BVerfG 1. Senat, Beschluss vom 18.12.2018, 1 BvR 142/15

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 1 BvR 142/15 (BVerfG)

vom 18. Dezember 2018 (Dienstag)


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Automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen gem Art 33 Abs 2 S 2 BayPAG (juris: PolAufgG BY) iVm Art 13 Abs 1 Nr 5 PolAufgG BY, jeweils idF ab 22.07.2014, sowie gem Art 39 Abs 1 S 1 PolAufgG BY nF iVm Art 13 Abs 1 Nr 5 PolAufgG BY teilweise verfassungswidrig - Grundrechtseingriff auch bei "Nichttreffer" - Differenzierung zwischen polizeilicher Kontrolle risikobehafteten Verhaltens einerseits und gezielter Suche nach Personen oder Sachen andererseits

1. a) Artikel 33 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz) in der Fassung der Verordnung zur Anpassung des Landesrechts an die geltende Geschäftsverteilung vom 22. Juli 2014 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Seite 286) sowie dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 18. Mai 2018 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Seite 301) sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes aufgrund des Verstoßes gegen Artikel 71, Artikel 73 Absatz 1 Nummer 5 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit sie die Kraftfahrzeugkennzeichenerfassung zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze vorsehen.

b) Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 ist in dieser und den nachfolgenden Fassungen mit Artikel 71, Artikel 73 Absatz 1 Nummer 5 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit er die Identitätsfeststellung zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze vorsieht.

2. a) Artikel 33 Absatz 2 Satz 2 bis 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 sowie dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 1 in der Fassung vom 18. Mai 2018 sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie

- die Kennzeichenerfassung nach Maßgabe des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 1 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und den nachfolgenden Fassungen nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht beschränken,

- die Kennzeichenerfassung nach Maßgabe des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und den nachfolgenden Fassungen uneingeschränkt für "Durchgangsstraßen ([…] andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr)" vorsehen und

- keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für die Durchführung der Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen vorsehen.

b) Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 3 Satz 2 in der Fassung vom 18. Mai 2018 sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie die Verarbeitung der Kennzeichen zu weiteren Zwecken nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse beschränken.

3. Die unter 2. angeführten Vorschriften bleiben in ihrer Fassung vom 18. Mai 2018 bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Dezember 2019, nach Maßgabe der Gründe weiter anwendbar.

4. Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2014 - BVerwG 6 C 7.13 -, des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2012 - 10 BV 09.2641 - und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. September 2009 - M 7 K 08.3052 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

5. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

6. Die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern haben je zu gleichen Teilen dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

A.

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die seinen gegen den Freistaat Bayern gerichteten Antrag abwiesen, automatisierte Kennzeichenkontrollen nach bayerischem Polizeirecht zu unterlassen. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die diesbezüglichen Rechtsgrundlagen selbst.

I.

2

1. In Bayern ist die Polizei dazu ermächtigt, im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung automatisierte Kennzeichenkontrollen durchzuführen. Zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2014 wurden solche Kontrollen auf Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie auf Art. 38 Abs. 3 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (BayGVBl S. 397), zuletzt geändert durch Verordnung zur Anpassung des Landesrechts an die geltende Geschäftsverteilung vom 22. Juli 2014 (BayGVBl S. 286) - im Folgenden: BayPAG -, gestützt. Sie lauteten:

Art. 33

Besondere Mittel der Datenerhebung

(1) …

(2) …2Darüber hinaus kann die Polizei unbeschadet des Art. 30 Abs. 3 Satz 2 durch den verdeckten Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme bei Vorliegen entsprechender Lageerkenntnisse in den Fällen des Art. 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung erfassen. 3Zulässig ist der Abgleich der Kennzeichen mit polizeilichen Fahndungsbeständen, die erstellt wurden

1. über Kraftfahrzeuge oder Kennzeichen, die durch Straftaten oder sonst abhanden gekommen sind,

2. über Personen, die ausgeschrieben sind

a) zur polizeilichen Beobachtung, gezielten Kontrolle oder verdeckten Registrierung,

b) aus Gründen der Strafverfolgung, Strafvollstreckung, Auslieferung oder Überstellung,

c) zum Zweck der Durchführung ausländerrechtlicher Maßnahmen,

d) wegen gegen sie veranlasster polizeilicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr.

4Ein Abgleich mit polizeilichen Dateien, die zur Abwehr von im Einzelfall oder im Hinblick auf bestimmte Ereignisse allgemein bestehenden Gefahren errichtet wurden, ist nur zulässig, wenn dies zur Abwehr einer solchen Gefahr erforderlich ist und diese Gefahr Anlass für die Kennzeichenerfassung war. 5Die Kennzeichenerfassung darf nicht flächendeckend eingesetzt werden.

