BGH 5. Strafsenat, Urteil vom 19.06.2019, 5 StR 128/19

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 5 StR 128/19 (BGH)

vom 19. Juni 2019 (Mittwoch)


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Mord: Fehlen der feindseligen Willensrichtung bei einer heimtückischen Tötung

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 20. Dezember 2018 aufgehoben; die Feststellungen bleiben bestehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

- Von Rechts wegen -

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke richtet und vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat mit der Sachrüge überwiegend Erfolg.

I.

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1. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts tötete der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 17. Juni 2018 seine schlafende Ehefrau, indem er ihr mit einem schweren Hammer neun wuchtige Schläge gegen den Kopf versetzte. Hierzu kam es wie folgt:

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Der psychisch gesunde Angeklagte lebte seit 1991 mit seinem späteren Opfer in deren Wohnung zusammen, beide heirateten 2015. Weil er als selbständiger LKW-Unternehmer Schulden von über 70.000 Euro angehäuft hatte, befand er sich von 2004 bis 2011 in Privatinsolvenz. Ab März 2017 war der zuvor als LKW-Fahrer tätige Angeklagte bei einem Taxiunternehmen in Dresden beschäftigt.

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Seit seinem 15. Lebensjahr spielte der Angeklagte an Automaten, wodurch er teilweise viel Geld verlor. Weil auch seine Ehefrau die letzten zwei bis drei Jahre gemeinsam mit ihm spielte, verschlechterten sich die finanziellen Verhältnisse der beiden, obwohl sie über ein auskömmliches Einkommen verfügten.

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Die finanzielle Situation spitzte sich im Frühjahr 2018 zu. Im Januar 2018 und seit April 2018 erfolgten keine Mietzahlungen mehr, so dass Mitte Juni schon rund vier Monatsmieten von ca. 2.000 Euro offen waren. Bis März 2018 wurden die Stromkosten nur sporadisch, seitdem nicht mehr bezahlt. Die Sperrung des Stromanschlusses wurde zum Montag, den 18. Juni 2018, angekündigt. Weitere Mahnungen gingen von verschiedenen Versicherungen, der Telekom, dem ADAC und weiteren Unternehmen ein.

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Der Angeklagte behielt seit Frühjahr 2018 wiederholt seine Bareinnahmen als Taxifahrer ein, anstatt sie ordnungsgemäß an seinen Arbeitgeber abzuführen. Zunächst vereinbarte sein Arbeitgeber noch mit ihm, diese unterschlagene Summe als Vorschuss auf zukünftige Lohnzahlungen zu verwenden. Als die Geschäftsführung aber Hinweise auf seine Spielsucht bekam, forderte sie ihn am 11. Juni 2018 auf, seine Einnahmen statt am 18. Juni 2018 schon am 12. Juni 2018 abzurechnen. Der Angeklagte reagierte darauf nicht und erschien auch nicht zu einem am 15. Juni 2018 (Freitag) anberaumten Mitarbeitergespräch. An diesem Tag wurde ihm das Taxi weggenommen, es fehlten über 1.500 Euro. Ihm wurde fristlos gekündigt. Er wurde aufgefordert, den Fehlbetrag binnen dreier Tage zu erstatten; zudem wurde eine Anzeige angekündigt. Er fürchtete, keine Anstellung als Taxifahrer mehr finden zu können.

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Seine später getötete Ehefrau wusste zwar um die allgemeine und sich auch in den letzten Monaten verschlechternde finanzielle Situation der Eheleute, hatte aber keine genauen Kenntnisse von der finanziellen Lage. Am 12. oder 13. Juni 2018 äußerte sie noch gegenüber einer Freundin, „es ist nichts mehr da“, wusste aber nichts von den Mietrückständen und der angekündigten Stromsperrung. Von den Unterschlagungen zum Nachteil seines Arbeitgebers und der deshalb erfolgten Kündigung hatte ihr der Angeklagte nichts erzählt.

