BAG 1. Senat, Beschluss vom 11.12.2018, 1 ABR 12/17

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 1 ABR 12/17 (BAG)

vom 11. Dezember 2018 (Dienstag)


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Betriebsvereinbarung - allgemeines Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. Oktober 2016 - 8 TaBV 62/16 - aufgehoben.

2. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 16. Juni 2016 - 2 BV 9/16 - wird zurückgewiesen.

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A. Die Beteiligten streiten über die Einladung des Betriebsrats zu Personalgesprächen, die „disziplinarische“ Maßnahmen zum Gegenstand haben.

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Der Arbeitgeber betreibt in O ein Berufsförderungswerk mit etwa 300 Mitarbeitern. Dort ist der antragstellende Betriebsrat gebildet. Die Beteiligten haben am 1. August 2002 eine „Rahmenbetriebsvereinbarung zur Unternehmens- Organisations- und Personalentwicklung“ (RBV) geschlossen. Diese gilt nach ihrem § 1 Buchst. b „sachlich für den Prozess der Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung im BFW O“. § 4 Nr. 4.1 und § 6 RBV lauten:

        

§ 4   

        

Beteiligung des Betriebsrates

        

4.1     

        

Zu Gesprächen, die im Rahmen des Prozesses zur Unternehmens- Organisations- und Personalentwicklung zwischen Geschäftsleitung, Abteilungsleitung und den Arbeitnehmern stattfinden, in denen es sich um disziplinarische (arbeitsrechtliche) Maßnahmen handelt, wird der Betriebsrat gleichzeitig zu Gesprächen eingeladen.

        

Unter disziplinarischen Maßnahmen verstehen wir:

        

●       

Ermahnungen

        

●       

Abmahnungen

        

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Verwarnungen

        

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Kündigungsbegehren

        

●       

Versetzungen

        

Der Mitarbeiter kann arbeitsrechtlich so entscheiden, dass er dieses Gespräch ohne Beteiligung eines Betriebsratsmitgliedes führen möchte.

        

Bei Nichtbeachtung der ordnungsgemäßen Einladung des Betriebsrates und des Arbeitnehmers hat das Gespräch keine arbeitsrechtliche Konsequenz.

        

…       

        

§ 6     

        

Streitfälle

        

Bei Streitfällen wird zur Vermeidung des Rechtsweges eine paritätisch besetzte Kommission mit jeweils 2 Teilnehmern eingesetzt, die eine Mehrheitsentscheidung trifft.“

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Nach einer zwischen den Beteiligten vereinbarten Verfahrensregelung zur Einhaltung des „§ 4.1“ RBV vom 1. August 2002 obliegt es dem Betriebsrat, den Arbeitnehmer über sein Recht auf Gesprächsführung ohne Beteiligung des Betriebsrats zu informieren. Wünscht der Arbeitnehmer keine Gesprächsteilnahme des Betriebsrats, hat er dies durch Unterzeichnung eines entsprechenden Vordrucks zu erklären.

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Seit dem Abschluss der RBV verfuhren die Beteiligten bei jährlich etwa 20 Mitarbeitergesprächen nach deren Vorgaben. Über Inhalt und Anlass des bevorstehenden Gesprächs informierte der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht.

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Ende Oktober 2015 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, die Regelung in § 4 Nr. 4.1 Satz 1 RBV verstoße gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. Seitdem lud er den Betriebsrat nicht mehr zu Personalgesprächen ein, sondern informierte den betroffenen Arbeitnehmer darüber, dass er nach Wunsch ein Mitglied des Betriebsrats zum Gespräch hinzuziehen könne.

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Der Betriebsrat begehrt vom Arbeitgeber die Durchführung von § 4 Nr. 4.1 Satz 1 RBV. Er macht geltend, die Regelung sei wirksam. Die Einladung des Betriebsrats solle die Unterstützung der Mitarbeiter in den von der Norm erfassten Personalgesprächen sicherstellen. Sein Recht eingeladen zu werden, beschränke sich auch nicht auf Personalgespräche, die im Rahmen eines Prozesses der Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung stattfänden.

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Der Betriebsrat hat sinngemäß beantragt,

        

dem Arbeitgeber aufzugeben, ihn entsprechend § 4 Nr. 4.1 der Betriebsvereinbarung zur Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung zu Gesprächen einzuladen, die disziplinarische Maßnahmen von Arbeitnehmern zum Gegenstand haben.

