Datenquelle: www.rechtsprechung-im-internet.de (Direktlink)
Die Beschwerde betrifft die vorläufige Einbehaltung von Ruhegehalt.
1. Der ... in den Ruhestand getretene Beschwerdegegner war Berufssoldat. Das gegen ihn mit Verfügung vom 19. Juli 2018 eingeleitete gerichtliche Disziplinarverfahren (Einleitungsverfügung) wurde wie folgt begründet:
"1. Sie befanden sich seit dem 22. Dezember 2011 bis zur Durchsuchung am 25. Oktober 2017 in Ihrem Wohnanwesen ... im Besitz eines Laptops Medion Akoya schwarz.
a) Auf diesem Speichermedium befanden sich, wie Sie wussten und wollten, zumindest aber hätten wissen können und müssen, während des gesamten Zeitraums 320 kinderpornographische Schriften.
Diese kinderpornographischen Schriften zeigen ganz bzw. teilweise unbekleidete Kinder dabei, wie sie in sexuell motivierter Weise vor der Kamera posieren, wobei die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale in den Mittelpunkt der Aufnahme gerückt sind.
b) Zudem befanden sich auf dem Speichermedium, wie Sie wussten und wollten, zumindest aber hätten wissen können und müssen, während des gesamten Zeitraums 71 jugendpornographische Schriften.
Diese Schriften zeigen ganz oder teilweise unbekleidete weibliche Jugendliche im nicht näher bestimmten Alter von 14 bis 17 Jahren dabei, wie sie in sexuell motivierter Weise vor der Kamera posieren, wobei die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale in den Mittelpunkt der Aufnahme gerückt sind.
2. Sie besaßen jedenfalls am 28. August 2017 in der Liegenschaft ... in Ihrer Kampftragetasche 10 Bilder mit jugendpornographischen Darstellungen."
2. Mit der Einleitungsverfügung wurde zugleich die Einbehaltung von 30 % des Ruhegehalts des früheren Soldaten unter anderem mit der Begründung angeordnet (Einbehaltensanordnung), beim Nachweis des in Rede stehenden Verhaltens sei zu erwarten, dass gegen ihn die Höchstmaßnahme verhängt werde.
3. Nachdem die Einleitungsbehörde es abgelehnt hatte, die Einbehaltensanordnung aufzuheben, gab das Truppendienstgericht dem vom Beschwerdegegner dagegen erhobenen Antrag mit Beschluss vom 22. Januar 2019 statt. Zwar habe der Antragsteller das ihm vorgeworfene Dienstvergehen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begangen; jedoch sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass gegen ihn deshalb auch die Höchstmaßnahme verhängt werde. Die Anzahl der bei ihm aufgefundenen kinder- und jugendpornographischen Schriften/Dateien liege deutlich unterhalb von 2 000 und rechtfertige nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts somit nicht, gegen ihn die Höchstmaßnahme zu verhängen. Dabei bleibe im gerichtlichen Disziplinarverfahren zu würdigen, inwieweit die Mitnahme von zehn Bildern in die dienstliche Liegenschaft erschwerend zu berücksichtigen sei. Da sowohl denkbar sei, dass dies zur Höchstmaßnahme als auch dazu führe, dass es bei der Dienstgradherabsetzung verbleibe, sei es jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Höchstmaßnahme verhängt werde.
4. Mit ihrer am 5. Februar 2019 erhobenen Beschwerde wendet sich die Wehrdisziplinaranwaltschaft gegen den Beschluss des Truppendienstgerichts. Bereits das Aufrufen kinder- oder jugendpornographischer Seiten und ihr Betrachten im Internet stelle ein überaus schwerwiegendes Dienstvergehen dar. Wegen des mit solchen Taten verbundenen Achtungs- und Vertrauensverlusts sei regelmäßig die disziplinare Höchstmaßnahme angemessen. Nur bei Vorliegen besonderer mildernder Umstände sei ein Abweichen davon möglich. Sie würden jedoch nicht vorliegen. Vielmehr handele es sich um eine Vielzahl kinder- und jugendpornographischer Schriften, sodass nicht von bloßem "Beifang" anlässlich des Besuchs und Herunterladens strafloser erwachsenenpornographischer Seiten auszugehen sei. Erschwerend wirke insbesondere, dass der frühere Soldat mehrere Bilder dieser Art ausgedruckt und in die dienstliche Liegenschaft eingeführt habe, wodurch das Dienstvergehen nicht mehr außerdienstlich geblieben sei.
Soweit sich der frühere Soldat dahingehend einlasse, das Auffinden der Dateien im Cache-Bereich sei kein Sichverschaffen im Sinne des § 184b Abs. 3 StGB, ergebe sich aus der aktuellen Rechtsprechung, dass es mit dem Download in den Arbeitsspeicher und der bloßen Möglichkeit permanenter Speicherung, jedenfalls aber bei automatischer Abspeicherung im Cache-Speicher, vollendet sei; insbesondere seien die Dateien vorliegend nicht im Internet-Cache, sondern im thumbcache_256.db gespeichert. Während Internet-Cache-Dateien bereits vor dem Öffnen einer Internetseite gespeichert werden könnten, würden im Thumbcache lediglich Dateien ausgewiesen, die auch tatsächlich geöffnet worden seien. Sämtliche Bilder seien demnach geöffnet worden.
Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat ergänzend ausgeführt, dass auf dem Tablet des früheren Soldaten ebenfalls kinder- und jugendpornographische Schriften vorhanden seien, wodurch sich die Zahl von Dateien dieser Art noch erhöhen könne. Dass das diesbezügliche Strafverfahren nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, sei für das gerichtliche Disziplinarverfahren unerheblich.
