BVerfG 2. Senat 2. Kammer, Kammerbeschluss vom 20.09.2018, 2 BvR 2530/16, 2 BvR 2531/16, 2 BvR 1160/17

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 2 BvR 2530/16, 2 BvR (BVerfG)

vom 20. September 2018 (Donnerstag)


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Kammerbeschluss: Auslagenerstattung gem § 34a Abs 2 BVerfGG, § 104 ZPO setzt konkreten Vortrag sowie Glaubhaftmachung der geltend gemachten Kosten voraus - hier: Zurückweisung einer sofortigen Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren nach stattgebenden Kammerbeschlüssen

Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

I.

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1. Mit Beschlüssen vom 21. Dezember 2016 und 12. Juni 2017 hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts Verfassungsbeschwerden des im Strafvollzug befindlichen Beschwerdeführers stattgegeben und jeweils angeordnet, dass das Land Brandenburg dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten hat.

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2. Unter dem 24. Mai 2018 beantragte der Beschwerdeführer, die zu erstattenden Kosten auf 1.186,24 Euro festzusetzen. Dabei machte er geltend, es seien ihm neben 384 Euro an Vorführungskosten zur Rechtsantragsstelle im Zeitraum vom 24. April bis zum 8. Juni 2017 Anwaltskosten in Höhe von 397,64 Euro entstanden. Hinzu kämen Kopierkosten in Höhe von 40 Euro, Ausgaben für Schreibpapier und Briefumschläge in Höhe von 20 Euro, Telefonkosten in Höhe von 270 Euro und Kosten für Briefmarken in Höhe von 74,60 Euro. Seinem Antrag legte er einen Kontoauszug, in dem sämtliche Kontobewegungen auf dem Konto des Beschwerdeführers bei der Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen vom 24. Oktober 2016 bis zum 15. Mai 2018 verzeichnet sind, und eine Anwaltshonorarrechnung vom 15. Mai 2018 über 397,64 Euro bei. Letztere bezieht sich auf einen Leistungszeitraum vom 24. April bis zum 8. Juni 2017 und weist neben mehreren Pauschalen als Hauptforderung 150 Euro für "1/2 Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 Anm. zu Nr. 2302 VV RVG" aus.

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3. Das Land Brandenburg nahm zu dem Antrag unter dem 26. Juni 2018 Stellung und führte im Wesentlichen aus, weder die Anwaltskosten noch die Vorführungskosten seien als notwendige Auslagen anzuerkennen. Aus dem Kontoauszug des Beschwerdeführers ergäben sich keine Auslagen, die einem konkreten Verfassungsbeschwerdeverfahren zugeordnet werden können. Aus der Akte gehe lediglich hervor, dass der Beschwerdeführer seiner jeweiligen Beschwerde- und Antragsschrift acht beziehungsweise 17 Seiten Kopien beigelegt habe. Der Anwaltshonorarrechnung könne nicht entnommen werden, dass die Leistungen für die zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerden erfolgt seien. Die bezeichnete Geschäftsgebühr verweise vielmehr auf sozialrechtliche Angelegenheiten. Ein Nachweis der Vorführungskosten in Höhe von 384 Euro fehle ebenfalls.

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4. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Stellungnahme und Korrektur seines Antrags gegeben. Mit Schreiben vom 11. Juli 2018 wies er darauf hin, dass ihm infolge der stattgebenden Kammerbeschlüsse alle Verfahrenskosten vollständig zu erstatten seien. Die Stellungnahme des Ministeriums sei irreführend und rechtsfehlerhaft. Die Vorführungskosten beinhalteten einen Verdienstausfall in Höhe von cirka 120 Euro für zehn Ausführungen zur Rechtsantragsstelle und 264 Euro eigentliche Vorführungskosten. Die Anwaltskosten seien im Hinblick auf Strafvollzugsverfahren im Zeitraum vom 24. April bis zum 8. Juni 2017 entstanden, darunter das "Strafvollzugsverfahren der tägl. Haftraumkontrollen" sowie Akteneinsicht vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht im - den erfolgreichen Verfassungsbeschwerden vorgelagerten - Rechtsbeschwerdeverfahren. Auch der stattgebende Kammerbeschluss vom 12. Juni 2017 falle in diese Zeit. Die Abrechnung der Rechtsberatung sei mit Sozialrecht richtig bezeichnet, denn hierunter fielen auch Strafvollzugssachen. Er bestehe daher auf der geltend gemachten Summe zuzüglich "5 % Verzugszinsen". Eine weitere Begründung werde nicht erfolgen.

