BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 23.11.2018, V ZR 331/17

Das Urteil unter dem Aktenzeichen V ZR 331/17 (BGH)

vom 23. November 2018 (Freitag)


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Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 21. November 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

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Die klagende Gemeinde (fortan: die Gemeinde) streitet mit der BVVG, einer Tochtergesellschaft der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (fortan: BvS), und der F.          e.G. (fortan: Genossenschaft) darüber, ob die Eintragungen der BVVG als Eigentümerin eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks und der Genossenschaft als Eigentümerin zweier weiterer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in Thüringen auf die Klägerin zu berichtigen sind. Als „Besitzer“ der Grundstücke waren aufgrund eines Rezesses vom 20. September 1861 eine „Unterschule“, eine „Oberschule (Cantorat)“ und die „Schule zu G.     “ eingetragen. Später wurden die Grundstücke zunächst als Eigentum der Gemeinde und 1956 als Eigentum des Volkes in Rechtsträgerschaft des Rats der Gemeinde gebucht. Aufgrund eines Rechtsträgernachweises vom 27. Dezember 1985 wurde ein Rechtsträgerwechsel auf die LPG (P) „F.         “ vorgenommen und im Bestandsblatt eingetragen. Mit Sammelzuordnungsbescheid vom 18. Juni 1996 wurden die Grundstücke der BVVG zugeordnet. Diese wurde 2003 als Eigentümerin eines der drei Grundstücke in das Grundbuch eingetragen. Als Eigentümerin der beiden anderen Grundstücke wurde 2010 aufgrund einer Auflassung die Genossenschaft eingetragen.

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Auf einen im Oktober 1995 gestellten Restitutionsantrag der Klägerin übertrug die zuständige Zuordnungsbehörde mit Bescheid vom 25. Juni 2010 alle drei Grundstücke auf die Klägerin. Diesen Bescheid hob das Verwaltungsgericht Berlin mit rechtskräftigem Urteil vom 4. September 2014 auf. Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin geltend, die Grundstücke stünden schon kraft Gesetzes in ihrem Eigentum. Sie verlangt von der BVVG und der Genossenschaft Zustimmung zu einer entsprechenden Grundbuchberichtigung.

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Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision möchte die Klägerin weiterhin die Berichtigung der Grundbücher erreichen. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

I.

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Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Grundbücher der drei Grundstücke nicht zu berichtigen. Die Grundstücke gehörten der BVVG und der Genossenschaft, nicht der Klägerin. Diese habe die Klagefrist nach Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB versäumt. Die Frist sei nicht in analoger Anwendung von Art. 237 § 2 Abs. 4 EGBGB bis zur bestandskräftigen Aufhebung des Restitutionsbescheids gehemmt gewesen. Ein Restitutionsverfahren nach Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EinigVtr könne einem Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz jedenfalls deshalb nicht gleichgestellt werden, weil das Vermögenszuordnungsgesetz für die Gebietskörperschaften die ausschließliche Verfahrensvorschrift darstelle und ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung von Art. 237 § 2 Abs. 4 EGBGB nicht bestehe. Die Klägerin sei allerdings nicht gehindert, sich auf ihr Eigentum zu berufen. Damit habe sie jedoch ebenfalls keinen Erfolg. Zwar wäre der Rat der Gemeinde weiterhin Rechtsträger des Volkseigentums gewesen, wenn der Rechtsträgerwechsel auf die LPG (P) „F.         “ unwirksam gewesen sein sollte. Das sei aber nicht der Fall, da sich die Wirksamkeit des Rechtsträgerwechsels allein nach der Rechtsträgeranordnung vom 7. Juli 1969 und nicht zusätzlich nach der Anordnung über die Übertragung volkseigener unbeweglicher Grundmittel an sozialistische Genossenschaften vom 11. Oktober 1974 richte und die in der Rechtsträgeranordnung vorgesehenen Voraussetzungen eingehalten worden seien.

II.

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Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

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1. Die uneingeschränkt eingelegte Revision der Klägerin ist entgegen der Ansicht der BVVG unbeschränkt zugelassen und auch im Übrigen zulässig.