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Die Arbeitgeberin hat die Abweisung des Antrags begehrt.

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Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm auf die Beschwerde des Betriebsrats entsprochen. Der Arbeitgeber erstrebt mit seiner Rechtsbeschwerde die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

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B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers hat Erfolg. Der zulässige Antrag des Betriebsrats ist unbegründet.

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I. Der Antrag ist - in der gebotenen Auslegung - zulässig.

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1. Wie sich aus der Bezugnahme auf § 4 Nr. 4.1 RBV im Antrag ergibt, begehrt der Betriebsrat die Einladung zu Gesprächen, die auf Initiative des Arbeitgebers zwischen der Geschäfts- bzw. Abteilungsleitung und einem Arbeitnehmer stattfinden und deren Gegenstand eine vom Arbeitgeber beabsichtigte „disziplinarische“ Maßnahme iSd. § 4 Nr. 4.1 Satz 2 RBV ist. Sowohl die Formulierung „disziplinarisch“ als auch die ersten drei in § 4 Nr. 4.1 Satz 2 RBV genannten Maßnahmen zeigen, dass es sich - auch soweit „Kündigungsbegehren“ und „Versetzungen“ betroffen sind - nur um solche Maßnahmen handeln soll, mit denen der Arbeitgeber ggf. auf ein mögliches Fehlverhalten der Arbeitnehmer reagieren will. Da die Regelung in § 4 Nr. 4.1 RBV darauf abzielt, dem Arbeitnehmer vor einem etwaigen Ausspruch einer „disziplinarischen“ Maßnahme Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, muss sich der Inhalt des Gesprächs auf ein Verhalten des Arbeitnehmers beziehen, auf welches der Arbeitgeber ggf. mit einer solchen Maßnahme reagieren möchte. Der Vortrag des Betriebsrats zeigt, dass sich sein Antragsbegehren dabei auf alle Personalgespräche bezieht, die diese Voraussetzungen erfüllen, unabhängig davon, ob sie „im Rahmen des Prozesses zur Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung“ erfolgen.

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2. Mit diesem Antragsverständnis ist der Leistungsantrag des Betriebsrats hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Im Fall eines stattgebenden Beschlusses ist die Leistung so genau bezeichnet, dass der Arbeitgeber ohne Weiteres erkennen kann, durch welche Verhaltensweisen er dem Entscheidungsausspruch nachkommen kann; der Beschluss ist in diesem Sinn vollstreckungsfähig (vgl. BAG 24. April 2018 - 1 ABR 41/16 - Rn. 19).

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3. Dem Betriebsrat steht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die erforderliche Antragsbefugnis für sein auf die Durchführung von § 4 Nr. 4.1 Satz 1 RBV gestütztes Leistungsbegehren zu.

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4. Der Antrag ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Beteiligten nicht zunächst das in § 6 RBV vereinbarte Verfahren durchgeführt haben (zur Prüfung einer solchen Verfahrensvoraussetzung vgl. BAG 23. Februar 2016 - 1 ABR 5/14 - Rn. 21; 11. Februar 2014 - 1 ABR 76/12 - Rn. 13).

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a) Haben sich die Betriebsparteien verpflichtet, zur Klärung einer betriebsverfassungsrechtlichen Meinungsverschiedenheit erst eine innerbetriebliche Einigung in einem von ihnen vereinbarten Verfahren zu versuchen, ist ein hierauf gerichteter Antrag im Beschlussverfahren unzulässig, solange das vereinbarte Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden ist. Dies gilt auch, wenn Gegenstand der anzurufenden innerbetrieblichen Schlichtungsstelle keine Regelungs-, sondern eine Rechtsfrage ist (vgl. BAG 23. Februar 2016 - 1 ABR 5/14 - Rn. 21 mwN).