(3) - (7) …

Art. 38

Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten

(1) - (2) …

(3) 1Die nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 erfassten Kennzeichen sind nach Durchführung des Datenabgleichs unverzüglich zu löschen. 2Soweit ein Kennzeichen in den abgeglichenen Fahndungsbeständen oder Dateien enthalten und seine Speicherung oder Nutzung im Einzelfall zur Abwehr einer Gefahr oder für Zwecke, zu denen die Fahndungsbestände erstellt oder die Dateien errichtet wurden, erforderlich ist, gelten abweichend hiervon Abs. 1 und 2 sowie die Vorschriften der Strafprozessordnung. 3Außer in den Fällen des Art. 33 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a dürfen Einzelerfassungen nicht zu einem Bewegungsbild verbunden werden.

(4) - (5) …

3

Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG verwies als Voraussetzung für die Zulässigkeit von Maßnahmen der Kennzeichenkontrolle auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG, der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lautete:

Art. 13

Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen

(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen

1. zur Abwehr einer Gefahr,

2. wenn die Person sich an einem Ort aufhält,

a) von dem auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort

aa) Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben,

bb) sich Personen ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen, oder

cc) sich Straftäter verbergen, oder

b) an dem Personen der Prostitution nachgehen,

3. wenn sie sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind,

4. an einer Kontrollstelle, die von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten im Sinn von § 100a der Strafprozessordnung (StPO) oder Art. 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, Abs. 2 Nr. 5 oder Ordnungswidrigkeiten im Sinn von Art. 21 Abs. 1 Nrn. 8 und 9 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) zu verhindern,

5. im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km sowie auf Durchgangsstraßen (Bundesautobahnen, Europastraßen und andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr) und in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität oder

6. …

(2) - (3) …

4

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG wurde durch eine spätere Gesetzesänderung redaktionell einer Änderung des bayerischen Versammlungsrechts angepasst (Gesetz zur Änderung des Bayerischen Versammlungsgesetzes und des Polizeiaufgabengesetzes vom 23. November 2015, BayGVBl S. 410). Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG wurde durch das Bayerische Integrationsgesetz (BayIntG) vom 13. Dezember 2016 (BayGVBl S. 335) und Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 durch das Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen vom 24. Juli 2017 (BayGVBl S. 388) erweitert. Diese Änderungen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

5

Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG und Art. 38 Abs. 3 BayPAG wurden durch das Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 18. Mai 2018 (BayGVBl S. 301) in einem neuen Art. 39 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 bis 3 BayPAG n.F. bei geringfügigen redaktionellen Änderungen im Wesentlichen wortlautidentisch zusammengeführt.

6

2. Nach den fachgerichtlichen Feststellungen zur praktischen Durchführung der Kennzeichenkontrolle setzt die bayerische Polizei sowohl fest installierte als auch mobile Kennzeichenlesegeräte zur automatisierten Kennzeichenkontrolle ein. Die Geräte erfassen das an vorbeifahrenden Fahrzeugen angebrachte Kraftfahrzeugkennzeichen als Bild. Dieses wird mit einem speziellen Programm in einen Datensatz, bestehend aus den Buchstaben und Ziffern des Kennzeichens, umgewandelt. Der Datensatz wird an einen in der Regel am Fahrbahnrand untergebrachten Computer weitergeleitet. Dort wird der Datensatz mit anderen Daten-sätzen abgeglichen, die anderweitig begründeten Fahndungsbeständen entnommen sind. Der Abgleich beruht auf einer für den Einzelfall zweckbezogenen Auswahl der Fahndungsbestände. Die dafür herangezogenen Datensätze werden dabei jeweils bezogen auf die in Frage stehende Kennzeichenkontrolle in einer eigenen Abgleichdatei zusammengeführt.

7

Das im Kennzeichenlesegerät gespeicherte Bild des Kraftfahrzeugkennzeichens wird nach dem Datenbankabgleich unverzüglich gelöscht. Vom Computer, der zum Datenbankabgleich genutzt wird, wird der Datensatz ebenfalls automatisch und unverzüglich gelöscht, wenn der Datenbankabgleich keinen Treffer ergibt (Nichttrefferfall). Sofern das Programm hingegen einen Treffer meldet, wird das aufgenommene Bild temporär in einer Datenbank auf dem Computer gespeichert und entweder an die Einsatzzentrale übermittelt oder auf dem Computer direkt angezeigt. Polizeibeamte überprüfen visuell, ob das aufgenommene Bild des Kraftfahrzeugkennzeichens und das im Fahndungsbestand gespeicherte Kraftfahrzeugkennzeichen übereinstimmen. Bestätigt die visuelle Überprüfung die vom Computer gemeldete Übereinstimmung nicht (unechter Trefferfall), gibt ein Polizeibeamter durch Betätigen der Taste "Entfernen" den Befehl, den gesamten Vorgang zu löschen. Sofern die Überprüfung einen Treffer bestätigt (Trefferfall), werden diese Daten gespeichert und gegebenenfalls weitere polizeiliche Maßnahmen in die Wege geleitet. Weder Fahrzeugführer noch Fahrzeughalter werden über die automatisierte Kennzeichenkontrolle informiert.

