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Nichtannahmebeschluss: Auch die nachträgliche Eröffnung eines fachgerichtlichen Rechtsbehelfs (hier: Abänderungsantrag gem § 80 Abs 7 VwGO) führt zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG) - hier: Versagung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegen eine Schulbesuchsanordnung gem § 26 SchulG SH
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das gerichtliche Vorgehen einer Mutter gegen eine an sie und ihren mitsorgeberechtigten Ehemann gerichtete Anordnung, den Schulbesuch der gemeinsamen Tochter sicherzustellen.
1. Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrer schulpflichtigen Tochter getrennt vom Vater des Kindes. Das Kind war an einem Gymnasium angemeldet, nahm aber nicht am Unterricht teil. Die Schulbehörde verpflichtete die Beschwerdeführerin nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes (SchulG) sofort vollziehbar, ihre Tochter an einer öffentlichen Schule oder genehmigten Ersatzschule anzumelden und dafür zu sorgen, dass sie am Unterricht und den sonstigen Schulveranstaltungen teilnimmt. Für den Fall der Nichterfüllung drohte sie die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 € an. Das Schreiben war an die Beschwerdeführerin adressiert. In der Anrede und dem Verfügungs- und Begründungsteil wandte sich die Behörde an beide Elternteile. Ein inhaltsgleiches Schreiben wurde dem Vater separat zugestellt.
Die Beschwerdeführerin wandte sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid. Sie trug vor, § 26 SchulG ermächtige nicht zum Erlass einer Schulbesuchsanordnung. Der Vater des Kindes ließ die ihm zugegangene Schulbesuchsanordnung unbeanstandet. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Die elterliche Sorge für die gemeinsame Tochter stehe der Beschwerdeführerin gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB nur gemeinsam mit dem Vater des Kindes zu. Daher sei die Beschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nicht alleine antragsbefugt, sondern nur zusammen mit dem anderen sorgeberechtigten Elternteil. Sollte der Beschwerdeführerin im laufenden Sorgerechtsverfahren das alleinige Sorgerecht übertragen werden, könne sie einen Antrag auf Abänderung dieses Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO stellen. Dieser dürfte indes ohne Erfolg bleiben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die allgemeine Schulpflicht.
2. Nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht die elterliche Sorge in Bezug auf die schulischen Angelegenheiten ihrer Tochter der Beschwerdeführerin zur alleinigen Ausübung übertragen. Das Kind ist mittlerweile an einer Gemeinschaftsschule angemeldet, besucht den Unterricht aber weiterhin nicht. Die Schulbehörde hat daher das in der Schulbesuchsanordnung angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € gegen die Beschwerdeführerin festgesetzt. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Beschwerde gegen die Ablehnung von vorläufigem Rechtsschutz gegen die Zwangsgeldfestsetzung steht noch aus.
3. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Schleswig-Holstein hat zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Es trägt vor, wegen der Möglichkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO sei der Rechtsweg nicht erschöpft. Auch lägen die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG für eine Vorabentscheidung nicht vor.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sowie aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.
Das Oberverwaltungsgericht habe durch die Annahme, sie sei nur zusammen mit dem anderen Elternteil befugt, sich gegen die Schulbesuchsanordnung zu wenden, gegen Art. 19 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen. Die ihr zugegangene Schulbesuchsanordnung sei nicht zugleich an den Vater ihrer Tochter gerichtet gewesen. Vielmehr habe dieser gesondert eine weitere Anordnung erhalten. Das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts stets antragsbefugt seien. Die an sie gerichtete Schulbesuchsanordnung greife unmittelbar in ihr nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschütztes Elternrecht ein, auf das sie sich unabhängig vom Elternrecht des Kindesvaters berufen könne. Davon abgesehen habe sie aufgrund der der Schulbesuchsanordnung beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung darauf vertrauen dürfen, dass sie den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein ohne Mitwirkung des anderen Elternteils stellen könne.
Außerdem hätten die Gerichte verkannt, dass die Schulbesuchsanordnung nicht auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SchulG hätte gestützt werden dürfen. Diese Vorschrift enthalte zwar Regelungen zu elterlichen Pflichten, ermächtige jedoch nicht zu behördlichen Maßnahmen für den Fall der Zuwiderhandlung. Darin liege eine Verletzung des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts für Eingriffe in das Elternrecht.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Rechtsweg nicht erschöpft ist und die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG für eine Vorabentscheidung nicht vorliegen (1.). Der Beschwerdeführerin sind die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht zu erstatten (2.).
1. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verweist den Beschwerdeführer darauf, das schnellere und sachnähere fachgerichtliche Verfahren auszuschöpfen. Er muss deshalb über die bloße formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden, sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 129, 78 <92>).
a) Zu diesen Rechtsbehelfen im weiteren Sinne gehört auch der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf Aufhebung oder Änderung eines gerichtlichen Beschlusses wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände, um so die Beseitigung der grundrechtlichen Beschwer zu erreichen (vgl. BVerfGE 70, 180 <185 ff.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Januar 2002 - 2 BvR 2124/01 -, Rn. 2).
Diese Möglichkeit ist hier eröffnet. Das Oberverwaltungsgericht hat den angegriffenen Beschluss vom 31. August 2018 maßgeblich auf die Erwägung gestützt, die Beschwerdeführerin sei nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht befugt, sich alleine gegen die Schulbesuchsanordnung zu wenden, weil ihr das Sorgerecht für ihre Tochter nur gemeinsam mit ihrem geschiedenen Ehemann zustehe. Sie sei jedoch nicht gehindert, einen Antrag auf Abänderung dieses Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO zu stellen, sobald ihr die alleinige elterliche Sorge für ihre Tochter übertragen werde. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat der Beschwerdeführerin inzwischen im Sorgerechtsverfahren die alleinige elterliche Sorge für den Teilbereich schulische Angelegenheiten übertragen, ohne die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Somit steht der Beschwerdeführerin nunmehr die Möglichkeit offen, einen Antrag auf Abänderung des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen, auf die fehlende Antragsbefugnis gestützten Beschlusses vom 31. August 2018 zu stellen, um erstmals eine Sachprüfung durch das Oberverwaltungsgericht zu erreichen.
Einer Verweisung der Beschwerdeführerin auf diesen Rechtsbehelf steht nicht entgegen, dass sich ihr die Möglichkeit für einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO erst nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde eröffnet hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde auch nachträglich entfallen (BVerfGE 21, 139 <143>; 30, 54 <58>; 33, 247 <253>; 50, 244 <247>; 56, 99 <106>; 72, 1 <5>; 81, 138 <140> stRspr). Das gilt nicht nur hinsichtlich des nachträglichen Wegfalls der gemachten Beschwer und damit des Rechtsschutzbedürfnisses. Eine Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht ist auch dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn sich - wie hier - nachträglich ein Weg eröffnet, auf dem der Beschwerdeführer die Beseitigung der geltend gemachten Beschwer ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts erwirken kann (BVerfGK 19, 424 <427> für den Fall eines nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde in Kraft getretenen Gesetzes, das eine weitere Möglichkeit eröffnete, Rechtschutz zu erlangen).
b) Die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG für eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor Erschöpfung des Rechtswegs liegen nicht vor. Soweit die Beschwerdeführerin außerdem rügt, ihr Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sei verletzt, weil § 26 SchulG keine Befugnis zum Erlass der angefochtenen Schulbesuchsanordnung enthalte, bedarf es zunächst der fachgerichtlichen Klärung der einfachrechtlichen Lage (vgl. BVerfGE 79, 29 <37 f.>; 86, 15 <26 f.>; 86, 382 <388>). Das Oberverwaltungsgericht hat sich mit dieser Frage noch nicht auseinandergesetzt.
Es ist der Beschwerdeführerin auch zumutbar, zunächst einen Antrag auf Abänderung des angegriffenen Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 31. August 2018 zu stellen. Dieser fachgerichtliche Rechtsbehelf erscheint nicht von vornherein aussichtslos (vgl. BVerfGE 79, 1 <20>; 134, 242 <285 f.>). Wie ausgeführt, hat das Oberverwaltungsgericht selbst im angegriffenen Beschluss angenommen, dass nach einer Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Beschwerdeführerin ein Antrag auf Abänderung des auf fehlende Antragsbefugnis gestützten Beschlusses vom 31. August 2018 möglich sei. Das Gericht hat nach einem solchen Antrag auch erstmals Gelegenheit, sich inhaltlich mit der Rüge der Beschwerdeführerin zu befassen, § 26 SchulG ermächtige die Schulbehörde nicht zum Erlass von Schulbesuchsanordnungen.
2. Über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Auslagenerstattung ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Bedeutung kommt dabei insbesondere dem Grund zu, der zur Erledigung geführt hat. So ist es billig, einem Beschwerdeführer die Auslagenerstattung zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschwer beseitigt, weil in diesem Fall davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat. Maßgeblich kann auch sein, ob die verfassungsrechtliche Lage bereits geklärt ist oder ob der angegriffene Hoheitsakt willkürlich ergangen ist. Hingegen findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung wegen der Funktion und Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; 69, 161 <168>; 85, 109 <115 f.>; 87, 394 <397 f.>; 133, 37 <38 f.>).
Im vorliegenden Fall spricht zwar viel dafür, dass der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstößt. Es liegt jedoch keiner der relevanten Billigkeitsgesichtspunkte vor.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.