BVerwG 2. Wehrdienstsenat, Urteil vom 25.10.2018, 2 WD 8/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 2 WD 8/18 (BVerwG)

vom 25. Oktober 2018 (Donnerstag)


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1. Das Verfahren ist nach Anhörung des früheren Soldaten mit Verfügung des Kommandeurs Kommando ... vom 28. Juli 2015 eingeleitet worden. Der Anhörung der Vertrauensperson hatte er widersprochen. Nach Gewährung des Schlussgehörs hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft ihm mit Anschuldigungsschrift vom 5. Juli 2016 ein Dienstvergehen zur Last gelegt.

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2. Nach Beiordnung eines Verteidigers und Einholung eines Sachverständigengutachtens zu seiner Schuldfähigkeit hat das Truppendienstgerichts den damals noch im aktiven Dienst befindlichen früheren Soldaten mit Urteil vom 27. November 2017 von Anschuldigungspunkt 1 freigestellt und auf der Grundlage der weiteren Vorwürfe wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienst entfernt.

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Seiner Entscheidung legte es folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

"Zu Anschuldigungspunkt 2:

Der als Personalfeldwebel ausgebildete Soldat war als Bearbeiter des Unterstützungspersonals ... in ... eingesetzt. Zu den hier zu erledigenden Aufgaben des Soldaten gehörte es u.a. Ernennungsurkunden von Reservedienstleistenden zu bearbeiten. Zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten zwischen dem 17. März 2014 und dem 5. Mai 2014 unterließ es der Soldat im ... in zwei Fällen, eingegangene Ernennungsurkunden für Reservisten zu bearbeiten und die Aushändigung zu veranlassen. Er verwahrte diese vielmehr unbearbeitet bis zu ihrem Auffinden am 6. August 2014 in einer Schublade in seinem Büro auf. Bei ordnungsgemäßer Bearbeitung der Vorgänge hätte der eine Reservist bereits Mitte April und der andere Reservist Mitte Juni befördert werden können, was aufgrund der Versäumnisse nunmehr erst Ende August 2014 stattfinden konnte.

(...)

Zu Anschuldigungspunkt 3:

Im Zuge der Ermittlungen zu Anschuldigungspunkt 2 wurde bekannt, dass der Soldat seinen Dienst beim Unterstützungspersonal ... an folgenden Tagen nicht wie befohlen um 07:00 Uhr, sondern diesen unentschuldigt erst verspätet angetreten hat. Im Einzelnen handelt es sich um den 2. Juli 2014 10:30 Uhr, 4. Juli 2014 08:30 Uhr, 1. August 2014 09:35 Uhr und 4. August 2014 09:45 Uhr.

(...)

Zu Anschuldigungspunkt 4 und 5:

Zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten vor dem 25. September 2015 äußerte der Soldat gegenüber Kameraden während der Dienstzeit, dass er Betäubungsmittel konsumiere und besitze. Hierauf wurde der Soldat am 25. September 2015 durch seinen damaligen Disziplinarvorgesetzten, dem Zeugen W., hierzu befragt. Der Soldat räumte daraufhin den Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln ein und stimmte auch einer Stubendurchsuchung zur Sicherstellung zu. Im Rahmen der Stubendurchsuchung händigte der Soldat in Silberfolie eingewickelte Betäubungsmittel an den Zeugen W. aus, die er in seinem Spind in der ...-Kaserne, ..., aufbewahrt hatte. Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurde festgestellt, dass der Soldat im Zeitraum von März 2015 bis September 2015 an nicht mehr feststellbaren Orten außerhalb dienstlicher Liegenschaften in ca. ein bis zwei Fällen pro Monat Cannabis konsumiert hat, zuletzt am 22. September 2015 gegen 20:00 Uhr in ... in der Nähe des Bahnhofs. Das in seiner Stube aufgefundene 1 Gramm Cannabis hatte der Soldat am 19. September oder am 20. September 2015 auf einer Party an einem nicht näher bekannten Ort erworben.

(...)