8

Nach den vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegten Feststellungen betrieb der Freistaat Bayern zum Zeitpunkt der Entscheidung insgesamt 25 automatisierte Kennzeichenerkennungssysteme, davon 22 stationäre Systeme, die insgesamt 30 Fahrspuren abdeckten, und drei mobile Systeme. Die stationären Systeme seien auf zwölf Standorte verteilt und befänden sich insbesondere an Bundesautobahnen. Die mobilen Systeme würden anlassbezogen eingesetzt, beispielsweise bei internationalen Fußballturnieren oder ähnlichen Großereignissen. Der jeweilige Standort werde gemäß jährlich aktualisierter Lageerkenntnisse durch das Landeskriminalamt bestimmt. Die Lagebeurteilung werde im Innenministerium dokumentiert und der Landesbeauftragte für Datenschutz jährlich hierüber informiert. Im Zeitraum Juni bis September 2011 seien monatlich etwa acht Millionen Kennzeichen erfasst worden, von denen 40.000 bis 50.000 Treffermeldungen (Trefferfälle und unechte Trefferfälle) und 500 bis 600 Trefferfälle gewesen seien.

9

Vorwiegender Einsatzzweck der automatisierten Kennzeichenkontrolle ist nach Angaben der Bayerischen Staatsregierung zu diesem Verfahren die Schleierfahndung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG. Für einen der anderen in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BayPAG genannten Zwecke sei die Kennzeichenkontrolle nur vereinzelt eigenständig zum Einsatz gekommen. Allerdings werde die Kennzeichenkontrolle zumeist doppelfunktional für die Zwecke des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG und für den situationsbedingt hinzutretenden jeweils einschlägigen anderen Zweck des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BayPAG eingesetzt.

10

Hinsichtlich der Einrichtung von polizeilichen Kontrollstellen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG hat die Bayerische Staatsregierung mitgeteilt, dass solche Kontrollstellen im Zeitraum zwischen 2012 und 2016 in insgesamt 28 Fällen von der bayerischen Polizei eingerichtet worden seien, wobei die weit überwiegende Mehrzahl der Verhütung versammlungsrechtlicher Straftaten gedient habe. In diesen Fällen seien bisher noch keine Kennzeichenlesegeräte zum Einsatz gekommen.

II.

11

1. Der Beschwerdeführer, der seinen Hauptwohnsitz in Bayern und einen weiteren Wohnsitz in Österreich hat, ist Halter eines auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeugs, mit dem er regelmäßig zwischen seinen Wohnsitzen pendelt und auf Bundesautobahnen in Bayern unterwegs ist. Er nimmt ferner an Demonstrationen teil. Im Jahr 2008 beantragte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht, den Freistaat Bayern zu verurteilen, es zu unterlassen, durch den verdeckten Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme Kennzeichen von Kraftfahrzeugen, die auf den Beschwerdeführer zugelassen sind, zu erfassen und mit polizeilichen Dateien abzugleichen.

12

2. a) Das Verwaltungsgericht hielt die Klage für zulässig, aber unbegründet. Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassene Berufung wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zurück.

13

Die Klage sei als allgemeine Unterlassungsklage zulässig. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner zahlreichen Fahrten auf Autobahnen in Bayern mit großer Wahrscheinlichkeit bereits mehrfach von einer Kennzeichenerfassung mit anschließendem Abgleich betroffen gewesen. Sein Begehren sei darauf gerichtet, gleichartige künftige Maßnahmen abzuwehren. Die erforderliche Wiederholungsgefahr liege vor, da der Beschwerdeführer häufig auf Autobahnen in Bayern unterwegs sei. Zudem erfolge die Maßnahme heimlich, so dass er ihr nicht ausweichen könne.

14

Die Klage sei aber unbegründet. Kennzeichenerfassung und -abgleich griffen zwar in den Schutzbereich des Grundrechts des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieser Eingriff beruhe jedoch auf einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage. Bei Heranziehung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe fehle es beim sogenannten Nichttreffer schon an einem Grundrechtseingriff (Verweis auf BVerfGE 120, 378 <399>). Es sei nämlich rechtlich und technisch sichergestellt, dass bei negativem Ergebnis eines unverzüglich nach der Erfassung vorgenommenen Abgleichs die erfassten Kennzeichen anonym blieben und sofort spurenlos und ohne die Möglichkeit, einen Bezug zum Fahrer, Beifahrer oder Halter des Fahrzeugs herzustellen, gelöscht würden. Zu einem Grundrechtseingriff komme es hingegen, wenn ein erfasstes Kennzeichen gespeichert werde und Grundlage weiterer Maßnahmen werden könne. Das sei nicht nur beim echten Treffer der Fall, sondern bereits beim sogenannten unechten Treffer, wenn sich nur infolge einer fehlerhaften Kennzeichenerfassung beim Abgleich mit dem Fahndungsbestand eine Übereinstimmung ergebe. Der Grundrechtseingriff liege nicht in der Speicherung des Kennzeichens, sondern darin, dass der bearbeitende Polizeibeamte das Kennzeichen ablesen könne, da hierdurch die Anonymität des ansonsten vollständig automatisierten Vorgangs aufgehoben werde.