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5. Mit angegriffenem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Juli 2018 hat die Rechtspflegerin die zu erstattenden Kosten auf 6,59 Euro festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen.

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Es seien von den im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen nur diejenigen erstattungsfähig, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien. Danach seien von den geltend gemachten Kosten für Schreibpapier, Briefumschläge, Telefon- und Portokosten nur die Portokosten für zwei Einsendungen und daher insgesamt 4,35 Euro erstattungsfähig, denn nur insoweit sei die Entstehung von Portokosten aktenkundig. Dem als Anlage des Kostenfestsetzungsantrags eingereichten Kontoauszug sei nicht zu entnehmen, welche der dort aufgeführten Ausgaben für Briefmarken, Telefonkarten und Einkäufe den zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren zuzuordnen seien. Es sei weiterhin nicht erkennbar, ob diese Kosten überhaupt mit einem Verfassungsbeschwerdeverfahren in Zusammenhang stünden.

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Soweit Kopierkosten geltend gemacht worden seien, seien als Anlage der Verfassungsbeschwerden 15 beziehungsweise 17 Seiten Fotokopien als erstattungsfähig anerkannt worden. Für diese sei auf Grundlage der aus dem Kontoauszug ersichtlichen Kopierkosten ein Betrag von 0,07 Euro je Seite und damit ein Gesamtbetrag von 2,24 Euro angesetzt worden. Da der eingereichte Kontoauszug zwar Kopierkosten ausweise, aber auch insoweit nicht erkennen lasse, welche Kosten den erfolgreichen Verfassungsbeschwerden zuzuordnen seien, komme eine Erstattung darüber hinaus nicht in Betracht.

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Die geltend gemachten Anwalts- und Vorführungskosten seien vollen Umfangs abzusetzen gewesen. Der Honorarrechnung habe nicht entnommen werden können, dass die anwaltliche Beratung in den erfolgreichen Verfassungsbeschwerdeverfahren erfolgt sei. Die in Rechnung gestellte halbe Geschäftsgebühr verweise auf sozialrechtliche Angelegenheiten. Ein Nachweis für die geltend gemachten Vorführungskosten fehle. Eine Entschädigung für eigenen Zeit- und Arbeitsaufwand könne nicht erfolgen, da die eigene Vorbereitung in den Pflichtenkreis der Partei gehöre und eine entsprechende Anwendung der Regelung über die einem Rechtsanwalt zustehenden Gebühren ausscheide. Ersatz von Verdienstausfall komme nur für den Fall einer Terminswahrnehmung in Betracht. Ein Termin habe in den Verfahren jedoch nicht stattgefunden.

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6. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 14. August 2018. Der Kostenfestsetzungsbeschluss sei verfahrens- und rechtsfehlerhaft. Der Beschwerdeführer sei mehrfach, so etwa für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung und die Erhebung der Rechtsbeschwerde, zur Rechtsantragsstelle des Landgerichts Cottbus vorgeführt worden. Diesbezüglich sei er zu einer Kostenbeteiligung in Höhe von 384 Euro herangezogen worden. Im fachgerichtlichen Verfahren sei ihm zudem Verdienstausfall in Höhe von 13 Euro pro Tag entstanden. Hierzu lege er eine Lohnabrechnung aus dem März 2018 bei. Hinsichtlich der Telefonkosten sei eine Pauschale von 100 Euro angemessen. Dass der Beschwerdeführer für die Anwaltskosten aufkommen müsse, verstoße gegen das Übermaßverbot.

