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Das Verbot der Verschlechterung (§ 331 Abs. 1, § 358 Abs. 2 Satz 1, § 373 Abs. 2 Satz 1 StPO) schließt die erstmalige Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) auf lediglich vom Angeklagten, von seinem gesetzlichen Vertreter oder zu seinen Gunsten von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel oder Wiederaufnahmeanträge auch dann aus, wenn eine selbständige Einziehung nach § 76a StGB möglich wäre.
I.
Das Amtsgericht Hamburg – Jugendschöffengericht – hat den Angeklagten am 24. Juli 2017 wegen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall versucht, zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Nach den amtsgerichtlichen Urteilsfeststellungen zur hier betroffenen vollendeten Betrugstat hatte der Angeklagte am 17. Mai 2017 über eine Online-Verkaufsplattform einen Mercedes Benz zum Kauf angeboten. Er war dabei weder willens noch in der Lage, das Auto zu übergeben. Der durch ihn getäuschte Käufer entrichtete am 23. Mai 2017 den Kaufpreis von 30.000 €. Eine Lieferung des Kraftfahrzeugs erfolgte entsprechend dem Tatplan des Angeklagten nicht.
Maßnahmen der Vermögensabschöpfung gemäß §§ 73 ff. StGB hat das Amtsgericht Hamburg weder angeordnet noch in den Urteilsgründen erörtert. Im Bewährungsbeschluss hat es dem Angeklagten auferlegt, den verursachten Schaden von 30.000 € im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten nach besten Kräften wiedergutzumachen, mindestens aber in monatlichen Raten von 50 €.
Gegen das Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt und diese wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. In der Berufungshauptverhandlung hat die Staatsanwaltschaft erstmals beantragt, die Einziehung des Werts des aus der Tat erlangten Geldbetrages von 30.000 € anzuordnen. Mit Urteil vom 11. Dezember 2017 hat das Landgericht Hamburg – Jugendkammer – die Berufung des Angeklagten verworfen. Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Einziehung des Wertersatzes nach § 73c StGB hat es wegen des Verschlechterungsverbots (§ 331 Abs. 1 StPO) als rechtlich unzulässig angesehen.
Gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Mit der Sachrüge greift sie allein die unterbliebene Wertersatzeinziehung an. Der Generalstaatsanwalt in Hamburg ist der Revision beigetreten.
Das Hanseatische Oberlandesgericht möchte das Urteil des Landgerichts Hamburg aufheben, soweit von der Wertersatzeinziehung abgesehen worden ist. Es sieht sich daran aber durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 6. November 2017 (1 OLG 2 Ss 65/17) gehindert. Darin hat das genannte Oberlandesgericht den Standpunkt eingenommen, dass das Verbot der Schlechterstellung gemäß § 331 Abs. 1 StPO bei alleiniger Berufung des Angeklagten der erstmaligen Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c StGB entgegenstehe.
Das Hanseatische Oberlandesgericht hält die Rechtsansicht des OLG Zweibrücken für unzutreffend. Das Verschlechterungsverbot solle verhindern, dass der Angeklagte von ihm zustehenden Rechtsmitteln deshalb keinen Gebrauch mache, weil er mit Nachteilen durch die Rechtsmitteleinlegung rechnen müsse. Es gehe daher ins Leere, soweit Rechtseinbußen unabhängig von der Rechtsmitteleinlegung drohten. So verhalte es sich bei der Einziehung der Taterträge und des Wertes der Taterträge, soweit diese auch selbständig und nachträglich angeordnet werden müssten. Nach dem seit 1. Juli 2017 geltenden Recht zur Vermögensabschöpfung ordne § 76a Abs. 1 StGB die Wertersatzeinziehung im selbständigen Verfahren auch für den Fall an, dass diese im Erkenntnisverfahren versehentlich unterblieben sei, wobei zudem der Vorrang des subjektiven Verfahrens vor der selbständigen Anordnung im objektiven Verfahren zu beachten sei. Von einem tatrichterlichen Versehen sei hier auszugehen. Die Frage der Wertersatzeinziehung sei im Urteil des Amtsgerichts Hamburg unerörtert geblieben. Gleiches gelte für die Anklage und das Hauptverhandlungsprotokoll. Ferner spreche die Bewährungsauflage zur Wiedergutmachung des Betrugsschadens dafür.
