BVerwG 1. Senat, Urteil vom 09.05.2019, 1 C 21/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 1 C 21/18 (BVerwG)

vom 9. Mai 2019 (Donnerstag)


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Der Kläger wendet sich gegen seine allein auf generalpräventive Gründe gestützte Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

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Der im Januar 1986 in Syrien geborene Kläger ist palästinensischer Volkszugehöriger mit ungeklärter Staatsangehörigkeit. Er reiste im September 1990 gemeinsam mit seinen Eltern unter falschen Personalien in die Bundesrepublik Deutschland ein. Erfolglos suchte er um seine Anerkennung als Asylberechtigter nach. Seither wird sein Aufenthalt geduldet.

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Mit rechtskräftigem Urteil vom 17. April 2013 verurteilte ihn das Oberlandesgericht Koblenz wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung in 39 Fällen sowie wegen Gewaltdarstellung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Billigung von Straftaten, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Ausweislich der tatsächlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts verbreitete der Kläger im Zeitraum von September 2007 bis Dezember 2009 Video- und Textbotschaften islamistischer terroristischer Organisationen im Internet. Er gründete und betrieb das "Al-Ansar Media Battalion", das sich zu einem bedeutenden Medium zur Verbreitung islamistischer Propaganda im deutschsprachigen Raum entwickelte, und stellte unter anderem Erklärungen von Führern oder Repräsentanten terroristischer Vereinigungen auf verschiedenen Internetseiten ein. Im März 2014 wurde die Vollstreckung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe unter Anrechnung der Untersuchungshaft zur Bewährung ausgesetzt, wobei die Bewährungszeit auf vier Jahre festgesetzt wurde.

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Mit Ordnungsverfügung vom 24. Februar 2014 wies der Beklagte den Kläger auf der Grundlage von § 53 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG a.F., hilfsweise von § 54 Satz 1 Nr. 1 AufenthG a.F. aus dem Bundesgebiet aus. Er stellte fest, dass die Ausweisung auch das Verbot der Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland enthalte, und setzte die Wirkung der Ausweisung auf sechs Jahre, beginnend mit dem Tag der Ausreise, fest. Die zugleich verfügte Abschiebungsandrohung hob der Beklagte im Erörterungstermin vor dem Widerspruchsausschuss auf. Widerspruch und Klage sind im Übrigen ohne Erfolg geblieben.

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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 21. Juli 2017 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen weiteren Asylantrag des Klägers auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AsylG beziehungsweise des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Zugleich hat es das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK in Bezug auf die Arabische Republik Syrien festgestellt.

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Im März 2018 hat der Beklagte das ursprünglich auf sechs Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Dauer von vier Jahren ab einer etwaigen Ausreise verkürzt und unabhängig von einer etwaigen Ausreise bis längstens zum 21. Juli 2023 befristet.