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Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

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Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Juli 2018 zulässig erhobene sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, denn die Festsetzung ist nicht zu beanstanden.

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1. Die Kostenfestsetzung erfolgt gemäß § 104 ZPO; die Erstattung notwendiger Auslagen richtet sich nach § 34a Abs. 2 BVerfGG. Nach den stattgebenden Kammerbeschlüssen vom 21. Dezember 2016 und 12. Juni 2017 sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu erstatten. Erstattungsfähig sind dabei diejenigen Auslagen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht entstanden sind (vgl. BVerfGE 89, 313 <315>; Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 34a Rn. 17). Der Kostengläubiger hat die geltend gemachten Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren konkret vorzutragen und ihre Entstehung glaubhaft zu machen (§ 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 18. Juli 1997 - 2 BvA 1/92 -, Rn. 2; Umbach/Clemens/ Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 34a Rn. 30). Die Erstattung von Kosten für Telefonate, Briefporto und Schreibauslagen setzt dabei voraus, dass diese nachvollziehbar aufgeschlüsselt und belegt sind (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 18. Juli 1997 - 2 BvA 1/92 -, Rn. 9).

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2. Nach diesen Grundsätzen bleibt der Kostenfestsetzungsbeschluss ohne Beanstandungen.

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Die durch den Beschwerdeführer geltend gemachten und von dem Kostenschuldner beanstandeten Vorführungsgebühren sind bereits deswegen abzusetzen gewesen, weil sie nicht glaubhaft gemacht wurden. Darüber hinaus sind sie schon dem Vortrag des Beschwerdeführers zufolge allein im fachgerichtlichen Verfahren entstanden und stellen somit keine Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens dar (vgl. BVerfGE 89, 313 <315>).

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Hinsichtlich der Anwaltshonorargebühren hat der Beschwerdeführer nicht vorgetragen, ob beziehungsweise in welchem Umfang die kostenauslösende anwaltliche Beratung die der Kostenfestsetzung zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren betraf. Der Kostenschuldner hat dies beanstandet. Gleichwohl hat der Beschwerdeführer seine Angaben auch in der Folge nicht hinreichend konkretisiert, sondern vielmehr vorgetragen, dass die anwaltlichen Beratungen vollständig oder zu einem (nicht weiter bezifferten) Teil das fachgerichtliche und nicht das Verfassungsbeschwerdeverfahren zum Gegenstand hatten.

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Zu Recht hat die Rechtspflegerin auch die pauschal behaupteten Kosten für Telefonate, Schreibpapier und Briefumschläge sowie Kopierkosten und Briefmarken in Höhe von insgesamt 404,60 Euro bis auf einen Betrag von 6,59 Euro abgesetzt. In der Stellungnahme zum Kostenfestsetzungsantrag hat der Kostenschuldner beanstandet, dass anhand des Kontoauszugs, den der Beschwerdeführer dem Kostenfestsetzungsantrag beigelegt hat, den zugrundeliegenden Verfahren keine Kosten zugeordnet werden könnten. Gleichwohl hat der Beschwerdeführer seinen Vortrag nicht konkretisiert. Der dem Kostenfestsetzungsantrag beigelegte achtseitige Kontoauszug, der über einen Zeitraum von mehr als 1,5 Jahren sämtliche Ausgaben des Beschwerdeführers im Strafvollzug auflistet, enthält zwar mehrere Abbuchungen für Kopierkosten, Telefonkarten und Briefmarken. Diese sind aber nicht aufgeschlüsselt und lassen sich daher weder einem konkreten Verfahren zuordnen, noch ist überhaupt ersichtlich, dass sie im Zusammenhang mit einem Verfassungsbeschwerdeverfahren entstanden sind. Der Beschwerdeführer hat auch hierzu trotz wiederholter Gelegenheit nicht weitergehend vorgetragen.