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1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. April 2016 werden verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Verfallsbeteiligten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu Freiheitsstrafen verurteilt und Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen.
Gegen die Verfallsbeteiligte F. T. B.V. (im Folgenden: F. B.V.) hat das Landgericht Wertersatzverfall in Höhe von 2.248.482,79 €, davon in Höhe von 1.008.000 € gesamtschuldnerisch neben der L. straße O. GmbH (im Folgenden: L. straße GmbH), angeordnet und gegen die Verfallsbeteiligte L. straße GmbH Wertersatzverfall in Höhe von 1.120.000 €, davon in Höhe von 1.008.000 € gesamtschuldnerisch neben der F. B.V., angeordnet.
Der Senat hat die Revisionen der Angeklagten E. und A. sowie der Verfallsbeteiligten mit Beschlüssen vom 24. Januar 2018 als unbegründet verworfen.
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die auf die Höhe der Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligten beschränkt sind, bleiben ohne Erfolg.
I.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Die Angeklagten wendeten die aus Steuerhinterziehungen erlangten Vermögensvorteile zum Zwecke der Verschleierung unentgeltlich in mehreren Zwischenschritten unter anderem der – von ihnen faktisch beherrschten – Verfallsbeteiligten F. B.V. zu.
Dazu wurde zunächst die Immobilie S. straße in B. im Januar 2010 von der – von den Angeklagten faktisch beherrschten – S. straße GmbH mit Mitteln aus den Taten in Höhe von insgesamt 390.482,79 € erworben und anschließend in Höhe von 850.000 € saniert. Sodann wurde die Immobilie zum Zwecke der weiteren Verschleierung im Mai 2011 unentgeltlich an die Verfallsbeteiligte F. B.V. übertragen und von dieser im Januar 2013 an die C. GmbH zu einem Kaufpreis von 2.650.000 € weiterveräußert.
2. Zudem wendeten die Angeklagten weitere Taterlöse aus den Steuerhinterziehungen der Verfallsbeteiligten L. straße GmbH und der Verfallsbeteiligten F. B.V. ebenfalls in mehreren Zwischenschritten zu.
Die L. straße GmbH erwarb im November 2009 18 Teileigentumseinheiten in den Gebäuden L. straße und (belegen in dem aus sieben Gebäuden bestehenden Büro- und Wohngebäudekomplex L. straße , bis , , und in B. ) zu einem Gesamtkaufpreis von 1.000.000 €. Auf den Kaufpreis konnte die Verfallsbeteiligte lediglich eine Rate in Höhe von 100.000 € entrichten. Die von den Angeklagten faktisch beherrschte S. straße GmbH übernahm sodann zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt ab Frühjahr 2010, jedoch vor dem 28. Oktober 2010, 75 % der Anteile an der Gesellschaft. Die Angeklagten leiteten der S. straße GmbH aus den Taterlösen 1.120.000 € unentgeltlich und als Darlehen legendiert weiter, um den Verbleib der aus den Steuerhinterziehungen vereinnahmten Gelder zu verschleiern. Die S. straße GmbH wendete diesen Betrag der Verfallsbeteiligten L. straße GmbH in einem Zeitraum vom 29. Oktober 2010 bis 30. Juni 2011 in mehreren Einzelbeträgen – wiederum unentgeltlich und als Darlehen legendiert – zur Abgeltung des restlichen Kaufpreises sowie zur Begleichung sonstiger Kosten im Zusammenhang mit der Immobilie zu. Im Januar 2011 hatte die S. straße GmbH weitere 15 % der Gesellschaftsanteile an der L. straße GmbH ungeachtet des zu diesem Zeitpunkt bestehenden erheblichen Gesellschaftsvermögens zu einem Nennpreis von 3.750 € erworben.
Im Mai 2011 veranlassten die Angeklagten zur weiteren Verschleierung die unentgeltliche Weiterübertragung der Gesellschaftsanteile an der L. straße GmbH (insgesamt 90 %) von der S. straße GmbH an die Verfallsbeteiligte F. B.V. .
Der Verkehrswert der Miteigentumsanteile der L. straße GmbH an dem Büro- und Wohngebäudekomplex L. straße , bis , und wurde im Sommer 2015 mit 3.816.000 € bewertet.
3. Die Strafkammer hat die Höhe des gegen die Verfallsbeteiligte F. B.V. angeordneten Verfalls von Wertersatz bezogen auf die Immobilie S. straße nach dem Wert der investierten Taterträge in Höhe von 1.240.482,79 € und nicht nach dem Erlös aus der Veräußerung der Immobilie bestimmt. Zudem hat das Landgericht bezogen auf die 18 Teileigentumseinheiten in den Gebäuden L. straße und die Höhe des angeordneten Verfalls von Wertersatz gegen die Verfallsbeteiligte L. straße GmbH auf 1.120.000 € und gegen die Verfallsbeteiligte F. B.V. auf 1.008.000 € bestimmt.
