BAG 7. Senat, Urteil vom 29.08.2018, 7 AZR 206/17

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 7 AZR 206/17 (BAG)

vom 29. August 2018 (Mittwoch)


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Freigestelltes Betriebsratsmitglied - pauschale Zulage - Begünstigung

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Februar 2017 - 7 Sa 513/16 - teilweise aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 4.902,94 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

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Die Parteien streiten über die Zahlung von Zulagen.

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Der Kläger ist seit dem 11. April 1988 bei der Beklagten, der Betreibergesellschaft des Internationalen Flughafens Frankfurt am Main, beschäftigt. Er ist seit dem Jahr 2002 Mitglied des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats und seit dem 1. Juni 2006 nach § 38 BetrVG von der Arbeitsleistung freigestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Regelungen des TVöD Anwendung.

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Bei der Übernahme des Betriebsratsamts war der Kläger als „Ground Operation Agent“ tätig und wurde nach der Vergütungsgruppe Vb BAT vergütet. Nach der Überleitung in den TVöD für den Dienstleistungsbereich Flughäfen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (nachfolgend TVöD-F) im Jahr 2005 war der Kläger in die Entgeltgruppe E 9 Stufe 4 plus TVöD-F eingruppiert. Zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Freistellung im Jahr 2006 war der Kläger in der Abteilung RP 3 als Ramp-Agent im Schichtdienst tätig und zunächst weiterhin in die Entgeltgruppe E 9 TVöD-F, ab dem 1. Juni 2008 in die Entgeltgruppe E 10 TVöD-F eingruppiert. Die Beklagte zahlte an den Kläger während seiner Freistellung neben der Tabellenvergütung monatlich eine Schichtzulage und eine „pauschal variable Zulage“. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zu entnehmen, dass die „pauschal variable Zulage“ der Abgeltung von Zeitzuschlägen dient, die das Betriebsratsmitglied erhielte, wenn es nicht freigestellt wäre, sondern arbeiten würde.

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Seit dem 1. Juli 2011 ist der Kläger in die Entgeltgruppe E 11 Stufe 5 TVöD-F eingruppiert. Die Höhergruppierung erfolgte, weil der Kläger sich ohne sein Betriebsratsamt beruflich auf eine Stelle als Aufgabenleiter Betrieb und Verfahren im strategischen Geschäftsbereich Bodenverkehrsdienste (BVD) entwickelt hätte, die nach der Entgeltgruppe E 11 TVöD-F zu vergüten ist. Die bei der Beklagten tätigen Aufgabenleiter arbeiten in Gleitzeit und nicht im Schichtdienst.

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Die Höhergruppierung mit Wirkung zum 1. Juli 2011 wurde mit Arbeitsvertrag vom 19. Juni 2012 vertraglich umgesetzt. § 5 des Arbeitsvertrags vom 19. Juni 2012 lautet:

        

„Der Beschäftigte ist nach den tariflichen Bestimmungen mit Wirkung vom 01.07.2011 in die Entgeltgruppe E 11 des TVöD eingruppiert. Er erhält in dieser Entgeltgruppe ein Tabellenentgelt der Stufe 5. Nach den zum 01.07.2011 gültigen Entgelttabellen resultiert hieraus ein Monatsgehalt in Höhe von € 3.976,20 (brutto) ohne Zulagen. Gleichzeitig erhält der Beschäftigte eine pauschal variable Zulage in Höhe von € 395,89 (brutto) und eine Schichtzulage in Höhe von € 124,55 (brutto) monatlich.“

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Bis einschließlich Oktober 2014 zahlte die Beklagte monatlich die pauschal variable Zulage iHv. zuletzt 411,90 Euro brutto und die Schichtzulage iHv. 124,55 Euro brutto an den Kläger aus. Ab dem 1. November 2014 stellte die Beklagte die Zahlung beider Zulagen ein, was sie mit Schreiben vom 12. November 2014 damit begründete, in der Funktion der Aufgabenleiter fielen weder Zeitzuschläge noch die Schichtzulage an, weshalb deren Zahlung eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung des Klägers wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstelle.

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Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zuletzt die Zahlung der Schichtzulage und der pauschal variablen Zulage für die Zeit von November 2014 bis zum 29. Oktober 2015 geltend gemacht. Die Beschränkung auf einen Teil des Monats Oktober 2015 beruht darauf, dass nach dem 29. Oktober 2015 keine Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung mehr bestand.

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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe aufgrund der Vereinbarung in § 5 des Arbeitsvertrags vom 19. Juni 2012 einen Anspruch auf die Zahlung der Zulagen. Von dieser vertraglichen Vereinbarung könne sich die Beklagte allenfalls durch Ausspruch einer - nicht vorliegenden - Änderungskündigung lösen. Die Zuschläge seien weiterzuzahlen, weil er bis zu seiner Freistellung im Schichtdienst gearbeitet habe. Er werde daher durch die Zahlung der Zulagen nicht nach § 78 Satz 2 BetrVG als Betriebsratsmitglied in unzulässiger Weise begünstigt.

