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1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 6. Juni 2018 wird von der Einziehung sämtlicher sichergestellter Mobiltelefone abgesehen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Das Landgericht hat beide Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen schuldig gesprochen und den Angeklagten B. unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren, den Angeklagten Bo. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Darüber hinaus hat es sichergestellte Betäubungsmittel nebst Verpackungsmaterial sowie mehrere bei beiden Angeklagten sichergestellte Mobiltelefone und zwei für die Drogentransporte genutzte Pkw eingezogen. Gegen den Angeklagten B. hat es zudem die erweiterte Einziehung von Taterträgen in Höhe von 15.620 Euro angeordnet. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revisionen. Die im Übrigen erfolglosen Rechtsmittel führen lediglich zu einer Absehensentscheidung hinsichtlich der eingezogenen Mobiltelefone.
I.
Die von beiden Angeklagten zulässig erhobene Verfahrensrüge der fehlerhaften Zurückweisung eines wegen Befangenheit angebrachten Ablehnungsgesuchs gegen den Übersetzer der TKÜ-Gespräche ist aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Im Laufe des Ermittlungsverfahrens fanden umfangreiche Telefonüberwachungsmaßnahmen statt. Da alle Telefongespräche in fremder Sprache (teils Berbersprache, teils spanisch) geführt worden waren, wurden diese durch einen vom Hessischen Landeskriminalamt beauftragten Übersetzer in die deutsche Sprache übertragen und verschriftet. In der Hauptverhandlung wurden auf Anordnung des Vorsitzenden einzelne Wortprotokolle durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt. Nach Verlesung zahlreicher und vor Einführung weiterer Gesprächsprotokolle lehnten die Angeklagten „den Dolmetscher, der die TKÜ übersetzt hat“ wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der „Dolmetscher“ habe sich nicht auf die Übersetzung der Gespräche beschränkt, sondern in Klammern eigene Interpretationen und Erläuterungen hinzugefügt, z. B. Er (Lkw-Fahrer); ihm (O. ); dorthin (verm. Ba. ); etwas (Probe) usw. Dies begründe nach herrschender Rechtsprechung, insbesondere des Landgerichts Darmstadt, die Besorgnis der Befangenheit des „Dolmetschers“.
Das Landgericht hat den Befangenheitsantrag wie folgt abgelehnt:
„Die Vorschriften über die Ablehnung von Dolmetschern sind auf den vom Hessischen Landeskriminalamt beauftragten Übersetzer der abgehörten Telefongespräche nicht anwendbar. Aus § 191 GVG ergibt sich, dass das Ablehnungsverfahren nur auf Dolmetscher bzw. Sachverständige Anwendung findet, die vom Gericht zugezogen worden sind.“
Die Revisionen halten die Zurückweisung des Befangenheitsantrags für rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer habe es versäumt, das Ablehnungsgesuch in der Sache zu bescheiden. § 191 GVG sei anwendbar, wenn Gespräche in der Hauptverhandlung von einem Dolmetscher originär übersetzt werden. Der Einvernahme des „sachverständigen Dolmetschers“ in der Hauptverhandlung stehe es gleich, wenn vorher gefertigte Übersetzungen durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Aus diesem Grunde hätten die vom abgelehnten „Dolmetscher“ gefertigten Übersetzungen der Telefongespräche weder durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt werden noch hätten diese im Rahmen der Beweiswürdigung im Urteil verwertet werden dürfen.
2. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch rechtsfehlerfrei abgelehnt.
a) Der für das Hessische Landeskriminalamt tätig gewordene Übersetzer war kein Dolmetscher im Sinne des § 191 GVG. Aufgabe des Dolmetschers ist es, die Verständigung der Verfahrensbeteiligten zu ermöglichen. Es ist nicht seine Aufgabe, den Sinn einer nicht im Verfahren, sondern außerhalb des Prozesses abgegebenen fremdsprachigen Äußerung zu ermitteln. Dies ist Aufgabe eines Sachverständigen, für dessen Ablehnung § 74 StPO gilt.
