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Der Kläger ist Journalist. Er begehrt gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz Zugang zum Kurzprotokoll zu Tagesordnungspunkt (TOP) 4 der 114. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 29. August 2012.
Unter TOP 4 wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger beschlossen. Das Gesetz ist als Achtes Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes am 7. Mai 2013 vom Bundestag verabschiedet worden und am 1. August 2013 in Kraft getreten (BGBl. I S. 1161).
Das Kurzprotokoll besteht aus dem eigentlichen Protokoll und zwei Anlagen, nämlich einer Liste mit den in der Sitzung ohne Aussprache beschlossenen Kabinettsvorlagen (sog. TOP-1-Liste) sowie einer Liste mit den kursiv gedruckten Teilen des Kurzprotokolls (sog. Kursivausschnitte), die die Beratungsergebnisse der Kabinettssitzung wiedergeben. Das eigentliche Protokoll enthält neben formalen Angaben eine Liste der Teilnehmer mit Namen und Funktionsbezeichnungen, die Tagesordnung und eine Darstellung des Verlaufs der Kabinettssitzung zu den einzelnen Tagesordnungspunkten (sog. Verlaufsprotokoll). Es ist - ohne die beiden Anlagen - als Verschlusssache (VS-Geheim) eingestuft.
Den Antrag des Klägers auf Übersendung des Kabinettsprotokolls lehnte das Bundeskanzleramt mit Bescheid vom 15. Juli 2014 ab. Auf den Widerspruch des Klägers hob es den Ausgangsbescheid mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2014 teilweise auf und gewährte dem Kläger Zugang zu den Kursivausschnitten zu TOP 4; im Übrigen blieb der Widerspruch erfolglos.
Das Verwaltungsgericht wies die - in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärte - Klage hinsichtlich des Verlaufsprotokolls ab, im Hinblick auf die Teilnehmerliste gab es der Klage statt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag auf Zugang zur Teilnehmerliste unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen:
Der Zugang zum Verlaufsprotokoll sei nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG in Verbindung mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung ausgeschlossen. Die erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen führe zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses. Eine Offenlegung der besonders schutzwürdigen und nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung vertraulichen Erörterungen im Kabinett könne einengende Vorwirkungen für künftige Kabinettsberatungen haben. Das nur geringe Informationsinteresse des Klägers rechtfertige keinen Eingriff in den innersten Bereich der Willensbildung der Regierung.
Einen Anspruch auf Zugang zur Teilnehmerliste habe der Kläger gegenwärtig nicht; die Beklagte sei jedoch zur Neubescheidung verpflichtet. Auf § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG könne sie sich insoweit nicht berufen, die Teilnehmerliste gehöre nicht zum geschützten Beratungsvorgang. Der Zugang sei auch nicht nach § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen. § 22 Abs. 3 GOBReg sei schon tatbestandlich nicht einschlägig. Die Beklagte könne sich aber auf den Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG zum Schutz personenbezogener Daten stützen. Das Geheimhaltungsinteresse der Sitzungsteilnehmer habe zwar kein besonders großes Gewicht; es sei aber oberhalb der Schwelle des § 5 Abs. 4 IFG einzuordnen. Ein danach erforderliches überwiegendes Informationsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG habe der Kläger nicht dargetan. Der Zugang zur Teilnehmerliste hänge daher von der Einwilligung der Teilnehmer ab, deren Beteiligung die Beklagte zunächst nachholen müsse.
Gegen dieses Urteil richten sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revisionen des Klägers und der Beklagten.
Der Kläger macht geltend, § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG schütze nur die Vertraulichkeit der Beratung. Nach deren Abschluss komme eine Schutzgutgefährdung in der Regel nicht mehr in Betracht. Ginge man unter Berufung auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung generell von einem fortwirkenden Schutz aus, führte dies zu einer Bereichsausnahme für die Regierungstätigkeit. Maßgeblich sei daher nur der konkrete Beratungsgegenstand, der hier keine politische Brisanz aufweise. An den Kabinettssitzungen nähmen zudem ausschließlich exponierte Spitzenpolitiker teil, denen die Offenlegung ihrer Redebeiträge zugemutet werden könne, ohne einen freien und ungezwungenen Meinungsaustausch in der Zukunft zu gefährden. An die Darlegung des Informationsinteresses dürften keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, zumal er die Informationen auch in seiner Eigenschaft als Journalist begehre.