15

Dieser Grundrechtseingriff finde in Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie Art. 38 Abs. 3 BayPAG (in der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung) eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage. Diese Normen seien formell und materiell verfassungskonform. Der Landesgesetzgeber sei für deren Verabschiedung zuständig, denn Zweck der automatisierten Kennzeichenerfassung sei die präventive polizeiliche Tätigkeit der Gefahrenabwehr, die auch die Gefahrenvorsorge umfasse. Auch wenn der praktische Einsatz Ergebnisse bringe, die auch der Strafverfolgung zugutekommen könnten, etwa wenn sie zur Festnahme eines gesuchten Straftäters beitrügen, sei die Maßnahme im Kern präventiv zweckbestimmt und eben nicht der Strafverfolgung zuzuordnen. Kompetenzrechtliche Zweifel bestünden, soweit Art. 38 Abs. 3 Satz 2BayPAG bestimme, dass ein Kennzeichen, das in den abgeglichenen Fahndungsbeständen und Dateien enthalten ist, auch für Zwecke gespeichert oder genutzt werden könne, zu denen die Fahndungsbestände erstellt oder die Dateien errichtet worden seien, und damit auch für Zwecke der Strafverfolgung. Darauf komme es jedoch nicht an. Entweder richte sich die Klage des Beschwerdeführers lediglich gegen die Erfassung und den Datenabgleich, nicht aber gegen die auf einer anderen, zweiten Ebene erfolgende Speicherung oder Nutzung der Daten. Oder eine eventuelle Teilnichtigkeit des Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG im Hinblick auf den Strafverfolgungszweck ließe Maßnahmen zum Zwecke der Gefahrenabwehr weiterhin zu.

16

In materieller Hinsicht genüge das Gesetz den Bestimmtheitsanforderungen ebenso wie dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Mit dem Ziel der Abwehr von Gefahren verfolgten die Regelungen insbesondere einen legitimen Zweck. Die Eignung der Kennzeichenkontrolle scheitere nicht an der großen Streubreite der Kennzeichenerfassung, da es ausreiche, wenn die Maßnahme nur teilweise Erfolg habe. Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers sei die Einführung der Kennzeichenerfassung aufgrund aktueller Entwicklungen im Bereich der organisierten Kriminalität und des internationalen Terrorismus sowie zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit erforderlich gewesen. Denn der Einsatz von Streifenpolizisten oder die Kontrolle einzelner Kraftfahrzeuge in Form von Stichproben an herkömmlichen Kontrollstellen erreiche nicht die gleiche Effizienz wie die automatisierte Kennzeichenerfassung. Es sei auch erforderlich, die Kennzeichenerfassung verdeckt vorzunehmen, da die betreffenden Personen ansonsten andere Routen wählten. Die Vorschriften zur automatisierten Kennzeichenerfassung würden bei verfassungskonformer Auslegung trotz Bedenken beziehungsweise Zweifeln hinsichtlich einzelner Gesichtspunkte den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne noch gerecht. Denn bei einer umfassenden Gegenüberstellung der Grundrechtsbeeinträchtigung durch die Erfassung und den Datenabgleich von Kraftfahrzeugkennzeichen und dem damit verfolgten gesetzlichen Ziel der Gefahrenprävention überwiege das öffentliche Schutzinteresse die grundrechtlich geschützten privaten Belange der betroffenen Bürger.

17

b) Das Bundesverwaltungsgericht wies die hiergegen gerichtete Revision des Beschwerdeführers zurück. Der Kläger könne sein Begehren in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage zwar zulässig geltend machen, die Klage sei jedoch unbegründet.

