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Ordentliche Kündigung - Ungleichbehandlung wegen der Religion
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 2010 - 5 Sa 996/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte betreibt ua. Krankenhäuser. Dabei verfolgt sie vorrangig eine religiöse Zielsetzung in Form der Verwirklichung von Aufgaben der Caritas als Lebens- und Wesensäußerung der römisch-katholischen Kirche. Die Beklagte unterliegt der Aufsicht des Erzbischofs von Köln. Der Kläger ist katholisch und war bei ihr seit dem Jahre 2000 auf der Grundlage eines Dienstvertrags vom 12. Oktober 1999 als Abteilungsarzt mit der Dienstbezeichnung „Chefarzt“ beschäftigt.
Die Parteien schlossen den Dienstvertrag unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993 (Amtsblatt des Erzbistums Köln S. 222; GrO 1993) und der Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1996 (Amtsblatt des Erzbistums Köln S. 321; GrOK-NRW). Nach Art. 3 Abs. 2 GrO 1993 konnten kirchliche Dienstgeber pastorale, katechetische sowie in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört. Zu den in diesem Sinne leitend tätigen Mitarbeitern gehörten Abteilungsärzte (Abschnitt A. 5. Satz 2 GrOK-NRW). Art. 4 Abs. 1 GrO 1993 forderte von den katholischen Mitarbeitern, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Nach Art. 5 Abs. 2 GrO 1993 handelte es sich beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung rechtfertigen konnte. Die Weiterbeschäftigung war grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Loyalitätsverstoß von einem leitenden Mitarbeiter begangen wurde (Art. 5 Abs. 3 GrO 1993). In § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Dienstvertrags der Parteien ist das Leben in kirchlich ungültiger Ehe oder eheähnlicher Gemeinschaft als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung genannt.
Eine ungültige Ehe schließt nach katholischem Rechtsverständnis (vgl. Canon [Can.] 1085 § 1 Codex Iuris Canonici [CIC]), wer durch das Band einer früheren Ehe gebunden ist. Eine neue Eheschließung ist auch dann nicht erlaubt, wenn eine frühere Ehe nichtig oder aufgelöst worden ist, die Nichtigkeit bzw. die Auflösung der früheren Ehe aber noch nicht rechtmäßig und sicher feststeht (Can. 1085 § 2 CIC).
Der Kläger war mit seiner ersten Ehefrau nach katholischem Ritus verheiratet. Diese trennte sich von ihm im August 2005. Die Ehe wurde im März 2008 geschieden. Aus ihr waren zwei Töchter hervorgegangen. Mit seiner späteren zweiten Ehefrau lebte der Kläger von 2006 bis 2008 unverheiratet zusammen. Im August 2008 heiratete er ein zweites Mal standesamtlich, ohne dass seine erste Ehe kirchenrechtlich für nichtig erklärt worden war. Die Beklagte erfuhr von der erneuten Eheschließung spätestens im November 2008. Nach Anhörung der bei ihr bestehenden Mitarbeitervertretung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 30. März 2009 fristgerecht zum 30. September 2009.
Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben und die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die erneute Heirat stelle keinen Kündigungsgrund dar. Er habe sich nicht kirchenfeindlich verhalten. Die Kündigung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Nach der GrO 1993 habe die Wiederheirat eines evangelischen oder konfessionslosen Abteilungsarztes keine Folgen für dessen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten gehabt.
Der Kläger hat beantragt
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1. |
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. März 2009 zum 30. September 2009 nicht beendet worden ist; |
2. |
für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verpflichten, ihn über den 30. September 2009 hinaus als leitenden Arzt der Abteilung Medizinische Klinik (Innere Medizin) am S-Krankenhaus in D bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiterzubeschäftigen. |
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei eine ungültige Ehe im Sinne des katholischen Kirchenrechts eingegangen und habe dadurch in erheblicher Weise gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen. Soweit sie anderen wiederverheirateten Chefärzten nicht gekündigt habe, handele es sich - abgesehen von aus anderen Gründen mit dem Streitfall ihres Erachtens nicht vergleichbaren Fällen - nicht um katholische Arbeitnehmer, von denen nicht in derselben Weise wie von katholischen Mitarbeitern die Befolgung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verlangt werden könne.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Das ihr Rechtsmittel zurückweisende Senatsurteil vom 8. September 2011 (- 2 AZR 543/10 - BAGE 139, 144) hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 (- 2 BvR 661/12 - BVerfGE 137, 273) aufgehoben und die Sache an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen. Der Senat hat mit Beschluss vom 28. Juli 2016 (- 2 AZR 746/14 [A] - BAGE 156, 23) den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung von Unionsrecht und vorrangig von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG (RL 2000/78/EG) ersucht. Hierüber hat der Gerichtshof mit Urteil vom 11. September 2018 (- C-68/17 -) entschieden.
