BGH 12. Zivilsenat, Beschluss vom 17.04.2019, XII ZB 570/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen XII ZB 570/18 (BGH)

vom 17. April 2019 (Mittwoch)


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Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts ohne Beteiligung des Verfahrenspflegers

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Passau vom 12. November 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

I.

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Der Betroffene wendet sich gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in Vermögensangelegenheiten.

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Für den Betroffenen wurde erstmals im Januar 2004 eine Betreuung eingerichtet. Mit Beschluss vom 23. Mai 2015 wurde die Betreuung verlängert und erweitert. Als Aufgabenkreis wurde nunmehr festgelegt: Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrages, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post und Entscheidung über Fernmeldeverkehr. Die Überprüfungsfrist wurde auf den 31. Januar 2022 festgesetzt.

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Die Betreuerin hat im August 2017 die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für die Vermögenssorge des Betroffenen angeregt. Nachdem das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt und dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger bestellt hatte, hat es nach Anhörung des Betroffenen einen solchen Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen nach Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens ohne weitere persönliche Anhörung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

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Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

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1. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die angegriffene Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist, weil das Landgericht den Betroffenen nicht erneut angehört hat.

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a) Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats darf im Beschwerdeverfahren allerdings nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen (Senatsbeschluss vom 21. Juni 2017 - XII ZB 45/17 - FamRZ 2017,1610 Rn. 9 mwN).

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b) Eine solche Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften liegt hier vor. Die Anhörung durch das Amtsgericht ist verfahrensfehlerhaft erfolgt, weil sie stattgefunden hat, ohne dass der Verfahrenspfleger Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen.

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aa) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einer Betreuungssache gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 FamFG soll die Wahrung der Belange des Betroffenen in dem Verfahren gewährleisten. Er soll - wenn es im Hinblick auf die einzurichtende Betreuung erforderlich ist - nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten werden. Der Verfahrenspfleger ist daher vom Gericht im selben Umfang wie der Betroffene an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen. Das Betreuungsgericht muss grundsätzlich durch die rechtzeitige Bestellung eines Verfahrenspflegers und dessen Benachrichtigung vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann. Außerdem steht dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungsrecht zu. Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, ist sie verfahrensfehlerhaft und verletzt den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 - XII ZB 465/17 - FamRZ 2018, 705 Rn. 7 mwN).

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bb) Das Amtsgericht hat dem Betroffenen mit Beschluss vom 27. September 2017 einen Verfahrenspfleger bestellt. Ausweislich der Terminsverfügung vom 20. Oktober 2017 hat der Amtsrichter den Verfahrenspfleger jedoch nicht zum Anhörungstermin geladen. Demzufolge war der Verfahrenspfleger bei der Anhörung vom 21. November 2017 auch nicht zugegen.

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c) Bereits aus diesem Grunde war die vom Amtsgericht durchgeführte Anhörung verfahrensfehlerhaft, so dass das Landgericht den Betroffenen persönlich hätte anhören müssen.

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2. Weil die Sache wegen der noch durchzuführenden Anhörung nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuweisen, § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG.

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Für das weitere Verfahren weist der Senat auf das Folgende hin:

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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde dürfte das vom Landgericht ergänzend eingeholte Sachverständigengutachten als Grundlage für die Feststellungen der medizinischen Voraussetzungen der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts verwertbar sein, weil der Sachverständige den Betroffenen untersucht hat.

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Zwar rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass die in dem Gutachten vom 14. September 2017 erfolgte Feststellung, wonach der Betroffene "bekanntermaßen" an einer bipolaren Störung leide, nicht genügt, um eine Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB nachzuweisen. Dies war ersichtlich auch der Grund dafür, dass das Landgericht eine ergänzende Stellungnahme vom Gutachter eingeholt hat. Denn danach sollte der Sachverständige Stellung zu der Frage nehmen, ob die diagnostizierte bipolare Störung auch aktuell bei dem Betroffenen vorliege und auf welche Erkenntnisse sich diese Diagnose stütze. Demgemäß hat der Sachverständige in seinem ergänzenden Gutachten vom 27. Juli 2018 nach einer persönlichen Untersuchung des Betroffenen ausgeführt, dass "mit allen Einschränkungen und der gebotenen Zurückhaltung, die sich durch das unkooperative Verhalten des Betroffenen ergibt," bei dem Betroffenen weiterhin eine bipolare Störung vorliege.

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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt die gegenüber dem Sachverständigen ausgesprochene Weigerung des Betroffenen, mit ihm zu sprechen, nicht zu einer Unverwertbarkeit des ergänzenden Sachverständigengutachtens.

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a) Gemäß § 280 Abs. 2 Satz 1 FamFG hat der Sachverständige den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Ein ohne die erforderliche persönliche Untersuchung erstattetes Sachverständigengutachten ist grundsätzlich nicht verwertbar. Die Weigerung des Betroffenen, einen Kontakt mit dem Sachverständigen zuzulassen, ist kein hinreichender Grund, von einer persönlichen Untersuchung durch den Sachverständigen abzusehen. Wirkt der Betroffene an einer Begutachtung nicht mit, so kann das Gericht gemäß § 283 Abs. 1 und 3 FamFG seine Vorführung anordnen. Die Verwertbarkeit des Gutachtens hängt zwar im Ergebnis nicht davon ab, dass ein verbaler Kontakt zwischen dem Betroffenen und dem Sachverständigen hergestellt werden kann. Kann der Sachverständige seine Erkenntnisse jedoch nicht aus einer Befragung des Betroffenen schöpfen, setzt das Gesetz eine Untersuchung des Betroffenen zwingend voraus. Diese erfordert zumindest, dass sich der Sachverständige einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen verschafft (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2017 - XII ZB 536/16 - FamRZ 2017, 1324 Rn. 10 mwN).

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b) Gemessen hieran war eine Untersuchung des Betroffenen durch den Sachverständigen gegeben. Obgleich sich der Betroffene geweigert hatte, sich vom Sachverständigen begutachten zu lassen, hat dieser Kontakt mit dem Betroffenen aufgenommen, indem er zweimal sein Zimmer betreten und kurz mit ihm gesprochen hat. Damit konnte er sich einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen verschaffen. Im Übrigen hatte der Sachverständige anlässlich früherer Untersuchungen schon mit dem Betroffenen gesprochen; außerdem legte der Sachverständige seiner Begutachtung ergänzend die ihm zur Verfügung stehenden umfangreichen fremdanamnestischen Angaben zugrunde.

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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war es bei dieser Sachlage nicht erforderlich, den Betroffenen zur Begutachtung vorzuführen. Denn durch eine vom Landgericht angeordnete Vorführung hätte sich ebenfalls kein verbaler Kontakt zwischen dem Betroffenen und dem Sachverständigen erzwingen lassen.

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3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen, § 74 Abs. 7 FamFG.

Dose    

        

Schilling    

        

Günter

        

Nedden-Boeger    

        

Guhling