BVerwG 2. Senat, Urteil vom 15.11.2018, 2 C 60/17

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 2 C 60/17 (BVerwG)

vom 15. November 2018 (Donnerstag)


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Die Beklagte - eine im Verlauf des Revisionsverfahrens wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzte Leitende Kreisrechtsdirektorin (B 2 LBesO NW) - wendet sich gegen die disziplinare Höchstmaßnahme.

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Die 1963 geborene Beklagte absolvierte zunächst eine Ausbildung im gehobenen Verwaltungsdienst und erwarb sodann die beiden juristischen Staatsexamen. Im Jahr 2000 ernannte der Kläger sie zur Kreisrechtsrätin, es folgten Beförderungen zur Kreisoberrechtsrätin (2002), zur Kreisrechtsdirektorin (2004), zur Leitenden Kreisrechtsdirektorin (2006) und schließlich als solche in ein Amt der Besoldungsgruppe B 2 (2008). Ab März 2012 unterstand sie allein dem Landrat als unmittelbarem Dienstvorgesetzten; im dreiköpfigen Verwaltungsvorstand des Kreises war sie für raum- und umweltrelevante Strategien zuständig.

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Ab Dezember 2011 fielen bei der Beklagten wiederholt krankheitsbedingte Fehlzeiten an (Tinnitus, Schwindel); sie führte diese Erkrankungen auf Mobbingverhalten des Landrats und seines Führungsstabes zurück, indes ohne dies durch ärztliche Befundberichte oder ähnliches näher zu belegen. Während des Jahres 2012 war die Beklagte an 179 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Zwischen März und November 2013 unterzogen sich die Beklagte und der Landrat einer auswärtigen Mediation, die sie im November 2013 ergebnislos abbrachen.

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Mit schriftlichen Weisungen vom 15. Januar 2013, 19. Februar 2014, 25. Februar 2014 und 16. April 2014 untersagte der Landrat der Beklagten, internen Schriftverkehr und sämtliche Belange, die das Dienstverhältnis der Beklagten betreffen, per E-Mail oder auf sonstige Weise an Dritte - etwa die SPD Kreistagsfraktion - weiterzuleiten. Außerdem wies er die Beklagte darauf hin, dass die Teilnahme an angeordneten Dienstgesprächen mit Dienstvorgesetzten zu den dienstlichen Kernpflichten eines Beamten gehöre und Dienstunfähigkeit durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachzuweisen sei.

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Mit Verfügung vom 25. April 2014 leitete der Landrat gegen die bis dahin disziplinar nicht vorbelastete Beklagte ein Disziplinarverfahren ein, mit der er ihr vorhielt, seit Januar 2013 folgende Dienstpflichten verletzt zu haben: in elf Fällen interne Korrespondenz an Außenstehende weitergeleitet zu haben, in drei Fällen nicht zu dienstlichen Terminen erschienen zu sein, in zwei Fällen entgegen einer Weisung je eine ihr Dienstverhältnis betreffende E-Mail versandt zu haben, in fünf Fällen angekündigt zu haben, zu dienstlichen Terminen nicht zu erscheinen und Tätigkeitsberichte nicht mehr abzugeben, sich in 14 Fällen in E-Mails in despektierlicher, illoyaler und zum Teil verächtlicher Form über den Landrat und seine Mitarbeiter geäußert zu haben, in 14 Fällen in E-Mails den Landrat und andere Kreismitarbeiter bezichtigt zu haben, Straftaten begangen zu haben, und in drei Fällen in E-Mails dienstliche und politische Belange vermischt sowie dazu aufgefordert zu haben, den Landrat nicht zu wählen, oder ihn diskreditiert zu haben.

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Im Juli 2014 und im Januar 2015 dehnte der Kläger das Disziplinarverfahren auf weitere Vorwürfe aus. Darin legte der Kläger der Beklagten zur Last, in zwei weiteren Fällen rechtswidrig dienstinterne Korrespondenz an außenstehende Dritte weitergeleitet zu haben und in weiteren zwölf Fällen durch E-Mails, Schreiben, Telefonate sowie durch das Fernbleiben an einem Rücksprachetermin mit dem Landrat und einer Verwaltungsvorstandssitzung Dienstpflichten verletzt zu haben.