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Mit dem angegriffenen Urteil vom 5. April 2018 hat das Oberverwaltungsgericht die auf die Aufhebung der Ausweisung und die weitergehende Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Grundlage der Ausweisung seien die §§ 53 ff. AufenthG. Bei einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit überwiege das öffentliche Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers. Wegen einer ansonsten bewirkten negativen Vorbildwirkung gefährde dessen (unbeschränkter) Aufenthalt im Bundesgebiet die in § 53 Abs. 1 AufenthG geschützten Rechtsgüter. Es liege ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Behörden und Gerichte dürften grundsätzlich, so auch hier, davon ausgehen, dass eine aus Anlass einer strafgerichtlichen Verurteilung verfügte Ausweisung zur Verwirklichung dieses Zwecks geeignet sei und sich Ausländer, die sich in einer mit dem Betroffenen vergleichbaren Situation befänden, durch dessen Ausweisung von gleichen oder ähnlichen strafbaren Handlungen abhalten ließen. Die Besonderheiten der Umstände der Taten, deretwegen er verurteilt worden sei, nähmen seiner Ausweisung nicht die Eignung einer generalpräventiven Wirkung. Sowohl das durch die Ausweisung bewirkte Einreise- und Aufenthaltsverbot als auch die in § 11 Abs. 1 AufenthG vorgesehene Titelerteilungssperre seien geeignet, anderen Ausländern vor Augen zu führen, dass derartige Verstöße gegen die Rechtsordnung aufenthaltsrechtlich nicht folgenlos blieben. Die Eignung der Ausweisung, in generalpräventiver Hinsicht Wirkung zu zeigen, werde auch nicht durch den seit der Begehung der Tathandlungen verstrichenen Zeitraum infrage gestellt. Das generalpräventiv begründete Ausweisungsinteresse wiege hier nicht nur nach der gesetzlichen Typisierung gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, sondern auch nach der individuellen Würdigung der Tat unter Einbeziehung des generalpräventiven Anlasses besonders schwer. Die von dem Kläger begangenen Straftaten fielen hinsichtlich des Deliktstyps in den Bereich des Terrorismus, sodass das generalpräventive Anliegen, andere Ausländer in einer vergleichbaren Situation von der Begehung entsprechender Taten abzuhalten, dem Schutz sowohl der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als auch von Rechtsgütern höchsten Rangs diene. Die Anzahl der Straftaten, die Art ihrer Begehung, deren Verübung über einen erheblichen Zeitraum hinweg und deren Wirkungen bestätigten die Annahme eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses im Einzelfall und rechtfertigten die Annahme eines dringenden Bedürfnisses, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung andere Ausländer von der Begehung von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Der Kläger, der trotz seines langjährigen Aufenthalts zu keinem Zeitpunkt einen rechtmäßigen Aufenthalt erlangt habe, könne sich auf keine gesetzlich typisierten Bleibeinteressen berufen. Zu berücksichtigen sei indes, dass er bereits im Jahr 1990 im Alter von vier Jahren in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei, hier sein Fachabitur bestanden und sein Bachelor-Studium im Fach Informatik abgeschlossen habe. Trotz arabischer Sprachkenntnisse verfüge er über verfestigte Bindungen weder in der Arabischen Republik Syrien noch in einem anderen Drittstaat. Seine Eltern und Geschwister, die mittlerweile im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen seien, lebten im Bundesgebiet. Zu ihnen habe er Kontakt. Es sei allerdings nichts dafür ersichtlich, dass irgendein naher, in Deutschland lebender Familienangehöriger auf seine Hilfe angewiesen sei. Der Kläger sei alleinstehend, noch relativ jung und gut ausgebildet. Ein erheblicher Zeitraum des lediglich geduldeten Aufenthalts sei darauf zurückzuführen, dass bis in das Jahr 2005 zunächst seine Eltern und später auch er selbst über ihre Identität getäuscht hätten. Nach alledem überwiege das generalpräventiv begründete besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse, dessen Gewicht am oberen Rand des Möglichen anzusiedeln sei, deutlich das maßgeblich auf dem langen, indes nur geduldeten Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland beruhende Bleibeinteresse des Klägers. Zwar begründe die Ausweisung einen Eingriff in dessen Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und aus Art. 8 Abs. 1 EMRK. Dieser sei indes verhältnismäßig. Der durch eine generalpräventive Ausweisung zu erreichende Schutz vor Terrorismus und damit im Zusammenhang stehenden und diesen fördernden Straftaten sei - so auch hier - in einer demokratischen Gesellschaft, die durch den Terrorismus in ihrem Wesensgehalt angegriffen wird, notwendig. Dies gelte selbst für den Fall, dass der Kläger infolge der Ausweisung die Bundesrepublik Deutschland verlassen müsste.

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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

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Mit Beschluss vom 9. Mai 2019 hat der Senat das Verfahren gemäß § 93 Satz 2 VwGO abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 1 C 14.19 fortgeführt, soweit es die Entscheidung betrifft, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Dauer von vier Jahren ab einer etwaigen Ausreise zu verkürzen und unabhängig von einer etwaigen Ausreise bis längstens zum 21. Juli 2023 zu befristen.

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Die Revision des Klägers, die sich nach der Abtrennung des Verfahrens 1 C 14.19 allein gegen die Entscheidung richtet, den Kläger aus generalpräventiven Gründen aus dem Bundesgebiet auszuweisen, hat keinen Erfolg. Die Ausweisung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Maßgeblich für ihre rechtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 m.w.N.). Der Entscheidung ist daher das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des am 1. August 2018 in Kraft getretenen Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1147), zugrunde zu legen.

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Die Ausweisung des Klägers findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach den hierzu in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen (1.) hat das Berufungsgericht ohne Bundesrechtsverstoß dahin erkannt, dass der Aufenthalt des Klägers wegen der Erfüllung eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet (2.) und auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet (3.) das öffentliche Interesse an der Ausweisung überwiegt (4.).

