BVerwG 7. Senat, Beschluss vom 05.06.2019, 7 B 21/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 7 B 21/18 (BVerwG)

vom 5. Juni 2019 (Mittwoch)


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Der Kläger wendet sich gegen einen Leistungsbescheid, mit dem er zu den Kosten der Ersatzvornahme bodenschutzrechtlicher Ordnungsverfügungen zur Durchführung einer Sanierungsuntersuchung herangezogen wurde. Er erwarb zusammen mit einem Geschäftspartner in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ein zuvor langjährig gewerblich genutztes Gelände. Im Jahr 1990 wurden zwei der betreffenden Grundstücke in teilweiser Auseinandersetzung der Gesellschaft dem Geschäftspartner zum alleinigen Eigentum übertragen; im Jahr 2001 wurde dieser als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen. Im Rahmen eines Altlastenuntersuchungsprogramms stellte die zuständige Behörde einen Sanierungsbedarf fest. Mit bestandskräftiger Verfügung vom 19. Juni 2000 wurde die GbR als Eigentümerin der Flurstücke a und b unter Androhung der Ersatzvornahme zur Durchführung einer Sanierungsuntersuchung verpflichtet. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 zog die Beklagte den Kläger zu den Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Sanierungsuntersuchung heran. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgehoben: Auf § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG könne der Leistungsbescheid nicht gestützt werden. Falls nach dieser Vorschrift - in gleicher Weise wie beim gegebenenfalls anwendbaren Landesvollstreckungsrecht - nur der Adressat einer vorherigen behördlichen Anordnung zu den Kosten der Ersatzvornahme herangezogen werden könne, fehle es an einer an den Kläger gerichteten Grundverfügung. Denn die Verfügung zur Durchführung der Sanierungsuntersuchung sei an die GbR gerichtet gewesen. Der Leistungsbescheid habe auch dann keinen Bestand, wenn § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG die Inanspruchnahme sämtlicher nach § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG Sanierungsverantwortlicher ermögliche. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger nicht; dies folge aus den Ausführungen des Senats im Parallelverfahren (nachfolgend - BVerwG 7 B 18.18 -). Schließlich lägen auch die Voraussetzungen nicht vor, unter denen der Kläger für eine fremde Schuld einstehen müsse. Dabei könne offenbleiben, ob im Rahmen des § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG ein Rückgriff auf den akzessorisch haftenden Gesellschafter von vornherein ausscheide. Es fehle aber jedenfalls am Erlass eines Haftungsbescheids, mit dem eine akzessorische Haftungsschuld des Klägers bei Vorliegen einer Geldschuld (§ 4 Abs. 1 Buchst. b, § 10 VwVG NRW) geltend gemacht werden könne. Der angefochtene Bescheid könne weder im Wege der Auslegung noch über eine Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG NRW als ein solcher Haftungsbescheid verstanden werden. Weitere Rechtsgrundlagen kämen nicht in Betracht.

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Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.

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Die allein auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die die Beschwerde ihr beimisst.

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Die Frage,

"Kann der ehemalige Gesellschafter einer GbR, die Eigentümerin eines nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG zu sanierenden Grundstücks war, nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG für die Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Sanierungsuntersuchung des ehemaligen Grundstücks primär in Anspruch genommen werden, ohne dass es des Erlasses eines sogenannten Haftungsbescheids, gerichtet an den ehemaligen Gesellschafter, bedarf?",

die ausweislich der Erläuterungen in der Beschwerdebegründung auf das Verständnis des Kreises der Sanierungspflichtigen nach § 4 Abs. 6 Satz 1 BBodSchG als Anknüpfungspunkt für eine Kostenpflicht gemäß § 24 Abs. 1 BBodSchG abzielt, ist nicht rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig. Sie kann vielmehr ohne Weiteres anhand der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung im Einklang mit dem Oberverwaltungsgericht im verneinenden Sinne beantwortet werden.

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Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass sich die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Klägers aus der Vorschrift des § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG als solcher nicht ergibt. Sie wendet sich nicht gegen die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts in der in Bezug genommenen Parallelentscheidung, wonach als Eigentümerin der zu sanierenden Grundstücke die auch insoweit rechtsfähige GbR anzusehen war mit der Folge, dass der Kläger nicht als (ehemaliger) Eigentümer zur Sanierung verpflichtet war. Sie teilt auch die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, dass sich eine Einstandspflicht des Klägers als (ehemaliger) Gesellschafter nicht durch ein von der - für die juristische Praxis maßgeblichen - zivilrechtlichen Begriffsbildung (siehe Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, Vorbem. vor § 705 Rn. 307 ff.) losgelöstes - erweitertes - Verständnis der "juristischen Person" nach § 4 Abs. 3 Satz 4 Var. 1 BBodSchG begründen lässt. Vor diesem Hintergrund vertritt die Beklagte die Rechtsauffassung, dass die zivilrechtliche Haftungsordnung der GbR, wie sie aus der Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit folge, nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung die personelle Reichweite des § 4 Abs. 3 und 6 BBodSchG unmittelbar bestimme und erweitere. Dem ist nicht zu folgen.

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Zwar trifft den Gesellschafter einer Außen-GbR gemäß der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 128 HGB - nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft nach Maßgabe von § 736 Abs. 2 BGB, §§ 159 f. HGB - die persönliche, primäre, unbeschränkte und gesamtschuldnerische Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 9 C 11.14 - BVerwGE 153, 109 Rn. 12 und Beschluss vom 8. Juni 2017 - 10 B 11.16 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 16 Rn. 6; BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - II R 263/09 - BGHZ 188, 233 Rn. 23). Daraus folgt jedoch kein Wahlrecht der Behörde, entweder die (fortbestehende) Gesellschaft oder einen (ehemaligen) Gesellschafter mit den Mitteln hoheitlichen Zwangs in Anspruch zu nehmen.

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Die Durchsetzung der zivilrechtlich begründeten Haftung des Gesellschafters für eine fremde Schuld mittels eines Verwaltungsakts als Voraussetzung der Anwendung des Verwaltungszwangs setzt wegen der mit dieser Handlungsform verbundenen spezifischen Eingriffswirkungen nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine hierauf bezogene Ermächtigungsgrundlage voraus. Diese Verwaltungsaktbefugnis muss allerdings nicht ausdrücklich normiert sein; es reicht aus, wenn sie sich dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt (BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2011 - 6 C 39.10 - BVerwGE 141, 243 Rn. 14, vom 10. Dezember 2014 - 1 C 11.14 - BVerwGE 151, 102 Rn. 13 und vom 12. April 2017 - 2 C 16.16 - BVerwGE 158, 364 Rn. 15). Daran fehlt es hier.

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Der Verweis des Klägers auf eine gesamtschuldnerische Haftung des Gesellschafters führt insoweit nicht weiter. Denn die Gesamtschuld bezieht sich nur auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander (§ 128 Satz 1 HGB), nicht aber auf das Verhältnis zur Gesellschaft; in dieser Hinsicht ist aufgrund der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR eine akzessorische Haftung des Gesellschafters an die Stelle der Regelung nach §§ 422 ff. BGB getreten (vgl. Schäfer a.a.O. § 714 Rn. 47). Ungeachtet des Umstands, dass der Gesellschafter primär haftet und demnach den Gläubiger nicht auf das Gesellschaftsvermögen verweisen (vgl. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum HGB, 4. Aufl. 2016, § 128 Rn. 20) und er grundsätzlich auf Erfüllung in Anspruch genommen werden kann (Schäfer a.a.O. § 714 Rn. 43 f.), ist die Rechtsstellung des Gesellschafters nicht identisch mit derjenigen der Gesellschaft und teilt nicht deren verfahrensrechtlichen Implikationen (siehe demgegenüber zum Schuldbeitritt BVerwGE, Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 19.10 - BVerwGE 139, 121 Rn. 18 f., in Abgrenzung zur Bürgschaft, Rn. 20).

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§ 128 HGB und den daran anknüpfenden Regelungen zur Nachhaftung ist eine Ermächtigungsgrundlage nicht zu entnehmen. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, Normen, die - wie hier - jedenfalls in erster Linie eine materiell-rechtliche Verpflichtung regeln, zugleich einen verfahrensrechtlichen Gehalt beizumessen. Dies kommt aber in der Regel nur dann in Betracht, wenn eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung normiert wird, der als solcher bereits eine Nähe zum Verwaltungsakt als einer üblichen Handlungsform der Verwaltung innewohnt (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2011 - 6 C 39.10 - BVerwGE 141, 243 Rn. 14). Bei der in § 128 HGB geregelten gesellschaftsrechtlichen Haftung fehlt es an diesem Bezug. Sie taugt folglich als solche nicht zur Begründung einer Verwaltungsaktbefugnis (vgl. Schäfer a.a.O. § 714 Rn. 37; Wiesner, in: FS Hellwig, 2010, 413 <418 f.>; siehe auch Schmidt a.a.O. § 129 Rn. 31).

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Dies wird bestätigt durch die steuerverfahrensrechtlichen Regelungen in der Abgabenordnung. Erst mit dem Erlass eines Haftungsbescheids nach § 191 AO für eine zunächst nur nach Zivilrecht bestehende Haftung des Dritten wird diese in das öffentlich-rechtliche Handlungsregime überführt, während der Steuergläubiger sie ansonsten nur nach den Vorschriften des Zivilrechts geltend machen könnte (BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1989 - 8 C 85.87 - Buchholz 401.0 § 191 AO Nr. 3 S. 3; BFH, Urteile vom 23. Oktober 1985 - VII R 187/82 - BFHE 145, 13 <16 f.> und vom 27. Juni 1989 - VII R 100/86 - BFHE 158, 1 <4>). Auch hier wird folglich davon ausgegangen, dass es einer ausdrücklichen Transformationsnorm bedarf, weil § 128 HGB allein eine zivilrechtliche Verbindlichkeit begründet (Wiesner a.a.O. S. 415 f.).

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Dieses Verständnis des Normbestands bedarf nicht deswegen einer Korrektur, weil damit, wie die Beklagte meint, das gesellschaftsrechtliche Haftungsregime auf den Kopf gestellt werde. Es ist vielmehr eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers, in § 4 Abs. 3 Satz 4 Var. 1 BBodSchG allein die richterrechtlich entwickelten Abweichungen von dem das Kapitalgesellschaftsrecht kennzeichnenden Trennungsprinzip (§ 13 Abs. 2 GmbHG, § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG) in Gestalt der Durchgriffshaftung ins Bodenschutzrecht zu übernehmen (BT-Drs. 13/6701 S. 51), während es bei den Personengesellschaften mit der nicht auf Missbrauchsfälle beschränkten, sondern umfassenden zivilrechtlichen Haftung ersichtlich sein Bewenden haben sollte. Diese gesetzgeberische Unterscheidung kann nicht wegen der erst nachfolgenden Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR als überholt angesehen werden; denn das Modell der akzessorischen Haftung nach § 128 Abs. 1 HGB stand dem Gesetzgeber schon damals vor Augen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.