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a) Die Beschränkung einer - wie hier - in der Urteilsformel uneingeschränkt ausgesprochenen Zulassung der Revision kann sich zwar aus den Urteilsgründen ergeben, wenn dort eine als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage aufgeführt wird. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die Rechtsfrage auf einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs bezieht (Senat, Urteil vom 20. Juli 2018 - V ZR 130/17, GRUR 2018, 1280 Rn. 8; BGH, Urteil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, WM 2014, 1546 Rn. 11) und sich der Wille des Berufungsgerichts zur Beschränkung der Zulassung hinreichend klar und deutlich aus der Benennung der Rechtsfrage ergibt (vgl. Senat, Urteil vom 14. September 2018 - V ZR 12/17, ZfIR 2018, 766 Rn. 39; BGH, Beschluss vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 9-11).

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b) An beidem fehlt es hier. Das Berufungsgericht hat die Revision „zwecks Klärung der Frage zugelassen, ob ein Rückübertragungsverfahren nach Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i. V. m. Art. 21 Abs. 3 EinigVtr ebenso zu einer Hemmung der Ausschlussfrist des Art. 237 § 2 Abs. 4 Satz 2 EGBGB führt wie ein Verfahren nach dem Vermögensgesetz für den Fall, dass überhaupt zu bejahen wäre, dass die Klägerin als staatliche Stelle neben dem Rückübertragungsverfahren und den materiellen Abwicklungsvorschriften von Volkseigentum sich im Sinne von Art. 237 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB auf die Unrichtigkeit des Grundbuchs berufen kann“. Damit wird schon kein abtrennbarer Teil des Streitstoffs beschrieben. Diese Passage spricht nur ein Element des Grundbuchberichtigungsanspruchs an, über das nicht selbständig entschieden werden könnte.

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2. Das Rechtsmittel der Klägerin hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Grundbuchberichtigungsklage ist unbegründet.

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a) Der Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB setzt voraus, dass die Eintragung der BVVG und der Genossenschaft als Eigentümerinnen der drei Grundstücke mit der wirklichen Rechtslage nicht in Übereinstimmung steht und in Wirklichkeit die Klägerin Eigentümerin dieser Grundstücke ist. Für das Eigentum der BVVG und der Genossenschaft streitet nach § 891 Abs. 1 BGB eine gesetzliche Vermutung, weil sie als Eigentümerinnen im Grundbuch eingetragen sind. Der Erfolg der Grundbuchberichtigungsklage hängt deshalb nach § 292 ZPO davon ab, dass die Klägerin diese Vermutung widerlegt und darlegt und beweist, dass sie selbst Eigentümerin dieser Grundstücke ist.

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b) Die für das Eigentum der BVVG streitende Vermutung hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht als nicht widerlegt angesehen. Nach seinen Feststellungen und dem für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Vortrag der Klägerin insbesondere zu dem Rechtsträgerwechsel von 1985 ist die BVVG zu Recht als Eigentümerin des einen der drei Grundstücke im Grundbuch eingetragen.

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aa) Fehler bei der Überführung der drei, nach dem ursprünglichen Inhalt des Grundbuchs der Finanzierung der darin als „Besitzer“ eingetragenen kirchlichen Schulen dienenden, Grundstücke in staatliches Eigentum stellen das Eigentum der BVVG nicht infrage. Am 3. Oktober 1990 waren alle drei Grundstücke als Eigentum des Volkes in Rechtsträgerschaft der LPG (P) „F.      “ gebucht. Selbst wenn diese Buchung sachlich falsch gewesen sein sollte, wäre staatliches Eigentum aufgrund von Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB entstanden. Nach dieser Vorschrift erwirbt nämlich die nach den Vorschriften über die Abwicklung des Volkseigentums berechtigte juristische Person des öffentlichen oder des Privatrechts das Eigentum an Grundstücken, die vor dem 3. Oktober 1990 zu Unrecht als Eigentum des Volkes gebucht worden sind, wenn der bisherige Rechtsträger - das wären dann die zuständigen kirchlichen Stellen - bis zum Ablauf des 30. September 1998 weder eine Klage rechtshängig gemacht noch die Eintragung eines Widerspruchs erwirkt hat. So liegt es hier. Kirchliche Rechtsträger haben das Entstehen staatlichen Eigentums ausweislich des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. September 2014 (VG 29 K 124.14 Umdruck Seite 9 - Anlage K 2) nicht in Frage gestellt.