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1. Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Die Maßstäbe, die der rechtlichen Beurteilung einer Ausweisungsverfügung zugrunde zu legen sind, hat der Senat in seinem Urteil vom 22. Februar 2017 geklärt (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 20 ff.) und in der Folge bestätigt (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2017 - 1 C 12.16 - juris Rn. 15 ff.).

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2. Der Kläger erfüllt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (2.1); und gefährdet dadurch hier die öffentliche Sicherheit und Ordnung (2.2).

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2.1 Bei dem Kläger liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor, da er wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist. Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 17. April 2013 verurteilte ihn das Oberlandesgericht K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten.

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2.2 Das Berufungsgericht hat seine Bewertung, der weitere Aufenthalt des Klägers gefährde im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG die öffentliche Sicherheit, ohne Bundesrechtsverstoß allein auf generalpräventive Erwägungen gestützt (a), insoweit sind auch die zeitlichen Grenzen einer Berücksichtigung des hier verwirklichten Ausweisungsinteresses nicht überschritten (b).

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a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 12. Juli 2018 - 1 C 16.17 - (NVwZ 2019, 486 Rn. 16 ff.) für die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dargelegt, dass und aus welchen Gründen auch allein generalpräventive Gründe ein Ausweisungsinteresse begründen können. Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG selbst; die Revisionsbegründung gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Denn auch hier muss lediglich der weitere "Aufenthalt" eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bewirken. Vom weiteren Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann indes auch dann eine solche Gefahr ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (vgl. zum früheren Ausweisungsrecht: BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 17 ff.). Diese Auslegung des Wortlauts wird binnensystematisch durch § 53 Abs. 3 AufenthG, der ausdrücklich für bestimmte ausländerrechtlich privilegierte Personengruppen verlangt, dass das "persönliche Verhalten des Betroffenen" eine schwerwiegende Gefahr darstellt, sowie die Gesetzgebungsgeschichte (BT-Drs. 18/4097 S. 49) bestätigt. Auch aus weiteren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes, z.B. § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG, ergibt sich, dass es generalpräventive Ausweisungsinteressen berücksichtigt sehen will.

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b) Eine generalpräventiv gestützte Ausweisung kann indes nur an ein Ausweisungsinteresse anknüpfen, das noch aktuell, also zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch vorhanden ist; denn jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse verliert mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung und kann ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2002 - 1 C 6.01 - BVerwGE 115, 352 <360>).

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aa) Die für die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entwickelten Grundsätze (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 1 C 16.17 - NVwZ 2019, 486 Rn. 22 ff.) sind auch insoweit auf die Ausweisung selbst zu übertragen. Für die generalpräventive Ausweisung bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln. Bei abgeurteilten Straftaten bilden die Tilgungsfristen des § 46 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz - BZRG) zudem eine absolute Obergrenze, weil nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden dürfen (§ 51 BZRG).

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bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war das an die von dem Kläger begangenen Straftaten anknüpfende generalpräventive Ausweisungsinteresse noch aktuell. Der Straftatbestand des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB) unterliegt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB einer einfachen Verjährungsfrist von fünf Jahren. Dieser Zeitraum war in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 5. April 2018 zwar hinsichtlich sämtlicher Taten verstrichen. Die absolute Verjährung des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB war indes für die zwischen dem 30. September 2007 und dem 27. November 2009 begangenen Taten zwar in Bezug auf 12 der 39 Taten, nicht hingegen hinsichtlich der weiteren Taten eingetreten. Ein Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 i.V.m. § 46 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 i.V.m. § 47 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1, § 36 Satz 2 Nr. 1 BZRG greift hier für keine der zur Verurteilung gelangten Anknüpfungsstraftaten.

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Bei der Gewichtung des öffentlichen Interesses an einer generalpräventiven Ausweisung können jedenfalls dann auch die der absoluten Verfolgungsverjährung unterfallenden Taten, soweit sie nicht einem registerrechtlichen Verwertungsverbot unterliegen, berücksichtigt werden, wenn sie - wie hier - in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den noch nicht absolut verjährten Handlungen gestanden haben und daher geeignet sind, deren Gewicht mit zu bestimmen. Dies ist hier auch für die Handlungen der Fall, die der Verurteilung wegen Gewaltdarstellung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Billigung von Straftaten zugrunde liegen.