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat daher dem Bundesgerichtshof folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
„Schließt das Verbot der Verschlechterung (§ 331 Abs. 1 StPO) die erstmalige Anordnung einer Einziehung von Taterträgen oder des Wertes von Taterträgen (§§ 73, 73c StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017) durch das Berufungsgericht auf die allein vom Angeklagten geführte Berufung auch dann aus, wenn eine selbständige Anordnung gemäß § 76a StGB möglich ist?“
Der Generalbundesanwalt meint, dass die vorgelegte Rechtsfrage gleichermaßen für die Revision (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) und die Wiederaufnahme (§ 373 Abs. 2 Satz 1 StPO) relevant ist und sämtliche Formen der Einziehung betrifft. Er beantragt, in Erweiterung der Vorlegungsfrage und entgegen der Anschauung des Hanseatischen Oberlandesgerichts wie folgt zu entscheiden:
„Das Verbot der Verschlechterung (§§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 Satz 1, 373 Abs. 2 Satz 1 StPO) schließt die Anordnung der Einziehung (§§ 73 ff., 74 ff. StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017) durch das zuständige Gericht auf lediglich vom Angeklagten, zu seinen Gunsten von der Staatsanwaltschaft oder seines gesetzlichen Vertreters eingelegte Rechtsmittel bzw. Wiederaufnahmeanträge auch dann aus, wenn eine selbständige Einziehung gemäß § 76a StGB möglich ist.“
II.
Die Vorlegungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG sind gegeben.
1. Die Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg kann der Revision der Staatsanwaltschaft nicht wie beabsichtigt stattgeben, ohne von der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Zweibrücken abzuweichen.
2. Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsfrage noch nicht entschieden.
a) Zwar haben der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs und der erkennende Senat die Gültigkeit des Verschlechterungsverbots (nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) auch unter der Geltung des reformierten Rechts der Vermögensabschöpfung zugrunde gelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. März 2018 – 4 StR 57/18 und vom vom 10. April 2018 – 5 StR 101/18). In beiden Fällen hatte das jeweilige Landgericht jedoch ausdrücklich eine Einziehungsentscheidung getroffen. Damit war eine selbständige Einziehung nach § 76a Abs. 1 Satz 3 StGB ausgeschlossen, weil über die Einziehung bereits rechtskräftig entschieden war (vgl. auch BT-Drucks. 18/9525 S. 72). In dieser Fallgestaltung stellt das vorlegende Gericht die Anwendbarkeit des Verschlechterungsverbots nicht in Abrede.
b) Das Urteil des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 15. November 2018 – 3 StR 346/18 betrifft einen Fall, auf den die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung gemäß Art. 316h Satz 2 EGStGB keine Anwendung fanden, weil vor dem 1. Juli 2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen war. Das (zuerst) ergangene und mangels Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft insoweit in Teilrechtskraft erwachsene (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2018 – 3 StR 346/18 Rn. 6 f.) Urteil des Landgerichts vom 24. Mai 2017 hatte es zwar unterlassen, eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aF zu treffen. Eine „Entscheidung über die Anordnung des Verfalls und des Verfalls von Wertersatz“ im Sinne von Art. 316h Satz 2 EGStGB ist aber auch das nicht begründete Unterbleiben der Anordnung einer dieser Maßnahmen in einem tatrichterlichen Urteil (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2018 – 4 StR 568/17, BGHSt 63, 114 Rn. 25). Gleiches muss für (unterbliebene) Feststellungen nach § 111i StPO gelten (§ 14 EGStPO und hierzu BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2017 – 5 StR 216/17; vom 25. Juli 2018 – 2 StR 353/16).
III.
Der Senat vermag der Meinung des Hanseatischen Oberlandesgerichts nicht zu folgen und hat die Vorlegungsfrage wie aus der Beschlussformel ersichtlich beantwortet. Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts hat er dabei, wozu er befugt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1997 – 4 StR 24/97, BGHSt 43, 277, 282; KK-StPO/Hannich, 7. Aufl., § 121 GVG Rn. 46; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 121 GVG Rn. 13, jeweils mwN), die Vorlegungsfrage auf die Revision sowie die Wiederaufnahme des Verfahrens und auf sämtliche Formen der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB erstreckt. Denn die aufgeworfene Rechtsfrage stellt sich dort in gleicher Weise und ist einer divergierenden Beantwortung nicht zugänglich.
1. Der Senat kann offenlassen, ob die versehentliche Nichtentscheidung über die Einziehung mit der Folge des Ausschlusses des selbständigen Verfahrens als rechtskräftige „Entscheidung“ im Sinne von § 76a Abs. 1 Satz 3 letzte Variante StGB anzusehen ist (vgl. – jeweils in anderem Zusammenhang – BGH, Urteil vom 29. März 2018 – 4 StR 568/17, aaO; KK-StPO/Ott, 7. Aufl., § 260 Rn. 17; LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 260 Rn. 34 mwN; siehe auch Ullenboom, wistra 2018, 291, 292). Er lässt ferner dahingestellt, ob aus den im Vorlegungsbeschluss herausgestellten Umständen hinreichend sicher auf ein tatrichterliches Versehen geschlossen werden könnte. Es trifft nämlich bereits der Ausgangspunkt des vorlegenden Gerichts nicht zu, wonach das Verschlechterungsverbot – bei unterstellter Anwendbarkeit des selbständigen Verfahrens – in den hier relevanten Konstellationen faktisch ins Leere gehe, weil dem Angeklagten wegen der obligatorischen Ausgestaltung des § 76a Abs. 1 Satz 1 StGB Rechtseinbußen unabhängig von der Rechtsmitteleinlegung drohten.