18

Die erhobene Unterlassungsklage setze voraus, dass dem Beschwerdeführer durch die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über die automatisierte Kennzeichenerfassung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Eingriff in sein grundrechtlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung drohe. Das sei nicht der Fall. Ausgehend von den durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben sei für den Fall des Nichttreffers die Eingriffsqualität von Erfassung und Abgleich eines Kraftfahrzeugkennzeichens zu verneinen (Verweis auf BVerfGE 120, 378 <399>). Erfassung und Abgleich vollzögen sich in dieser Konstellation ohne zeitlichen Verzug in vollständig automatisierter Weise. Es sei ferner gesichert, dass die Daten einer menschlichen Kenntnisnahme unzugänglich blieben. Auch der unechte Treffer sei kein Eingriff. Zwar werde das erfasste Kennzeichen in dieser Konstellation durch den Polizeibeamten, der mit dem visuellen Abgleich betraut sei, zur Kenntnis genommen. Der Polizeibeamte beschränke sich jedoch auf die Vornahme dieses Abgleichs und lösche den Vorgang umgehend, wenn der Abgleich negativ ausfalle. In diesem Stadium sei das behördliche Interesse an den betroffenen Daten nicht bereits derart verdichtet, dass der Inhaber des Kraftfahrzeugkennzeichens in einer Qualität betroffen sei, die einen Grundrechtseingriff bewirke. Das behördliche Interesse sei hier nur ein systembezogenes Korrekturinteresse. Mithilfe des visuellen Abgleichs solle lediglich ausgeschlossen werden, dass aufgrund des unvollkommenen Lesemodus des Systems polizeiliche Maßnahmen zu Kennzeichen eingeleitet würden, die zwar im Fahndungsbestand notiert seien, tatsächlich aber die Erfassungsstelle gar nicht passiert hätten. Es werde lediglich der unvollkommene Lesemodus des Systems korrigiert. Der Inhaber des tatsächlich erfassten Kennzeichens habe insoweit nicht mehr hinzunehmen als eine lediglich kurzzeitige Wahrnehmung der Buchstaben-Zahlen-Kombination durch den Polizeibeamten, der seinerseits nicht über die Befugnis verfüge und auch der Sache nach keinen Anlass habe, eine Abfrage aus dem Fahrzeugregister vorzunehmen. Die Anonymität des Inhabers bleibe in diesen Fällen gewahrt.

19

In einem echten Trefferfall werde hingegen die Eingriffsschwelle überschritten. Habe der abgleichende Polizeibeamte die vom System gegebene Treffermeldung verifiziert, verdichte sich das behördliche Interesse an den Daten. Durch die vorgesehene manuelle Abfrage aus der Fahndungsdatei werde die Identität des Kennzeicheninhabers offenbart. Durch die weiter vorgesehene Speicherung des Vorgangs würden die gewonnenen Daten über Zeitpunkt und Ort der Erfassung für den Staat verfügbar gemacht. Dieser sei hierdurch in die Lage versetzt, weitere Maßnahmen gegen den Betroffenen einleiten zu können. Betroffene seien hierdurch in einer einen Grundrechtseingriff auslösenden Qualität berührt.

20

Im vorliegenden Fall könne es hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers jedoch nach dem damaligen Sachstand nicht zu einem echten Treffer kommen, da nach den vorinstanzlichen Feststellungen sein Kraftfahrzeugkennzeichen nicht im Fahndungsbestand gespeichert sei. Die bloße Eventualität einer künftigen Speicherung müsse außer Betracht bleiben. Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch biete keine Handhabe, um behördliches Handeln abzuwehren, dem nur bei künftigem Hinzutreten außergewöhnlicher Umstände Eingriffsqualität gegenüber dem Beschwerdeführer zukomme.

III.

21

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen.

22

Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof hätten den Umfang des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verkannt, da sie bei Nichttrefferfällen keinen Grundrechtseingriff angenommen hätten. Das Bundesverwaltungsgericht habe den Umfang des Schutzbereichs sogar für unechte Treffer verkannt. Es seien nicht nur die tatsächlich drohenden Nachteile zu berücksichtigen, sondern auch der Umstand, dass Betroffene der Kennzeichenkontrolle damit rechnen müssten, dass ihr Fahrverhalten aufgezeichnet und nachvollzogen werden könne. Das könne dazu führen, dass sie ihr Bewegungsverhalten anpassten. Es sei nicht erkennbar, was mit den erfassten Daten geschehe. Bei der automatisierten Kennzeichenkontrolle würden personenbezogene Daten nicht nur ungezielt und allein technikbedingt miterfasst, sondern es sei gerade das Ziel, die Kennzeichen für die staatliche Datenverarbeitung verfügbar zu machen. Die Löschung erfolge nicht unmittelbar nach der Erfassung, sondern erst nach dem Abgleich mit dem Fahndungsbestand. Es bleibe zudem auch nach der Löschung die Information erhalten, dass die abgeglichenen Kennzeichen am Ort der Kennzeichenerfassung nicht festgestellt worden seien, wodurch beispielsweise bestimmte Fluchtrouten ausgeschlossen werden könnten.

23

Die von den Fachgerichten als Rechtsgrundlage für die Kennzeichenkontrolle herangezogenen Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie Art. 38 Abs. 3 BayPAG seien formell verfassungswidrig. Es seien Regelungen in einem Bereich, in dem der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG abschließend Gebrauch gemacht habe. Die Maßnahmen dienten zum Teil repressiven Zwecken. Zentraler Zweck der Kennzeichenkontrolle sei das Auffinden von Kraftfahrzeugen oder Kennzeichen, die durch eine Straftat abhandengekommen sind, was dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und damit der Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen sei.