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die Kündigung der Beklagten vom 30. März 2009 sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG ist.
I. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes fand nach § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG im Kündigungszeitpunkt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
II. Die Kündigung der Beklagten ist weder durch Gründe im Verhalten noch in der Person des Klägers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Es fehlt an einem kündigungsrelevanten Verstoß des Klägers gegen eine vertragliche Loyalitätspflicht. Die Loyalitätserwartung, den heiligen und unauflöslichen Charakter der kirchlichen Eheschließung zu achten, stellt auch keine berechtigte Anforderung der Beklagten an die persönliche Eignung des Klägers dar. Die Vereinbarung im Dienstvertrag der Parteien, mit der Art. 4 Abs. 1 sowie Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 GrO 1993 in Bezug genommen wurden, war jedenfalls im Zeitpunkt der streitbefangenen Kündigung gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, soweit danach - iVm. Abschnitt A. 5. Satz 2 GrOK-NRW - bei Abteilungsärzten der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültigen Ehe einen Loyalitätsverstoß darstellt, der grundsätzlich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Ebenso gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Dienstvertrags, soweit danach das Leben in kirchlich ungültiger Ehe einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellt. Es handelt sich um Beschäftigungs- und Entlassungsbedingungen iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG, die den Kläger gem. § 7 Abs. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligen, ohne dass dies nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt ist. Nichts anderes würde gelten, soweit die Beklagte diese Loyalitätserwartungen nicht aus dem schriftlichen Dienstvertrag der Parteien, sondern aus ungeschriebenen nebenvertraglichen Pflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) herleiten wollte.
1. Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie sind auch dann an dieser Bestimmung zu messen, wenn sie zwar - wie hier - vor Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 abgeschlossen wurden, aber noch danach eine benachteiligende Wirkung entfalten (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 458/13 - Rn. 24; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 37, BAGE 145, 296). § 33 AGG enthält insoweit keine entgegenstehende Übergangsregelung. Die benachteiligende Wirkung der Beschäftigungsbedingung, das Eingehen einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültigen Ehe stelle einen Loyalitätsverstoß dar, dauerte über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des AGG an. Sie sollte fortdauernd eine entsprechende arbeitsvertragliche Pflicht des Klägers begründen, gegen die er durch die erneute Eheschließung im August 2008 verstieß. Die benachteiligende Wirkung der Entlassungsbedingungen, wonach ein entsprechender Loyalitätsverstoß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen konnte, trat mit der darauf gestützten Kündigung der Beklagten vom 30. März 2009 ein.
2. Der Kläger wurde durch die fraglichen Beschäftigungs- und Entlassungsbedingungen wegen seiner Religion iSd. § 1 AGG, nämlich der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche, gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden Abteilungsärzten unmittelbar benachteiligt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Das Leben in einer kirchlich ungültigen Ehe war gem. Art. 4 Abs. 1 iVm. Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 der mit dem Dienstvertrag in Bezug genommenen GrO 1993 nur bei katholischen leitenden Arbeitnehmern, zu denen auch Abteilungsärzte gehörten, ein die Weiterbeschäftigung in der Regel nicht zulassender Verstoß gegen die Loyalitätsanforderungen, der eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen konnte. Hingegen hatte die Wiederheirat eines evangelischen oder konfessionslosen Abteilungsarztes nach den Regelungen der GrO 1993 keine Folgen für dessen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten.
3. Diese Benachteiligung war nicht gem. § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt.
a) Nach § 9 Abs. 2 AGG berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung nicht das Recht der in Absatz 1 der Bestimmung genannten Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses zu verlangen. § 9 AGG dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG (BT-Drs. 16/1780 S. 35). Die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei den Loyalitätsanforderungen gem. § 9 Abs. 2 AGG ist daher, soweit die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden es zulassen, unter Beachtung der Richtlinie und der zu ihrer Auslegung ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu prüfen.
b) § 9 Abs. 2 AGG ist aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG, für eine der Kirche zugeordnete Einrichtung - nur über diese hat der Senat vorliegend zu befinden - dahin auszulegen, dass die Einrichtung nicht das Recht hat, bei einem Verlangen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses Beschäftigte in leitender Stellung je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit unterschiedlich zu behandeln, wenn nicht die Religion oder die Weltanschauung im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung ist, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Einrichtung wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Die Frage, ob diese Kriterien erfüllt sind, unterliegt einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle.