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bb) Unerheblich ist auch, ob die Grundstücke der Gemeinde G.        , die 1956 als Eigentümerin eingetragen war, durch Umbuchung auf Eigentum des Volkes in Rechtsträgerschaft des Rats der Gemeinde G.         zu Unrecht entzogen worden sind.

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(1) Die damals bestehenden Gemeinden und damit auch die damals bestehende Gemeinde G.       sind durch §§ 28, 49 des Gesetzes vom 18. Januar 1957 (GBl. I S. 65) als rechtlich selbstständige, mit Selbstverwaltungskompetenz ausgestattete kommunale Gebietskörperschaften aufgehoben und durch die Räte der Kommunen als zur Ausübung der Rechtsträgerschaft an Volkseigentum rechtsfähigen Verwaltungseinheiten ersetzt worden. Bei der Wiederherstellung der kommunalen Selbstverwaltung hätte der Gesetzgeber in Anlehnung an die im Vermögensgesetz für die enteigneten Unternehmen gewählte Lösung (vgl. § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG - sogenannte Lazarus-Lösung) ein Wiederaufleben der früheren Kommunen anordnen können. Er hat sich mit §§ 1, 11 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl. I S. 255) demgegenüber dafür entschieden, die bestehenden Räte der Städte und Kommunen kraft Gesetzes durch neue, rechtlich selbstständige, mit kommunaler Selbstverwaltung ausgestattete Gebietskörperschaften zu ersetzen.

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(2) Diesen neu gegründeten Gebietskörperschaften ist nicht das Vermögen der ursprünglich bestehenden kommunalen Gebietskörperschaften zu Eigentum übertragen worden. Vielmehr bestimmte § 1 des Kommunalvermögensgesetzes vom 6. Juli 1990 (GBl. I S. 660), dass ihnen volkseigenes Vermögen, das kommunalen Aufgaben und kommunalen Dienstleistungen dient, kostenlos übertragen wird. Mit Art. 21 und 22 EinigVtr und der Maßgabe zum Kommunalvermögensgesetz in Anlage II Kapitel IV Abschnitt III Nr. 1 EinigVtr hat der Gesetzgeber später einerseits präzisiert, dass den 1990 neu gegründeten Kommunen kraft Gesetzes nur das unmittelbar ihren Verwaltungsaufgaben dienende Vermögen sowie das zur Wohnungsversorgung genutzte ehemals volkseigene Vermögen in der Rechtsträgerschaft der ehemals volkseigenen Betriebe der Wohnungswirtschaft übertragen werden soll. Andererseits hat er mit Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EinigVtr bestimmt, dass Vermögenswerte, die dem Zentralstaat oder den Ländern und Gemeinden von einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts entgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind, an diese Körperschaft oder ihre Rechtsnachfolgerin unentgeltlich zurückzuübertragen sind (sog. Restitutionsanspruch der Kommunen).

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(3) Mit dem Anspruch auf Grundbuchberichtigung gemäß § 894 BGB können die heute bestehenden Gemeinden die Berichtigung der Bücher nur für die Grundstücke verlangen, die ihnen durch die Vorschriften über die Abwicklung des Volkseigentums kraft Gesetzes übertragen worden sind. Den Restitutionsanspruch können die Kommunen im Grundbuchberichtigungsverfahren dagegen nicht geltend machen. Es handelt sich bei diesem Restitutionsanspruch um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, der bei der zuständigen Zuordnungsbehörde innerhalb der dafür bestimmten Fristen, nach § 7 Abs. 3 VZOG i.V.m. § 1 der Antragsfristverordnung vom 14. Juni 1994 (BGBl. I S. 1265) bis zum Ablauf des 31. Dezember 1995 geltend gemacht werden muss und über den durch einen Zuordnungsbescheid nach § 11 VZOG zu entscheiden ist. Eine Geltendmachung des Restitutionsanspruchs der Kommunen vor den ordentlichen Gerichten ist ausgeschlossen.