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cc) Für die Aktualität des Ausweisungsinteresses rechtfertigen die Art der vom Kläger begangenen Straftaten sowie die Nachhaltigkeit, mit der sie über einen längeren Zeitraum öffentlichkeitswirksam begangen wurden, die Ausschöpfung des vom Senat zugrunde gelegten Fristenrahmens. Denn es besteht ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von vergleichbaren Straftaten, dem durch wirksame verhaltenslenkende Maßnahmen Rechnung zu tragen ist.

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Die Straftatbestände des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB, der Gewaltdarstellung gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB und des Billigens einer Straftat nach § 140 StGB sind in besonderer Weise generalpräventiven Interessen zu dienen bestimmt. Die Normen bezwecken den Schutz der inneren öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich des öffentlichen Friedens. Mit der Schaffung des § 129a StGB trug der Gesetzgeber der besonderen Gefährlichkeit Rechnung, die von den betreffenden Vereinigungen ausgeht (BGH, Beschluss vom 5. Januar 1982 - 1 BJs 350/81, StB 53/81 - NStZ 1982, 198 und Urteil vom 22. Februar 1995 - 3 StR 583/94 - BGHSt 41, 47 <51>). Schutzgut des Verbreitungsdelikts des § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB ist der öffentliche Friede; es soll einer "Gefährdung der Allgemeinheit durch das Entstehen eines psychischen Klimas, in dem schwere, sozialschädliche Gewalttaten gedeihen können", entgegenwirken (BT-Drs. 10/6286 S. 7). § 140 StGB zielt als abstraktes Gefährdungsdelikt darauf, der Entstehung eines "psychischen Klimas" vorzubeugen, das die Nachahmung der in der Norm bezeichneten Delikte begünstigt (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1968 - 1 StR 161/68 - BGHSt 22, 282 <286>). Die Nachhaltigkeit der Tatbegehung verstärkt das öffentliche Interesse daran, andere Ausländer von der Begehung vergleichbarer Verstöße gegen die Rechtsordnung abzuhalten. Besondere Umstände in der Person des Klägers, seiner Lebenssituation, den Umständen der Tatbegehung oder der Ausweisungsanordnung selbst, welche die Eignung einer generalpräventiv gestützten Ausweisung berühren könnten, sind substantiiert nicht geltend gemacht und jedenfalls vom Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Im Einklang mit Bundesrecht sieht das Oberverwaltungsgericht die Eignung der Ausweisung, andere Ausländer von der Begehung vergleichbarer Verstöße gegen die Rechtsordnung abzuhalten, auch nicht dadurch infrage gestellt, dass der Kläger aufgrund des zu seinen Gunsten festgestellten Abschiebungsverbots bis auf Weiteres nicht nach Syrien abgeschoben werden kann und selbst eine Verschlechterung seines bisherigen Aufenthaltsstatus mangels rechtmäßigen Aufenthalts nicht bewirkt werden konnte. Auch der mit der Ausweisung derzeit allein verbundenen Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 letzte Alt. AufenthG ist eine generalpräventive Wirkung beizumessen (siehe auch BVerwG, Urteil vom 31. August 2004 - 1 C 25.03 - BVerwGE 121, 356 <362> und Beschluss vom 18. August 1995 - 1 B 55.95 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG Nr. 7 S. 13 f.).

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3. Die dem öffentlichen Ausweisungsinteresse entgegenstehenden Bleibeinteressen des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend bestimmt. Es ist frei von Rechtsfehlern davon ausgegangen, der Kläger könne sich nicht auf ein besonders schwerwiegendes oder schwerwiegendes Bleibeinteresse im Sinne des § 55 Abs. 1 oder 2 AufenthG berufen, und hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 24) für die Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG auch weitere, nicht ausdrücklich in § 55 AufenthG typisierte Bleibeinteressen berücksichtigt, ohne deren hier durchaus erhebliches Gewicht zu verkennen.