II.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die hinsichtlich beider Verfallsbeteiligter die Anordnung eines höheren Verfallsbetrages anstrebt, bleiben ohne Erfolg. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht zur Bestimmung der Höhe des Wertersatzverfalls auf die von den Angeklagten in die Immobilien investierten und an die Verfallsbeteiligten weitergeleiteten Taterlöse abgestellt.
1. Gemäß Art. 316h Satz 2 EGStGB findet vorliegend das vor dem 1. Juli 2017 geltende Recht zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung Anwendung.
2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist – wie das Landgericht gestützt auf einen Beschluss des Kammergerichts zur Teilaufhebung eines dinglichen Arrests im vorliegenden Verfahren (vgl. KG, Beschluss vom 1. März 2016 – 4 Ws 6/16 – 161 AR 2/16, OLGSt StGB § 73 Nr. 6) zutreffend ausgeführt hat – die Bestimmung des „erlangten Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF zum Einen bezogen auf die Angeklagten und zum Anderen bezogen auf die Verfallsbeteiligten als begünstigte Dritte im Sinne von § 73 Abs. 3 StGB aF im Rahmen eines hier vorliegenden sog. Verschiebungsfalls.
a) Die Angeklagten haben aus den Steuerhinterziehungen ersparte Aufwendungen im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF erlangt. In Höhe von mehreren Millionen Euro wurden Steuern zu niedrig festgesetzt. Davon haben die Angeklagten Teilbeträge von 1.240.482,79 € in die Immobilie S. straße und von 1.120.000 € in die Teileigentumseinheiten in den Gebäuden L. straße und investiert.
Der Verfall nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF erstreckt sich nach seinem Umfang grundsätzlich nur auf das unmittelbar erlangte Etwas (vgl. BGH, Urteile vom 8. Februar 2018 – 3 StR 560/17, juris Rn. 10 und vom 29. November 2017 – 2 StR 271/17, juris Rn. 26 ff.; Schmidt in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 17). Denn die Abschöpfung muss spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter gerade aus der Tat gezogen hat (vgl. BGH, Urteile vom 29. November 2017 – 2 StR 271/17, juris Rn. 26 und vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309; BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2004 – 2 BvR 1136/03, StV 2004, 409, 411). Mittelbar – durch die Verwertung der Tatbeute – erlangte Vermögenszuwächse können nur als Surrogat aufgrund einer Anordnung nach § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB aF für verfallen erklärt werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2018 – 3 StR 560/17, juris Rn. 10; Beschluss vom 21. August 2018 – 2 StR 311/18, juris Rn. 14).
Unmittelbar durch die Steuerhinterziehungen erlangt sind vorliegend ersparte Aufwendungen in Höhe nicht gezahlter Steuern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2016 – 1 StR 118/16, NStZ 2016, 731; vom 27. Januar 2015 – 1 StR 613/14, NStZ 2015, 469, 470 und vom 28. Juni 2011 – 1 StR 37/11, wistra 2011, 394, 395 Rn. 11). Die Objekte S. straße und die Teileigentumseinheiten in den Gebäuden L. straße und stellen keine Surrogate dar. Denn es handelt sich insoweit nicht um Gegenstände, die die Angeklagten durch die Veräußerung eines erlangten Gegenstandes im Sinne von § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB aF erworben haben. § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB aF setzt voraus, dass der erlangte Vermögensvorteil in einem bestimmten Gegenstand (Sache oder Recht) besteht, dessen Eigentümer oder Rechtsinhaber der Täter geworden ist (vgl. Schmidt in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 45). Dies ist hier nicht der Fall, denn das aus den Taten Erlangte bestand in ersparten Aufwendungen, die nicht gegenständlich, sondern nur in Gestalt einer betragsmäßigen Vermögensmehrung erfassbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2018 – 1 StR 244/18, wistra 2018, 471, 472; Heuchemer in BeckOK, StGB, 38. Edition, § 73a Rn. 7; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73a Rn. 13).