Zu Anschuldigungspunkt 6:

Im zu Anschuldigungspunkt 1 sachgleichen Strafverfahren wurde der Soldat, wie ausgeführt, durch Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 11. November 2014, rechtskräftig seit dem 29. November 2014, wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,00 € verurteilt. Im Rahmen einer Gesamtstrafenbildung mit der Verurteilung wegen des vorsätzlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz durch das Amtsgericht ... vom 15. April 2014 hatte der Soldat eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen nicht bezahlt, so dass er 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe zu verbüßen hatte. Vor seinem Haftantritt am 29. September 2015 blieb der Soldat seinem Dienst am 28. September 2015 unerlaubt fern. Am 29. September 2015 trat der Soldat seine Strafe dann an und verbüßte diese in vollem Umfang in der Jugendanstalt ....

(...)

Zu Anschuldigungspunkt 7:

Vom 14. März 2016 bis einschließlich 18. März 2016 befand sich der Soldat im Erholungsurlaub. Am 21. März 2016 hätte er wieder zum Dienst beim Kommando ... in ... erscheinen müssen. Dieser Pflicht kam der Soldat jedoch nicht nach und meldete sich auch nicht auf seiner Dienststelle. Nachdem seitens der Dienststelle mehrfach versucht worden war, den Soldaten fernmündlich zu erreichen, wurden die Feldjäger eingeschaltet. Am 31. März 2016 wurde er durch das Feldjägerdienstkommando ... an seiner Heimatadresse angetroffen und zum Feldjägerdienstkommando verbracht. Um 09:45 Uhr erfolgte die Übergabe durch die Feldjäger an das Abholkommando."

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Der frühere Soldat habe damit vorsätzlich ein Dienstvergehen unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG begangen. Das Fehlverhalten verstoße nicht nur gegen Strafgesetze, sondern verletze in allen festgestellten Punkten auch die Pflicht zum treuen Dienen aus § 7 SG und in den Anschuldigungspunkten 4 und 5 zugleich die Gehorsamspflicht (§ 11 SG). Der frühere Soldat habe durch das Verhalten nach den Anschuldigungspunkten 2, 3, 6 und 7 gegen seine innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2. SG) und durch das Verhalten nach den Anschuldigungspunkten 4 und 5 gegen seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG) verstoßen.

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Das Dienstvergehen wiege äußerst schwer. Es werde durch die unerlaubte eigenmächtige Abwesenheit bestimmt. Hiermit versage der Soldat im zentralen Bereich seiner Dienstpflichten und beschädige die Grundlage des Dienstverhältnisses selbst. Bei länger dauernder oder wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit sei regelmäßig auf die Entfernung aus dem Dienstverhältnis zu erkennen. Eine Abwesenheit von zehn Tagen stelle zwar noch keine länger dauernde eigenmächtige Abwesenheit dar. Hier lägen aber erhebliche Erschwerungsgründe vor, die die Höchstmaßnahme forderten. Erschwerend sei, dass der frühere Soldat bereits am 28. September 2015 dem Dienst unerlaubt ferngeblieben sei. Ebenfalls erschwerend sei der Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln. Dadurch stelle er seine Funktion als Soldat und seine Eignung als Vorgesetzter in Frage. In besonderem Maße erschwerend wirke die Begehung von Pflichtverstößen nach Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens. Der frühere Soldat habe damit seinen mangelnden Willen, den Pflichten eines Zeitsoldaten gerecht zu werden, erkennen lassen. Er habe auch gegenüber der Gutachterin gesagt, dass er aus der Bundeswehr raus wolle. Milderungsgründe in der Tat gebe es nicht; solche in der Person kaum. Für den früheren Soldaten sprächen seine geständigen Einlassungen. Zudem sei er bis März 2013 ein guter Soldat mit Perspektive gewesen. Nach Abwägung aller Aspekte sei die Entfernung aus dem Dienst geboten. Das Dienstvergehen sei von einer ichbezogenen Haltung geprägt, die die Privatsphäre in den absoluten Vordergrund stelle. Die Fortführung des Dienstverhältnisses sei dem Dienstherrn nicht mehr zumutbar.