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Zugunsten des Klägers hat es dessen Einreise als Minderjähriger, dessen langjährigen - infolge einer ursprünglich durch seine Eltern begangenen Identitätstäuschung indes nur geduldeten - Aufenthalt und dessen insbesondere in der Schul- und Hochschulausbildung zum Ausdruck gelangende Integrationsleistungen berücksichtigt. Zudem hat es in den Blick genommen, dass der Kläger nach Aktenlage seit seiner Einreise nicht mehr in Syrien gewesen sei, er dort über keine verfestigten Bindungen in diesen Staat verfüge und seine Eltern und Geschwister, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seien, im Bundesgebiet lebten, ohne dass ein Familienmitglied auf seinen Beistand angewiesen sei. Für die Gewichtung der Bleibeinteressen konnte es berücksichtigen, dass, wenngleich eine Wiedereingliederung in Syrien mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, der alleinstehende Kläger über arabische Sprachkenntnisse verfüge und gut ausgebildet sei, sodass grundsätzlich gute Chancen auf einen Neuanfang in einem anderen Staat bestünden. Vom Oberverwaltungsgericht nicht benannte Bleibeinteressen von Gewicht hat auch der Kläger nicht geltend gemacht.

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4. Das Berufungsgericht hat das öffentliche Ausweisungsinteresse gegen die Bleibeinteressen des Klägers gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG unter Berücksichtigung der den Einzelfall prägenden Umstände abgewogen und ist unter Beachtung des hierfür zentralen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt (UA S. 25 f., 18 f.). Das ist revisionsrechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

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Das Oberverwaltungsgericht hat insbesondere zutreffend erkannt, dass das hier besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auch bei der gebotenen individuellen Würdigung der Tat unter Einbeziehung des generalpräventiven Anlasses (dazu BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 17) ganz erhebliches Gewicht hat und am oberen Bereich des Möglichen anzusiedeln ist. Der Kläger hat über einen längeren Zeitraum öffentlichkeitswirksam für die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. für deren Unterstützung geworben. Nicht allein die eigenhändige Vornahme terroristischer Handlungen, auch deren Unterstützung berührt Rechtsgüter von höchstem Gewicht und ist u.a. im nationalen Aufenthaltsrecht (s. nur § 5 Abs. 4, § 54 Abs. 1 Nr. 2 oder 4, § 58a AufenthG) und unionsrechtlich (Richtlinie <EU> 2017/541 vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates) auf das Schärfste geächtet, weil sie einen der schwersten Angriffe auf die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, die allen Mitgliedstaaten gemein sind und die der Union zugrunde liegen, darstellt (Erwägungsgrund 2 Richtlinie <EU> 2017/541); auch das Völkerrecht verpflichtet die Staaten auf eine wirksame Bekämpfung des Terrorismus (s. nur das Internationale Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl. 2003 II S. 1923).

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Bei der Würdigung der entgegenstehenden Bleibeinteressen im Rahmen der Gesamtabwägung braucht der Senat hier nicht zu vertiefen, mit welchem Gewicht sich der Kläger, der ungeachtet seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet sich seit seiner Einreise nicht genehmigungsfrei oder mit der erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten hat, auf die Achtung seines Privatlebens und auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit berufen kann (Art. 8 EMRK) und welche Bedeutung hierbei dem Umstand beizumessen ist, dass die Ausweisung hier zwar generalpräventiv begründet wird, aber an eine Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anknüpft. Das Oberverwaltungsgericht durfte hier jedenfalls bereits bei der Ausweisungsentscheidung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigen, dass auf absehbare Zeit keine Aufenthaltsbeendigung beabsichtigt ist, weil ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht und eine konkrete Beeinträchtigung seiner schützenswerten Bleibeinteressen durch Abschiebung konkret mithin nicht droht (BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 58 und vom 25. Juli 2017 - 1 C 12.16 - juris Rn. 31). Bei einem künftigen Wegfall des in Bezug auf die Arabische Republik Syrien festgestellten Abschiebungsverbotes ist der Kläger nicht gehindert, seine dann anders zu gewichtenden Bleibeinteressen im Rahmen eines Verfahrens nach § 11 Abs. 4 AufenthG geltend zu machen, soweit der Wegfall nicht als wesentliche Änderung der Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG zu werten wäre. Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung ergeben sich hier auch nicht aus der Dauer des vom Beklagten festgesetzten Einreise- und Aufenthaltsverbotes, das jedenfalls am Maßstab des nationalen Rechts nicht zu beanstanden ist (vgl. dazu und zu den noch offenen unionsrechtlichen Fragen BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2019 - 1 C 14.19).

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.