aa) Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG bestimmt, dass die Kirchen und andere öffentliche oder private Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen verlangen können, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten, sofern die Bestimmungen der Richtlinie im Übrigen eingehalten werden.
bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass eine Ungleichbehandlung bei der Anforderung eines loyalen und aufrichtigen Verhaltens im Sinne des Ethos des Arbeitgebers gem. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG, die sich ausschließlich auf die Konfession der Beschäftigten stützt, ua. die in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG genannten Kriterien einzuhalten hat (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 49), was angesichts des sich aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) ergebenden Rechts auf wirksamen gerichtlichen Schutz der sich für die jeweilige Person aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte gegebenenfalls einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegen muss (EuGH 17. April 2018 - C-414/16 - [Egenberger] Rn. 59). Eine Kirche oder eine andere öffentliche oder private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, darf daher bei der Anforderung, sich loyal und aufrichtig im Sinne dieses Ethos zu verhalten, ihre Beschäftigten in leitender Stellung nur dann je nach deren Zugehörigkeit zur Religion bzw. deren Bekenntnis zur Weltanschauung dieser Kirche oder dieser anderen Organisation unterschiedlich behandeln, wenn die Religion oder die Weltanschauung im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts dieses Ethos ist (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 55). Maßgeblich ist danach, ob die fragliche Loyalitätspflicht als Teil der betreffenden Religion im Hinblick auf die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts dieses Ethos ist (vgl. EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 49 f.). Dies zu beurteilen, ist Sache des nationalen Gerichts (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 56).
(1) „Wesentlich“ ist eine berufliche Anforderung iSv. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG, sofern die Zugehörigkeit zu der Religion bzw. das Bekenntnis zu der Weltanschauung, auf der das Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation beruht, aufgrund der Bedeutung der betreffenden beruflichen Tätigkeit für die Bekundung dieses Ethos oder die Ausübung des in Art. 17 AEUV und in Art. 10 GRC anerkannten Rechts dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie notwendig erscheinen muss (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 51; vgl. in diesem Sinne auch EuGH 17. April 2018 - C-414/16 - [Egenberger] Rn. 50, 65).
(2) Die Anforderung ist „rechtmäßig“ iSv. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG, wenn sie nicht zur Verfolgung eines sachfremden Ziels ohne Bezug zum Ethos oder zur Ausübung des Rechts der Kirche oder Organisation auf Autonomie dient (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 52; 17. April 2018 - C-414/16 - [Egenberger] Rn. 66).
(3) Das Erfordernis, die Anforderung müsse „gerechtfertigt“ iSv. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG sein, impliziert nicht nur, dass die Einhaltung der in Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG genannten Kriterien durch ein innerstaatliches Gericht überprüfbar sein muss, sondern auch, dass es der Kirche oder Organisation, die eine berufliche Anforderung aufgestellt hat, obliegt, im Licht der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls darzutun, dass die geltend gemachte Gefahr einer Beeinträchtigung ihres Ethos oder ihres Rechts auf Autonomie wahrscheinlich und erheblich ist, so dass sich eine solche Anforderung als notwendig erweist (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 53; vgl. in diesem Sinne auch EuGH 17. April 2018 - C-414/16 - [Egenberger] Rn. 67).
(4) Schließlich muss die Anforderung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen, was bedeutet, dass die nationalen Gerichte prüfen müssen, ob die Anforderung angemessen ist und nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgeht (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 54; 17. April 2018 - C-414/16 - [Egenberger] Rn. 68).
cc) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt es den nationalen Gerichten, unter Berücksichtigung sämtlicher nationaler Rechtsnormen und der im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden zu entscheiden, ob und inwieweit eine nationale Rechtsvorschrift wie § 9 Abs. 2 AGG im Einklang mit der RL 2000/78/EG ausgelegt werden kann, ohne dass dies zu einer Auslegung contra legem führt (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 63; vgl. in diesem Sinne auch EuGH 17. April 2018 - C-414/16 - [Egenberger] Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung; zum Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl vgl. BVerfG 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 - Rn. 77, BVerfGE 140, 317). Die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, und ihre Pflicht, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, obliegt allen Trägern öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten und damit im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten (EuGH 19. April 2016 - C-441/14 - [Dansk Industri] Rn. 30). Die mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichte müssen bei dessen Anwendung sämtliche nationalen Rechtsnormen berücksichtigen und die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anwenden, um seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der fraglichen Richtlinie auszurichten, damit das von ihr festgelegte Ergebnis erreicht und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachgekommen wird (EuGH 19. April 2016 - C-441/14 - [Dansk Industri] Rn. 31; in diesem Sinne bereits EuGH 5. Oktober 2004 - C-397/01 bis C-403/01 - [Pfeiffer ua.] Rn. 113 f. sowie 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 48).