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Der Angeklagte glaubte, seine Ehefrau von allen diesen existenzbedrohenden Tatsachen verschonen zu müssen. Er nahm an, sie würde es nicht verkraften, insoweit mit der „harten Realität“ konfrontiert zu werden. Mit maßgeblich hierfür war, dass seine über 16 Jahre ältere und nun schon fast 78 Jahre alte Ehefrau unter erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen litt. Sie hatte einige Zeit zuvor eine Hirnblutung erlitten, von deren Folgen sie sich nicht erholt hatte, so dass ihr der Pflegegrad 2 zuerkannt worden war. Sie litt unter Einschränkungen ihrer Gehfähigkeit und wurde von ihrer Umwelt oft als deprimiert und niedergeschlagen wahrgenommen. Sie nahm Psychopharmaka. Wegen einer Blasenschwäche war sie inkontinent. Aufgrund der sich verschlechternden Mobilität und ihrer psychischen Niedergedrücktheit verließ sie nur selten die Wohnung und hatte die Außenkontakte auf ein Minimum eingeschränkt.

9

Nachdem der Angeklagte am Samstag (16. Juni 2018) keine Anstalten gemacht hatte, seine Ehefrau in die von ihm als hoffnungslos empfundene Situation einzuweihen, begann er in der Nacht von Samstag auf Sonntag deswegen darüber nachzudenken, zunächst sie und dann sich selbst zu töten. Zu keinem Zeitpunkt hatte er mit ihr darüber gesprochen, ob man gemeinsam aus dem Leben scheiden wolle. Im Laufe der Nacht trank der Angeklagte etwa eine halbe Flasche Whiskey, ohne dass ihn dies merklich beeinträchtigte. Nachdem er andere Möglichkeiten wie eine Vergiftung verworfen hatte, nahm er schließlich einen Hammer mit einem Kopfgewicht von 1 kg, ging zu seiner im Ehebett schlafenden Ehefrau und versetzte ihr neun wuchtige und auch für sich genommen tödliche Schläge gegen den Kopf, was zu erheblichen Kopfverletzungen, binnen kürzester Zeit zur Bewusstlosigkeit und schließlich innerhalb von etwa fünf Minuten zum Tod durch Ersticken führte. Hierbei war ihm klar, dass sie sich in dem Bewusstsein schlafen gelegt hatte, dass ihr keinerlei Gefahr drohe. Bei seiner Tat nutzte er bewusst den Umstand aus, dass sich seine schlafende Ehefrau weder eines Angriffs versah noch aufgrund des Schlafes zu irgendeiner Gegenwehr fähig gewesen wäre.

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Einziges Tatmotiv des Angeklagten war – nach den Feststellungen des Schwurgerichts –, seiner Ehefrau durch die Tötung ein Leben im finanziellen Ruin zu ersparen, insbesondere die für wahrscheinlich gehaltene Wohnungskündigung und die Sperrung des Stromanschlusses bei Wegfall seiner Einkünfte ohne Aussicht, eine neue Stellung zu erhalten. Zu alledem war für den Angeklagten auch bestimmend, dass seine fast 78-jährige Ehefrau nach der Hirnblutung an nicht unerheblichen physischen Einschränkungen, insbesondere einer deutlich verminderten Beweglichkeit litt, sie zudem erkennbar an Lebenslust verloren hatte und oftmals deprimiert und niedergeschlagen war. Er wollte ihr einen von ihm befürchteten völligen psychischen Zusammenbruch durch die Offenbarung der Wahrheit ersparen, indem er sie tötete. Andere – naheliegende – Möglichkeiten wie die Stellung eines erneuten Insolvenzantrages, den Gang zur Schuldnerberatung, verbunden mit einer weitgehenden Offenbarung der finanziellen Verhältnisse gegenüber seiner Ehefrau, erwog er nicht ernsthaft. Nicht feststellen konnte das Schwurgericht, dass den Angeklagten bei der Tötung seiner Ehefrau andere, und seien es auch nur untergeordnete, ihn selbst betreffende Beweggründe motiviert hätten.