Zwar ist die Einziehung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76a StGB im selbständigen Verfahren gleichfalls zwingend anzuordnen. Jedoch überantwortet § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO die Antragstellung dem pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft. Namentlich bei geringem Wert oder übermäßigem Aufwand wird die Staatsanwaltschaft von der Antragstellung absehen (§ 435 Abs. 1 Satz 2 StPO und hierzu Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 435 Rn. 6). Ein weiterer Anwendungsfall kann gegeben sein, wenn die Einziehungsentscheidung wegen desolater Vermögensverhältnisse des Betroffenen offensichtlich und auf Dauer nicht durchsetzbar sein wird. Der Generalbundesanwalt weist darüber hinaus zutreffend darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft in dem der Vorlegung zugrunde liegenden Fall zu erwägen hätte, ob von der Einleitung des selbständigen Einziehungsverfahrens deswegen abzusehen wäre, weil mit einer Rückführung der ertrogenen Gelder im Rahmen der durch die Bewährungsauflage angeordneten Schadenswiedergutmachung gerechnet werden könnte. Unter diesen Vorzeichen kann von einem faktischen Leerlaufen des Verschlechterungsverbots wegen auch sonst sicher zu erwartenden identischen Rechtsnachteils keine Rede sein.
2. Die durch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg vertretene Rechtsauffassung (ebenso KG, Beschluss vom 1. Dezember 2017 – 161 Ss 148/17, BeckRS 2017, 145637; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 331 Rn. 21) ist mit der eindeutigen, einer anderweitigen Beurteilung nicht zugänglichen Gesetzeslage unvereinbar.
a) Das in § 331 Abs. 1, § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO für das Rechtsmittelverfahren und in § 373 Abs. 2 Satz 1 StPO für die Wiederaufnahme normierte Verbot der Verschlechterung gewährleistet, dass der Angeklagte bei seiner Entscheidung, ob er von einem ihm zustehenden Rechtsmittel bzw. einem Wiederaufnahmeantrag Gebrauch machen will, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt wird, es könne ihm durch die Einlegung ein Nachteil erwachsen (vgl. BGH, Urteile vom 7. Januar 1955 – 5 StR 638/54, BGHSt 7, 86, 87; vom 7. Mai 1980 – 2 StR 10/80, BGHSt 29, 269, 270; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 331 Rn. 1 mwN). Es gilt schon nach seinem Wortlaut grundsätzlich für alle Rechtsfolgen und damit auch für Maßnahmen nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB, zu denen die Einziehung zählt. Durchbrochen wird es aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2, § 373 Abs. 2 Satz 2 StPO) nur für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt. Dementsprechend war es für das vormalige Recht von Einziehung und Verfall allgemeine Meinung, dass auf alleiniges Rechtsmittel des Angeklagten, seines gesetzlichen Vertreters oder auf ein zugunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft in diesem Bereich wegen des Verschlechterungsverbots keine Maßnahmen angeordnet werden durften, die sich nachteilig auf die Rechtsposition des Angeklagten auswirkten (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 15. Mai 1990 – 1 StR 182/90; vom 10. November 2009 – 4 StR 443/09, NStZ 2010, 693, 694; vom 17. September 2013 – 5 StR 258/13, NStZ 2014, 32, 33; MüKo-StPO/Quentin, 2016, § 331 Rn. 55 f. mwN).
An diesem Rechtszustand hat sich durch die am 1. Juli 2017 in Kraft getretene Reform der Vermögensabschöpfung nichts geändert. Der Gesetzgeber hat die genannten Vorschriften zum Verschlechterungsverbot unberührt gelassen, obwohl es ihm unschwer möglich gewesen wäre, in Anlehnung an die Regelungen zur Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt Ausnahmebestimmungen für Einziehungsentscheidungen vorzusehen. Damit verbleibt es insoweit bei den gesetzlichen Verboten. Eine gesetzeskorrigierende Auslegung bzw. eine richterliche Rechtsfortbildung in Bezug auf die in diesem Sinne klare Rechtslage würde gegen die Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen (hierzu etwa BVerfGE 65, 182, 190 ff.; 69, 315, 371 f.; 82, 6, 11 ff., jeweils mwN).
b) Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Problematik im Blick gehabt hat (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 57, 72; siehe auch BT-Drucks. 18/11640 S. 83 f.). Er hat sie aber nicht im Wege einer Durchbrechung des Verschlechterungsverbots im Erkenntnisverfahren lösen wollen, sondern – im dort geregelten Umfang – dem selbständigen Einziehungsverfahren nach § 76a StGB, §§ 435 ff. StPO zugewiesen (vgl. BT-Drucks. 18/9525 aaO; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 670 f.). Eine Vermengung der jeweils eigenständigen Regularien folgenden Verfahrensarten wäre augenfällig systemwidrig und würde eine Umgehung der gesetzgeberischen Konzeption bedeuten.
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