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Im Februar 2015 enthob der Kläger die Beklagte vorläufig des Dienstes unter Kürzung ihrer Dienstbezüge um 50 v.H. Der dagegen gerichtete Eilrechtsschutz der Beklagten blieb erfolglos.

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Mit der Disziplinarklage vom September 2015 hat der Dienstherr der Beklagten unter anderem zur Last gelegt, während des aktiven Dienstes in der Zeit von Januar 2013 bis Januar 2015 entgegen dienstlichen Weisungen des Vorgesetzten in mindestens fünf Fällen unentschuldigt nicht zu dienstlichen Terminen erschienen zu sein, außerdem in zahlreichen Fällen dienstinterne Korrespondenz an außerhalb der Kreisverwaltung stehende Dritte weitergeleitet zu haben und sich in E-Mails in despektierlicher, illoyaler und zum Teil verächtlicher Form über kommunale Bedienstete geäußert zu haben.

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Auf die Disziplinarklage ist die Beklagte vom Verwaltungsgericht aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, indem sie schuldhaft gegen ihr obliegende Dienstpflichten zum Befolgen und Ausführen dienstlicher Anordnungen und zum innerdienstlichen Wohlverhalten sowie zur Mäßigung und Zurückhaltung verstoßen habe. Zwar sei jede der einzelnen Dienstpflichtverletzungen bei isolierter Betrachtung von eher geringem Gewicht. Demgemäß sei es nicht angezeigt, bei der Maßnahmebemessung von einer einzelnen, schwersten Verfehlung auszugehen. Bei einer Gesamtschau wiege das einheitliche Dienstvergehen der Beklagten aber sehr schwer. Unter Berücksichtigung seiner Dauer, der Vielzahl von Pflichtverletzungen sowie der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit der Beamtin führe es dazu, dass sie untragbar geworden sei. Dadurch habe sie das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit unwiderruflich zerstört.

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Mit Verfügung vom 31. Oktober 2018 hat der Dienstherr die Beamtin mit Wirkung zum 1. November 2018 antragsgemäß wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzt.

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Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Verwaltungsgerichts Münster vom 18. Februar 2016 und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. November 2016 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen,

hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

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Der Kläger beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagten das Ruhegehalt aberkannt wird.

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Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG und §§ 13, 59, 65, 67 Satz 1 Disziplinargesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004, GV NRW S. 624 - LDG NW -), nämlich § 13 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 bis Satz 4 i.V.m. §§ 5, 17 Abs. 1 Satz 1 und § 19 LDG NW.

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Die Beklagte hat ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Bei der grundsätzlichen Zuordnung dieses Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 LDG NW ist zu beachten, dass der Kläger ungeachtet des durchgeführten Mediationsverfahrens seine aus den §§ 17 und 19 LDG NW folgende Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens verletzt hat. Darin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel (2.). Darüber hinaus hat der Kläger es rechtsfehlerhaft unterlassen, die zeitlich gestreckt aufgetretenen Dienstpflichtverletzungen gegenüber der Beklagten zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechend durch niederschwellige disziplinare Maßnahmen pflichtenmahnend zu ahnden (3.). Diese wesentlichen Verfahrensfehler des behördlichen Disziplinarverfahrens sind bei der Maßnahmebemessung nach § 13 LDG NW mildernd zu berücksichtigen (4.). Bei der eigenen Maßnahmebemessung hat der Senat infolge zwischenzeitlicher Zurruhesetzung der Beklagten § 5 Abs. 2 LDG NW zu beachten (5.).

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1. Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NW ist die Disziplinarmaßnahme insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Dabei ist sowohl das Persönlichkeitsbild der Beamtin ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, in welchem Umfang das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt worden ist. Wer durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist nach § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Das Ruhegehalt ist abzuerkennen, wenn die Beamtin als noch im Dienst befindliche Beamtin aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen (§ 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NW).

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Nach den gemäß § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Beklagte ein Dienstvergehen begangen, vor allem weil sie über einen langen Zeitraum - von annähernd zwei Jahren - wiederholt dienstliche Anordnungen nicht befolgt sowie die Pflicht zum innerdienstlichen Wohlverhalten und zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung verletzt hat.