24

Es liege ferner ein Verstoß gegen die Gebote der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit vor. Die Normen regelten den Zweck der Kennzeichenkontrolle nicht bereichsspezifisch und präzise. Es bestehe zudem die Gefahr einer laufenden und nicht vorhersehbaren Ausweitung der zum Abgleich herangezogenen Datenbestände, da diese nicht aufgeführt würden. Auch der weitere Umgang mit den erhobenen Daten in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG sei nicht bereichsspezifisch und präzise geregelt. Die Unverhältnismäßigkeit der automatisierten Kennzeichenkontrolle folge aus der hohen Eingriffsintensität, denn sie betreffe eine Vielzahl von Personen, ohne dass ein konkreter Verdacht gegen diese vorliege, lasse Rückschlüsse auf das Bewegungsverhalten zu und gefährde die Wahrnehmung weiterer Grundrechte wie der Versammlungsfreiheit, während zugleich nur wenige Treffer festgestellt würden, die sich zudem vorwiegend im Bereich der Kraftfahrzeugdiebstähle befänden, die der Alltagskriminalität zuzuordnen seien und keinen Totalabgleich aller Verkehrsteilnehmer rechtfertigen könnten. Die Kennzeichenkontrolle sei ein Präzedenzfall für einen automatisierten Massenabgleich der Bevölkerung mit Fahndungsdatenbanken. Es bestehe auch ein erhebliches Missbrauchspotential hinsichtlich der erhobenen Daten. Die Voraussetzungen für die Kennzeichenkontrolle würden diese Umstände nicht berücksichtigen, da sie auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Identitätsfeststellung verwiesen, deren Eingriffsgewicht geringer sei, da massenhafte Identitätskontrollen - anders als bei der Kennzeichenkontrolle - nicht vorgesehen seien. Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG enthalte keine tatbestandlichen Voraussetzungen, welche die Weite des Art. 13 BayPAG im Hinblick auf die Kennzeichenkontrolle ausreichend einschränkten. Unabhängig davon bestünden bereits Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Art. 13 BayPAG. Mittels der automatisierten Kennzeichenkontrolle würden Verkehrsteilnehmer generell und anlassunabhängig überprüft. Die Kennzeichenkontrolle nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG sei nicht auf erhebliche Gefahren für wichtige Rechtsgüter beschränkt. In den Fällen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BayPAG könne den an den genannten Orten auftretenden Gefahren nicht mittels der Kennzeichenkontrolle begegnet werden, da im Fahndungsbestand im Wesentlichen nur gestohlene und unversicherte Kraftfahrzeuge enthalten seien. Im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG überwiege die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit das Interesse an der Verhinderung von Straftaten, die lediglich mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bedroht seien. Im Fall der Schleierfahndung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG folge die Unverhältnismäßigkeit unter anderem daraus, dass Kennzeichenkontrollen an Durchgangsstraßen und Verkehrseinrichtungen im gesamten Land zugelassen seien. Die angegriffenen Normen beschränkten zudem den zum Abgleich herangezogenen Datenbestand nicht auf die zur Erreichung des Zwecks der jeweiligen Kontrolle erforderlichen Daten. Des Weiteren binde Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG die Verwendung der erhobenen Daten nicht klar an den Zweck, zu dem sie erhoben wurden. Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG liege zudem darin, dass die automatisierte Kennzeichenkontrolle verdeckt erfolge und die Betroffenen hierüber nicht informiert würden.

IV.

25

Zu der Verfassungsbeschwerde hat die Bayerische Staatsregierung Stellung genommen. Sie ist der Auffassung, dass die Fälle der Nichttreffer und der unechten Treffer schon keine Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG darstellten. Dies habe das Bundesverfassungsgericht bereits grundsätzlich im Hinblick auf Nichttreffer und das Bundesverwaltungsgericht für die angegriffenen Normen im Hinblick auf Nichttreffer und unechte Treffer entschieden. Insbesondere der vollautomatische Abgleichvorgang und die sofortige Löschung der Daten, wenn kein Trefferfall vorliege, schlössen danach einen Grundrechtseingriff aus. In Fällen der unechten Treffer sei mangels einer Halterabfrage die Anonymität des Kraftfahrzeugführers noch nicht aufgehoben. Da nur bei echten Trefferfällen ein Grundrechtseingriff anzunehmen sei, erweise sich die Maßnahme in ihren grundrechtlichen Wirkungen als in hohem Maße treffgenau, so dass ihre Streubreite eng sei. Der Eingriff bei echten Trefferfällen sei von geringer Intensität, da er unter anderem mit dem Kraftfahrzeugkennzeichen ein personenbezogenes Datum betreffe, das für jedermann wahrnehmbar und von geringer Persönlichkeitsrelevanz sei. Zudem erfolge ein Grundrechtseingriff nur, wenn aufgrund der Speicherung des Kennzeichens in den Fahndungsbeständen ein Anlass für eine Überprüfung bestehe. Für die echten Trefferfälle liege mit Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 38 Abs. 3 BayPAG eine formell und materiell verfassungskonforme Rechtsgrundlage vor.