dd) Die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts das Unionsrecht heranzuziehen, findet zwar ihre Grenzen in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH 19. April 2016 - C-441/14 - [Dansk Industri] Rn. 32; vgl. auch EuGH 15. April 2008 - C-268/06 - [Impact] Rn. 100; 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 25; 15. Januar 2014 - C-176/12 - [Association de médiation sociale] Rn. 39). Das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung umfasst jedoch die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 64; 17. April 2018 - C-414/16 - [Egenberger] Rn. 72; dem folgend BAG 5. Dezember 2012 - 7 AZR 698/11 - Rn. 37, BAGE 144, 85; BGH 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11 - Rn. 37, BGHZ 207, 209; 26. November 2008 - VIII ZR 200/05 - Rn. 21 mwN, BGHZ 179, 27). Eine solche Rechtsfortbildung kann in Betracht kommen, wenn der Gesetzgeber mit der von ihm geschaffenen Regelung eine Richtlinie umsetzen wollte, hierbei aber deren Inhalt missverstanden hat (BGH 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11 - aaO; 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08 - Rn. 32 f., BGHZ 192, 148). Ein nationales Gericht darf nicht davon ausgehen, dass es eine nationale Vorschrift nicht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen könne, nur weil sie in ständiger Rechtsprechung in einem nicht mit dem Unionsrecht zu vereinbarenden Sinne ausgelegt worden ist (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 65; 17. April 2018 - C-414/16 - [Egenberger] Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
ee) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist § 9 Abs. 2 AGG im Einklang mit dem Unionsrecht und insbesondere Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG dahin auszulegen, dass Anforderungen an ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne des jeweiligen Selbstverständnisses der Religionsgemeinschaft, die zu einer Ungleichbehandlung von Beschäftigten in leitender Stellung je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit führen, die in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG genannten Kriterien einhalten müssen, wobei die Frage, ob die danach geforderten Voraussetzungen gegeben sind, einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
(1) Wortlaut und Gesetzessystematik geben für die Möglichkeit einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG kein eindeutiges Ergebnis vor. Die Vorschrift spricht zwar - anders als Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG - nicht von einem „(K)önnen …“, „(s)ofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im übrigen eingehalten werden“, sondern davon, das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung berühre nicht das „Recht“ der Religionsgemeinschaften und der ihnen zugeordneten Einrichtungen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses zu verlangen. Die Regelung nimmt damit - anders als Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG - zumindest explizit nicht Bezug auf andere, dieses Recht näher definierende Bestimmungen. Der normative Begriff des „Rechts“ lässt aber auch ausreichend sprachlichen Raum für eine richtlinienkonforme Lesart, nach der es sich um ein im Einklang mit dem umzusetzenden Unionsrecht stehendes Recht handeln muss.
(2) Ein solchermaßen unionsrechtskonformes Verständnis von § 9 Abs. 2 AGG erlauben auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und der darin zum Ausdruck kommende Wille des deutschen Gesetzgebers, Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG in nationales Recht umzusetzen. Der Gesetzgeber meinte zwar, der Erwägungsgrund 24 der RL 2000/78/EG lasse es zu, dass die Mitgliedstaaten spezifische Bestimmungen entsprechend dem deutschen Verfassungsverständnis auch hinsichtlich von Verhaltensanforderungen beibehalten oder vorsehen, die eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft an ihre Mitarbeiter stelle, und dass es dabei den Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften selbst obliege, dementsprechend verbindliche innere Regelungen zu schaffen (BT-Drs. 16/1780 S. 35 f.). Damit hat er aber, wie aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 11. September 2018 (- C-68/17 -) nunmehr feststeht, den Inhalt der RL 2000/78/EG missverstanden, die - anders als das deutsche Verfassungsverständnis - eine tätigkeitsbezogene Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen bei den Loyalitätserwartungen allein aufgrund der Religion verlangt, die überdies einer wirksamen Kontrolle durch die staatlichen Gerichte unterliegen muss. Das ändert indes nichts an der ausdrücklich verlautbarten gesetzgeberischen Grundentscheidung, die Vorgaben der RL 2000/78/EG umzusetzen. Ein unionsrechtskonformes Verständnis von § 9 Abs. 2 AGG respektiert diese und setzt sich damit nicht etwa über einen eindeutig erkennbaren entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers hinweg (zu dieser Schranke vgl. BVerfG 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 - Rn. 73).