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Nach der Tat nahm der Angeklagte einige Blutdrucksenkungsmittel ein, um sich selbst zu töten. Er verspürte jedoch keinerlei Wirkung. Am nächsten Tag erwarb er freiverkäufliche Schlafmittel und nahm diese vollständig ein, was ebenfalls wirkungslos blieb. Nachdem am darauffolgenden Dienstag der Strom abgestellt worden war, rief der Angeklagte die Polizei an und erklärte, seine Ehefrau erschlagen zu haben, die in der Wohnung liege. Er habe sie getötet, weil man sich „in unendlich viel Schulden gespielt“ und er keine andere Lösung gefunden habe. Ein Treffen mit der Polizei lehnte er ab. Er wurde am nächsten Tag in unmittelbarer Nähe der Ehewohnung festgenommen.

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2. Das Landgericht hat das Mordmerkmal der Heimtücke als nicht verwirklicht angesehen. Der Angeklagte habe zwar seine Ehefrau unter bewusster Ausnutzung ihrer Arg- und Wehrlosigkeit erschlagen. Es fehle aber an der feindseligen Willensrichtung des Vorgehens, weil er im Glauben getötet habe, zum Besten seines Opfers zu handeln.

II.

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Die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke hält – wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision zutreffend beanstandet – rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil das Schwurgericht einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt hat.

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1. Die Motive für eine ansonsten heimtückische Tötung können, von Ausnahmefällen abgesehen, regelmäßig nicht auf der Tatbestandsseite, sondern lediglich bei der Prüfung der sogenannten Rechtsfolgenlösung berücksichtigt werden.

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a) Der Große Senat für Strafsachen hat – im Anschluss an die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 45, 187) und mit Bindungswirkung für alle Strafsenate des Bundesgerichtshofs – entschieden, dass bei einer Tötung in heimtückischer Begehungsweise auch beim Vorliegen außergewöhnlicher mildernder Umstände stets ein Schuldspruch wegen Mordes zu erfolgen hat und allenfalls eine Strafrahmenverschiebung in entsprechender Anwendung von § 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1981 – GSSt 1/81, BGHSt 30, 105). Das Mordmerkmal der Heimtücke erschöpfe sich in einer besonders gefährlichen Begehungsweise, nämlich der vorsätzlichen Lebensvernichtung auf heimtückische Weise. Während dies auf der Ebene des Tatbestandes keine Differenzierungen zulasse, könnten sich erhebliche Unterschiede bei der Schuld ergeben wie etwa bei affektiver Antriebslage, besonderen Beweggründen oder der Belastung des Täters durch Provokation und Konflikt (aaO, S. 117). Aus dem Vorliegen und der konkreten Beschaffenheit solcher Schuldmomente könnten die „Grenzfälle“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erwachsen, in denen die Frage der Verhältnismäßigkeit der lebenslangen Freiheitstrafe Berechtigung gewänne.

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b) Zu dem Merkmal der „feindseligen Willensrichtung“ hat der Große Senat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die bis dahin geltende Rechtsprechung unter diesem Gesichtspunkt zwar gelegentlich Beweggründe des Täters berücksichtigt und eine heimtückische Begehungsweise verneint habe, wenn er „zum Besten“ des Opfers zu handeln glaubte (aaO, S. 119). Diesen Ansatz hat der Große Senat für Strafsachen aber ausdrücklich nicht weitergeführt, sondern sich anstelle einer Restriktion auf der Tatbestandsebene für eine Ergänzung auf der Rechtsfolgenseite entschieden. Danach ist bei „außergewöhnlichen Umständen, auf Grund welcher die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheint“, im Wege richterlicher Rechtsfortbildung § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprechend anzuwenden (aaO, S. 120, sogenannte Rechtsfolgenlösung). Als Gründe hierfür hat der Große Senat insbesondere ausgeführt, diese Vorgehensweise enge den Tatbestand der Heimtücke nicht weiter ein und stelle die Bestimmtheit und Gleichmäßigkeit der ihn betreffenden Rechtsanwendung nicht in Frage, weil allein gesetzliche Merkmale darüber entschieden, welche Tötungshandlung als Totschlag und welche als Mord anzusehen sei (aaO, S. 119 f.). Zudem werde eine unangemessene Anwendung von § 213 StGB in solchen Fällen vermieden (aaO, S. 120).