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cc) Die aufgrund ihrer Eintragung als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch für das Eigentum der BVVG an dem Grundstück streitende Vermutung gemäß § 891 BGB kann die Klägerin deshalb nur durch den Nachweis widerlegen, dass ihr das Grundstück nach ihrer Neugründung am 17. Mai 1990 als Eigentum kraft Gesetzes übertragen worden ist und dass sich an ihrem Eigentum nichts geändert hat. Dieser Nachweis ist der Klägerin nicht gelungen.

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(1) Das ergibt sich allerdings entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht schon daraus, dass die Klägerin die Klagefrist nach Art. 237 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB versäumt hat. Diese Vorschrift ist im Verhältnis von Abwicklungsprätendenten untereinander - hier im Verhältnis der Klägerin zur BVVG - nicht anwendbar.

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(a) Die Vorschrift setzt nämlich voraus, dass vor dem 3. Oktober 1990 nicht nur Eigentum des Volkes eingetragen worden ist, sondern auch, dass das Volkseigentum tatsächlich nicht entstanden ist. Tatsächlich nicht entstanden ist Volkseigentum aber nur, wenn das Grundstück bei der Eintragung von Eigentum des Volkes nicht dem Staat gehörte, sondern in Privateigentum stand. Sie ist dagegen nicht anwendbar, wenn staatliches Eigentum tatsächlich entstanden ist und zwischen den staatlichen Eigentumsprätendenten Streit darüber besteht, wem das Grundstück kraft Gesetzes übertragen worden ist und heute noch gehört. Das ergibt sich schon aus der in der Vorschrift bestimmten Rechtsfolge. Die Versäumung der Klagefrist durch den wahren privaten Eigentümer führt nämlich, wie dargelegt, dazu, dass diejenige juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts Eigentum an dem Grundstück erlangt, der es nach den Vorschriften über die Abwicklung des ehemals volkseigenen Vermögens tatsächlich kraft Gesetzes übertragen worden ist.

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(b) Dagegen sieht Art. 237 § 2 EGBGB nicht vor, dass ein vermeintlicher Abwicklungsberechtigter das Eigentum an einem Grundstück, das ihm nach den Vorschriften des Zuordnungsrechts nicht zugeordnet oder zu übertragen wäre, dadurch erwirbt, dass der wahre Abwicklungsberechtigte die Klagefrist versäumt. Eine solche Regelung wäre auch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift und ihrer Entstehungsgeschichte nicht in Einklang zu bringen.

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(aa) Die Vorschrift ist geschaffen worden, weil sich herausgestellt hatte, dass den zuständigen Stellen der DDR bei der Überführung von Grundstücken in Volkseigentum in erheblichem Umfang Fehler unterlaufen waren, und deshalb flächendeckend Unsicherheit darüber bestand, ob als Volkseigentum gebuchte Grundstücke tatsächlich Volkseigentum waren und bei welchen Grundstücken sich diese Problematik ergab. Nachdem der Senat eine Entstehung von Volkseigentum im Wege der Ersitzung nach § 900 BGB nach dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs der DDR am 1. Januar 1976 gemäß § 11 Abs. 1 GBVerfO verneint hatte (Urteile vom 29. März 1996 - V ZR 326/94, BGHZ 132, 245, 254 ff. und vom 11. Juli 1997 - V ZR 313/95, BGHZ 136, 228, 234 ff.), entschloss sich der Gesetzgeber, die entstandene Unsicherheit durch die als Art. 237 § 1 EGBGB Gesetz gewordene Bestandsschutzregelung und durch die an die Vorschriften über die Buchersitzung angelehnte Regelung über eine Ausschlussfrist in Art. 237 § 2 EGBGB zu beheben (BT-Drucks. 13/7275 S. 33 ff.).