Dementsprechend unterlag das erlangte Etwas auch von vornherein – also bereits auf der Umsatzstufe der Angeklagten – dem Wertersatzverfall nach § 73a Satz 1 StGB aF in entsprechender Höhe, da sich ersparte Aufwendungen als nichtgegenständliche Vorteile bereits mit ihrer Inanspruchnahme verbrauchen (vgl. Schmidt in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 22; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73c Rn. 6). Demgemäß sind auch etwaige spätere Wertsteigerungen (eines mit dem entsprechenden Geldbetrag angeschafften Vermögensgegenstandes) für den Verfall unerheblich. Denn – sofern wegen der Beschaffenheit des Erlangten von vornherein nur Wertersatz in Betracht kommt – ist für die Verfallsanordnung der Wert im Zeitpunkt der Erlangung maßgeblich (vgl. Joecks in Münchener Kommentar, StGB, 3. Aufl., § 73a Rn. 16 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 4 StR 569/17, NJW 2018, 3325, 3326 f. Rn. 24 ff.).
b) Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass sich die Höhe des gegen die Verfallsbeteiligten gemäß § 73 Abs. 3 StGB aF gerichteten Wertersatzanspruchs nach dem Wert der in die Immobilien investierten Beträge richtet.
Das Landgericht hat dabei zunächst ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen eines sogenannten Verschiebungsfalls bejaht, bei dem der Täter dem gemäß § 73 Abs. 3 StGB aF haftenden Dritten die Tatvorteile – den zunächst selbst erlangten Gegenstand oder den entsprechenden Wertersatz – unentgeltlich oder aufgrund eines bemakelten Rechtsgeschäfts zukommen lässt, um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder um die Tat zu verschleiern (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89, 94 Rn. 56 mwN). Ein Verschiebungsfall kommt auch dann in Betracht, wenn – wie vorliegend – das Erlangte lediglich aus ersparten Aufwendungen besteht (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember 2013 – 1 StR 53/13, wistra 2014, 219, 222 Rn. 38 und vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89, 94 Rn. 57 mwN).
Die Verfallsbeteiligten erwarben zwar die Immobilie S. straße bzw. die Miteigentumsanteile an dem Büro- und Wohngebäudekomplex L. straße , bis , , und , die Immobilien stellen jedoch – wie ausgeführt – keine Gegenstände dar, die als Taterlöse („erlangtes Etwas“) an die Verfallsbeteiligten weiter geleitet wurden. Vielmehr wurden nur die in die Immobilien investierten Beträge über Zwischenschritte auf die Verfallsbeteiligten verschoben (vgl. KG, Beschluss vom 1. März 2016 – 4 Ws 6/16 – 161 AR 2/16, OLGSt StGB § 73 Nr. 6, S. 15).
Die Anwendbarkeit des § 73 Abs. 3 StGB aF auf Verschiebungsfälle ändert nichts an der Grundvoraussetzung des Verfalls, dass die Vorteile, die der Dritte erlangt hat, „aus der Tat“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF stammen müssen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 13. Mai 2013 – Ws 61/13, wistra 2013, 361, 363; KG, Beschluss vom 1. März 2016 – 4 Ws 6/16 – 161 AR 2/16, OLGSt StGB § 73 Nr. 6, S. 15 f.). Der für die Anwendung des § 73 Abs. 3 StGB erforderliche Bereicherungszusammenhang stellt insoweit lediglich die notwendige Verknüpfung zwischen dem durch die Straftat Erlangten und dem Drittenbegünstigten her, lässt aber das Grundprinzip der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung unberührt, dass sich die Abschöpfung der Gesamtheit der Vermögenswerte auf dasjenige beschränkt, was dem Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten – unmittelbar oder kraft Erstreckung gemäß § 73 Abs. 2 StGB aF mittelbar – aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89, 94 Rn. 58 sowie BT-Drucks. 18/9525, S. 47 zu dem seit dem 1. Juli 2017 geltenden Recht). Dies waren aber allein die ersparten Aufwendungen, so dass sich der Verfall auch bezogen auf die Verfallsbeteiligten von vornherein auf den entsprechenden Wertersatz richtete.
Dementsprechend scheidet vorliegend ein Zugriff auf den jeweiligen Verkehrswert, bezogen auf die Verfallsbeteiligte F. B.V. in Form des Veräußerungserlöses sowie im Hinblick auf die Verfallsbeteiligte L. straße GmbH und gesamtschuldnerisch haftend auch hinsichtlich der F. B.V. in Form des aktuellen Werts der Teileigentumseinheiten, aus.
Aus dem im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB geltenden Bruttoprinzip folgt – anders als die Revision geltend macht – nichts anderes. Dieses besagt lediglich, dass der erlangte wirtschaftliche Wert „brutto“, also ohne gewinnmindernde Abzüge, anzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 84 f. Rn. 18). Im vorliegenden Fall geht es indessen nicht um die Anrechnung gewinnmindernder Abzüge, sondern um die Bestimmung des aus der Tat Erlangten bei dem Drittbegünstigten.
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