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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.329,89 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 536,45 Euro ab dem 1. Dezember 2014, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober 2015 sowie aus 501,84 Euro ab dem 1. November 2015 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage, mit der der Kläger mit einem Hauptantrag noch die Höhergruppierung in die Entgeltgruppe E 12 Stufe 6 TVöD-F ab dem 1. Oktober 2014 und hilfsweise die Verurteilung zur Zahlung der beiden Zulagen iHv. 7.121,43 Euro brutto nebst Zinsen geltend gemacht hatte, abgewiesen. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt, soweit der hilfsweise gestellte Zahlungsantrag abgewiesen wurde. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der beiden Zulagen iHv. 5.329,89 Euro brutto nebst Zinsen begehrt. In der Berufungsverhandlung hat der Klägervertreter erklärt, er stelle „nochmals ausdrücklich klar, auch soweit erstinstanzlich ein höherer Zahlungsbetrag verfolgt wurde, so ist dieser von der Antragsrücknahme und der Klagerücknahme erfasst“. Der Beklagtenvertreter stimmte „der Berufungsrücknahme und der Klagerücknahme für die Beklagte zu“. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert, die Beklagte zur Zahlung der pauschal variablen Zulage iHv. monatlich 411,90 Euro brutto für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 29. Oktober 2015, somit zu einem Gesamtbetrag von 4.902,94 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Mit seiner Anschlussrevision begehrt er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Schichtzulage iHv. 124,55 Euro für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 30. September 2015, insgesamt damit von 1.370,05 Euro brutto nebst Zinsen. Die Beklagte beantragt, die Anschlussrevision des Klägers zurückzuweisen.

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Die Revision und die Anschlussrevision sind zulässig. Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, soweit das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben hat. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.

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A. Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers sind zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Anschlussrevision nicht teilweise - in Höhe eines Betrags von 943,13 Euro - wegen fehlender Beschwer unzulässig.

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I. Das Rechtsmittel der Revision ist nur zulässig, wenn der Rechtsmittelkläger mit ihr die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Ein Rechtsmittel ist unzulässig, wenn es den in der Vorinstanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also - im Falle einer vorinstanzlichen Klageabweisung - deren Richtigkeit gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein; vielmehr setzt ein derartiges Prozessziel ein zulässiges Rechtsmittel voraus (vgl. BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 12, BAGE 121, 18; BGH 16. September 2008 - IX ZR 172/07 - Rn. 5).

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II. Vorliegend wendet sich der Kläger mit der Anschlussrevision gegen das angefochtene Urteil, soweit seine Klage iHv. 426,95 Euro brutto nebst Zinsen vom Landesarbeitsgericht abgewiesen wurde. In der Berufungsinstanz hatte der Kläger einen Gesamtbetrag von 5.329,89 Euro brutto nebst Zinsen geltend gemacht. Unter Berücksichtigung des ihm vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrags iHv. 4.902,94 Euro brutto wurde die Klage in Höhe eines Betrags von 426,95 Euro brutto abgewiesen. Insoweit verfolgt der Kläger den Zahlungsanspruch mit seiner Anschlussrevision weiter. Zusätzlich begehrt er mit der Anschlussrevision die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 943,10 Euro. In diesem Umfang hat er die Klage erweitert. Greift der Rechtsmittelführer das Berufungsurteil - wie vorliegend der Kläger - zumindest teilweise an und erweitert er seine Klage in der Revisionsinstanz um einen zusätzlichen Antrag, ist das Rechtsmittel nicht mangels Beschwer unzulässig. Eine Klageerweiterung in der Revision ist zwar in der Regel ausgeschlossen, sie kann aber in Ausnahmefällen zulässig sein (vgl. etwa BAG 22. Oktober 2014 - 5 AZR 731/12 - Rn. 36, BAGE 149, 343; 28. Mai 2014 - 5 AZR 794/12 - Rn. 14; 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 18).

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B. Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.

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I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nicht bereits deshalb aufzuheben, weil die Klage unzulässig ist.

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1. Allerdings war die Zahlungsklage, soweit sie in der Berufungsinstanz anhängig war, nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und deshalb unzulässig.

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a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten.

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aa) Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO in einer Klage verfolgten Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt. Werden im Wege einer „Teil-Gesamt-Klage“ mehrere Ansprüche nicht in voller Höhe, sondern teilweise verfolgt, muss die Klagepartei genau angeben, in welcher Höhe sie aus den einzelnen Ansprüchen Teilbeträge einklagt (BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 416/14 - Rn. 12, BAGE 152, 108; 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 18, BAGE 149, 169; 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11).

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bb) Der Kläger muss die begehrte Rechtsfolge aus einem konkreten Lebensvorgang ableiten. Vorzutragen sind die Tatsachen, die den Streit unverwechselbar festlegen. Der zugrunde liegende Sachverhalt darf nicht beliebig sein (vgl. BAG 9. Oktober 2002 - 5 AZR 160/01 - zu I der Gründe). Richtet sich eine Leistungsklage auf die Zahlung von Vergütung, welche üblicherweise nach Zeitabschnitten bemessen ist (vgl. § 614 BGB), gehört zur erforderlichen Bezeichnung des Streitgegenstands regelmäßig die Angabe, für welche Zeitabschnitte Vergütung in welcher bestimmten Höhe verlangt wird. Nur durch diese Angaben zum Lebenssachverhalt (Klagegrund) kann sichergestellt werden, dass das Gericht entsprechend § 308 Abs. 1 ZPO der klagenden Partei nicht etwas anderes zuspricht als von ihr beantragt wird (BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 416/14 - Rn. 13, BAGE 152, 108).

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b) Diesen Anforderungen wurde der im Berufungsrechtszug zuletzt gestellte Klageantrag nicht gerecht. Der Kläger hat in zweiter Instanz Zahlung iHv. insgesamt 5.329,89 Euro brutto verlangt und damit im Wege einer objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) mehrere in einer Gesamtklage verbundene monatliche Vergütungsansprüche geltend gemacht. Nach der Klagebegründung hat der Kläger die beiden Zulagen iHv. monatlich insgesamt 536,45 Euro brutto (pauschal variable Zulage iHv. 411,90 Euro brutto und die Schichtzulage iHv. 124,55 Euro brutto) für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 30. September 2015 und für den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 29. Oktober 2015 anteilig iHv. 501,84 Euro verlangt. Das ergibt eine Gesamtforderung iHv. 6.402,79 Euro. Eingeklagt hatte der Kläger im Berufungsverfahren allerdings nur 5.329,89 Euro brutto. Es handelte sich folglich um eine Teilklage, ohne dass dem Vortrag des Klägers entnommen werden konnte, wie sich der eingeklagte Betrag auf die beiden Zulagen und den geltend gemachten Zeitraum verteilen sollte. Der Umfang der Rechtskraft sowohl eines der Klage stattgebenden als auch eines sie abweisenden Urteils war damit nicht bestimmbar.

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2. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist allerdings nicht wegen dieses Rechtsfehlers aufzuheben, da der Streitgegenstand aufgrund der mit der Anschlussrevision vorgenommenen - ausnahmsweise zulässigen - Erweiterung der Klage mittlerweile hinreichend bestimmt und die Zahlungsklage daher im Revisionsverfahren zulässig geworden ist.

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a) In der Revisionsinstanz ist Gegenstand der Zahlungsklage zum einen die dem Kläger vom Landesarbeitsgericht zuerkannte pauschal variable Zulage iHv. jeweils 411,90 Euro brutto monatlich für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. September 2015 und anteilig für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis zum 29. Oktober 2015 iHv. 372,04 Euro, insgesamt also iHv. 4.902,94 Euro. Zudem verlangt der Kläger mit der Anschlussrevision die Schichtzulage iHv. 124,55 Euro monatlich für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. September 2015, insgesamt also iHv. 1.370,05 Euro brutto. Die Gesamtforderung beläuft sich in der Revisionsinstanz somit auf 6.272,99 Euro brutto nebst Zinsen. Die Klage genügt damit inzwischen dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da keine Zweifel mehr bestehen, für welche Zeitabschnitte welche Zulage in welcher Höhe verlangt wird.

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b) Der zuletzt gestellte Zahlungsantrag ist der Beurteilung des Senats nicht deshalb teilweise entzogen, weil der Kläger mit der Anschlussrevision die Klage um einen Betrag iHv. 943,10 Euro brutto nebst Zinsen erweitert hat. Die Klageerweiterung ist ausnahmsweise noch in der Revisionsinstanz zulässig.

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aa) Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist eine Klageänderung in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch hinsichtlich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO sowie dann zugelassen, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden (vgl. etwa BAG 22. Oktober 2014 - 5 AZR 731/12 - Rn. 36, BAGE 149, 343; 28. Mai 2014 - 5 AZR 794/12 - Rn. 14; 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 18). Zudem erfordert ein neuer Klageantrag in der Revisionsinstanz, dass der Kläger Rechtsmittelführer ist. Andernfalls kommt eine Ausnahme von § 559 Abs. 1 ZPO - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen - nicht in Betracht (BAG 28. Mai 2014 - 5 AZR 794/12 - Rn. 12).

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bb) Die durch den Kläger als Rechtsmittelführer mit der Anschlussrevision vorgenommene Klageerweiterung ist danach ausnahmsweise zulässig. Die Klageerweiterung stützt sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt und das rechtliche Prüfprogramm ändert sich nicht. Auch werden Verfahrensrechte der Beklagten nicht beeinträchtigt. Der Kläger verlangt mit seiner Klageerweiterung die Zahlung der bereits in der Berufung anhängigen pauschal variablen Zulage und der Schichtzulage für einen Zeitraum, der bereits im Berufungsverfahren Gegenstand des Rechtsstreits war. Es war lediglich eine unzureichende - die mangelnde Bestimmtheit nach sich ziehende - Berechnung der Klageforderung erfolgt, die vom Kläger in der Revisionsinstanz im Rahmen der Anschlussrevision berichtigt wurde.

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c) Der Zulässigkeit der Klageerweiterung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger erstinstanzlich mit seinem hilfsweise gestellten Zahlungsantrag einen Gesamtbetrag iHv. 7.121,43 Euro brutto geltend gemacht hatte, das Arbeitsgericht die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen hatte und der Kläger im Berufungsrechtszug zuletzt nur noch einen Betrag von insgesamt 5.329,89 Euro brutto weiterverfolgt hat. Damit wurde die über 5.329,89 Euro brutto hinausgehende Klage vom Arbeitsgericht nicht rechtskräftig abgewiesen, was der späteren Klageerweiterung entgegenstünde. Vielmehr sind die Erklärungen des Klägers in der Berufungsschrift und in der Berufungsverhandlung so zu verstehen, dass er hinsichtlich der Abweisung der Zahlungsklage zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt und hinsichtlich des über 5.329,89 Euro brutto hinausgehenden Betrags die Klage später - mit Zustimmung der Beklagten - zurückgenommen hat.

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II. Die Revision der Beklagten ist begründet, weil mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung die Beklagte nicht verurteilt werden kann, an den Kläger nach § 37 Abs. 2 BetrVG iVm. § 611 BGB und § 5 des Arbeitsvertrags vom 19. Juni 2012 die pauschal variable Zulage iHv. 411,90 Euro brutto monatlich für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 29. Oktober 2015 zu zahlen.

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1. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

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a) § 37 Abs. 2 BetrVG begründet keinen eigenständigen Vergütungsanspruch, sondern sichert den Entgeltanspruch des Betriebsratsmitglieds, indem er dem Arbeitgeber den Einwand des nicht erfüllten Vertrags nimmt (BAG 29. April 2015 - 7 AZR 123/13 - Rn. 13; 8. September 2010 - 7 AZR 513/09 - Rn. 18). Die Vorschrift gilt für alle Betriebsratsmitglieder unabhängig von einer etwaigen Freistellung nach § 38 BetrVG (BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 22/12 - Rn. 19). Das Verbot der Minderung des Arbeitsentgelts bedeutet, dass dem Betriebsratsmitglied das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen ist, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte (vgl. BAG 18. Mai 2016 - 7 AZR 401/14 - Rn. 14; 29. April 2015 - 7 AZR 123/13 - Rn. 13; 28. Juni 1995 - 7 AZR 1001/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 80, 230). Das Arbeitsentgelt ist nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen (BAG 23. Juni 2004 - 7 AZR 514/03 - zu 1 a der Gründe; 16. August 1995 - 7 AZR 103/95 - zu 1 a der Gründe). Zum Arbeitsentgelt iSv. § 37 Abs. 2 BetrVG gehören alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen Aufwendungsersatz (BAG 23. Juni 2004 - 7 AZR 514/03 - zu 1 a der Gründe; 5. April 2000 - 7 AZR 213/99 - zu 1 der Gründe; 16. August 1995 - 7 AZR 103/95 - zu 1 der Gründe). Zu dem Arbeitsentgelt zählen neben der Grundvergütung insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit (BAG 18. Mai 2016 - 7 AZR 401/14 - Rn. 15; 23. Juni 2004 - 7 AZR 514/03 - zu 1 a der Gründe; 5. April 2000 - 7 AZR 213/99 - zu 1 der Gründe; 16. August 1995 - 7 AZR 103/95 - zu 1 der Gründe).

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b) Allerdings untersagt § 78 Satz 2 BetrVG die Gewährung von Vergütungsbestandteilen, die das Betriebsratsmitglied nicht erhalten hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit erbracht, sondern gearbeitet hätte.

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aa) Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Die Regelung dient - ebenso wie das Ehrenamtsprinzip (§ 37 Abs. 1 BetrVG) - der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder (BAG 21. März 2018 - 7 AZR 590/16 - Rn. 15; 18. Mai 2016 - 7 AZR 401/14 - Rn. 21 mwN; 20. Januar 2010 - 7 ABR 68/08 - Rn. 10; 12. Februar 1975 - 5 AZR 79/74 - zu III 1 der Gründe). Eine Begünstigungsabsicht ist nicht erforderlich. Für eine Begünstigung iSd. Vorschrift genügt die objektive Besserstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern (vgl. BAG 16. Februar 2005 - 7 AZR 95/04 - zu I 1 der Gründe). Eine nach § 78 Satz 2 BetrVG untersagte Begünstigung ist jede Besserstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht (vgl. BAG 21. März 2018 - 7 AZR 590/16 - Rn. 16; zur Benachteiligung etwa BAG 20. Januar 2010 - 7 ABR 68/08 - Rn. 11).

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bb) Das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG lässt es regelmäßig nicht zu, dem Mandatsträger wegen seiner Amtsstellung eine während der Mandatstätigkeit weiterzuzahlende Vergütung zuzusagen, die über das nach § 37 Abs. 2 bis Abs. 4 BetrVG geregelte gesetzliche Maß hinausgeht. Betriebsratsmitglieder erhielten andernfalls einen Sondervorteil gegenüber anderen Arbeitnehmern, die keine Verdiensterhöhung erlangen können (vgl. etwa zu einer pauschalen Stundenvergütung zur Abgeltung von Betriebsratstätigkeit BAG 8. November 2017 - 5 AZR 11/17 - Rn. 31; 16. Februar 2005 - 7 AZR 95/04 - zu I 1 der Gründe). Arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die gegen das Begünstigungs- oder Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 134 BGB nichtig (BAG 21. März 2018 - 7 AZR 590/16 - Rn. 16; 8. November 2017 - 5 AZR 11/17 - Rn. 31; 20. Januar 2010 - 7 ABR 68/08 - Rn. 10; 16. Februar 2005 - 7 AZR 95/04 - zu I 1 der Gründe).

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2. Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht mit einer rechtsfehlerhaften Begründung angenommen, der Kläger habe nach § 37 Abs. 2 BetrVG iVm. § 611 BGB für die Zeit seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied vom 1. November 2014 bis zum 29. Oktober 2015 Anspruch auf die pauschal variable Zulage iHv. 411,90 Euro brutto monatlich.

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a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die vertragliche Vereinbarung über die Zahlung der pauschal variablen Zulage in § 5 des Vertrags vom 19. Juni 2012 sei nicht nach § 78 Satz 2 BetrVG iVm. § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Begünstigungsverbot nichtig. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger durch die Zahlung dieser Zulage wegen seines Betriebsratsamts begünstigt werde. Die Zulage diene dazu, Mehr-, Nacht-, Samstags- und Sonntagsarbeit typisierend pauschal abzugelten. Eine solche Pauschale könne gezahlt werden, wenn sie effektiv entstandene Aufwendungen oder Mehrarbeit realitätsgerecht typisiere und ausgleiche, also „Realitätsbezug“ habe. Das sei der Fall. Der Kläger sei zum 1. Juli 2011 in die Entgeltgruppe E 11 Stufe 5 TVöD-F höhergruppiert worden, weil er sich ohne Betriebsratsamt auf eine Stelle als Aufgabenleiter Betrieb und Verfahren weiterentwickelt hätte. In dieser Funktion seien Tätigkeiten, die die Zahlung derartiger Zulagen begründen könnten, nicht ausgeschlossen. Die Parteien hätten in der Berufungsverhandlung klargestellt, dass zahlungspflichtige Tätigkeiten, wenn auch außerplanmäßig, auch bei Aufgabenleitern anfallen könnten. Soweit die Beklagte einwende, dass dies eher selten der Fall sei, habe sie versäumt, dies näher darzulegen. Eine übermäßige Zulagengewährung sei daher nicht erkennbar.

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b) Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern.

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aa) Das Landesarbeitsgericht hat für die Beurteilung der Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarung der pauschal variablen Zulage nach § 78 Satz 2 BetrVG iVm. § 134 BGB im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgestellt, ob die Zulage Bestandteil der nach § 37 Abs. 2 BetrVG an den Kläger während seiner Betriebsratstätigkeit weiterzuzahlenden Vergütung gewesen wäre. Dafür ist entscheidend, ob der Kläger - hätte er im streitigen Zeitraum keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet - Zeitzuschläge in einer der pauschal variablen Zulage entsprechenden Höhe verdient hätte. Dabei ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass zu dem nach § 37 Abs. 2 BetrVG fortzuzahlenden Arbeitsentgelt des Klägers grundsätzlich auch Zuschläge zählen, die für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten gewährt werden.