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(bb) Nach der zuletzt genannten Regelung soll aus dem nur vermeintlich entstandenen ehemaligen Volkseigentum bürgerlich-rechtliches Eigentum werden, das kraft Gesetzes nach den Vorschriften des Zuordnungsrechts auf die berechtigten öffentlichen und privaten Rechtsträger verteilt wird, wenn der wirkliche Berechtigte eine Klagefrist versäumt hat. Mit Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB soll nur das Substrat der Zuordnung gesichert, in die darin vorgesehene Verteilung des ehemaligen Volkseigentums aber nicht eingegriffen werden. Deshalb soll nach Ablauf der Klagefrist nicht diejenige juristische Person des öffentlichen oder des Privatrechts Eigentum erwerben, die aufgrund einer Berichtigung gemäß § 22 GBO oder eines Zuordnungsbescheids als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist, sondern die nach Vorschriften des Zuordnungsrechts sachlich berechtigte juristische Person. Wer das nachträglich entstandene, zuordnungsfähige Eigentum erwirbt, richtet sich damit ausschließlich nach Zuordnungsrecht. Das schließt eine Anwendung von Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB im Verhältnis der Abwicklungsberechtigten untereinander aus.

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(cc) Zu diesen Abwicklungsberechtigten gehört hier auch die BVVG. Abwicklungsberechtigt sind nicht nur die juristischen Personen des öffentlichen oder des Privatrechts, denen das ehemalige Volkseigentum nach den Vorschriften des Zuordnungsrechts zugeordnet oder zu übertragen ist, sondern auch Kapitalgesellschaften, deren Anteile einer oder mehreren Gebietskörperschaften oder der BvS zustehen und denen ein zugeordneter Vermögenswert nach § 7 Abs. 5 VZOG übertragen worden ist. Sie treten nämlich mit der Übertragung durch Zuordnungsbescheid in die Rechtsstellung der unmittelbar zuordnungsberechtigten Stellen ein. Das wird etwa darin deutlich, dass die übertragenen Vermögenswerte nach § 7 Abs. 5 Satz 2 VZOG weiterhin der Restitution an berechtigte Kommunen nach Art. 21 Abs. 3 und Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EinigVtr unterliegen. Diese Voraussetzungen liegen hier auch bei der BVVG vor.

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(dd) Dem Abwicklungsberechtigten, dem das Grundstück aufgrund der Vorschriften über die Abwicklung des ehemaligen Volkseigentums kraft Gesetzes zugefallen ist, könnte das Eigentum an dem Vermögenswert aufgrund eines Restitutionsanspruchs einer Kommune auch nach einem Erwerb nach Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB wieder entzogen werden, wenn der Anspruch rechtzeitig angemeldet worden ist. Darüber haben aber, wie bereits dargelegt, allein die Zuordnungsbehörden und die Verwaltungsgerichte zu entscheiden. Eine Geltendmachung vor den Zivilgerichten ist ausgeschlossen. Eine Grundbuchberichtigung gemäß § 894 BGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Grundbuch erst dann unrichtig wird, wenn der Vermögenswert durch einen Restitutionsbescheid nach § 11 VZOG der Kommune übertragen worden ist. Hier kommt dieser Fall schon deshalb nicht mehr infrage, weil über den Restitutionsanspruch der Klägerin durch Aufhebung des Restitutionsbescheids vom 25. Juni 2010 rechtskräftig entschieden worden ist.

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(c) Richtet sich der Rechtserwerb der BVVG aber allein nach Zuordnungsrecht, kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB vorliegen. Es ist deshalb auch unerheblich, ob die Klagefrist in analoger Anwendung von Art. 237 § 2 Abs. 4 EGBGB durch ein Restitutionsverfahren nach § 11 VZOG gehemmt gewesen wäre.

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(2) Ein Grundbuchberichtigungsanspruch der Klägerin ist auch nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil der BVVG das Eigentum an dem Grundstück durch einen Zuordnungsbescheid übertragen worden ist.

