BGH 12. Zivilsenat, Beschluss vom 19.12.2018, XII ZB 53/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen XII ZB 53/18 (BGH)

vom 19. Dezember 2018 (Mittwoch)


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Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 30. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 12. Januar 2018 wird auf Kosten der Antragstellerin verworfen.

Wert: 11.069 €

I.

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Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist.

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Die Antragstellerin macht Schadensersatzansprüche gegen ihren früheren Ehemann, den Antragsgegner, geltend. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 11. Juli 2017 abgewiesen. Auf dem von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin an das Amtsgericht zurückgesandten Empfangsbekenntnis ist als Zustelldatum des Beschlusses der 25. Juni 2017 vermerkt. Die Antragstellerin hat am 27. Juli 2017 Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegt. Das Beschwerdegericht hat mit Verfügung vom 4. August 2017 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde verspätet eingegangen sei, und zu diesem Hinweis eine Frist zur Stellungnahme gewährt. In einem von einem Kanzleiangestellten der urlaubsabwesenden Verfahrensbevollmächtigten auf deren Anweisung verfassten und mit dem Zusatz "i.A." unterzeichneten Schreiben vom 29. August 2017 ist mitgeteilt, dass der Beschluss des Amtsgerichts erst am 25. Juli 2017 bei der Verfahrensbevollmächtigten eingegangen sei. In dem Schreiben ist des Weiteren beantragt worden, "die Stellungnahmefrist (…) um 3 Wochen, also spätestens bis 20.09.2017, zu verlängern". Das Beschwerdegericht hat mit Schreiben des Vorsitzenden vom 29. August 2017 bestätigt, dass der Beschluss des Amtsgerichts denknotwendig erst im Juli 2017 an die Verfahrensbevollmächtigte zugestellt worden sein konnte, so dass die Beschwerde fristgerecht eingelegt worden sei. Ferner hat es "auf Antrag der Rechtsanwältin (…) vom 29.08.2017 die Beschwerdebegründungsfrist antragsgemäß verlängert".

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Die Beschwerdebegründung ist am 13. Oktober 2017 beim Beschwerdegericht eingegangen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Antragstellerin verworfen und deren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

II.

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Die gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Verfahrensbeteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 257/14 - FamRZ 2015, 135 Rn. 9 mwN).

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1. Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Beschwerdebegründung der Antragstellerin verspätet eingegangen ist. Denn durch die Verfügung vom 29. August 2017 ist die Beschwerdebegründungsfrist nicht verlängert worden.

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Für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung ist der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich, die an die die Fristverlängerung beantragende Partei gerichtet ist (vgl. BGH Beschluss vom 8. April 2015 - VII ZB 62/14 - NJW 2015, 1966 Rn. 12 mwN). Mit einer "antragsgemäßen" Verlängerung macht das Beschwerdegericht den Verlängerungsantrag zum Inhalt der Fristverlängerung selbst (vgl. BGH Beschluss vom 2. Juni 2016 - III ZB 13/16 - juris Rn. 7 mwN).

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Nach diesen Maßgaben ist die Verfügung des Vorsitzenden vom 29. August 2017 dahin zu verstehen, dass die Frist zur Stellungnahme auf den gerichtlichen Hinweis vom 4. August 2017 bis zum 20. September 2017 verlängert worden ist. Der Schriftsatz vom 29. August 2017 enthielt den ausdrücklichen Antrag, "die Stellungnahmefrist um 3 Wochen, also spätestens bis 20.09.2017" zu verlängern. Allein darauf bezog sich mithin die "antragsgemäße Verlängerung" in der gerichtlichen Verfügung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Vorsitzende auf Grund eines Schreibversehens die "Beschwerdebegründungsfrist" verlängert hat. Denn es ist lediglich ein Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist zu dem gerichtlichen Hinweis gestellt worden, nicht dagegen ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist.

9

Selbst wenn aber - über den Antrag hinausgehend - eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist ausgesprochen worden wäre, hätte diese sich nur auf die beantragte Dauer bis zum 20. September 2017 bezogen und wäre wegen der ohnehin bis zum 25. September 2017 laufenden gesetzlichen Frist gegenstandslos gewesen.

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2. Das Beschwerdegericht hat der Antragstellerin auch zu Recht gemäß § 117 Abs. 5 FamFG iVm § 233 ZPO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist versagt, weil eine unverschuldete Fristversäumung nicht dargetan ist.

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a) Der Antrag auf Fristverlängerung unterliegt gemäß § 114 Abs. 1 FamFG dem Anwaltszwang (vgl. BGHZ 93, 300 = NJW 1985, 1558, 1559). Der Antrag konnte daher vom Kanzleiangestellten der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bereits nicht wirksam gestellt werden, was der Verfahrensbevollmächtigten bekannt sein musste. Der Antragstellerin ist nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten zuzurechnen. Da diese den Antrag ihrem Kanzleiangestellten überließ, ist es nicht ausschlaggebend, ob dieser - wie von ihr dargelegt - einen weitergehenden Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist hätte verfassen und an das Beschwerdegericht absenden sollen. Denn ein solcher Antrag hätte nur von der Rechtsanwältin selbst gestellt werden können und wäre mithin nicht wirksam gewesen.

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b) Auf einen vom Gericht gesetzten Vertrauenstatbestand kann sich die Antragstellerin ebenfalls nicht berufen. Die vom zuständigen Senatsvorsitzenden bewilligte Fristverlängerung hätte die Verfahrensbevollmächtigte selbst bei wörtlichem Verständnis nur auf ihren Antrag vom 29. August 2017 beziehen können. Nur dieser war gestellt worden. Da der Antrag aber bereits in zeitlicher Hinsicht beschränkt war und in dieser Form keine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist ergeben konnte, bestand insoweit für ein schützenswertes Vertrauen schon keine Grundlage.

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Daraus ergibt sich zugleich, dass auch eine Auskunft der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts zu einem Fristablauf am 16. Oktober 2017 abgesehen von der insoweit nicht ersichtlichen richterlichen Fristverlängerung (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 1993 - XII ZB 157/93 - FamRZ 1994, 302, 303 mwN; BGH Beschluss vom 15. Oktober 2003 - VIII ZB 39/03 - BGHReport 2004, 270, 271 mwN; BGH Beschluss vom 22. Oktober 1997 - VIII ZB 32/97 - NJW 1998, 1155, 1156 mwN) kein schützenswertes Vertrauen hätte begründen können. Denn der Verfahrensbevollmächtigten hätte zumindest bekannt sein müssen, dass ein entsprechender Antrag schon nicht gestellt worden war.

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Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird nach § 577 Abs. 6 ZPO iVm § 564 ZPO abgesehen.

Dose     

      

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