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b) Zwar erfasst § 6 RBV aufgrund seiner sprachlichen Fassung („Streitfälle“) auch den vorliegenden Streit der Betriebsparteien über die Wirksamkeit und die Reichweite von § 4 Nr. 4.1 Satz 1 RBV. Dennoch war der Betriebsrat nicht gehalten, vor Anrufung der Gerichte für Arbeitssachen das Verfahren nach § 6 RBV durchzuführen. Die Regelung ist unwirksam. Sie sieht keinen Konfliktlösungsmechanismus vor, wenn die paritätisch besetzte Kommission nicht zu einer Mehrheitsentscheidung gelangt. In einem solchen Fall wäre einer Betriebspartei eine Anrufung der Gerichte gegen den Willen der anderen Betriebspartei dauerhaft unmöglich. Der damit verbundene Ausschluss der Gerichte für Arbeitssachen verstößt gegen § 4 ArbGG.

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II. Der Antrag des Betriebsrats ist jedoch unbegründet. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber nicht verlangen, ihn nach § 4 Nr. 4.1 Satz 1 RBV zu allen Personalgesprächen einzuladen, die sich auf eine mögliche „disziplinarische“ Maßnahme beziehen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die RBV gegen das Gebot der Bestimmtheit und der Normenklarheit (vgl. dazu auch BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 - und - 1 BvR 1254/07 - Rn. 93 bis 97 mwN, BVerfGE 120, 378; BAG 26. Mai 2009 - 1 ABR 12/08 - Rn. 17) verstößt, weil ihr sachlicher Geltungsbereich gemäß § 1 Buchst. b RBV („Prozess der Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung“) auch durch Auslegung nicht näher ermittelbar ist. Denn jedenfalls sind die Regelungen in § 4 Nr. 4.1 Satz 1 und Satz 3 RBV wegen Verstoßes gegen § 75 Abs. 2 BetrVG iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG unwirksam. Die Betriebsparteien haben mit dem dort geregelten Verfahren die ihnen nach § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG obliegende Pflicht verletzt, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern.

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1. Nach dieser Bestimmung haben die Betriebsparteien beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen das aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht zu beachten. Dieses gewährleistet Elemente der Persönlichkeit, die nicht Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst insbesondere die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfG 19. September 2018 - 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15 - Rn. 219; 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 65, 1). Außerhalb des absoluten Kernbereichs privater Lebensgestaltung wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung garantiert. Es kann deshalb durch verfassungsgemäße Gesetze eingeschränkt werden. Derartige Regelungen können auch die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz geschlossenen Betriebsvereinbarungen enthalten. Der Gesetzgeber genügt insoweit seiner Pflicht, die Arbeitnehmer als Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch Kollektivvereinbarungen zu bewahren, indem er die Betriebsparteien in § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen (BAG 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 40 mwN, BAGE 148, 26).

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2. Das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugunsten schützenswerter Belange eines Grundrechtsträgers richtet sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser verlangt eine Regelung, die geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Den Betriebsparteien dürfen zur Zielerreichung keine anderen, gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkende Mittel zur Verfügung stehen. Eine Regelung ist verhältnismäßig im engeren Sinn, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (vgl. BAG 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 41 mwN, BAGE 148, 26).

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3. Die in § 4 Nr. 4.1 Satz 1 und Satz 3 RBV geregelte Einladung des Betriebsrats und das daran anknüpfende Verfahren zur Beteiligung eines Mitglieds des Betriebsrats an dem vor Ausspruch einer „disziplinarischen“ Maßnahme iSv. § 4 Nr. 4.1 Satz 2 RBV obligatorischen Personalgespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beeinträchtigen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der zum Gespräch geladenen Arbeitnehmer.

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a) Ein Personalgespräch iSv. § 4 Nr. 4.1 RBV dient der Vorbereitung einer „disziplinarischen“ Maßnahme, der typischerweise ein vom Arbeitgeber beanstandetes Verhalten des Arbeitnehmers zugrunde liegt. Da die Einladung an den Betriebsrat als Gremium gerichtet ist, wird die Information einer drohenden „disziplinarischen“ Maßnahme aufgrund eines (etwaigen) fehlerhaften Verhaltens des Arbeitnehmers allen Mitgliedern des Betriebsrats bekannt. Weil die Einladung des Betriebsrats nach § 4 Nr. 4.1 Satz 1 RBV „gleichzeitig“ zu erfolgen hat, hängt es weder vom Willen des Arbeitnehmers ab, ob der Betriebsrat überhaupt von dem konkret bevorstehenden Gespräch erfährt, noch kann er selbst bestimmen, welches oder welche Mitglieder des Betriebsrats hiervon ggf. Kenntnis erlangen sollen.