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(a) Ein Zuordnungsbescheid schließt im Grundsatz den Grundbuchberichtigungsanspruch anderer Abwicklungsberechtigter gemäß § 894 BGB materiell-rechtlich nicht aus. Er stellt nämlich normalerweise nur fest, welchem Abwicklungsberechtigten welcher Vermögenswert nach den Vorschriften des Zuordnungsrechts kraft Gesetzes zugefallen ist. Er hat nur deklaratorische Wirkung und ändert an der Eigentumslage nichts. Die an dem Zuordnungsverfahren beteiligten Abwicklungsberechtigten sind allerdings in aller Regel prozessual daran gehindert, einen etwa bestehenden Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB geltend zu machen. Der Zuordnungsbescheid wirkt nämlich nach § 2 Abs. 3 VZOG für und gegen alle an dem Verfahren Beteiligten. Diese Wirkung kann nur im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen den Zuordnungsbescheid oder im Wege eines Änderungsantrags gemäß § 2 Abs. 5 VZOG in Verbindung mit den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes beseitigt oder geändert werden. Wegen der Bindungswirkung fehlt einer Grundbuchberichtigungsklage des im Zuordnungsverfahren unterlegenen Abwicklungsberechtigten in aller Regel das Rechtsschutzinteresse (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 14. Juli 1995 - V ZR 39/94, VIZ 1995, 592, 593 r. Sp.). Dass die Klägerin an dem Zuordnungsverfahren, das dem Sammelzuordnungsbescheid vom 18. Juni 1996 vorausgegangen ist, beteiligt gewesen und deswegen nach § 2 Abs. 3 VZOG an den Bescheid gebunden wäre, ist allerdings nicht festgestellt. Für das Revisionsverfahren ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin an dem Verfahren nicht beteiligt war und deshalb nicht aus prozessualen Gründen gehindert ist, einen etwa bestehenden Grundbuchberichtigungsanspruch geltend zu machen.

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(b) Ein Grundbuchberichtigungsanspruch der Klägerin ist auch nicht auf Grund der Gestaltungswirkung des Bescheids vom 18. Juni 1996 ausgeschlossen.

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(aa) Zuordnungsbescheide mit Gestaltungswirkung schließen allerdings den Grundbuchberichtigungsanspruch anderer Abwicklungsberechtigter gemäß § 894 BGB aus. Sie stellen nämlich das Eigentum des begünstigten Abwicklungsberechtigten nicht nur fest, sondern ändern die gesetzliche Eigentumszuordnung nach den Vorschriften des Zuordnungsrechts. Sie übertragen mit konstitutiver Wirkung das Eigentum an dem fraglichen Vermögenswert auf den Begünstigten. Diese Umgestaltung der Eigentumslage können andere Abwicklungsberechtigte nur durch eine Anfechtung oder Änderung des Zuordnungsbescheids im Verwaltungswege rückgängig machen. Ein Grundbuchberichtigungsanspruch scheidet in diesem Fall ohne eine entsprechende Änderung schon materiell-rechtlich aus. Uneingeschränkt gilt das im Verhältnis von Abwicklungsberechtigten untereinander aber nur für Restitutionsbescheide nach § 11 VZOG, für die Übertragung von Grundstücken für kommunale Vorhaben gemäß § 10 VZOG und für Zuordnungsbescheide, die aufgrund einer Einigung der Beteiligten eine von den Zuordnungsvorschriften abweichende Eigentumszuordnung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG vornehmen.

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(bb) Zu diesen Zuordnungsbescheiden mit Gestaltungswirkung gehört der Sammelzuordnungsbescheid zugunsten der BVVG vom 18. Juni 1996 nicht. Die BVVG ist keine juristische Person des öffentlichen oder des Privatrechts, der durch die Vorschriften des Zuordnungsrechts kraft Gesetzes ehemaliges Volkseigentum oder nach Art. 237 § 2 EGBGB nachträglich entstandenes zuordnungsfähiges Vermögen übertragen worden ist. Die Übertragung des Grundstücks, das die Klägerin von ihr zurückverlangt, beruht vielmehr auf § 7 Abs. 5 Satz 1 VZOG. Nach dieser Vorschrift können originär Gebietskörperschaften oder der BvS zugeordnete Vermögenswerte durch Zuordnungsbescheid auf Kapitalgesellschaften übertragen werden, deren Anteile - wie hier bei der BVVG - einer oder mehreren Gebietskörperschaften oder der BvS zustehen. Eine solche Übertragung hat eine eingeschränkte Gestaltungswirkung. Sie soll der Kapitalgesellschaft - funktionell als Ersatz für die sonst erforderliche Auflassung - einen Vermögenswert - hier das Grundstück - übertragen, der nach den Vorschriften des Zuordnungsrechts einer Gebietskörperschaft oder der BvS zugefallen ist.