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Die Beklagte ist fünf vom Landrat festgelegten Terminen für Dienstgespräche - am 11. Februar 2014, am 25. Februar 2014, am 8. April 2014, am 13. Januar 2015 und am 14. Januar 2015 (Berufungsurteil, Entscheidungsgründe unter II. 2.) - unentschuldigt fern geblieben. Hierdurch hat sie ihre sich aus § 35 Satz 2 BeamtStG ergebende Pflicht, dienstliche Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen, verletzt. Durch die Übersendung der E-Mail-Nachrichten vom 17. Januar 2013, 5. Februar 2014, 11. Februar 2014, 17. Februar 2014, 27. Februar 2014, 7. April 2014, 15. April 2014 (9:00 Uhr und 11:38 Uhr), 16. April 2014, 17. April 2014 (10:06 Uhr und 11:29 Uhr), 21. Mai 2014 und 26. Mai 2014 (Berufungsurteil, Entscheidungsgründe unter II. 1.) hat die Beklagte gegen die ihr durch den Landrat am 15. Januar 2013 erteilte und die am 19. Februar 2014 wiederholte Weisung, dienstinterne Korrespondenz nicht an Dritte - vorliegend die SPD-Kreistagsfraktion - weiterzuleiten, verstoßen. Durch Übersendung der im Berufungsurteil in den Entscheidungsgründen unter II. 3. im Einzelnen aufgeführten E-Mail-Nachrichten hat die Beklagte gegen die ihr durch den Landrat am 16. April 2014 erteilte Weisung, ihr Dienstverhältnis betreffende Korrespondenz nicht per E-Mail an Dritte zu übersenden, verstoßen. Auch dadurch hat sie die Folgepflicht verletzt (§ 35 Satz 2 BeamtStG).

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Darüber hinaus ist ihr Verhalten insbesondere durch ihre dienstliche Kommunikation in den E-Mails vom 17. Mai 2013, 6. Juni 2013, 8. Juni 2013, 12. Juni 2013, 24. Juli 2013, 24. Oktober 2013, 27. Oktober 2013, 20. November 2013, 5. Februar 2014, 27. Februar 2014, 7. März 2014 (10:1o Uhr und 11:53 Uhr), 7. April 2014, 16. April 2014, 21. Juli 2014, 31. Juli 2014, 1. August 2014, 8. Dezember 2014, 12. Dezember 2014 und 22. Dezember 2014 (Berufungsurteil, Entscheidungsgründe unter II. 5.) nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht geworden, die ihr Beruf nach § 34 Satz 3 BeamtStG erfordert. Dadurch hat sie die Pflicht zum Wohlverhalten verletzt. Mit den in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils unter II. 8. näher bezeichneten Äußerungen hat die Beklagte schließlich gegen ihre Pflicht zur politischen Zurückhaltung verstoßen. Gemäß § 33 Abs. 2 BeamtStG haben Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. Soweit es das dienstliche Umfeld betrifft, darf das Betriebsklima nicht durch politische Aktivitäten des Beamten beeinträchtigt werden.

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Das Dienstvergehen hat die Beklagte innerdienstlich begangen, weil ihr pflichtwidriges Verhalten in ihr Amt und in ihre dienstlichen Pflichten eingebunden gewesen ist (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 10).

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2. Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, hat die dienstvorgesetzte Stelle nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BDG) ein Disziplinarverfahren einzuleiten und die höhere dienstvorgesetzte Stelle hierüber unverzüglich zu unterrichten. Diese Pflicht hat der Kläger verletzt. Dadurch ist das behördliche Disziplinarverfahren wesentlich defizitär.