c) Die demnach in unionsrechtskonformer Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG zu stellenden Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber den nicht der katholischen Konfession angehörenden Abteilungsärzten der Beklagten in Bezug auf die ihm auferlegte Loyalitätserwartung, den heiligen und unauflöslichen Charakter der kirchlichen Eheschließung zu achten, sind im Streitfall nicht erfüllt.
aa) Dies folgt allerdings nicht schon aus den Hinweisen, die der Gerichtshof der Europäischen Union in seine Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen aufgenommen hat. Nach diesen erscheint dem Gerichtshof die Akzeptanz des Eheverständnisses der katholischen Kirche unter Berücksichtigung der vom Kläger ausgeübten beruflichen Tätigkeiten für die Bekundung des Ethos der Beklagten nicht notwendig und keine wesentliche Voraussetzung der beruflichen Tätigkeit iSv. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG zu sein (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 58). Die vorgenannten Ausführungen des Gerichtshofs entfalten weder nach Unionsrecht noch nach nationalem Recht für den Senat Bindungswirkung. Sie betreffen nicht die abstrakte Auslegung von Unionsrecht, sondern sind einzelfallbezogen und beschränken sich auf die Anwendung von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG auf einen Sachverhalt, für dessen Feststellung dem Gerichtshof die Befugnis fehlt. Sie enthalten lediglich Hinweise, mit denen dieser dem Senat „auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens“ und der vor dem Gerichtshof abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen eine Entscheidung über den Rechtsstreit ermöglichen möchte (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 56).
bb) Zugunsten der Beklagten kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei ihr um eine private Organisation handelt, deren Ethos iSv. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG auf religiösen Grundsätzen beruht (vgl. dazu EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 41). Allerdings hat der Senat in seinem Vorabentscheidungsersuchen die Frage aufgeworfen, ob privatrechtlich verfasste Einrichtungen, die sich in marktüblicher Weise im Gesundheitswesen betätigen, vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG erfasst werden. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragestellung nur dahingehend beantwortet, dass insoweit Erwägungen zur Rechtsnatur und zur Rechtsform der betreffenden Körperschaft ohne Bedeutung sind und die Bezugnahme auf private Organisationen auch nach Privatrecht gegründete Einrichtungen umfasst (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 40). Zur „Marktüblichkeit“ der Betätigung hat sich der Gerichtshof hingegen nicht verhalten. Einer darauf gestützten Nachfrage des Senats bedarf es indes nicht. Die Revision der Beklagten unterliegt auch dann der Zurückweisung, wenn die beruflichen Tätigkeiten der Arbeitnehmer innerhalb ihrer Einrichtungen von § 9 Abs. 2 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung erfasst werden.
cc) Eine Ungleichbehandlung bei der Anforderung eines loyalen und aufrichtigen Verhaltens im Sinne des Ethos des Arbeitgebers, die sich - wie hier - ausschließlich auf die Konfession der Beschäftigten stützt, hat aufgrund der unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG ua. die in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG genannten Kriterien (vgl. Rn. 19) einzuhalten (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 49). Danach hängt es von der Art der fraglichen Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung ab, ob die Religion oder Weltanschauung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation im Sinne dieser Vorschrift darstellen kann. Dies setzt einen - objektiv bestehenden - direkten Zusammenhang zwischen der vom Arbeitgeber aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit voraus. Ein solcher Zusammenhang kann sich entweder aus der Art dieser Tätigkeit ergeben - zB wenn sie mit der Mitwirkung an der Bestimmung des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation oder einem Beitrag zu deren Verkündigungsauftrag verbunden ist - oder aus den Umständen ihrer Ausübung, zB der Notwendigkeit, für eine glaubwürdige Vertretung der Kirche oder Organisation nach außen zu sorgen (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 50; vgl. in diesem Sinne auch EuGH 17. April 2018 - C-414/16 - [Egenberger] Rn. 62 f.).
dd) Unter Anwendung dieser Grundsätze liegen die in unionsrechtskonformer Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG zu fordernden Voraussetzungen für eine Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber den nicht der katholischen Konfession angehörenden Abteilungsärzten in Bezug auf die Loyalitätsanforderung, den heiligen und unauflöslichen Charakter der kirchlichen Eheschließung zu achten, nicht vor. Die Achtung des Gebots, keine nach kanonischem Recht ungültige Ehe einzugehen, war für die Bekundung des Ethos der Beklagten keine im Hinblick auf die Art der beruflichen Tätigkeiten des Klägers oder die Umstände ihrer Ausübung wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung. In Bezug auf diesen Teil ihres Ethos war die Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber den nicht der katholischen Kirche angehörigen Abteilungsärzten nicht durch § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt.