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b) Darüber hinaus sieht § 4 Nr. 4.1 RBV - anders als vom Betriebsrat angenommen - nicht vor, dass der betroffene Arbeitnehmer selbst entscheiden kann, welches Betriebsratsmitglied seines Vertrauens er zum Gespräch hinzuzieht. Weder der Wortlaut dieser Norm noch ihre Systematik lassen den Schluss darauf zu, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat, das am Gespräch teilnehmende Betriebsratsmitglied selbst zu bestimmen. Vielmehr richtet sich die Einladung zum Gespräch nach § 4 Nr. 4.1 Satz 1 und Satz 4 RBV an den gesamten Betriebsrat. Dieser kann daher im Rahmen seines ihm obliegenden Auswahlermessens dasjenige Mitglied bestimmen, welches sich am Gespräch beteiligt. Das dem Arbeitnehmer in § 4 Nr. 4.1 Satz 3 RBV eingeräumte Wahlrecht beschränkt sich lediglich auf die Befugnis, das Gespräch ohne jegliche Beteiligung eines Betriebsratsratsmitglieds zu führen. Es beinhaltet jedoch nicht das Recht, es nur mit einem bestimmten - vom Arbeitnehmer ausgewählten - Betriebsratsmitglied zu führen.

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4. Die durch § 4 Nr. 4.1 Satz 1 und Satz 3 RBV bewirkte Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Arbeitnehmer ist gemessen am Zweck der Betriebsratsbeteiligung nicht verhältnismäßig.

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a) § 4 Nr. 4.1 RBV verpflichtet den Arbeitgeber, mit dem betroffenen Arbeitnehmer vor Ausspruch einer „disziplinarischen“ Maßnahme zunächst ein Gespräch zu führen. Dem Arbeitnehmer soll damit Gelegenheit gegeben werden, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dadurch erhält er die Möglichkeit, ein ihm ggf. zur Last gelegtes Fehlverhalten auszuräumen oder entlastende Umstände vorzubringen und damit die vom Arbeitgeber beabsichtigte Maßnahme entweder gänzlich zu verhindern oder diese zumindest abzumildern. Als Unterstützung in einer Situation struktureller Unterlegenheit des Arbeitnehmers und ggf. zu dessen Beratung wollten die Betriebsparteien ihm hierbei ein Mitglied des Betriebsrats zur Seite stellen. Auch kann dem am Gespräch beteiligten Betriebsratsmitglied im Hinblick auf das vom Arbeitgeber vorgebrachte Fehlverhalten des Arbeitnehmers eine wichtige Kontroll- und Korrekturfunktion zukommen. Zudem wird durch seine Teilnahme sichergestellt, dass für den Arbeitnehmer eine Person als Zeuge zugegen ist (vgl. hierzu auch BAG 16. November 2004 - 1 ABR 53/03 - Rn. 24, BAGE 112, 341).

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b) Im Hinblick auf diesen Zweck sind die Regelungen in § 4 Nr. 4.1 Satz 1 und Satz 3 RBV - ihre Geeignetheit unterstellt - weder erforderlich noch angemessen.

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aa) Um dem Arbeitnehmer dem bei der Führung des obligatorischen Personalgesprächs gebotenen Schutz zu gewährleisten, ist die in § 4 Nr. 4.1 Satz 1 und Satz 3 RBV vorgesehene Verfahrensweise nicht erforderlich. Eine im Interesse des Arbeitnehmers liegende Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds am Personalgespräch ist auch dann hinreichend gewährleistet, wenn dem betroffenen Arbeitnehmer ein Recht auf Hinzuziehung eines bestimmten Betriebsratsmitglieds eingeräumt und er hierauf in der Einladung zum Gespräch hingewiesen wird. Dies zeigen die Regelungen in § 81 Abs. 4 Satz 3 und § 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Nach dem sich aus diesen gesetzlichen Regelungen ergebenden Leitbild ist der durch die Beteiligung eines Betriebsratsmitglieds an den Erörterungen und Gesprächen des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer über dessen berufliche Fähigkeiten und Leistungen vermittelte Schutz schon dann ausreichend sichergestellt, wenn die Initiativlast für die Hinzuziehung des Betriebsratsmitglieds beim Arbeitnehmer liegt. Dies gilt - wie § 81 Abs. 4 Satz 3 BetrVG erkennen lässt - auch dann, wenn eine Pflicht des Arbeitgebers zur Gesprächsführung mit dem Arbeitnehmer besteht.