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bb) Im Grundsatz zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter angenommen, dass auch die Zusage eines pauschalierten Monatsbetrags für die Fortzahlung von Zeit- oder Erschwerniszuschlägen an ein freigestelltes Betriebsratsmitglied zulässig sein kann. Werden im vollzogenen Arbeitsverhältnis Zuschläge für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten gewährt, etwa für Sonntagsarbeit, Nachtarbeit, Arbeit an Feiertagen oä., die nach § 37 Abs. 2 BetrVG zum fortzuzahlenden Entgelt zählen, stehen diese einem nach § 38 BetrVG vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied auch dann zu, wenn es aufgrund seiner Amtstätigkeit tatsächlich überhaupt keine Arbeitstätigkeiten und auch keine Tätigkeiten zu den zuschlagsrelevanten ungünstigen Zeiten geleistet hat (vgl. BAG 13. Juli 1994 - 7 AZR 477/93 - zu 1 c der Gründe, BAGE 77, 195). Da die Zuschläge in diesem Fall hypothetisch zu berechnen sind und bei einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied zur Ermittlung der hypothetischen Zuschlagshöhe ggf. eine Schätzung nach den Grundsätzen des § 287 Abs. 2 ZPO anhand der von vergleichbaren Arbeitnehmern geleisteten Tätigkeiten zu zuschlagsrelevanten Zeiten vorzunehmen ist (vgl. BAG 29. April 2015 - 7 AZR 123/13 - Rn. 14, 23), kann auch die Festlegung eines pauschalen Monatsbetrags im Einklang mit § 37 Abs. 2 und § 78 Satz 2 BetrVG stehen, sofern die Pauschale im Wesentlichen dem Durchschnitt der tatsächlichen hypothetischen Zuschlagsansprüche entspricht, sich in der pauschalen Zahlung also keine versteckte zusätzliche Vergütung verbirgt (vgl. etwa zu einer pauschalen Stundenvergütung zur Abgeltung von Betriebsratstätigkeiten BAG 8. November 2017 - 5 AZR 11/17 - Rn. 31; zur Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung BAG 5. April 2000 - 7 AZR 213/99 - zu 1 der Gründe; Fitting 29. Aufl. § 37 Rn. 10 mwN). Der pauschalierte Betrag muss sich zur Vermeidung einer unzulässigen Begünstigung an dem Umfang der üblicherweise erbrachten zuschlagspflichtigen Tätigkeiten orientieren und darf lediglich einer rechnerischen Erleichterung dienen (vgl. Thüsing in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 37 Rn. 35).

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cc) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Landesarbeitsgericht für die Beurteilung, ob und in welcher Höhe dem Kläger nach § 37 Abs. 2 BetrVG Zuschläge für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten zu zahlen gewesen wären, nicht auf die von ihm bis zur Freistellung im Schichtdienst erbrachte Tätigkeit, sondern auf die Position als Aufgabenleiter, auf die sich der Kläger während der Zeit seiner Freistellung nach § 37 Abs. 4 BetrVG entwickelt hätte, abgestellt hat. Zwar betrifft die Vorschrift des § 37 Abs. 4 BetrVG einen anderen Sachverhalt als § 37 Abs. 2 BetrVG. Während § 37 Abs. 2 BetrVG die Fortzahlung des - vereinbarten - Arbeitsentgelts für die Dauer der Arbeitsbefreiung zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben regelt, gewährt § 37 Abs. 4 BetrVG einem Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Erhöhung seines Entgelts in dem Umfang, in dem das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung steigt (vgl. BAG 29. April 2015 - 7 AZR 123/13 - Rn. 17). Daraus folgt aber nicht, dass bei der Ermittlung des nach dem Lohnausfallprinzip des § 37 Abs. 2 BetrVG geschuldeten Vergütungsbetrags die während der Mandatstätigkeit genommene betriebsübliche berufliche Entwicklung außer Betracht zu bleiben hat. Ist während der Dauer der Freistellung ein betriebsüblicher beruflicher Aufstieg des Betriebsratsmitglieds eingetreten, ist für die Höhe der nach dem Lohnausfallprinzip gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG zu zahlenden Vergütung darauf abzustellen, welche Vergütung das Betriebsratsmitglied mit der Tätigkeit erzielt hätte, in die es zwischenzeitlich aufgestiegen ist. Das gilt auch für etwaige Erschwernis- oder Zeitzuschläge. Daher kommt es vorliegend darauf an, ob der Kläger als Aufgabenleiter Betrieb und Verfahren im strategischen Geschäftsbereich Bodenverkehrsdienste Zuschläge für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten in einer Höhe verdient hätte, die der pauschal variablen Zulage entspricht. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erfolgte die zwischen den Parteien zum 1. Juli 2011 vorgenommene und vereinbarte Höhergruppierung in die Entgeltgruppe E 11 Stufe 5 TVöD-F (VKA), weil der Kläger sich ohne sein Betriebsratsamt beruflich auf eine Stelle als Aufgabenleiter Betrieb und Verfahren im strategischen Geschäftsbereich Bodenverkehrsdienste entwickelt hätte. Dies war Grundlage für die Vergütungsvereinbarung in § 5 des Arbeitsvertrags vom 19. Juni 2012.

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dd) Das Landesarbeitsgericht ist allerdings mit einer rechtsfehlerhaften Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger - hätte er im Streitzeitraum als Aufgabenleiter gearbeitet - Zuschläge für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten in einer der vereinbarten pauschal variablen Zulage entsprechenden Höhe verdient hätte.