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3. Gegen das ihm am 19. Dezember 2017 zugestellte Urteil hat der frühere Soldat mit Schriftsatz am 15. Januar 2018 beschränkt auf die Bemessung der Maßnahme Berufung eingelegt. Zwar wögen die Verfehlungen nicht leicht, es gebe aber Milderungsgründe. Er habe 2013 eine gute Beurteilung erhalten, werde vom Leumundszeugen aber als labil und hilfsbedürftig beschrieben. Er habe psychische Probleme, die auch zu einem Dienstunfähigkeitsverfahren geführt hätten. Sein Persönlichkeitswandel hätte dem Disziplinarvorgesetzten auffallen müssen. Dieser habe es unterlassen, im Rahmen seiner Fürsorgepflichten gegenzusteuern. Mit dem Cannabiskonsum habe der frühere Soldat Depressionen und Schmerzen bekämpft. Da Cannabis zwischenzeitlich auch therapeutisch eingesetzt werde, sei dessen Konsum in einem milderen Licht zu sehen. Das Fernbleiben vom Dienst falle in den Zeitraum, in dem der frühere Soldat starke psychische Probleme gehabt habe. Diese hätten zwar nicht die Stärke einer Einschränkung der Steuerungsfähigkeit, müssten aber mildernd berücksichtigt werden.

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Die Abwesenheit des früheren Soldaten in der Berufungshauptverhandlung steht deren Durchführung sowie der Entscheidung des Senats in der Sache nicht entgegen, weil er ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann (§ 104 Abs. 1 Nr. 3, § 123 Satz 3 WDO).

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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das von dem früheren Soldaten eingelegte Rechtsmittel ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

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1. Das Truppendienstgericht hat festgestellt, dass der frühere Soldat es im März und Mai 2014 in zwei Fällen unterlassen habe, Reservedienstleistenden Ernennungsurkunden auszuhändigen. Damit habe er vorsätzlich die Pflichten aus §§ 7 und 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG verletzt. Im Juli und August 2014 habe er an vier Tagen verspätet seinen Dienst angetreten und so vorsätzlich die Pflichten aus §§ 7 und 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG verletzt. Von März bis September 2015 habe er ein- bis zweimal pro Monat außerhalb dienstlicher Liegenschaften Cannabis konsumiert. Zudem habe er im September 2015 erworbenen Cannabis in seiner Stube aufbewahrt. Darin liege ein vorsätzlicher Verstoß gegen §§ 7, 11, 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG. Am 28. September 2015 und vom 21. bis zum 31. März 2016 sei er dem Dienst unerlaubt ferngeblieben und habe so vorsätzlich gegen §§ 7 und 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG verstoßen.

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Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt.

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2. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

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a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen sehr schwer.

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Das Schwergewicht der Verfehlung liegt in der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten, deren Verletzung von erheblicher Bedeutung ist. Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens folgt daraus, dass der Soldat nicht nur gegen seine soldatische Pflicht zur Dienstleistung, sondern auch gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, in erheblichem Umfang verstoßen und kriminelles Unrecht im Sinne von § 15 Abs. 1 WStG begangen hat. Ein Soldat, der der Truppe unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Die Bundeswehr kann die ihr obliegenden Aufgaben nur dann hinreichend erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderlichen Maße jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrages der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft. Dazu gehören insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2006 - 2 WD 2.05 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 50 S. 1 und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 6 Rn. 27). Die Verletzung der Pflicht zur militärischen Dienstleistung berührt nicht nur die Einsatzbereitschaft der Truppe, sie erschüttert auch die Grundlagen des Dienstverhältnisses selbst (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2009 - 2 WD 17.08 - BVerwGE 134, 379 Leitsatz Nr. 7).

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Auch die Pflicht zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 SG) ist eine zentrale Dienstpflicht jedes Soldaten, weil Streitkräfte auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam beruhen. Vorsätzlicher Ungehorsam stellt daher stets ein sehr ernstzunehmendes Dienstvergehen dar (BVerwG, Urteil vom 16. März 2011 - 2 WD 40.09 - juris Rn. 52 m.w.N.).