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bb) Darüber hinaus ist das in § 4 Nr. 4.1 RBV geregelte Verfahren angesichts der Intensität der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer in mehrfacher Hinsicht nicht angemessen.

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(1) Der Arbeitnehmer kann - anders als in § 81 Abs. 4 Satz 3, § 82 Abs. 2 Satz 2 und § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorgesehen - nicht selbst entscheiden, welches Betriebsratsmitglied er als Person seines Vertrauens zum Gespräch hinzuziehen will. Entsendet der Betriebsrat ein Mitglied, in dessen Gegenwart der Arbeitnehmer - aus welchen Gründen auch immer - das Gespräch mit dem Arbeitgeber nicht führen möchte, hat er nur die Möglichkeit, dieses gänzlich abzulehnen. Dies steht im Widerspruch zu den Zielen, die die Betriebsparteien mit der Gesprächsteilnahme des Betriebsratsmitglieds verfolgen.

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(2) Zudem übt die Umkehr der Initiativlast für die Hinzuziehung eines Mitglieds des Betriebsrats Druck auf den Arbeitnehmer aus, wenn er sich gegen eine Teilnahme des Betriebsrats am Gespräch aussprechen will. Nach dem gesetzlichen Leitbild in § 81 Abs. 4 Satz 3 und § 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG hat es der Arbeitnehmer in der Hand zu entscheiden, ob er überhaupt ein Mitglied des Betriebsrats zum Gespräch hinzuziehen möchte. Damit wird sichergestellt, dass er bei seiner Entscheidung nicht in Erklärungszwang gegenüber dem Betriebsrat gerät, wenn er sich gegen dessen Unterstützung ausspricht. Die in § 4 Nr. 4.1 RBV geregelte Verfahrensweise birgt demgegenüber die Gefahr, dass der Arbeitnehmer die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds am Gespräch nur deshalb nicht ablehnt, weil er andernfalls befürchtet, der Betriebsrat könnte annehmen, er bringe ihm kein Vertrauen (mehr) entgegen.

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(3) Hinzu kommt, dass die Betriebsparteien in § 4 Nr. 4.1 RBV für das am Gespräch teilnehmende Betriebsratsmitglied keine Pflicht zur Verschwiegenheit über dessen Inhalt geregelt haben. Die Vorschrift des § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG greift insoweit nicht. Auch eine analoge Anwendung von § 99 Abs. 1 Satz 3 und § 102 Abs. 2 Satz 5 BetrVG bzw. - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - von § 82 Abs. 2 Satz 3 BetrVG scheidet aus. Eine solche setzt eine vom Normgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke voraus, deren Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann (vgl. nur BAG 27. Juni 2018 - 10 AZR 295/17 - Rn. 23). Hieran fehlt es.

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c) Die verfahrensrechtlichen Regelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX gebieten keine andere Bewertung. Auch im Rahmen des bEM darf die Hinzuziehung des Betriebsrats nur mit vorheriger Einwilligung des Arbeitnehmers erfolgen (vgl. BAG 22. März 2016 - 1 ABR 14/14 - Rn. 11 und 30 mwN, BAGE 154, 329). Unabhängig davon zielt das bEM darauf ab, eine bestehende und in aller Regel auch betriebsbekannte Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 21, BAGE 140, 350). Damit dient dieses Verfahren anderen Zwecken als das typischerweise an ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers anknüpfende Personalgespräch nach § 4 Nr. 4.1 RBV.

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d) Entgegen der Ansicht des Betriebsrats ergibt sich auch aus seinen Unterrichtungsrechten nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG bei einer etwaigen nachfolgenden Versetzung oder Kündigung des Arbeitnehmers vorliegend nichts Gegenteiliges. Die genannten Bestimmungen treffen keine Aussage darüber, wie die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu einem ggf. im Vorfeld einer solchen personellen Einzelmaßnahme zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber stattfindenden Gespräch ausgestaltet werden kann.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Busch    

        

    Hann