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c) Die frühere Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zur tatbestandlichen Einschränkung des Merkmals der Heimtücke in Fällen, in denen der Täter glaubt, zum Besten seines Opfers zu handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 1956 – GSSt 1/56, BGHSt 9, 385; vgl. auch Beschluss vom 2. Dezember 1957 – GSSt 3/57, BGHSt 11, 139, 143), sieht der entscheidende Senat damit als weitgehend überholt an. Denn außergewöhnliche Umstände im oben genannten Sinne hat der Große Senat in seiner späteren Entscheidung gerade in besonderen Motiven für die Tötung erblickt, namentlich bei durch notstandsähnliche, ausweglos erscheinende Situationen motivierte, in großer Verzweiflung, aus tiefem Mitleid oder aus „gerechtem Zorn“ aufgrund einer schweren Provokation begangenen Taten (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1981, aaO, S. 119). Auch eine Tötung zum vermeintlich „Besten“ des Opfers zeichnet sich allein durch ein solches besonderes Motiv aus (vgl. BeckOK-StGB/Eschelbach, Stand 1. Mai 2019, § 211 Rn. 55 f.) und kann auf der Grundlage der Entscheidung des Großen Senats auf der Tatbestandsebene grundsätzlich nicht zur Einschränkung des Mordmerkmals der Heimtücke führen.

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2. Der Bundesgerichtshof hat deshalb in der Folgezeit – ohne die Voraussetzung eines Handelns in feindseliger Willensrichtung allerdings ausdrücklich aufzugeben oder einzuschränken – einen schon tatbestandlichen Ausschluss der Heimtücke aufgrund einer besonderen Motivation des Täters nur in Ausnahmefällen bejaht.

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a) Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn die Tötung in einer Situation geschieht, in der das Opfer zu einer autonomen Willensbildung selbst nicht in der Lage ist und der Täter zu seinem vermeintlich Besten zu handeln glaubt (unmündige Kinder: BGH, Urteil vom 7. Juni 1989 – 2 StR 217/89, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 10; vgl. auch Urteil vom 10. März 2006 – 2 StR 561/05, NStZ 2006, 338; Todkranke oder Sterbende: BGH, Urteil vom 8. Mai 1991 – 3 StR 467/90, BGHSt 37, 376, 377; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 5 StR 525/07, StV 2009, 524 m. Anm. Neumann; Urteile vom 15. November 1996 – 3 StR 79/96, BGHSt 42, 301, 305; vom 31. Juli 1996 – 1 StR 247/96, NStZ-RR 1997, 42; vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93). Mitleid kann die Annahme eines Heimtückemordes dabei allerdings nur ausschließen, wenn es sich aus einer objektiv nachvollziehbaren Wertung ableitet, die der Vermeidung schwersten Leidens den Vorrang gibt (BGH, Urteile vom 8. Mai 1991 – 3 StR 467/90, aaO, 377 f.; Urteil vom 31. Juli 1996 – 1 StR 247/96, aaO; vgl. zum anzulegenden strengen Maßstab auch Kutzer, NStZ 1994, 110, 111).

