurteilt, sondern auch nach dem schutzwürdigen Interesse des Schuldners, der den Pfandgegenstand nicht verschleudert sehen möchte (vgl. Stöber, Forderungspfändung 16. Aufl., Rn. 1466).

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(3) Auch bei der Pfändung und Überweisung eines Erbanteils ist der Gläubiger nur dann zu einer Veräußerung befugt, wenn er von dem Vollstreckungsgericht hierzu durch gesonderten Beschluss ermächtigt ist. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 857 Abs. 5 ZPO, die bei der Pfändung eines Erbteils gemäß § 859 Abs. 2 ZPO anwendbar ist. Hiernach kann die Veräußerung von dem Gericht angeordnet werden, wenn die Veräußerung des Rechts selbst zulässig ist. Die in der Rechtsprechung vereinzelt ohne nähere Begründung vertretene Auffassung, dass der Gläubiger bereits aufgrund der Überweisung des Erbanteils zur Einziehung berechtigt sei, den Anteil freihändig zu veräußern (vgl. OLG Naumburg, FamRZ 2013, 1515; zustimmend wohl Musielak/Voit/Becker, ZPO, 15. Aufl., § 859 Rn. 22; BeckOK BGB/Lohmann, [1.5.2018], § 2033 Rn. 14), findet im Gesetz keine Grundlage (so auch BeckOK ZPO/Riedel, [15.9.2018], § 859 Rn. 33, 35; vgl. auch MüKoZPO/Smid, 5. Aufl., § 859 Rn. 23; MüKoBGB/Gergen, 7. Aufl., § 2033 Rn. 37; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1700; Liermann, NJW 1962, 218).

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2. Bei dieser Sachlage bedarf die Eintragung der Beteiligten zu 4 einer entsprechenden Bewilligung (§ 19 GBO) bzw. einer - gemäß § 185 BGB analog möglichen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 107/10, FGPrax 2010, 223 Rn. 13) - Genehmigung des Beteiligten zu 1 als Berechtigten. Auch hieran fehlt es, so dass die von dem Beschwerdegericht bestätigte Zwischenverfügung des Grundbuchamtes rechtlich nicht zu beanstanden ist.

IV.

14

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 GNotKG.

Stresemann     

      

Schmidt-Räntsch     

      

Weinland

      

Göbel     

      

Haberkamp