26

Die Kennzeichenkontrolle verfolge mit der Gefahrenabwehr und der Straftatenverhütung in den angegriffenen Normen eindeutig als präventiv ausgestaltete Zwecke. Der Verfolgungsvorsorge würde keinerlei eingriffslegitimierende Wirkung beigemessen. Dass die zum Abgleich herangezogenen Fahndungsbestände auch Ausschreibungen zu repressiven Zwecken enthielten, nehme der Kennzeichenkontrolle nicht die präventive Zweckrichtung, da Ausschreibungen häufig sowohl repressiven wie präventiven Zwecken dienten. Der Ausschreibungsgrund bestimme jedoch nicht den Zugriffszweck. Die tatbestandlichen Voraussetzungen seien ausreichend bestimmt, insbesondere durch den Verweis auf die Voraussetzungen in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG. Aufgrund der Konkretisierung des Begriffs des Fahndungsbestands mittels der Auflistung der Ausschreibungsgründe in Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG sei auch der zum Abgleich eröffnete Datenbestand hinreichend konkretisiert. Gleiches gelte für die Verwendungsregelungen in Art. 38 Abs. 3 BayPAG.

27

Die Regelungen seien insgesamt verhältnismäßig. Sie dienten dem präventiven Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, was in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG näher ausdifferenziert und spezifiziert werde. Hierzu sei die Kennzeichenkontrolle geeignet und erforderlich. Sie sei auch angemessen. Der Grundrechtseingriff in Trefferfällen erfolge treffgenau und sei nur von geringer Intensität, wohingegen den verfolgten Zwecken ein hohes verfassungsrechtliches Gewicht zukomme. Auf allen Ebenen der Datenverarbeitung (Kennzeichenerfassung, Kennzeichenabgleich, Verwendung in Trefferfällen) enthielten die angegriffenen Regelungen dem Zweck der Maßnahme angepasste Begrenzungen. Die Bindung der Kennzeichenerfassung an die Voraussetzungen der Identitätsfeststellung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG sei sachgerecht, da die Kennzeichenkontrolle ein Hilfsmittel zur Ermittlung der Identität sei. Ferner finde eine Begrenzung durch das Erfordernis entsprechender Lageerkenntnisse und das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip aus Art. 4 BayPAG statt.

28

Die zum Abgleich herangezogenen Datenbestände würden, soweit dies technisch möglich sei, auf den jeweiligen Einsatzzweck zugeschnitten aus den Fahndungsbeständen erstellt und in einer separaten, für den Einsatzzweck erstellten Abgleichdatei gespeichert. Art. 38 Abs. 3 BayPAG regele in abgestufter Weise die Verwendung in Nichtreffer-, unechten Treffer- und Trefferfällen. In Trefferfällen erfolge eine Verwendung der Daten nur nach einer Erforderlichkeitsprüfung. Zur Erstellung von Bewegungsbildern dürften die Daten nur in speziell geregelten Fällen verwendet werden. Eine nachträgliche Benachrichtigung der von einer Kennzeichenkontrolle Betroffenen sei bei Nichttreffern und unechten Treffern mangels eines Grundrechtseingriffs nicht erforderlich und würde aufgrund der zwingend vorzunehmenden Datenspeicherung für die Benachrichtigung erst - kontraproduktiv - zu einem Grundrechtseingriff führen. In Trefferfällen würden Betroffene zumeist durch sich anschließende polizeiliche Maßnahmen informiert. Zudem bestehe der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 48 BayPAG.

B.

29

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

30

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer zulässigerweise gegen die klageabweisenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, letztinstanzlich des Bundesverwaltungsgerichts, mit denen sein Unterlassungsbegehren gegenüber ihn möglicherweise erfassenden Kennzeichenkontrollen abgewiesen wurde. Mittelbar wendet er sich dabei gegen Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie gegen Art. 38 Abs. 3 BayPAG.

31

Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt. Er macht geltend, durch automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen, denen er als Verkehrsteilnehmer in Bayern ausgesetzt sei, und durch die ihm hiergegen Rechtsschutz verweigernden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt zu sein. Die Frage, ob eine Kennzeichenkontrolle gegenüber dem Beschwerdeführer tatsächlich einen Grundrechtseingriff begründet, ist wesentlicher Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und wurde von den Fachgerichten nicht einheitlich beurteilt. Insoweit ist eine Grundrechtsverletzung jedenfalls möglich.

II.

32

Für die Verfassungsbeschwerde ist durch die Änderung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes zum 25. Mai 2018 nicht das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Durch diese Änderung wurde der Regelungsgehalt der angegriffenen Vorschriften nicht verändert. Die Vorschriften wurden lediglich zusammengeführt, an eine andere Stelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes verschoben und redaktionell geringfügig neu gefasst. Da der Beschwerdeführer auch hinsichtlich der nunmehr geltenden Gesetzeslage nicht mit einem Erfolg seines Begehrens im fachgerichtlichen Verfahren rechnen kann, ist sein Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen (vgl. BVerfGE 56, 363 <379>).