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b) Ferner kann ein Ausnahmefall beim sogenannten erweiterten Suizid (vgl. hierzu näher Mielke, NStZ 1996, 477; Witteck, JA 2009, 292) gegeben sein. Von einem solchen ist allerdings nur auszugehen, wenn der Täter – anders als hier – in Willensübereinstimmung mit dem Opfer aus dem Leben scheiden will und es entsprechend dem gemeinsamen Tatplan übernimmt, dieses und sich selbst zu töten (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1994 – 1 StR 626/94, NStZ 1995, 230 mwN; Beschluss vom 9. Mai 2001 – 2 StR 123/01, StV 2001, 666; abweichend Winckler/Foerster, NStZ 1996, 32). An einer feindlichen Willensrichtung fehlt es in diesen Fällen gerade wegen des autonomen Wunsches des Opfers, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden.

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c) Hingegen hat der Bundesgerichtshof eine „feindselige Willensrichtung“ dann angenommen, wenn der Täter zwar zum vermeintlich Besten seines Opfers zu handeln glaubt, dieses aber zuvor seinen gegenteiligen Willen bekundet hat (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – 1 StR 574/99, NStZ-RR 2000, 327).

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3. Nichts anderes als im letztgenannten Fall gilt, wenn der Täter annimmt, zum Besten seines Opfers zu handeln, aber bewusst davon absieht, sein Opfer zu fragen, obwohl dieses zu einer autonomen Willensentscheidung in der Lage war und leicht hätte sagen können, ob es auch wirklich aus dem Leben scheiden möchte (vgl. zum Ausschluss einer mutmaßlichen Einwilligung in solchen Fällen näher Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, 4. Aufl., § 18 Rn. 10 ff. mwN).

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a) Eine ungewollte Tötung stellt grundsätzlich einen feindseligen Angriff auf das Lebensrecht des Opfers dar (vgl. Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, 30. Aufl., § 211 Rn. 25b; MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl., § 211 Rn. 201 mwN; aaO Rn. 55).

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Das menschliche Leben – auch ein leidensbehaftetes – ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig; das Urteil über seinen Wert steht keinem Dritten zu (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2019 – VI ZR 13/18, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Weil jeder Mensch, insbesondere aus religiösen und weltanschaulichen Gründen, höchst unterschiedliche Vorstellungen vom Wert des Weiterlebens in schwierigen oder möglicherweise ausweglosen Situationen hat, darf sich kein Dritter anmaßen, hierüber bestimmen zu wollen, ohne den Betreffenden – soweit möglich – zuvor gefragt zu haben. Wird dies bewusst unterlassen, ist es unangebracht, das Motiv einer ungewollten Tötung zum vermeintlich Besten des Opfers besonders zu privilegieren und ein solches „einseitiges Absprechen des Lebensrechts“ (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 – 2 StR 123/01, aaO) von vorneherein aus dem Anwendungsbereich der Heimtücke auszuschließen, ohne dass dies durch die Formulierung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erfordert wäre (vgl. auch Roxin, NStZ 1992, 35; Schneider, aaO Rn. 201; Eschelbach, aaO). Maßt sich der Täter an, selbst darüber zu bestimmen, was für sein Opfer das Beste ist, obwohl sich dieses unschwer selbst einen – gegebenenfalls entgegenstehenden – Willen bilden und diesen äußern könnte, ist ein solches Motiv regelmäßig nicht geeignet, einer unter bewusster Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit begangenen Tötungshandlung das „Tückische“ zu nehmen (kritisch zur Privilegierung derartiger Fälle auch Neumann/Saliger in NK-StGB, 5. Aufl., § 211 Rn. 73; Geilen, JR 1980, 309, 312; Langer, JR 1993, 133; Mitsch, JuS 1996, 213, 214).

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Ersichtlich deshalb wird eine heimtückische Ausführung der Tötung auch in anderen Zusammenhängen nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Täter aus menschlich begreiflichen Beweggründen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1952 – 1 StR 296/52, BGHSt 3, 183, 186: Rat- und Ausweglosigkeit sowie wirtschaftliche Erwägungen); die Verwirklichung eines derartigen objektiven Tatbestandsmerkmals wird auch sonst nicht davon abhängig gemacht, ob der Täter zum vermeintlich Besten des zu autonomer Entscheidung fähigen Rechtsgutsträgers oder aus anderen Motiven handelt.