5. Der Beschwerdegegner entgegnet, es mache bei der disziplinarrechtlichen Ahndung einen Unterschied, ob dem Betroffenen ein sexueller Missbrauch, die Verbreitung kinder- bzw. jugendpornographischer Inhalte vorgehalten werde oder sich die Verfehlung darauf beschränke, solche Schriften lediglich ab- bzw. aufgerufen zu haben. Im Strafverfahren hätten zudem die umfangreichen Ermittlungen zur Frage, ob das Mitführen von Bildern jugendpornographischer Art in der Kampftragetasche dem früheren Soldaten zurechenbar sei, ein negatives Ergebnis erbracht. Dass sich die Dateien im Thumbcache befunden hätten, streite zudem für und nicht gegen den früheren Soldaten. Wenn nämlich Cache-Dateien gelöscht würden, zeige sich die Datei wenig später erneut. Daher könne aus dem Auffinden im Thumbcache-Bereich kein Besitzwille hergeleitet werden.
Die nach § 114 WDO zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Bei der Entscheidung nach § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbehaltung eines Teils des Ruhegehalts erfüllt sind, ist von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auszugehen. Ohne Bedeutung ist somit, ob sich durch die noch ausstehende Auswertung des dem früheren Soldaten auch gehörenden Tablets die Zahl kinder- oder jugendpornographischer Dateien noch erhöhen würde. Gesichert ist dies gegenwärtig nicht.
2. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 126 Abs. 3 WDO sind nicht erfüllt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2002 - 2 WDB 1.02 - Buchholz 235.01 § 126 WDO 2002 Nr. 1).
Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob der frühere Soldat - wie vom Truppendienstgericht angenommen - das ihm ausweislich der Einleitungsverfügung zur Last gelegte Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit tatsächlich begangen hat. Insoweit ist nicht erforderlich, dass das Dienstvergehen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist. Dies widerspräche dem von seinem Charakter her vorläufigen Verfahrenscharakter des § 126 Abs. 3 WDO und den sich daraus ergebenden nur summarischen Bewertungen und Wahrscheinlichkeitserwägungen.
Denn selbst wenn der frühere Soldat ein Verhalten der vorgeworfenen Art tatsächlich begangen haben sollte, steht jedenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch fest, dass es mit der Höchstmaßnahme zu ahnden wäre. Obgleich das Erfordernis der Höchstmaßnahme bei früheren Soldaten in § 126 Abs. 3 WDO im Gegensatz zu aktiven Soldaten (§ 126 Abs. 2 Satz 1 WDO) nicht ausdrücklich erwähnt ist, bildet es auch hier eine notwendig zu erfüllende Tatbestandsvoraussetzung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Juli 1968 - 1 WDB 12.68 - BVerwGE 33, 171 <171 f.> und vom 22. Juli 2002 - 2 WDB 1.02 - Buchholz 235.01 § 126 WDO 2002 Nr. 1 S. 1 f.).
Das Truppendienstgericht verweist zutreffend auf die Entscheidung des Senats vom 5. Juli 2018 - 2 WD 10.18 - (DVBl 2019, 307 Rn. 39, 43 f.). In ihr hat er an der grundsätzlichen Typisierung festgehalten, dass beim schlichten Besitz kinder- und jugendpornographischer Dateien als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Herabsetzung im Dienstgrad anzunehmen ist. Nur beim Verschaffen solcher Dateien/Schriften an andere - also einem Verbreiten - ist die Entfernung aus dem Dienstverhältnis die Regel. Gegenstand der vorliegenden Einleitungsverfügung bildet gegenwärtig aber lediglich der Vorwurf des Besitzes kinder- oder jugendpornographischer Dateien.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Senat in der zitierten Entscheidung auf der zweiten Zumessungsstufe angesichts von dort mehr als 2 000 kinder- bzw. jugendpornographischen Dateien trotz der für den Soldaten sprechenden Umstände die Entfernung aus dem Dienstverhältnis ausgesprochen hat. Mit der Formulierung, von einer hohen Anzahl kinder- und jugendpornographischer Dateien sei "jedenfalls" bei 2 000 Dateien auszugehen, und dem Hinweis, dass selbst dann dort mildernde Umstände von hohem Gewicht die letztlich zu verhängende Disziplinarmaßnahme beeinflussen, hat er der Wertung des § 38 Abs. 1 WDO entsprechend nicht ausgeschlossen, dass selbst bei einer hohen Anzahl solcher Dateien die sonstigen Bemessungsparameter des § 38 Abs. 1 WDO der Höchstmaßnahme entgegenstehen können. Daraus folgt nicht, dass schon der Besitz von 400 kinder- und jugendpornographischer Dateien regelmäßig zur Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme führt. Dass der frühere Soldat zehn Bilder jugendpornographischer Art in den Bereich der dienstlichen Liegenschaft verbracht haben könnte, ist ebenfalls bislang als Kriterium für die grundsätzliche Verhängung der Höchstmaßnahme nicht anerkannt. Da es bei Beachtung der oben genannten Bemessungsrichtlinien nach § 38 Abs. 1 WDO eine Bandbreite vertretbarer Entscheidungen gibt und den Tatgerichten im Disziplinarrecht ein erheblicher Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht (BVerwG, Beschluss vom 8. November 2018 - 2 WRB 1.18 - juris Rn. 22), kann derzeit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden, dass das Dienstvergehen die Aberkennung des Ruhegehalts zur Folge hat.
3. Da das gerichtliche Antragsverfahren nach § 126 Abs. 5 WDO ein Nebenbestandteil des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist, bleibt die Kostenentscheidung auch insoweit der Endentscheidung vorbehalten.