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Ebenso ist die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst oder in dienstlichen Anlagen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) von hohem Gewicht. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, BVerwG, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Dies war hier der Fall.

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Die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außer Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG a.F. bzw. § 17 Abs. 2 Satz 3 SG n.F.) wiegt ebenso schwer. Hohe Bedeutung hat auch der Verstoß gegen die Weisung in Nr. 503 der ZR A2-2630/0-0-2. Diese Anweisung dient der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte, indem sie Soldaten Verhaltensweisen untersagt, die ihre jederzeitige Einsatzfähigkeit gefährden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2017 - 2 WD 12.16 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 52 Rn. 21, zu der Vorgängerregelung in Nr. 404 der ZDv 10/5).

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Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat als Oberfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV) und daher gemäß § 10 SG zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet war (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - m.w.N., vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 30). Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Beispiel, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht.

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In die Abwägung ist weiter erschwerend einzustellen, dass der frühere Soldat hinsichtlich der unerlaubten Abwesenheit wiederholt in gleichartiger Weise disziplinarisch in Erscheinung getreten ist. Zum Teil auch noch nach der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens erneut versagt hat und er nur deshalb nicht noch länger dem Dienst ferngeblieben ist, weil ihn die Feldjäger dem Dienst wieder zwangsweise zugeführt haben.

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b) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen, weil der frühere Soldat infolge der unerlaubten Abwesenheiten dem Dienstherrn nicht zur Verfügung stand und im Zuge der Ermittlungen suspendiert werden musste, sodass er zu alimentieren war, ohne dass der Dienstherr von seiner Arbeitskraft Gebrauch machen konnte.

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c) Die Beweggründe des früheren Soldaten sprechen gegen ihn. Seine Angaben gegenüber der Sachverständigen Diplom-Psychologin ... dokumentieren, dass er durchgängig aus egoistischen Motiven gehandelt und sein Interesse an einer auf Annehmlichkeiten und Unterhaltung zentrierten Lebensweise über die Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten gestellt hat, obwohl ihn der Dienstherr durch die Bezügezahlungen aus Steuermitteln alimentiert hat.

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d) Das Maß der Schuld des früheren Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich handelte. Dass er trotz seines schädlichen Konsums von Alkohol und anderen Drogen uneingeschränkt einsichts- und steuerungsfähig war, hat das Gutachten der Diplom-Psychologin ... vom 6. November 2017 ergeben. Der Senat folgt diesem Gutachten vollumfänglich, da Einwände gegen seine Richtigkeit weder geltend gemacht wurden noch ersichtlich sind.

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Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Soldaten mindern könnten (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. September 2008 - 2 WD 18.07 - Rn. 59 m.w.N.), liegen nicht vor.

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Insbesondere liegt kein Mitverschulden von Vorgesetzten in der Form einer mangelhaften Dienstaufsicht vor. Dieser Milderungsgrund steht einem Soldaten nur dann zur Seite, wenn er der Dienstaufsicht bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich macht (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. März 2003 - 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2 S. 10 und vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 37). Eines solchen Eingreifens bedurfte es hier nicht, weil der frühere Soldat wusste, dass er Drogen nicht in der Kaserne aufbewahren und konsumieren durfte und zum regelmäßigen pünktlichen Dienstantritt in der Kaserne auch an den ihm vorgeworfenen Fehltagen verpflichtet war. Da der frühere Soldat ausweislich des Sachverständigengutachtens wegen seiner Depression kontinuierlich in truppenärztlicher Behandlung war und er die Angebote von Hauptmann V., ihn durch Gespräche und Einschaltung des Sozialdienstes zu unterstützen, nicht nachhaltig aktiv angenommen hatte, kann er sich auch nicht darauf berufen, Vorgesetzte hätten durch die Verletzung von Fürsorgepflichten sein Fehlverhalten mitverursacht.