(1) Dies gilt zunächst mit Blick auf die Art der vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten.
(a) Soweit diese die Beratung und medizinische Pflege in einem Krankenhaus sowie die Leitung der medizinischen Abteilung „Innere Medizin“ als Chefarzt zum Gegenstand haben, wirkte der Kläger dadurch weder an der Bestimmung des Ethos der Beklagten mit noch leistete er einen Beitrag zu deren Verkündigungsauftrag.
(b) Der von der Beklagten zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung angeführte Umstand, die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit lasse sich nicht auf die Ausübung des Heilberufs „Arzt“ im rein praktischen Sinne reduzieren, sondern sei untrennbar mit ihrem karitativen Wirken insgesamt und dessen religiöser Dimension verbunden, vermag eine tätigkeitsbezogene Differenzierung ebenfalls nicht zu begründen. Alle Abteilungsärzte sind in diesem Sinne in das karitative Wirken der Beklagten einbezogen.
(c) Ihre Behauptung, der Kläger sei ua. im Bereich der internistischen Onkologie tätig gewesen, was ein besonders hohes Maß an Vertrauen zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patienten voraussetze, lässt keinen Zusammenhang mit der Wesentlichkeit, also Notwendigkeit einer beruflichen Anforderung erkennen, im Privatleben den heiligen und unauflöslichen Charakter der kirchlichen Eheschließung zu achten. Die Beklagte macht vielmehr auch mit Blick auf die konkrete Tätigkeit des Klägers letztlich allein geltend, diese sei als karitative Tätigkeit Teil des Sendungsauftrags der römisch-katholischen Kirche. Das trifft indes nach ihrem eigenen Vorbringen auf alle im karitativen Dienst der Beklagten am Mitmenschen zu erfüllenden Tätigkeiten zu.
(d) Die Auffassung der Beklagten, die ihres Erachtens gegebene Notwendigkeit, vom Kläger die Beachtung der Gebote der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu fordern, werde nicht dadurch infrage gestellt, dass sie vereinzelt gem. Art. 3 Abs. 2 GrO 1993 auch Personen nicht katholischer Konfession auf Stellen mit medizinischer Verantwortung und Leitungsaufgaben beschäftige, übersieht, dass die Abstufung von Loyalitätsanforderungen je nach Konfessionszugehörigkeit der Beschäftigten zwar nach deutschem Verfassungsrecht zulässig sein mag (so ausdrücklich BVerfG 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - Rn. 159 ff., BVerfGE 137, 273), unionsrechtlich aber tätigkeitsbezogen gerechtfertigt sein muss. Soweit die Beklagte geltend macht, die fraglichen Stellen „ähnelten“ sich bloß, lässt dies, wie ausgeführt, keinen relevanten Unterschied in Bezug auf die Forderung nach der Beachtung des kanonischen Eheverständnisses durch die Abteilungsärzte erkennen. Es ist auch unerheblich, ob die Beschäftigung von nicht-katholischen Abteilungsärzten eine bloße Reaktion auf die gesellschaftliche Entwicklung der religiösen Pluralisierung und „Entkirchlichung“ darstellt, wie die Beklagte geltend macht. Sie führt zwar weiter aus, es habe für die Integrität der Dienstgemeinschaft und die Vertrauensbasis der Mitarbeiterschaft, der Patienten und ihrer Angehörigen ein signifikant anderes Gewicht, ob in Ausnahmefällen in leitenden Funktionen auch Personen beschäftigt würden, die aus kirchenrechtlichen Gründen von Beginn an nur verminderten Loyalitätspflichten unterliegen, oder ob katholische Mitarbeiter - wie der Kläger - die ihnen obliegenden Verpflichtungen bewusst brächen. Nach den unionsrechtlichen Anforderungen ist aber die „Integrität der Dienstgemeinschaft“ für sich genommen kein eine Ungleichbehandlung bei den Loyalitätsanforderungen allein aufgrund der Konfession der Beschäftigten rechtfertigender Grund. Auch der Verweis der Beklagten auf die - vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene - Senatsentscheidung vom 8. September 2011 (- 2 AZR 543/10 - Rn. 37, BAGE 139, 144) greift insofern zu kurz. Der Senat hatte sich dort nicht mit der Frage befasst, ob nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 RL 2000/78/EG Loyalitätsanforderungen auch innerhalb derselben (Leitungs-)Funktion allein nach der Konfessionszugehörigkeit der Beschäftigten abgestuft werden dürfen.