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Die Gestaltungswirkung solcher Bescheide erschöpft sich aber in der funktionellen Ersetzung der Auflassung. Nach § 7 Abs. 5 Satz 2 VZOG bleiben die der Kapitalgesellschaft nach § 7 Abs. 5 Satz 1 VZOG übertragenen Vermögenswerte weiterhin Gegenstand einer Restitution nach Maßgabe von Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EinigVtr. Jedenfalls die an dem einem solchen Bescheid vorausgegangenen Zuordnungsverfahren nicht beteiligten Abwicklungsberechtigten können in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 5 Satz 2, § 2 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 3 VZOG auch nach Erlass des Zuordnungsbescheids ihr Eigentum an dem der Kapitalgesellschaft zugeordnete Vermögenswert geltend machen. Eine Zuordnung nach § 7 Abs. 5 Satz 1 VZOG hat nicht den Zweck, das Zuordnungsrecht in der Sache zu ändern. Den Gebietskörperschaften und der BvS soll lediglich die Möglichkeit gegeben werden, ohne eine kostenträchtige Auflassung Zuordnungsvermögen auf eine Kapitalgesellschaft zu übertragen. Die Kapitalgesellschaft tritt damit in die Rechtsstellung der zuordnungsberechtigten Gebietskörperschaft oder der BvS ein. Eine weitergehende Gestaltungswirkung könnte einem solchen Zuordnungsbescheid nur zukommen, wenn die anderen Abwicklungsberechtigten an den seinem Erlass vorausgegangenen Zuordnungsverfahren beteiligt worden sind, wovon hier, wie ausgeführt, nicht auszugehen ist. Für das Revisionsverfahren ist hier deshalb davon auszugehen, dass der Zuordnungsbescheid zugunsten der BVVG einen Grundbuchberichtigungsanspruch der Klägerin nicht ausschließt.

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(3) Ein solcher Grundbuchberichtigungsanspruch besteht aber nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht. Die Klägerin kann nämlich nicht auf schlüssigen Vortrag verweisen, aus dem sich ergibt, dass sie bei Erlass des Sammelzuordnungsbescheids vom 18. Juni 1996 noch Eigentümerin des heute als Eigentum der BVVG eingetragenen Grundstücks war.

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(a) Zweifelhaft ist schon, ob die Klägerin nach ihrer Neugründung durch das Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl. I S. 255) am 17. Mai 1990 aufgrund von § 2 Abs. 1 Buchstabe c des Kommunalvermögensgesetzes (KVG) überhaupt Eigentum an ehemals volkseigenen Grundstücken erwerben konnte, die bei Inkrafttreten des Kommunalvermögensgesetzes am 20. Juli 1990 weder als ehemaliges Volkseigentum in der Rechtsträgerschaft des früheren Rates der Kommune gebucht noch von der Kommune genutzt waren. Denn die Kommunen sollten nach § 1 Satz 1 KVG mit dem volkseigenen Vermögen ausgestattet werden, das kommunalen Aufgaben und kommunalen Dienstleistungen diente. Dazu gehören LPG-genutzte ehemals volkseigene Grundstücke nicht, mag der 1985 vollzogene Rechtsträgerwechsel auch rechtlich zu beanstanden sein. Zweifelhaft ist auch, ob der Rechtsträgerwechsel von dem ehemaligen Rat der Gemeinde auf die LPG (P) „F.       “ fehlerhaft war. Einen Verstoß gegen die Rechtsträgeranordnung lässt die von der Klägerin vorgelegte Kopie des Rechtsträgernachweises nicht erkennen. Ein Nutzungsvertrag, dessen Fehlen die Klägerin beanstandet, war nach § 3 Abs. 2 Buchstabe c der Anordnung über die Rechtsträgerschaft an volkseigenen Grundstücken (vom 7. Juli 1969, GBl. II S. 433, in der Fassung von § 9 Abs. 3 der Anordnung vom 11. Oktober 1974, GBl. I S. 489) jedenfalls nicht erforderlich, da ehemals volkseigene Grundstücke nach § 1 der Anordnung vom 11. Oktober 1974 i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung über den Verkauf und Kauf volkseigener unbeweglicher Grundmittel durch Betriebe der volkseigenen Wirtschaft (vom 28. August 1968, GBl. II S. 797) nicht als Grundmittel im Sinne der Verordnung und damit auch nicht im Sinne der Anordnung von 1974 galten. Das bedarf jedoch keiner Vertiefung.

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(b) Ein etwaiger Rechtserwerb der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Buchstabe c KVG wäre jedenfalls später, nämlich durch den gesetzlichen Eigentumserwerb der BvS aufgrund des am 4. September 1990 in Kraft getretenen § 3 der Dritten Durchführungsverordnung zum Treuhandgesetz (vom 29. August 1990, GBl. I S. 1333, fortan - 3. DVO z. TreuhG) und durch die Maßgabe zum Kommunalvermögensgesetz in Anlage II Kapitel IV Abschnitt III Nr. 2 Buchstabe a des Einigungsvertrags, hinsichtlich der Grundstücke, um die es hier geht, überholt worden. Nach § 3 der 3. DVO z. TreuhG sind der damaligen Treuhandanstalt - der heutigen BvS - die „Eigentumsrechte an den volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen (Grundstücke), die sich im Besitz von Genossenschaften oder Einzelpersonen befinden“, übertragen worden. Dieser gesetzliche Eigentumsübergang auf die BvS geht nach der genannten Maßgabe zum Einigungsvertrag in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr einem etwaigen Eigentumserwerb von Kommunen und damit auch der Klägerin vor. Denn danach ist den Kommunen nur das ihren Verwaltungsaufgaben unmittelbar dienende Vermögen (Verwaltungsvermögen) und das sonstige Vermögen (Finanzvermögen) in Übereinstimmung mit, soweit hier von Interesse, den Art. 21 und 22 EinigVtr zu übertragen.

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c) Auch für das Eigentum der Genossenschaft streitet aufgrund von deren Eintragung im Grundbuch die Eigentumsvermutung des § 891 BGB; deren Widerlegung ist der Klägerin ebenfalls nicht gelungen.

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aa) Wer auf welcher Grundlage der Genossenschaft die beiden Grundstücke aufgelassen hat, als deren Eigentümerin sie eingetragen ist, und weshalb dieser Erwerb auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs unwirksam sein soll, ist nicht festgestellt. Die Klägerin verweist auch nicht auf entsprechenden Vortrag. Die Unwirksamkeit dieses rechtsgeschäftlichen Erwerbs lässt sich auch nicht allein daraus ableiten, dass die Buchung der LPG (P) „F.          “ als Rechtsträger der beiden Grundstücke an einem Mangel leidet. Denn auch die Angaben im Grundbuch, an die § 8 VZOG eine gesetzliche Verfügungsbefugnis knüpft, nehmen am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teil (Senat, Urteile vom 19. Juni 1998 - V ZR 356/96, VIZ 1998, 519, 521, vom 23. Januar 2004 - V ZR 205/03, VIZ 2004, 362, 363 und vom 5. Mai 2006 - V ZR 236/05, NJW-RR 2006, 1242 Rn. 27).

37

bb) Das bedarf aber keiner Vertiefung. Aus den für das Grundstück der BVVG angeführten Gründen ist die Klägerin nämlich auch nicht kraft Gesetzes Eigentümerin der Grundstücke geworden, die heute im Grundbuch als Eigentum der Genossenschaft ausgewiesen sind.

III.

38

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann     

      

Schmidt-Räntsch     

      

Kazele

      

Haberkamp     

      

Hamdorf