33

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Vorschriften in ihrer alten Fassung, die Grundlage und Prüfungsgegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2014 waren. Soweit die Befugnisse zur Kennzeichenkontrolle im Rahmen der genannten Gesetzesänderung - wie durch Gesetzesänderungen des Art. 13 Abs. 1 BayPAG zuvor - erweitert wurden, sind diese Änderungen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die im Folgenden zugrunde gelegte und zitierte Fassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes bezieht sich dementsprechend auf dessen Stand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.

C.

34

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Die von ihm mittelbar angegriffenen Vorschriften greifen in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein und genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen zum Teil nicht.

I.

35

In der Durchführung einer Kennzeichenkontrolle zur gezielten Suche nach bestimmten Personen oder Sachen liegt gegenüber dem Beschwerdeführer ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).

36

1. Die Durchführung einer Kennzeichenkontrolle berührt den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

37

a) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den einzelnen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung, aus informationsbezogenen Maßnahmen ergeben. Dieses Recht flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit; es lässt ihn schon auf der Stufe der Gefährdung des Persönlichkeitsrechts beginnen. Eine derartige Gefährdungslage kann bereits im Vorfeld konkreter Bedrohungen von Rechtsgütern entstehen. Mittels elektronischer Datenverarbeitung sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person unbegrenzt speicherbar und jederzeit und ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abrufbar. Sie können darüber hinaus mit anderen Datensammlungen zusammengefügt werden, wodurch vielfältige Nutzungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten entstehen. Dadurch können weitere Informationen erzeugt und so Schlüsse gezogen werden, die sowohl die grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen beeinträchtigen als auch anschließende Eingriffe in seine Verhaltensfreiheit nach sich ziehen können. Eine weitere Besonderheit des Eingriffspotentials von Maßnahmen der elektronischen Datenverarbeitung liegt in der Menge der verarbeitbaren Daten, die auf konventionellem Wege gar nicht bewältigt werden könnte. Der mit solchen technischen Möglichkeiten einhergehenden gesteigerten Gefährdungslage entspricht der hierauf bezogene Grundrechtsschutz (BVerfGE 120, 378 <397 f.> m.w.N.; stRspr).

38

Der Schutzumfang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt sich nicht auf Informationen, die bereits ihrer Art nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschützt werden. Auch der Umgang mit personenbezogenen Daten, die für sich genommen nur geringen Informationsgehalt haben, kann, je nach seinem Ziel und den bestehenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, grundrechtserhebliche Auswirkungen auf die Privatheit und Verhaltensfreiheit des Betroffenen haben. Insofern gibt es unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung kein schlechthin, also ungeachtet des Verwendungskontextes, belangloses personenbezogenes Datum mehr (BVerfGE 120, 378 <398 f.> m.w.N.; stRspr).

39

Auch entfällt der grundrechtliche Schutz nicht schon deshalb, weil die betroffene Information öffentlich zugänglich ist. Auch wenn der Einzelne sich in die Öffentlichkeit begibt, schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dessen Interesse, dass die damit verbundenen personenbezogenen Informationen nicht im Zuge automatisierter Informationserhebung zur Speicherung mit der Möglichkeit der Weiterverwertung erfasst werden (vgl. BVerfGE 120, 378 <399>).

40

b) Danach fällt die Durchführung einer Kennzeichenkontrolle nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Mit ihr werden einzelne, jeweils einem Fahrzeug und über dieses dem jeweiligen Halter zuordenbare Kraftfahrzeugkennzeichen erfasst und zur öffentlichen Aufgabenwahrnehmung mit weiteren Daten abgeglichen. Insoweit handelt es sich um die Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Kennzeichen sind den jeweiligen Haltern individuell zugeordnet. Mit ihnen lassen sich deren Name, Anschrift sowie weitere Informationen ermitteln. Dass die Kennzeichen öffentlich sichtbar sind, ändert hieran ebenso wenig wie der Umstand, dass sie selbst den Namen des Fahrzeughalters nicht anzeigen. Maßgeblich ist allein, dass sich das Kennzeichen eindeutig einer bestimmten Person zuordnen lässt und damit personenbezogene Informationen vermitteln kann (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>; 118, 168 <184 ff.>; 120, 378 <400 f.>; 128, 1 <42 ff.>; 130, 151 <184>). Die Kennzeichenkontrolle erfasst Kraftfahrzeugkennzeichen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung des Kraftfahrzeugs; diese Informationen können mittels einer Halterabfrage einer bestimmten Person zugeordnet werden.

41

2. Eine Kennzeichenkontrolle gegenüber dem Beschwerdeführer greift in dessen Grundrecht auf informa