(2) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Umständen der Ausübung der beruflichen Tätigkeiten des Klägers.
(a) Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger nehme als leitender Mitarbeiter iSd. GrO Repräsentationsfunktionen wahr, die eine besondere Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung der Einrichtung sowie die Glaubwürdigkeit der Kirche auch in der außerkirchlichen Öffentlichkeit hätten, vermag dies nicht die Ungleichbehandlung bei den Loyalitätsanforderungen trotz gleich gelagerter (Leitungs-)Tätigkeit allein aufgrund der Konfessionszugehörigkeit zu rechtfertigen.
(b) Die von der Beklagten angeführte Vorbild- und Führungsfunktion des Klägers nach innen hinsichtlich der Erfüllung der an ihn selbst sowie die weiteren Mitarbeiter der Beklagten gestellten Loyalitätsanforderungen kann die unterschiedlichen Loyalitätsanforderungen allein aufgrund der Konfessionszugehörigkeit der Beschäftigten ebenfalls nicht begründen. Die Beklagte unternimmt insoweit den Versuch, die Ungleichbehandlung mit der Ungleichbehandlung - den unterschiedlichen Loyalitätsanforderungen je nach Konfessionszugehörigkeit - und nicht nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung zu rechtfertigen. Dies verkennt erneut die unionsrechtlichen Anforderungen an eine solche Ungleichbehandlung allein aufgrund der Konfessionszugehörigkeit.
(c) Auch die Behauptung, das Verhalten des Klägers werde von den Mitarbeitern, den Patienten und ihren Angehörigen ihr zugerechnet, stützt die Beklagte allein darauf, dass ihre ethische Glaubwürdigkeit gerade durch ihr Führungspersonal vermittelt werde. Zum Führungspersonal gehören indes ebenso die von ihr beschäftigten nicht-katholischen Abteilungsärzte. Die Argumentation der Beklagten läuft auch insofern darauf hinaus, die Ungleichbehandlung rechtfertige sich allein aus der unterschiedlichen Konfessionszugehörigkeit der Beschäftigten, was indes nach der maßgeblichen Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof der Europäischen Union einer Rechtfertigung nach der Art der ausgeübten Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung bedarf.
(d) Mit dem Hinweis darauf, ihre Mitarbeiter dürften sich berechtigterweise die Frage stellen, warum sie selbst den jeweiligen Loyalitätsanforderungen Folge leisten sollten, wenn ihnen nicht einmal der Kläger als leitender Mitarbeiter Folge leisten müsse, setzt die Beklagte wiederum die Zulässigkeit unterschiedlicher Loyalitätsanforderungen allein aufgrund der Konfessionszugehörigkeit der Mitarbeiter voraus, anstatt sie nach der Art ihrer Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung zu begründen.
4. Kein anderes Ergebnis in Bezug auf die Unwirksamkeit der Kündigung vom 30. März 2009 ergäbe sich, wenn eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG deshalb unzulässig wäre, weil ihr der gesetzgeberische Wille entgegenstünde (vgl. Rn. 28). In diesem Fall hätte die Vorschrift wegen des zu ihr im Widerspruch stehenden Unionsrechts als Grundlage für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung in Bezug auf die Loyalitätsanforderungen aufgrund der Religion gänzlich unangewendet zu bleiben (EuGH 11. September 2018 - C-68/17 - Rn. 71).
III. Nationales Verfassungsrecht steht weder der unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG noch einer Unanwendbarkeit der Norm entgegen.
1. Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterschiedlich abgestufte Anforderungen der Loyalitätsobliegenheiten nach der Konfession des kirchlichen Arbeitnehmers mit ihrer grundlegenden Kategorisierung nach Katholiken (Art. 4 Abs. 1 GrO 1993), Nichtkatholiken (Art. 4 Abs. 2 GrO 1993) und Nichtchristen (Art. 4 Abs. 3 GrO 1993) verfassungsrechtlich ebenso gerechtfertigt wie die arbeitsrechtliche Sanktionierung von Verstößen aufgrund der Konfession einerseits und der leitenden Stellung andererseits (BVerfG 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - Rn. 159 ff., BVerfGE 137, 273). Es gehört zum von Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht, dass die Religionsgemeinschaften autonom eine Abstufung der an die Beschäftigten gerichteten Loyalitätsanforderungen vorsehen und insofern auch bei gleich gelagerter Tätigkeit nach der Religion der Mitarbeiter unterscheiden dürfen (BVerfG 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - Rn. 145, 151, 159 ff., aaO; 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83, 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84 - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138).
2. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts geht dieses entgegenstehendem nationalen Recht jedoch vor (grundlegend EuGH 15. Juli 1964 - C-6/64 - [Flaminio Costa/E.N.E.L.]). Dies gilt auch im Verhältnis zu nationalem Verfassungsrecht (EuGH 9. März 1978 - C-106/77 - [Simmenthal] Rn. 17 f.; im Grundsatz ebenso BVerfG 21. Juni 2016 - 2 BvE 13/13 ua. - [OMT-Programm] Rn. 115, BVerfGE 142, 123; 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - [Honeywell] zu C I 1 b der Gründe, BVerfGE 126, 286 ). Diesen Anwendungsvorrang erfordert die wirksame Entfaltung des Rechts der Europäischen Union. Er entspricht der Ermächtigung des Art. 23 Abs. 1 GG, der insoweit ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen enthält (vgl. BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - [Honeywell] aaO). Hoheitsakte der Europäischen Union und - soweit sie durch das Unionsrecht determiniert werden - auch Akte der deutschen öffentlichen Gewalt sind daher mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts grundsätzlich nicht am Maßstab der im Grundgesetz verankerten Grundrechte zu messen (BVerfG 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 - [Europäischer Haftbefehl] Rn. 36, BVerfGE 140, 317; 4. Oktober 2011 - 1 BvL 3/08 - [Investitionszulagengesetz] zu B I 1 a der Gründe, BVerfGE 129, 186 ). Dies gilt auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 GG nicht nur für Verordnungen, sondern auch für Richtlinien nach Art. 288 Abs. 3 AEUV und an die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Beschlüsse der Kommission nach Art. 288 Abs. 4 AEUV (früher: Entscheidungen der Kommission nach Art. 249 Abs. 4 EGV; BVerfG 4. Oktober 2011 - 1 BvL 3/08 - [Investitionszulagengesetz] aaO). Auch eine innerstaatliche Rechtsvorschrift, die eine Richtlinie oder einen Beschluss in deutsches Recht umsetzt, wird nicht an den Grundrechten des Grundgesetzes gemessen, soweit das Unionsrecht keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern - wie hier - zwingende Vorgaben macht (BVerfG 4. Oktober 2011 - 1 BvL 3/08 - [Investitionszulagengesetz] aaO; vgl. auch BVerfG 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - [Emissionshandel] zu C I 1 d der Gründe, BVerfGE 118, 79; 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 - [Vorratsdatenspeicherung] zu B II der Gründe, BVerfGE 125, 260). Dies gilt jedenfalls solange, wie die Europäische Union einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Union generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt (BVerfG 4. Oktober 2011 - 1 BvL 3/08 - [Investitionszulagengesetz] aaO; vgl. auch BVerfG 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 - [Europäischer Haftbefehl] Rn. 43, aaO und 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - [Solange II] BVerfGE 73, 339; 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - [Bananenmarktordnung] BVerfGE 102, 147 ; 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - [Emissionshandel] aaO). Das Bundesverfassungsgericht hat insofern seine ursprünglich angenommene generelle Zuständigkeit, den Vollzug von Gemeinschaftsrecht (jetzt: Unionsrecht) in Deutschland am Maßstab der Grundrechte der deutschen Verfassung zu prüfen (vgl. BVerfG 29. Mai 1974 - 2 BvL 52/71 - [Solange I] BVerfGE 37, 271), im Vertrauen auf die entsprechende Aufgabenwahrnehmung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (jetzt: Union) zurückgestellt (BVerfG 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 ua. - [Lissabon-Vertrag] zu C II 1 b aa (4) (a) der Gründe, BVerfGE 123, 267; vgl. BVerfG 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - [Solange II] zu B II 1 f der Gründe, aaO; bestätigt in BVerfG 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - [Bananenmarktordnung] zu B II 2 a der Gründe, aaO).
3. Das hier maßgebliche Unionsrecht in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist nicht seinerseits in Deutschland unanwendbar. Es beruht weder auf einem Akt ultra vires noch berührt es die Verfassungsidentität der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Ob diese ihrerseits mit dem Verständnis des Gerichtshofs vom Vorrang des Unionsrechts (dazu zuletzt etwa EuGH 11. Dezember 2018 - C-493/17 - Rn. 19) im Einklang steht, bedarf daher ebenso wenig einer Entscheidung wie die Frage, wie ein Konflikt zwischen dem Gerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht bei unterschiedlichen Auffassungen in Bezug auf die Gültigkeit von Unionsrecht gegebenenfalls aufzulösen wäre.
a) Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die ultra vires ergehen, verletzen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das im Zustimmungsgesetz gem. Art.