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Das Handeln in einer seelischen Ausnahmesituation kann zwar einen Milderungsgrund in den Umständen der Tat begründen (vgl. dazu BVerwG, z.B. Urteil vom 16. Oktober 2002 - 2 WD 23.01, 32.02 - BVerwGE 117, 117 <124> m.w.N.). Er liegt als Milderungsgrund in den Umständen der Tat erst dann vor, wenn die Situation von so außergewöhnlichen Besonderheiten geprägt war, dass von dem früheren Soldaten ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte (BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 - 2 WD 22.11 - juris Rn. 42). Für eine derartige Zuspitzung der Probleme, die durch den Lebensstil des früheren Soldaten selbstverantwortlich verursacht wurden, spricht nichts, insbesondere keine krankheitswertige Drogenabhängigkeit.

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Mit geringem Gewicht spricht für ihn (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 2 WD 10.13 - Rn. 78, 91), dass er sich ausweislich der gutachterlichen Feststellungen im von der Anschuldigung erfassten Zeitraum wegen Depressionen in einer schwierigen Lebensphase befand.

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e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sind dem früheren Soldaten die bis 2013 ordentlichen Leistungen und sein Geständnis zugute zu halten. Gegen ihn sprechen die deutliche Verschlechterung seiner Leistungen im Laufe des Verfahrens und die erheblichen strafrechtlichen und disziplinarischen Vorbelastungen.

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3. Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die Verhängung der Höchstmaßnahme geboten. Dem Dienstherrn ist eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zumutbar. Der frühere Soldat bezieht Übergangsgebührnisse und ihm würde eine Übergangsbeihilfe zustehen, sodass er gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 WDO als Soldat im Ruhestand gilt. Damit besteht nach § 58 Abs. 2 Nr. 4, §§ 65, 67 Abs. 4 WDO die Höchstmaßnahme in der Aberkennung des Ruhegehaltes.

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Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris Rn. 35) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

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a) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

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Für Fälle des vorsätzlichen eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe ist aus spezial- und generalpräventiven Gründen bei kürzerer unerlaubter Abwesenheit Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschaftsdienstgrad; bei länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht wiegt das Dienstvergehen so schwer, dass es regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder den Ausspruch der sonst gebotenen Höchstmaßnahme indiziert (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. September 2009 - 2 WD 17.08 - Buchholz 450.2 § 13 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 110 m.w.N. und vom 25. Oktober 2012 - 2 WD 32.11 - juris Rn. 40 ff.). Hier liegt zwar noch keine länger dauernde Abwesenheit vor. Jedoch ist der frühere Soldat wiederholt eigenmächtig abwesend gewesen und verspätet zum Dienst erschienen. Wegen der den Schwerpunkt des Dienstvergehens bildenden Pflichtverletzungen nach den Anschuldigungspunkten 3, 6 und 7 ist grundsätzlich die Verhängung der Höchstmaßnahme verwirkt.

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b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.

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Hiernach spricht Nichts mit ausreichendem Gewicht für ein Abweichen von der Höchstmaßnahme, zumal noch die Pflichtverletzungen gemäß Anschuldigungspunkte 2, 4 und 5 erschwerend hinzutreten. Die Leistungen der Vergangenheit reichen nicht aus, weil ihnen nach 2013 ein gravierender Leistungsabfall bis -ausfall entgegensteht. Im Übrigen steht die persönliche Integrität gleichberechtigt neben der fachlichen Qualifikation, sodass gravierende Defizite an der persönlichen Integrität, die bei objektiver Betrachtung zum endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 51 m.w.N.), nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (BVerwG, Urteile vom 16. Juni 2011 - 2 WD 11.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 32 Rn. 40 und vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - juris Rn. 73). Die mildernde Wirkung der wegen seiner Depressionen auf den früheren Soldaten wirkenden Belastungen wird durch die erschwerenden Aspekte weit überwogen.

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Da der frühere Soldat während des Berufungsverfahrens bestandskräftig entlassen wurde, muss die Maßnahmeart an seinen aktuellen Status gemäß § 1 Abs. 3, § 58 Abs. 2 WDO angepasst werden.

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4. Die Kostenentscheidung folgt § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO.