BAG 7. Senat, Urteil vom 20.03.2019, 7 AZR 237/17

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 7 AZR 237/17 (BAG)

vom 20. März 2019 (Mittwoch)


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Nichtverlängerungsmitteilung - Altersdiskriminierung

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 1. Dezember 2016 - 7 Sa 179/16 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung.

2

Die 1977 geborene Aufhebungsbeklagte (nachfolgend Beklagte) ist seit dem 17. August 2004 bei dem von der Aufhebungsklägerin (nachfolgend Klägerin) betriebenen Staatsballett B als Gruppentänzerin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise:

        

§ 2   

        

Das Arbeitsverhältnis wird für die Spielzeit 2004/2005 begründet.

        

Es beginnt am

17.08.2004

und endet am

31.07.2005.

        

Das Arbeitsverhältnis verlängert sich zu den gleichen Bedingungen um ein Jahr (Spielzeit), wenn nicht eine Nichtverlängerungsmitteilung entsprechend § 96 NV Bühne (Nichtverlängerungsmitteilung - Tanz) ausgesprochen wurde.

        

...     

        

§ 6     

        

Im übrigen bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Normalvertrag Bühne in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen.

        

...     

        

§ 8     

        

Für alle Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 2 Arbeitsgerichtsgesetz zwischen den Arbeitsvertragsparteien sind unter Ausschluss der Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließlich die zwischen den Tarifvertragsparteien des NV Bühne vereinbarten Schiedsgerichte zuständig. Gehört das Tanzgruppenmitglied bei Vertragsabschluss und bei Klageerhebung keiner auf Arbeitnehmerseite beteiligten Tarifvertragspartei an, bestimmt der Kläger, welches Schiedsgericht zuständig sein soll.“

3

Der Normalvertrag (NV) Bühne vom 15. Oktober 2002 (im Folgenden NV Bühne) lautet auszugsweise:

        

§ 1   

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag gilt für Solomitglieder und Bühnentechniker sowie Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder (im Folgenden insgesamt als Mitglieder bezeichnet) an Bühnen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, die von einem Lande oder von einer Gemeinde oder von mehreren Gemeinden oder von einem Gemeindeverband oder mehreren Gemeindeverbänden ganz oder überwiegend rechtlich oder wirtschaftlich getragen werden.

        

…       

        
        

§ 2     

        

Begründung des Arbeitsvertrages

        

…       

        
        

(2)     

Der Arbeitsvertrag ist mit Rücksicht auf die künstlerischen Belange der Bühne ein Zeitvertrag.

        

…       

        
        

§ 53   

        

Bühnenschiedsgerichtsbarkeit

        

Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 2 Arbeitsgerichtsgesetz zwischen den Arbeitsvertragsparteien sind unter Ausschuss der Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließlich die von den vertragsschließenden Parteien dieses Tarifvertrags nach Maßgabe der vereinbarten Bühnenschiedsgerichtsordnungen eingesetzten Schiedsgerichte zuständig.

        

II.     

        

Besonderer Teil

        

       

        

4. Abschnitt

        

Sonderregelungen (SR) Tanz

        

       

        

§ 96   

        

Nichtverlängerungsmitteilung - Tanz

        

(1)     

Das Arbeitsverhältnis endet mit dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Zeitpunkt.

        

(2)     

Ein mindestens für ein Jahr (Spielzeit) abgeschlossener Arbeitsvertrag verlängert sich zu den gleichen Bedingungen um ein Jahr (Spielzeit), es sei denn, eine Vertragspartei teilt der anderen bis zum 31. Oktober der Spielzeit, mit deren Ablauf der Arbeitsvertrag endet, schriftlich mit, dass sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu verlängern (Nichtverlängerungsmitteilung). Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit bei derselben Bühne ununterbrochen mehr als acht Jahre (Spielzeiten), muss die Nichtverlängerungsmitteilung der anderen Vertragspartei bis zum 31. Juli der jeweils vorangegangenen Spielzeit schriftlich zugegangen sein.

        

…       

        
        

(4)     

Bevor der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmitteilung ausspricht, hat er das Tanzgruppenmitglied - auf dessen schriftlichen Wunsch auch einen Vertreter des Tanzgruppenvorstands oder das von dem Tanzgruppenmitglied benannte Vorstandsmitglied des Orts-/Lokalverbands einer der vertragschließenden Gewerkschaften, das an der gleichen Bühne beschäftigt ist - zu hören. Das Tanzgruppenmitglied ist fünf Tage vor der Anhörung zur Anhörung schriftlich einzuladen. Die Einladung zur Anhörung gilt als ordnungsgemäß zugestellt, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass die Absendung der Einladung fünf Tage vor der Anhörung an die dem Arbeitgeber bekannte Adresse erfolgt ist.

        

(5)     

Das Tanzgruppenmitglied und der von ihm nach Absatz 4 Benannte sind unter Berücksichtigung der durch die Theaterferien oder einen Gastierurlaub bedingten Abwesenheit des Tanzgruppenmitglieds spätestens zwei Wochen vor den in den Absätzen 1 und 2 genannten Zeitpunkten zu hören, es sei denn, das Tanzgruppenmitglied verzichtet schriftlich darauf, gehört zu werden; in diesem Fall findet Absatz 4 Satz 2 keine Anwendung. Unterlässt es der Arbeitgeber, das Tanzgruppenmitglied fristgerecht zu hören, ist die Nichtverlängerungsmitteilung unwirksam.

        

…       

        
        

(8)     

Klagen gegen Nichtverlängerungsmitteilungen sind innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Monaten nach den in Absatz 2 genannten Terminen zur Nichtverlängerungsmitteilung zu erheben.

        

…       

        
        

§ 97   

        

Besondere Entschädigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Anlass eines Intendantenwechsels - Tanz

        

(1)     

Das Tanzgruppenmitglied, das aus Anlass eines Intendantenwechsels infolge einer durch den Arbeitgeber ausgesprochenen Nichtverlängerungsmitteilung in der ersten Spielzeit nach dem Intendantenwechsel nicht mehr im Arbeitsverhältnis steht, erhält eine Abfindung nach Maßgabe des Unterabsatzes 2, sofern nicht die Voraussetzungen von § 46 Abs. 1 vorliegen. Voraussetzung für den Anspruch nach Satz 1 ist, dass das Tanzgruppenmitglied innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein unter diesen Tarifvertrag folgendes Arbeitsverhältnis oder kein anderes volles Arbeitsverhältnis begründen konnte.

                 

Die Abfindung beträgt bei einer ununterbrochenen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber von

                 

4 Jahren (Spielzeiten) 3 monatliche Vergütungen,

                 

6 Jahren (Spielzeiten) 4 monatliche Vergütungen,

                 

9 Jahren (Spielzeiten) 5 monatliche Vergütungen,

                 

12 Jahren (Spielzeiten) 6 monatliche Vergütungen.

                 

…“    

4

Zum Ende der Spielzeit 2013/2014 kam es beim Staatsballett B zu einem Intendantenwechsel. Der designierte Intendant D verfügte seit dem 7. Juni 2013 über die Vollmacht, im Zusammenhang mit den von ihm für erforderlich gehaltenen personellen Veränderungen ua. Anhörungen durchzuführen und Nichtverlängerungsmitteilungen auszusprechen.

5

In einem Anhörungsgespräch vom 27. Juni 2013, zu dem die Beklagte mit am 20. Juni 2013 zugegangenem Schreiben vom 18. Juni 2013 eingeladen worden war, wurde der Beklagten durch Herrn D eröffnet, anlässlich des Intendantenwechsels beabsichtige die Klägerin nicht, das Arbeitsverhältnis der Parteien über das Ende der Spielzeit 2013/2014 hinaus zu verlängern. Mit Schreiben vom 28. Juni 2013 teilte die Klägerin der Beklagten mit, der Dienstvertrag werde wegen des Intendantenwechsels nach § 96 NV Bühne nicht über den 31. Juli 2014 hinaus verlängert. Nach den Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts wurden gegenüber zwei weiteren Tanzgruppenmitgliedern Nichtverlängerungsmitteilungen ausgesprochen. Bei den drei betroffenen Personen handelte es sich nach den Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts um die drei ältesten Tanzgruppenmitglieder.

6

Mit ihrer am 26. November 2013 beim Bezirksbühnenschiedsgericht eingegangenen, der Klägerin am 4. Dezember 2013 zugestellten Schiedsklage hat die Beklagte die Unwirksamkeit der ihr gegenüber ausgesprochenen Nichtverlängerungsmitteilung geltend gemacht. Sie hat sich ua. darauf berufen, die Nichtverlängerungsmitteilung bewirke eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.

7

Das Bezirksbühnenschiedsgericht hat die Schiedsklage, mit der die Beklagte beantragt hatte

        

festzustellen, dass die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28. Juni 2013 unwirksam ist und ihr Arbeitsvertrag zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Bühnenoberschiedsgericht der Schiedsklage mit Schiedsspruch vom 9. Februar 2015 stattgegeben. Zur Begründung hat das Bühnenoberschiedsgericht zusammengefasst ausgeführt, die Beklagte sei durch den Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung in unzulässiger Weise wegen ihres Alters benachteiligt worden. Dies ergebe sich indiziell aus dem Umstand, dass den drei ältesten Tanzgruppenmitgliedern gegenüber Nichtverlängerungsmitteilungen ausgesprochen worden seien. Die aus § 22 AGG folgende Vermutung sei von der Klägerin nicht entkräftet worden.

8

Gegen den ihr am 18. März 2015 zugestellten Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts hat die Klägerin mit am 30. März 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenem und der Beklagten am 8. April 2015 zugestellten Schriftsatz die vorliegende Aufhebungsklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, das Bühnenoberschiedsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Beklagte sei durch die Nichtverlängerungsmitteilung unzulässig wegen ihres Alters diskriminiert worden. Für die Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung aus Anlass des Intendantenwechsels genüge die Mitteilung des Intendantenwechsels bei der Anhörung des Bühnenmitglieds; es bestehe keine Verpflichtung, die Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerung mitzuteilen. Sie sei daher dem Vorbringen der Beklagten zu einer Altersdiskriminierung bereits durch den Hinweis auf den Intendantenwechsel ausreichend entgegengetreten. Es habe von ihr nicht verlangt werden können, sich auf die Diskriminierungsvorwürfe im Einzelnen einzulassen und dies etwa durch Schilderung eines künstlerischen Konzepts zu widerlegen. Im Übrigen habe der älteste Gruppentänzer keine Nichtverlängerungsmitteilung erhalten. Dies ergebe sich aus der der Aufhebungsklage als Anlage K 4 beigefügten Liste. Es seien auch Nichtverlängerungsmitteilungen gegenüber jüngeren Tänzerinnen und Tänzern ausgesprochen worden. Zudem habe sie schon im schiedsgerichtlichen Verfahren Beweis durch Vernehmung des Zeugen D angeboten; dieser hätte Auskunft über den Verlauf der Anhörung geben, seine künstlerische Konzeption und damit auch die Nichtverlängerung der Arbeitsverhältnisse der drei Tänzer erklären können, die „nicht vorrangig auf Grundlage ihres Alters erfolgte“. Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG könne zudem wegen § 15 Abs. 6 AGG nicht die Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung zur Folge haben.

9

Die Klägerin hat beantragt,

        

den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2015 - BOSchG 5/14 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Aufhebungsklage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei im Aufhebungsverfahren mit neuem Sachvortrag ausgeschlossen. Im Übrigen sei ihre Benachteiligung wegen des Alters auch unter Berücksichtigung des im Aufhebungsverfahren gehaltenen Vorbringens der Klägerin indiziert und von der Klägerin nicht widerlegt worden.

11

Das Arbeitsgericht hat die Aufhebungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihren Aufhebungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

12

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

13

I. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt die Revisionsbegründung den gesetzlichen Anforderungen (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO; zu den Anforderungen vgl. BAG 29. August 2018 - 7 AZR 144/17 - Rn. 11; 23. Juli 2014 - 7 AZR 853/12 - Rn. 18 ff.). Die Klägerin macht insbesondere geltend, bei einer Nichtverlängerungsmitteilung aus Anlass des Intendantenwechsels nicht verpflichtet zu sein, andere Gründe für die Nichtverlängerung als den Intendantenwechsel zu nennen. Sie sei deshalb nicht verpflichtet, den Eintritt der Indizwirkung nach § 22 AGG durch darüber hinausgehenden Vortrag zu widerlegen. Diese Ausführungen genügen, um - im Falle ihrer Berechtigung - die angefochtene Entscheidung umfassend in Frage zu stellen.

14

II. Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Aufhebungsklage zu Recht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Bühnenoberschiedsgericht der gegen die Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung vom 28. Juni 2013 gerichteten Schiedsklage zu Recht stattgegeben hat.

15

1. Der auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung gerichtete Sachantrag ist zulässig. Er erfüllt die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Mit der Regelung in § 96 Abs. 8 NV Bühne haben die Tarifvertragsparteien die Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung als ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ausgestaltet (vgl. zu § 69 Abs. 8 NV Bühne: BAG 13. Dezember 2017 - 7 AZR 369/16 - Rn. 46, BAGE 161, 179; 2. August 2017 - 7 AZR 601/15 - Rn. 22; 15. Mai 2013 - 7 AZR 665/11 - Rn. 29, BAGE 145, 142). Da sich die Klägerin der Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung berühmt, hat die Beklagte ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.

16

2. Die Beklagte hat die Klage, mit der sie die Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung geltend macht, innerhalb der Frist des § 96 Abs. 8 NV Bühne erhoben.

17

Nach § 96 Abs. 8 NV Bühne sind Klagen gegen Nichtverlängerungsmitteilungen innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Monaten nach den in § 96 Abs. 2 genannten Terminen zur Nichtverlängerungsmitteilung zu erheben. Nach § 96 Abs. 2 Satz 2 NV Bühne muss die Nichtverlängerungsmitteilung der anderen Vertragspartei bis zum 31. Juli der jeweils vorangegangenen Spielzeit schriftlich zugegangen sein, wenn das Arbeitsverhältnis - wie vorliegend - am Ende einer Spielzeit mehr als acht Jahre (Spielzeiten) besteht.

18

Die Beklagte hat die Klagefrist gewahrt. Ihre Klageschrift ist am 26. November 2013 und damit innerhalb von vier Monaten nach dem 31. Juli 2013 beim Bezirksbühnenschiedsgericht eingegangen und der Klägerin am 4. Dezember 2013 und damit „demnächst“ (vgl. § 39 BSchGO iVm. §§ 167, 253 Abs. 1 ZPO) zugestellt worden.

19

3. Das Bühnenoberschiedsgericht hat der Schiedsklage zu Recht stattgegeben. Die Nichtverlängerungsmitteilung vom 28. Juni 2013 ist unwirksam, weil sie die Beklagte nach § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unzulässig wegen ihres Alters benachteiligt. Dies hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt.

20

a) Nach §§ 1, 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen ihres Alters benachteiligt werden. § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen.

21

aa) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Soweit es um eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG geht, ist hierfür nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit ausreicht (BAG 23. November 2017 - 8 AZR 372/16 - Rn. 20; 15. Dezember 2016 - 8 AZR 454/15 - Rn. 20 mwN, BAGE 157, 296).

22

bb) Nach der Beweislastregel in § 22 AGG genügt es, dass eine Partei Indizien vorträgt und ggf. beweist, die ihre Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals vermuten lassen. Danach kommt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann ausreichend nach, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociaƫia Accept] Rn. 50; BAG 23. November 2017 - 8 AZR 372/16 - Rn. 22; 26. Januar 2017 - 8 AZR 73/16 - Rn. 25 mwN). Sind solche Umstände vorgetragen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen hat (vgl. etwa BAG 28. September 2016 - 7 AZR 128/14 - Rn. 63, BAGE 157, 44; 26. März 2015 - 2 AZR 237/14 - Rn. 38 mwN, BAGE 151, 189).

23

cc) Die Würdigung, ob Tatsachen vorgetragen sind, die eine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen, obliegt den Tatsachengerichten. Die gewonnene Überzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen einem verpönten Merkmal - hier dem Alter der Beklagten - und einem Nachteil kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 28. September 2016 - 7 AZR 128/14 - Rn. 63, BAGE 157, 44; vgl. zur Kündigungserklärung 26. März 2015 - 2 AZR 237/14 - Rn. 39 f., BAGE 151, 189).

24

b) Danach hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagte durch den Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung vom 28. Juni 2013 wegen ihres Alters unmittelbar benachteiligt wurde.

25

aa) Nach den Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts hat die Klägerin gegenüber der Beklagten und zwei weiteren Tanzgruppenmitgliedern Nichtverlängerungsmitteilungen ausgesprochen. Diese haben eine ungünstigere Behandlung erfahren als die anderen Tanzgruppenmitglieder, die keine Nichtverlängerungsmitteilung erhalten haben. Bei den drei Arbeitnehmern handelt es sich nach den Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts um die drei ältesten Tanzgruppenmitglieder. An die Tatsachenfeststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts sind die Gerichte für Arbeitssachen in allen Instanzen des Aufhebungsverfahrens in entsprechender Anwendung des § 559 Abs. 2 ZPO gebunden.

26

(1) Das Aufhebungsverfahren ist nach § 110 Abs. 1 ArbGG in allen drei Instanzen der staatlichen Gerichtsbarkeit ein revisionsähnliches Verfahren, in dem Schiedssprüche auf Rechtsfehler überprüft werden (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 665/11 - Rn. 20, BAGE 145, 142; 15. Februar 2012 - 7 AZR 626/10 - Rn. 20 mwN). Die Ähnlichkeit zum Revisionsverfahren hat zur Folge, dass im Aufhebungsverfahren neuer Sachvortrag grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl. BAG 28. September 2016 - 7 AZR 128/14 - Rn. 48, BAGE 157, 44; 2. Juli 2003 - 7 AZR 613/02 - zu II 2 c bb (3) der Gründe; 12. Januar 2000 - 7 AZR 925/98 - zu B I der Gründe; 18. April 1986 - 7 AZR 114/85 - zu II 2 der Gründe, BAGE 51, 374). Verfahrensfehler können, sofern es sich nicht um solche handelt, die auch in einem Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten wären, nur Berücksichtigung finden, wenn sie in der durch § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO gebotenen Form vorgetragen werden (vgl. BAG 12. Januar 2000 - 7 AZR 925/98 - aaO; 26. April 1990 - 6 AZR 462/88 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 64, 348; 18. April 1986 - 7 AZR 114/85 - zu II 2 a der Gründe, aaO). Danach müssen Verfahrensrügen die genaue Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Aufhebungsklage stützen will.

27

(2) Die Feststellung des Bühnenoberschiedsgerichts, wonach die Klägerin gegenüber den drei ältesten Tanzgruppenmitgliedern Nichtverlängerungsmitteilungen ausgesprochen hat, ist von der Klägerin im Aufhebungsverfahren nicht mit einer durchgreifenden Verfahrensrüge angegriffen worden.

28

(a) Soweit die Klägerin in der Aufhebungsklage geltend macht, sie habe im schiedsgerichtlichen Verfahren Beweis durch Vernehmung des designierten Intendanten D als Zeugen angeboten, ist die darin enthaltene Verfahrensrüge unzulässig. Es fehlt an der Darlegung, im Hinblick auf welches Beweisthema das Bühnenoberschiedsgericht eine gebotene Beweisaufnahme unterlassen haben soll und dass die streitige Tatsache, über welche die Beweiserhebung unterblieben ist, für die anzufechtende Entscheidung von Bedeutung war (vgl. zu den Anforderungen an die Rüge des Übergehens eines Beweisantritts im arbeitsgerichtlichen Revisionsverfahren: BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 33; 20. Juni 2012 - 4 AZR 464/10 - Rn. 21; 10. Mai 2005 - 9 AZN 195/05 - zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 114, 295). Das ist auch nicht erkennbar. Die im bühnenschiedsgerichtlichen Verfahren angebotene Vernehmung des Zeugen D bezog sich auf den Verlauf des Anhörungsgesprächs und nicht auf die Frage, gegenüber welchen Ensemblemitgliedern eine Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen wurde.

29

(b) Soweit die Klägerin im Aufhebungsverfahren ausführt, sie habe die behauptete Altersdiskriminierung nicht unstreitig gestellt, sondern die Auffassung vertreten, bei der Nichtverlängerungsmitteilung aus Anlass des Intendantenwechsels nicht zu weiteren Darlegungen verpflichtet zu sein, liegt hierin keine Verfahrensrüge, mit der die Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts in Frage gestellt werden könnten. Sollte die Klägerin damit eine Verletzung der Hinweispflicht durch das Bühnenoberschiedsgericht gerügt haben, wäre auch diese Rüge unzulässig. Weder hat die Klägerin ausgeführt, welchen Hinweis das Bühnenoberschiedsgericht hätte geben müssen, noch hat sie angegeben, welchen Vortrag sie im Einzelnen auf einen entsprechenden Hinweis gehalten hätte und inwieweit dieser Vortrag die Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts beeinflusst hätte (vgl. zu den Anforderungen an die Rüge der Verletzung der Hinweispflicht im arbeitsgerichtlichen Revisionsverfahren: BAG 15. September 2016 - 8 AZR 351/15 - Rn. 51; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10).

30

bb) Die Würdigung des Bühnenoberschiedsgerichts und ihm folgend des Landesarbeitsgerichts, die Erklärung von Nichtverlängerungsmitteilungen gegenüber den drei ältesten Tanzgruppenmitgliedern lasse iSv. § 22 AGG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass das Alter der Beklagten jedenfalls mitursächlich für die ihr gegenüber ausgesprochene Nichtverlängerungsmitteilung war, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze. Das macht die Revision auch nicht geltend.

31

cc) Auch die Annahme des Bühnenoberschiedsgerichts und ihm folgend des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe die Vermutung, die Beklagte sei durch den Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung wegen ihres Alters benachteiligt worden, nicht widerlegt, lässt keine Rechtsfehler erkennen.

32