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a) Zwar besteht die Pflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, noch nicht, solange es noch etwaiger Verwaltungsermittlungen bedarf, um einen bloß vagen Verdacht aufzuklären, der personell oder sachlich noch nicht hinreichend konkretisiert worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 21 zum BDG). Den Dienstvorgesetzten trifft aber eine Einleitungspflicht, sobald er erstmals Kenntnis von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten erlangt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 15). Zweck der Vorschrift ist der Schutz des Beamten. Die disziplinarischen Ermittlungen sollen so früh wie möglich im Rahmen des gesetzlich geordneten Verfahrens mit seinen rechtsstaatlichen Sicherungen zugunsten des Beamten, insbesondere dem Recht auf Beweisteilhabe nach § 24 Abs. 4 LDG NW (§ 24 Abs. 4 BDG), geführt werden. Der Dienstvorgesetzte darf, wenn die Voraussetzungen zur Einleitung vorliegen, nicht abwarten und weiteres Belastungsmaterial sammeln. Verzögert der Dienstvorgesetzte entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW die Einleitung des Disziplinarverfahrens, so kann dies bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 LDG NW (§ 13 BDG) als mildernder Umstand berücksichtigt werden, wenn die verzögerte Einleitung für das weitere Fehlverhalten des Beamten ursächlich war (BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 2o zum BDG).

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Ein Verstoß gegen die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BDG) folgende Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens stellt einen Mangel i.S.v. § 54 Abs. 1 LDG NW (§ 55 Abs. 1 BDG) dar. Der Begriff des Mangels der Vorschrift erfasst Verletzungen von Verfahrensregeln, die im behördlichen Disziplinarverfahren von Bedeutung sind (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <254> und vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 22). Hierunter fallen Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze, die den äußeren Ablauf des behördlichen Disziplinarverfahrens bis zur abschließenden behördlichen Entscheidung, also bis zur Erhebung der Disziplinarklage oder bis zu dem Erlass einer Disziplinarverfügung, betreffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 14).

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Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne der Einleitungsvorschrift (§ 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW, § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG), wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (vgl. BT-Drs. 14/4659 S. 49 zur Abgrenzung wesentlicher Mängel von der Verletzung "bloßer Ordnungsbestimmungen"). Hingegen kommt es für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels weder darauf an, ob er behebbar ist noch darauf, ob und ggf. wie intensiv schutzwürdige - insbesondere grundrechtsbewehrte - Rechtspositionen Betroffener durch den Mangel berührt worden sind. Maßgeblich ist wegen der Funktion des Disziplinarverfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Dienstvergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen, vielmehr die Ergebnisrelevanz. Nur solche Mängel sind wesentlich und bedürfen einer Korrektur oder führen zur Einstellung des Verfahrens nach § 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NW (§ 55 Abs. 3 Satz 3 BDG), bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, dass sie das Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens verändert haben könnten (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 - 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 Rn. 19). Wann ein Mangel in diesem Sinne wesentlich ist, ist danach eine nach Auswertung aller Umstände des Einzelfalls zu treffende Wertungsentscheidung.

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Wesentliche Mängel, die nicht oder nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage geltend gemacht werden, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn ihre Berücksichtigung nach seiner freien Überzeugung die Erledigung des Disziplinarverfahrens verzögern würde und der Beamte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist; dies gilt nicht, wenn zwingende Gründe für die Verspätung glaubhaft gemacht werden (§ 54 Abs. 2 LDG NW).

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§ 17 Abs. 1 LDG NW (§ 17 Abs. 1 BDG) kann als zwingende Schutzvorschrift zugunsten des Beamten durch den Lauf eines Mediationsverfahrens nicht außer Kraft gesetzt werden. Nach § 1 Mediationsgesetz vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1577) handelt es sich bei der Mediation um ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt. Für eine solche freiwillige und eigenverantwortliche konsensuale Konfliktbeilegung ist im Recht des öffentlichen Dienstes ab dem Zeitpunkt kein Raum mehr, in dem zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Ab diesem Moment muss die dienstvorgesetzte Stelle zum Disziplinarverfahren übergehen, einerseits um den Beamten vor möglichen disziplinaren Rechtsverlusten zu schützen und andererseits die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns durch Wahrung der beamtenrechtlichen Dienstpflichten nach den §§ 33 ff. BeamtStG durchzusetzen.

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b) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger als dienstvorgesetzte Stelle das gegen die Beklagte gerichtete behördliche Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet.