b) Die Revision kann zwar grundsätzlich darauf gestützt werden, dass ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen zu Unrecht zurückgewiesen worden ist. Die Ablehnung eines im Auftrag der Polizei oder der Staatsanwaltschaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens tätig gewesenen Sachverständigen ist nach der Rechtsprechung und der ganz herrschenden Meinung in der Literatur, denen sich der Senat anschließt, nur möglich, wenn dieser vom Gericht in der Hauptverhandlung vernommen wird (BGH, Urteil vom 9. April 1965 – 4 StR 143/65, VRS 29, 26; OLG Düsseldorf, MDR 1984, 71, 72; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 74 Rn. 12; KK-StPO/Senge, 7. Aufl. § 74 Rn. 7; MüKo-StPO/Trück, 1. Aufl., § 74 Rn. 3; Radtke/Hohmann/Beukelmann, StPO, § 74 Rn. 1; SK-StPO/Rogall, 5. Aufl., § 74 Rn. 6; KMR/Neubeck, 68. EL, § 74 Rn. 18; LR-StPO/Krause, 27. Aufl., § 74 Rn. 3; aA derselbe in Rn. 21; Kube/Leineweber, Polizeibeamte als Zeugen und Sachverständige, 2. Aufl., S. 98; krit. SSW-StPO/Bosch, 3. Aufl., § 74 Rn. 8; aA Eisenberg, NStZ 2006, 368, 374; dem folgend HK-StPO/Brauer, 6. Aufl., § 74 Rn. 12). Den Verfahrensbeteiligten bleibt es insoweit unbenommen, schon während des Ermittlungsverfahrens Gegenvorstellungen bei der Staatsanwaltschaft zu erheben (vgl. SK-StPO/Rogall, aaO, § 74 Rn. 6 mwN). Auch im Rahmen der Hauptverhandlung können die Verfahrensbeteiligten eine ihrer Ansicht nach fehlerhafte Übersetzung beanstanden. Die wörtlichen Übersetzungen der Gesprächsprotokolle sind vorliegend nach § 249 Abs. 1 StPO im Wege des Urkundsbeweises prozessordnungsgemäß eingeführt worden. Die Strafkammer war – jedenfalls soweit in der Hauptverhandlung Einwände gegen die Richtigkeit der Übersetzung erhoben wurden – gehalten, sich gewissenhaft Aufklärung zur sorgfältigen Übertragung der Gesprächsaufzeichnungen zu verschaffen (BGH, Beschluss vom 3. April 2002 – 1 StR 540/01, NStZ 2002, 493, 494). Wie das Tatgericht die Überzeugung von Übereinstimmung der Übersetzung mit den fremdsprachigen Gesprächsprotokollen gewinnt, bleibt ihm nach Maßgabe der Aufklärungspflicht überlassen (BGH, Beschluss vom 27. November 2018 – 3 StR 339/18, NStZ-RR 2019, 57).
Hier hat sich die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe und des Revisionsantrags durch Vernehmung des Zeugen W. von der beruflichen und fachlichen Qualifikation des Übersetzers sowie von dessen Zuverlässigkeit überzeugt. Zudem hat der über viele Jahre in Deutschland wohnhafte Angeklagte Bo. die Richtigkeit der Übersetzung der ihm vorgehaltenen Wortprotokolle bestätigt, auch wenn er sie teilweise inhaltlich anders gedeutet hat. Eine dies beanstandende Aufklärungsrüge haben die Beschwerdeführer nicht erhoben.
c) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er die von der Revision unter Verweis auf Beschlüsse des Landgerichts Darmstadt (StV 1990, 258 und 1995, 239) vorgebrachten Bedenken hinsichtlich einer Befangenheit des Übersetzers auch in der Sache nicht teilen würde. Die von der Revision als mögliche Interpretationen beanstandeten Zusätze dienen zum Teil der Klarstellung und dem Verständnis, sind teilweise mit „vermutlich“ gekennzeichnet und als solche ausnahmslos in Klammern gesetzt. Ein vom Landeskriminalamt hinzugezogener Übersetzer überschreitet im Regelfall nicht seine Kompetenzen, wenn er aus dem Kontext früherer von ihm abgehörter – eventuell nicht im Wortlaut übersetzter – Gespräche zur besseren Verständlichkeit Erläuterungen beifügt, solange er durch Klammern deutlich macht, dass es sich nur um eine mögliche Deutung seinerseits handelt und damit die letztendliche Interpretationshoheit dem Landeskriminalamt als seinem Auftraggeber überlässt (BGH, Beschluss vom 28. August 2007 – 1 StR 331/07, NStZ 2008, 50). Etwas anderes könnte sich lediglich dann ergeben, wenn ein Übersetzer ohne Anhaltspunkte aus dem Kontext einseitig tendenziöse, für den Angeklagten belastende Schlussfolgerungen ziehen würde. Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte.
II.
Auch die von beiden Angeklagten erhobene Sachrüge deckt weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer auf. Allerdings sieht der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts aus Gründen der Verfahrensökonomie gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von der Einziehung sämtlich sichergestellter Mobiltelefone ab, weil aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht sicher auszuschließen ist, dass einzelne der Telefone nicht zur Tatbegehung genutzt wurden.
III.
Angesichts des geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, die Angeklagten mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Franke |
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