26

b) Hierfür spricht auch, dass es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine mögliche Einschränkung des Merkmals der Heimtücke mangels feindseliger Willensrichtung nicht lediglich auf das tatsächliche Vorhandensein eines altruistischen Motivs ankommt, sondern auch normative Erwägungen eine Rolle spielen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1991 – 3 StR 467/90, aaO). Gerade bei Tötungshandlungen aus vermeintlichem Mitleid hat der Bundesgerichtshof wiederholt darauf hingewiesen, dass sich darin auch Feindseligkeit gegenüber dem Lebensrecht offenbaren kann (vgl. für schwerkranke Opfer BGH, aaO; Urteil vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, aaO), etwa weil es darum geht, die eigenen Vorstellungen über Würde und Wert des Lebens eines anderen Menschen durchzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 5 StR 525/07; aaO, vgl. ferner Neumann/Saliger aaO.

27

Der Senat sieht keinen Grund, bei der Tötung eigener Kinder oder Ehegatten durch einen zu deren Schutz berufenen Garanten andere Maßstäbe gelten zu lassen, als sie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Mitleids-tötung Schwerkranker entwickelt hat (vgl. auch Laufhütte u.a. in LK-StGB, 12. Aufl., § 211 Rn. 122; ähnlich Roxin, NStZ 1992, 35, 36; vgl. auch Schneider, aaO Rn. 201 ff. mwN). Ist das Opfer zu einer autonomen Entscheidung auf absehbare Zeit nicht in der Lage, ist neben der subjektiven Zielsetzung des Täters für einen Ausschluss der feindlichen Willensrichtung deshalb objektiv erforderlich, dass die Tat nach einer anerkennenswerten und nachvollziehbaren Wertung im „wohlverstandenen Interesse“ des Opfers lag (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1991 – 3 StR 467/90, aaO, 377 f.). Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob der Täter aufgrund Vorverschuldens selbst ganz wesentlich für die aus seiner Sicht ausweglose Situation verantwortlich war (vgl. Schneider, aaO Rn. 198).

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c) Einer heimtückischen Tötung kann die feindselige Willensrichtung deshalb grundsätzlich nur dann fehlen, wenn sie dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht. Ansonsten hat ein Schuldspruch wegen Mordes zu erfolgen. Anschließend ist zu prüfen, ob aufgrund ganz besonderer schuldmindernder Gesichtspunkte in Anwendung der Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats (BGHSt 30, 105) ausnahmsweise eine Berücksichtigung des besonderen Tatmotivs auf der Rechtsfolgenseite geboten ist.

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4. Nach diesen Maßstäben und den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Schwurgerichts liegt nahe, dass der Angeklagte seine Ehefrau in feindseliger Willensrichtung und damit heimtückisch getötet hat. Trotz ihrer körperlichen und seelischen Gebrechen war die Getötete nach den Feststellungen des Landgerichts nicht derart beeinträchtigt, dass sie zu einer autonomen Willensbildung und -äußerung nicht mehr in der Lage gewesen wäre. Dass die Tötung – auch in dieser besonders brutalen Form – mit ihrer Einwilligung geschehen wäre, ist ebenfalls nicht festgestellt.

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5. Von einer Entscheidung nach § 354 Abs. 1 StPO sieht der Senat ab, um dem zur Entscheidung berufenen Schwurgericht eine umfassende neue Prüfung unter Berücksichtigung der darlegten Grundsätze zu ermöglichen.

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6. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil diese rechtsfehlerfrei getroffen worden sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Insoweit bleibt die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft erfolglos.

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7. Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten (vgl. § 301 StPO) hat die Überprüfung des Urteils nicht ergeben.

Mutzbauer     

      

König     

      

Berger

      

Mosbacher     

      

Köhler