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Die Einleitungsverfügung datiert auf den 25. April 2014. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW hätte das Verfahren aber schon am 12. Juni 2013 eingeleitet werden müssen, weil seit diesem Tag der hinreichende Verdacht eines Disziplinarvergehens bestanden hat, der keiner weiteren Verwaltungsermittlungen mehr bedurfte und sich nicht nur auf eine Bagatelle bezog. Am 12. Juni 2013 hat die Beklagte an den Landrat und zur Kenntnis von drei weiteren Bediensteten des Landratsamtes um 11:11 Uhr eine E-Mail versandt, in der sie u.a. wörtlich ausführt: "C. ist keine Akademikerin. Sie kann nicht strukturiert und differenziert denken. Sie missversteht beinahe alles und verdreht es dann. Zudem hat sie inzwischen mit beinahe jedem Probleme auf der Beziehungsebene und fühlt sich dann - ihrer Meinung nach zu Unrecht - angegriffen". Damit hat die Beklagte ihre Pflicht zum innerdienstlichen Wohlverhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verletzt. Auf diesen Pflichtenverstoß hätte der Kläger - gerade weil schon zuvor jedenfalls an der Grenze zur Dienstpflichtverletzung liegende E-Mails versandt worden waren - etwa durch die Erteilung eines Verweises nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 LDG NW oder durch die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW zeitnah reagieren müssen. Diesen Mangel hinweggedacht, ist es nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass er das Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens verändert hätte. Denn die rechtzeitige Eröffnung des förmlichen Disziplinarverfahrens im Juni 2013 oder die unverzügliche Ahndung der Pflichtverletzung mit einer niederschwelligen Disziplinarmaßnahme hätte die Beklagte pflichtenmahnend anhalten können, solche Pflichtverletzungen künftig zu vermeiden. Damit begründet die verspätete Einleitung des Disziplinarverfahrens ebenso wie die unterlassene zeitnahe Ahndung vorliegend einen wesentlichen Verfahrensmangel.

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Die Beklagte ist über ihre Pflicht, wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens binnen Monatsfrist nach Zustellung der Klage zu rügen, ordnungsgemäß belehrt worden. Dem ist sie nicht nachgekommen, ohne zwingende Gründe für die Verspätung der Geltendmachung glaubhaft zu machen (§ 54 Abs. 2 Halbs. 2 LDG NW). Der Senat darf den wesentlichen Mangel gleichwohl berücksichtigen, weil seine Berücksichtigung die Erledigung des Disziplinarverfahrens nicht verzögert. Ausweislich der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils hat sich das Oberverwaltungsgericht mit dieser Frage zwar tatsächlich nicht befasst. Diese Entscheidung trifft nun der erkennende Senat, da er - die Tatsachenfeststellung ausgenommen - im revisionsrechtlichen Verfahren an die Stelle des Berufungsgerichts tritt.

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Das im Zeitraum zwischen März und November 2013 zwischen der Beklagten und dem Landrat durchgeführte auswärtige Mediationsverfahren hat der rechtzeitigen Einleitung des Disziplinarverfahrens nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW oder der sofortigen disziplinaren Ahndung nach der ersten relevanten Dienstpflichtverletzung der Beklagten am 12. Juni 2013 nicht entgegengestanden. Vielmehr wäre die Mediation abzubrechen gewesen, um der Beklagten nicht die verfahrensrechtlichen Garantien des behördlichen Disziplinarverfahrens - insbesondere ihr Recht auf Beweisteilhabe (§ 24 Abs. 4 LDG NW) - vorzuenthalten.

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3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen, die nach ihrer Schwere jeweils für sich genommen keine höheren Disziplinarmaßnahmen gebieten, in der Regel zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt.

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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bemessung einer Disziplinarmaßnahme ist anerkannt, dass zum Persönlichkeitsbild des Beamten i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NW (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG) insbesondere frühere disziplinarische oder strafrechtliche Verfehlungen gehören, deren Berücksichtigung bei der Maßnahmebemessung kein rechtliches Hindernis entgegensteht, und dass diese Verfehlungen bei der Würdigung sämtlicher Umstände belastend zu berücksichtigen sind. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten. Aus einer Vorbelastung kann geschlossen werden, dass sich der Beamte eine vorherige strafgerichtliche oder disziplinarische Sanktionierung nicht hat zur Mahnung dienen lassen, sodass eine stufenweise Steigerung der Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2014 - 2 B 9.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 24 Rn. 10). Das Gewicht der Vorbelastung im Einzelfall, die als erschwerender Umstand auch zur Höchstmaßnahme führen kann, hängt vor allem von der dafür rechts- oder bestandskräftig ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme und vom zeitlichen Abstand zur neuen Verfehlung ab (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 22 und Beschluss vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - juris Rn. 33; aus der Rechtsprechung des Disziplinarsenats: Urteil vom 11. Dezember 2001 - 1 D 2.01 - juris Rn. 31 m.w.N.).