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(1) Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Würdigung, eine übermäßige Zulagengewährung sei aus dem Sachvortrag der Parteien nicht ersichtlich, deren Vorbringen zu den Grundlagen der vertraglich vereinbarten pauschal variablen Zulage nicht hinreichend beachtet. Der Kläger hatte hierzu vorgetragen, die Vereinbarung der pauschal variablen Zulage habe insbesondere darauf beruht, dass er vor seiner Freistellung im Schichtdienst regelmäßig Zuschläge nach § 8 TVöD für Sonntagsarbeit, Nachtarbeit, Arbeit an Wochenfeiertagen, Wochenfeiertagsausgleich, Arbeit an Vorfesttagen sowie den sog. So-Fe-Na-Zuschlag erhalten habe; die pauschal variable Zulage basiere darauf, dass er nach seiner Freistellung keine Arbeit mehr zu ungünstigen Zeiten auszuführen gehabt habe, weshalb die Zuschläge auf Basis eines fiktiven Schichtplans ermittelt und pauschaliert worden seien. Die Beklagte ist diesem Vorbringen nicht entgegengetreten. Hätte das Landesarbeitsgericht diese Ausführungen berücksichtigt, hätte es bei seiner Entscheidung würdigen müssen, dass sich die pauschal variable Zulage der Höhe nach nicht an dem Umfang der üblicherweise von Aufgabenleitern erbrachten zuschlagspflichtigen Tätigkeiten orientiert, da Aufgabenleiter nach den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nur außerplanmäßig Tätigkeiten zu ungünstigen Zeiten erbringen und keine regelmäßige Schichttätigkeit leisten.

43

(2) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, indem es den Sachvortrag der Beklagten, Aufgabenleiter übten allenfalls in geringem Umfang zuschlagspflichtige Tätigkeiten aus, ohne rechtlichen Hinweis für unzureichend gehalten und angenommen hat, die Beklagte sei insoweit ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Die auf eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 139 Abs. 3 ZPO) gestützte Verfahrensrüge der Beklagten ist begründet.

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(a) Das Landesarbeitsgericht ist zwar von einer zutreffenden Darlegungslastverteilung ausgegangen. Besteht zwischen einem Betriebsratsmitglied und dem Arbeitgeber Streit darüber, ob eine Vergütungsvereinbarung, auf die das Betriebsratsmitglied eine Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers stützt, wegen eines Verstoßes gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG nach § 134 BGB nichtig ist, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unzulässigen Begünstigung. Das entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach derjenige, der eine Verbotsverletzung geltend macht, dafür die Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. etwa BAG 25. Juni 2014 - 7 AZR 847/12 - Rn. 35 f., BAGE 148, 299; Kreutz GK-BetrVG 11. Aufl. § 78 Rn. 100).

45

(b) Die von der Beklagten erhobene Rüge der Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 Abs. 3 ZPO im Zusammenhang mit der Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte sei ihrer Darlegungslast hinsichtlich des geringen Ausmaßes von zuschlagspflichtiger Mehrarbeit bzw. Samstags- und Sonntagsarbeit bei Aufgabenleitern nicht nachgekommen, ist jedoch begründet.

46

(aa) Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO müssen Verfahrensrügen die genaue Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützen will. Dazu muss auch die Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils dargelegt werden (BAG 20. April 2016 - 10 AZR 111/15 - Rn. 14, BAGE 155, 44; 17. Februar 2016 - 10 AZR 600/14 - Rn. 11). Wird eine Verletzung der dem Landesarbeitsgericht obliegenden Hinweispflicht nach § 139 Abs. 3 ZPO gerügt, muss im Einzelnen vorgetragen werden, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht dem Revisionskläger aufgrund welcher Tatsachen hätte erteilen müssen und was dieser auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte (BAG 20. April 2016 - 10 AZR 111/15 - Rn. 14, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10; 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 13, BAGE 128, 13). Der unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt und über die Rüge aus § 139 ZPO schlüssig gemacht werden. Nur so kann das Revisionsgericht beurteilen, ob die angefochtene Entscheidung auf dem unterlassenen Hinweis beruht (BAG 19. Oktober 2010 - 6 AZR 120/10 - Rn. 24).

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(bb) Diesen Anforderungen genügt die Verfahrensrüge der Beklagten. Die Beklagte macht zu Recht geltend, das Landesarbeitsgericht hätte sie nach § 139 Abs. 3 ZPO darauf hinweisen müssen, dass es weiteren Sachvortrag zu dem Umfang der von den Aufgabenleitern tatsächlich geleisteten zuschlagspflichtigen Tätigkeiten für erforderlich halte und der bisherige Vortrag insoweit nicht hinreichend konkretisiert sei. Nach dem Prozessverlauf konnte die Beklagte ohne gerichtlichen Hinweis nicht erkennen, dass ihr Sachvortrag zu der von ihr behaupteten unzulässigen Begünstigung des Klägers wegen der Zusage der pauschal variablen Zulage deshalb nicht ausreichend war, weil sie keinen hinreichenden Vortrag zu tatsächlich von den Aufgabenleitern erbrachten zuschlagspflichtigen Tätigkeiten gehalten hatte. Dies gilt bereits deshalb, weil sich erstmals in der Berufungsverhandlung ergeben hatte, dass auch Aufgabenleiter überhaupt - aber eben nur außerplanmäßig und gerade nicht regelmäßig - Tätigkeiten zu zuschlagspflichtigen Zeiten ausüben. Zudem wurde nach dem Vortrag der Parteien die Höhe der pauschal variablen Zulage auf der Basis eines fiktiven Schichtplans ermittelt und pauschaliert, während Schichtarbeit bei Aufgabenleitern nicht anfällt.

48

Die Beklagte hat auch dargelegt, welchen Vortrag sie auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis gehalten hätte. Danach hätte sie vorgetragen, dass Aufgabenleiter innerhalb eines Gleitzeitrahmens von 06:00 Uhr bis 20:00 Uhr arbeiten und der im Bereich des Klägers (Abteilung BVD-RP 3) eingesetzte Aufgabenleiter Betrieb und Verfahren S im gesamten Jahr 2014 Zulagen für 0,25 Stunden Nachtarbeit, für 6,65 Stunden Samstagsarbeit und für 13,97 Stunden Sonntagsarbeit sowie im gesamten Jahr 2015 für 0,25 Stunden Nachtarbeit erhalten habe, also in diesen zwei Jahren insgesamt Zulagen iHv. 149,65 Euro. Die dem übergeordneten Hauptstellenbereich BVD-RL zugeordneten beiden Aufgabenleiter hätten Nacht-, Samstags- und Sonntagsarbeit sowie Überstunden nur deshalb abgeleistet, weil sie an einem freiwilligen Winterdienst teilgenommen und dafür in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt 1.398,01 Euro bzw. 1.090,25 Euro an Zuschlagszahlungen erhalten hätten. Aus diesem Sachvortrag ergibt sich ein eher geringfügiges Ausmaß von zuschlagspflichtigen Tätigkeiten der Aufgabenleiter. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht bei Beachtung seiner Hinweispflicht und Berücksichtigung des dann ggf. erfolgten Vortrags der Beklagten möglicherweise anders entschieden hätte (vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 51 mwN).

49

3. Die angefochtene Entscheidung ist daher hinsichtlich der dem Kläger vom Landesarbeitsgericht zuerkannten pauschal variablen Zulage iHv. 4.902,94 Euro brutto nebst Zinsen aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger die pauschal variable Zulage zusteht. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen zu den Berechnungsgrundlagen dieser Zulage und dazu, in welchem Umfang der Kläger im Rahmen einer Tätigkeit als Aufgabenleiter entsprechende Zuschläge hätte verdienen können. Diese Feststellungen wird das Landesarbeitsgericht nach der Zurückverweisung zu treffen und bei seiner neuen Entscheidung zu berücksichtigen haben.

50

III. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der begehrten Schichtzulage iHv. 124,55 Euro brutto monatlich für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. September 2015 zu Recht abgewiesen. Die Klage ist insoweit unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die vertragliche Vereinbarung der Schichtzulage iHv. 124,55 Euro brutto monatlich in § 5 des Arbeitsvertrags vom 19. Juni 2012 gegen das Begünstigungsverbot nach § 78 Satz 2 BetrVG verstößt und damit nach § 134 BGB nichtig ist.

51

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind Aufgabenleiter Betrieb und Verfahren nicht im Schichtdienst, sondern in Gleitzeit tätig. Der Kläger hätte daher nicht im Schichtdienst gearbeitet, wenn er nicht als Betriebsratsmitglied freigestellt gewesen wäre, sondern als Aufgabenleiter tätig gewesen wäre. Die wegen seiner Freistellung und damit aufgrund seines Betriebsratsamts pauschal vereinbarte Schichtzulage ist daher ein Vergütungsbestandteil, der dem Kläger nach dem Lohnausfallprinzip des § 37 Abs. 2 BetrVG nicht zusteht, weil er bei der Wahrnehmung der Position eines Aufgabenleiters keine Schichttätigkeit auszuüben hätte. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, die Beklage habe eingeräumt, sie habe bei der letzten Höhergruppierung übersehen, dass die mit dem Kläger in der neuen Vergütungsgruppe vergleichbaren Arbeitnehmer keine Schichtarbeit mehr leisteten. Für eine Begünstigung iSd. § 78 Satz 2 BetrVG genügt die objektive Besserstellung des Betriebsratsmitglieds gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern. Eine Begünstigungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl. BAG 16. Februar 2005 - 7 AZR 95/04 - zu I 1 der Gründe).

        

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