BVerwG 5. Senat, Beschluss vom 02.04.2019, 5 PB 18/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 5 PB 18/18 (BVerwG)

vom 2. April 2019 (Dienstag)


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Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg; sie hat keine Gründe vorgebracht, welche die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen. Die allein erhobenen Verfahrensrügen (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, § 92a Satz 2 ArbGG) greifen nicht durch.

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1. Der von der Beschwerde geltend gemachte absolute Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegrund des § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG i.V.m. § 547 Nr. 4 ZPO liegt nicht vor.

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Nach der letztgenannten Bestimmung ist eine Entscheidung stets als auf einer Rechtsverletzung beruhend anzusehen, wenn ein Beteiligter am Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern er nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Die Voraussetzungen des § 547 Nr. 4 ZPO liegen zwar im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren auch vor, wenn eine Partei vorschriftswidrig überhaupt nicht zum Verfahren hinzugezogen wurde (BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2016 - 5 PB 10.15 - PersV 2016, 186 <188> m.w.N.). Hier bedarf es jedoch keiner Entscheidung darüber, ob - wie die Beschwerde rügt - die Beteiligung des Hauptpersonalrats der Bundesagentur für Arbeit vor dem Oberverwaltungsgericht in rechtswidriger Weise unterblieben ist.

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Denn der Revisions- und Rechtsbeschwerdegrund des § 547 Nr. 4 ZPO dient nur dem Schutz desjenigen, der nicht ordnungsgemäß vertreten bzw. beteiligt war (vgl. BAG, Beschluss vom 9. September 2010 - 4 AZN 354/10 - NZA 2010, 1309 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2016 - IX ZR 259/15 - WM 2017, 925 Rn. 9; BVerwG, Beschluss vom 26. September 2016 - 5 B 3.16 D - juris Rn. 24 <zu § 138 Nr. 4 VwGO> m.w.N.). Deshalb kann dieser Zulassungsgrund nur von derjenigen Partei erfolgreich geltend gemacht werden, deren Anhörung oder Beteiligung in den Vorinstanzen zu Unrecht unterblieben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. April 2011 - 6 PB 20.10 - PersV 2011, 395 <396>; BAG, Beschlüsse vom 9. September 2010 - 4 AZN 354/10 - NZA 2010, 1309 Rn. 11 und vom 22. Mai 2012 - 1 ABN 27/12 - juris Rn. 31). Mithin kann sich der Antragsteller nicht in zulässiger Weise auf diesen Zulassungsgrund berufen, weil er nicht geltend zu machen vermag, er sei am Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten oder beteiligt worden, sondern lediglich die aus seiner Sicht zu Unrecht unterbliebene Beteiligung des Hauptpersonalrats der Bundesagentur für Arbeit rügt.

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2. Der von der Beschwerde weiter geltend gemachte absolute Revisionsgrund des § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG i.V.m. § 547 Nr. 2 ZPO liegt ebenfalls nicht vor.

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Nach der zuletzt genannten Regelung ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist. Ob ein Richter im Sinne des § 547 Nr. 2 ZPO von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, beurteilt sich nach der Ausschlussregelung des § 41 ZPO.

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Es ist jedoch weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass ein von dieser Regelung erfasster Ausschlussgrund erfüllt ist. Aus dem von der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 14) geltend gemachten Umstand, es sei dem Antragsteller im Nachgang zu dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht zur Kenntnis gelangt, dass eine ehrenamtliche Richterin "als Mitarbeiterin der Familienkasse gegenüber dem Antragsgegner bzw. der Bundesagentur für Arbeit als ein Träger des Jobcenters" weisungsgebunden sei, ergeben sich keine schlüssigen Hinweise auf das Vorliegen eines der in § 41 Nr. 1 bis 8 ZPO aufgezählten Gründe.

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3. Mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 15), das Oberverwaltungsgericht habe den Antragsteller auf den vorgenannten Umstand, dass die ehrenamtliche Richterin Mitarbeiterin der Familienkasse sei, hinweisen müssen, weil dieser Umstand die Besorgnis der Befangenheit hätte rechtfertigen können und der Antragsteller ohne den Hinweis gehindert gewesen sei, ein Ablehnungsgesuch zu stellen, ist ebenfalls kein Verfahrensfehler gemäß § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG dargelegt, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen könnte. Soweit sich die Beschwerde mit ihrem Vortrag darauf hat berufen wollen, dass die im Hinblick auf die Geltendmachung einer Besorgnis der Befangenheit allenfalls in Betracht zu ziehenden absoluten Revisionsgründe des § 547 Nr. 3 und 1 ZPO erfüllt sind, könnte ihr auch dies nicht zum Erfolg verhelfen. Denn diese Zulassungsgründe liegen ebenfalls nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beschwerde geschilderten Umstände überhaupt geeignet waren, auf die Annahme der Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 1 und 2 ZPO) der ehrenamtlichen Richterin zu schließen.

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a) Nach § 547 Nr. 3 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war. Ein solcher Verfahrensfehler liegt daher nur vor, wenn - woran es hier jedenfalls fehlt - ein Ablehnungsgesuch in der Vorinstanz gestellt worden ist und tatsächlich Erfolg gehabt hat. Dies gilt auch, wenn sich die angeblichen Gründe für die Besorgnis der Befangenheit - wie die Beschwerde geltend macht - erst im Nachhinein bzw. aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergeben haben sollten (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 1992 - II ZR 230/91 - BGHZ 120, 141 <144>; BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 77 Rn. 38 m.w.N. und vom 15. August 2017 - 4 BN 22.17 - juris Rn. 7). In einem solchen Fall könnte allenfalls der Verfahrensfehler der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 Nr. 1 ZPO) in Betracht kommen.

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b) Eine im Sinne des § 547 Nr. 1 ZPO vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts wäre bei einem - wie die Beschwerde geltend macht - erst nachträglich bekannt gewordenen Befangenheitsgrund jedoch nur dann anzunehmen, wenn ein Richter der Vorinstanz tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität hat vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erschiene (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2012 - 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 18 und Beschluss vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 77 Rn. 38 m.w.N.). Für diese Annahme ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerde keinerlei Hinweise.

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4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 2, § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.