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Bei einem Dienstvergehen der vorliegenden Art, das sich durch - dem Beamten zuzurechnende - leichtere bis schwerere einzelne Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum auszeichnet, ist es unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach dem Gedanken der stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen geboten, auf den Beamten rechtzeitig, d.h. alsbald nach Kenntniserlangung von der disziplinar relevanten Pflichtverletzung, pflichtenmahnend einzuwirken und ihn so zur Wiederaufnahme der pflichtgemäßen Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben anzuhalten. Dazu gehören - über mögliche dienstliche Weisungen (Anordnungen) hinaus - zunächst die Verhängung niederschwelliger Disziplinarmaßnahmen wie Verweis oder Geldbuße (vgl. § 5 Nr. 1 und Nr. 2, §§ 6, 7 LDG NW). Hingegen ist das Sammeln einzelner Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum, um sodann im Wege einer Gesamtschau die schärfsten Disziplinarmaßnahmen - die Entfernung aus dem Dienst oder die Aberkennung des Ruhegehalts - zu verhängen, unzulässig.

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Im Fall der Beklagten, ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die zeitnahe angemessene disziplinare Ahndung ihrer Dienstpflichtverletzungen - etwa die Erteilung eines Verweises beim erstmaligen unentschuldigten Nichterscheinen zu einem angeordneten dienstlichen Termin und die Auferlegung einer Geldbuße bei einem zweitmaligen oder weiteren unentschuldigten Fernbleiben - auf sie in dem Sinn pflichtenmahnend eingewirkt hätte, dass sie künftig dienstliche Anordnungen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) zum Erscheinen befolgt hätte. Dafür spricht auch, dass die Beklagte die Zahl der Pflichtverletzungen nach der Verfahrenseinleitung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW im April 2014 gegenüber der Zeit zuvor deutlich reduziert hat.

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4. Nach § 13 Abs. 2 LDG NW und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren zu beachten sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 39 Rn. 10).

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An diesem Maßstab orientiert, ist bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung einerseits zu berücksichtigen, dass die Beklagte - wie gezeigt - über den langen Zeitraum von Juni 2013 bis Januar 2015 in einer Vielzahl von Einzelfällen die Pflicht, dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG), und die Pflicht zu einem achtungs- und vertrauensgerechten innerdienstlichen Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) sowie zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG) verletzt hat. Die einzelnen Pflichtverletzungen wiegen dabei unterschiedlich schwer. Für den Senat liegt in dem unentschuldigten Nichterscheinen zu fünf angeordneten Dienstgesprächen in den Jahren 2014 und 2015 die schwerste Pflichtverletzung. Der wiederholte Verstoß gegen die beamtenrechtliche Kernpflicht die Anordnung auszuführen - zu Gesprächsterminen zu erscheinen - wiegt auch deshalb besonders schwer, weil die Beklagte - eine Juristin - rechtsfehlerhaft meinte, ärztliche Atteste nicht vorlegen zu müssen, da sie keine gesundheitlichen Gründe geltend mache, sondern sich durch das Fernbleiben gesund erhalten wolle (an den Landrat adressierte E-Mail vom 6. März 2014, 11:13 Uhr). Die anderen Pflichtverletzungen wiegen jeweils für sich genommen leicht (Verletzung des Mäßigungsgebots, vgl. oben Rn. 18) bis mittelschwer (Verletzung der Pflicht zum innerdienstlichen Wohlverhalten, vgl. Rn. 18).

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Andererseits ist in die Gesamtschau einzustellen, dass der Kläger entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG das Disziplinarverfahren erst im April 2014 - und damit deutlich verspätet - eingeleitet hat und er darüber hinaus einzelne Verletzungshandlungen der Beklagten auch nicht durch mögliche niederschwellige Maßnahmen - wie Verweis oder Geldbuße - unverzüglich geahndet und so auf die Beklagte pflichtenmahnend eingewirkt hat. Da nicht auszuschließen ist, dass bei ordnungsgemäßer Einleitung und Durchführung des Disziplinarverfahrens das weitere Fehlverhalten der Beklagten unterblieben wäre, ist es bei der Maßnahmebemessung als mildernder Umstand einzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 20 zum BDG). Dies schließt es aus, das Dienstvergehen der Beklagten mit der disziplinaren Höchstmaßnahme zu ahnden.

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5. Das Revisionsgericht hat bei der Anwendung des revisiblen Rechts auf den vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt (§ 137 Abs. 2 VwGO und § 67 Satz 1 LDG NW) grundsätzlich dieselben Befugnisse und Entscheidungsmöglichkeiten, die das Berufungsgericht im Falle einer Zurückverweisung hätte. Vorschriften wie § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG (§ 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NW) übertragen den Verwaltungsgerichten im Falle einer Disziplinarklage die Befugnis zur Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme unabhängig von den Wertungen des Dienstherrn in der Disziplinarklage. Diese Befugnis steht, wie sich Vorschriften wie § 70 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG entnehmen lässt, auch dem Berufungs- und auch dem Revisionsgericht zu (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 9 m.w.N.).

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Dass das hier maßgebliche Landesrecht zwar eine § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG vergleichbare Vorschrift enthält (§ 65 Abs. 1 Satz 1 LDG NW), aber eine dem § 70 Abs. 1 BDG vergleichbare Regelung nicht kennt, ist unerheblich. Die rudimentäre Vorschrift des § 67 Satz 1 LDG NW ist auf diese Weise auszulegen, um die auf der Ebene der Länder rechtsvereinheitlichend wirkende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Disziplinarsachen zu gewährleisten (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, Landtag Nordrhein-Westfalen Drs. 13/5220 S. 133). Dementsprechend sind auch die für die Revision maßgeblichen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, wie etwa § 132 Abs. 2 oder § 137 Abs. 2 VwGO, zu berücksichtigen, obwohl § 67 Satz 1 LDG NW - im Gegensatz zu Vorschriften anderer Länder (z.B. § 68 BremDG, § 65 HmbDG oder § 66 Abs. 1 ThürDG) - insoweit keine Regelung enthält.

39

Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils reichen für eine eigene Maßnahmebemessung des Senats gemäß § 13 Abs. 2 LDG NW aus. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden; sie haben keine Einwendungen erhoben.

40

Der Senat kommt bei seiner Bemessungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass die Beklagte auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Nichtbefolgung dienstlicher Anordnungen und die Verletzung der Wohlverhaltenspflicht ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, das bei Abwägung aller disziplinarrechtlich relevanten Gesichtspunkte mit der Kürzung des Ruhegehalts zu ahnden ist.

41

Da die Beklagte zum 1. November 2018 infolge dauernder Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden ist, der Kläger diese Verfügung aufrecht erhält und die Beklagte auf Rechtsmittel gegen die Zurruhesetzung verzichtet, kommen als Disziplinarmaßnahmen gegen die Ruhestandsbeamtin kraft Gesetzes nur eine Kürzung oder die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht (§ 5 Abs. 2 LDG NW). Wegen des Vorliegens eines Milderungsgrundes ist die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme - die Aberkennung des Ruhegehalts - ausgeschlossen. Die Kürzung des Ruhegehalts ist nach § 11 LDG NW die bruchteilmäßige Verminderung des monatlichen Ruhegehalts um höchstens ein Fünftel auf längstens drei Jahre. Angesichts der Schwere des Dienstvergehens, der dienstlichen Stellung der Beklagten im Gefüge des Landratsamtes als Leitende Kreisrechtsdirektorin (Besoldungsgruppe B 2 LBesO NW) und ihrer damit verbundenen Vorbildfunktion bemisst der Senat die Kürzung des Ruhegehalts auf ein Fünftel auf drei Jahre ab Dezember 2018.

42

6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NW i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

43

Da für das Gerichtsverfahren eine Festgebühr erhoben wird (§ 75 LDG NW i.V.m. Gebührenverzeichnis der Anlage zu diesem Gesetz), bedarf es keiner gerichtlichen Streitwertfestsetzung.