Der Anspruch sei nicht nach § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen. § 22 Abs. 3 GOBReg stelle keine Rechtsvorschrift im Sinne dieser Norm dar. Ungeachtet dessen werde jedenfalls die Teilnehmerliste nicht vom Schutzbereich des § 22 Abs. 3 GOBReg erfasst. Der Zugang zur Teilnehmerliste dürfe auch nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG versagt werden. Die Teilnehmer könnten bereits kraft ihres Amtes identifiziert werden; für eine Geheimhaltung der Liste bestehe daher kein zwingendes Bedürfnis. Das Informationsinteresse überwiege die Geheimhaltungsinteressen, weil sein Informationsbegehren zugleich die Transparenz staatlichen Handelns fördere.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Mai 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Februar 2016 zu ändern, die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundeskanzleramts vom 15. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2014 zu verpflichten, dem Kläger auch Zugang zum Verlaufsprotokoll zu TOP 4 des Kurzprotokolls der 114. Kabinettssitzung vom 29. August 2012 zu gewähren, und die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Mai 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Februar 2016 zu ändern und die Klage - soweit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt - insgesamt abzuweisen und die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie führt aus: Der Zugang zur Teilnehmerliste sei nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 22 Abs. 3 Satz 1 GOBReg ausgeschlossen. Diese Bestimmung solle die Teilnehmer vor einem Rechtfertigungsdruck von außen schützen. Eine Allgemeinverbindlichkeit sei für die Anerkennung als Rechtsvorschrift im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG nicht erforderlich. Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angegriffene Urteil.
Die Revision des Klägers hat hinsichtlich der Teilnehmerliste Erfolg und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO); im Übrigen sind seine Revision und die der Beklagten unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 und 4 VwGO).
1. Einen Anspruch des Klägers auf Zugang zum Verlaufsprotokoll hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zwar verstößt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 Buchst. b des Informationsfreiheitsgesetzes - IFG - erfordere in seiner Ausprägung des Kernbereichsschutzes eine Abwägung der widerstreitenden Geheimhaltungs- und Informationsinteressen, gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Urteil erweist sich insoweit aber im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
a) Nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist es Zweck dieser Regelung, die "notwendige Vertraulichkeit" behördlicher Beratungen zu wahren. Dem Schutz der Beratung unterfällt nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung als solcher; ausgenommen sind das Beratungsergebnis und der Beratungsgegenstand (BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 10 m.w.N.).
Der Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG verwirklicht - soweit seine tatbestandlichen Voraussetzungen reichen - einfachgesetzlich auch den verfassungsrechtlich garantierten Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung; der Gesetzgeber erkennt ihn als ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Ausschlussgrund gegenüber einem Informationszugang des Bürgers an, um zu verhindern, dass der Schutz der Regierung, den diese im Verhältnis der Verfassungsorgane genießt, unterlaufen wird (BT-Drs. 15/4493 S. 12). Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz eines nicht ausforschbaren exekutiven Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereichs dient der Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung. Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 - BVerfGE 137, 185 Rn. 136 f. m.w.N.). Dieser funktionsbezogene Schutz bezieht sich in erster Linie auf laufende Verfahren, bei denen im Falle der Kenntnisnahme Dritter ein Einfluss auf die anstehende Entscheidung im Sinne eines "Mitregierens Dritter" möglich wäre. Er ist hierauf jedoch nicht beschränkt. Nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles kann es Konstellationen geben, in denen auch der Zugang zu Unterlagen über abgeschlossene Vorgänge zu versagen ist. Bei abgeschlossenen Vorgängen fällt als funktioneller Belang nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung ins Gewicht, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung, die durch "einengende Vorwirkungen" einer nachträglichen Publizität beeinträchtigt werden kann. Unter diesem Aspekt sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 11 m.w.N.).
b) § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG ist, wie der Verzicht auf eine Abwägungsklausel zeigt, als absoluter Ausschlussgrund ausgestaltet. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, ist der Informationszugang zwingend ausgeschlossen; für eine Relativierung des öffentlichen Belangs durch eine Abwägung mit einem gegenläufigen Interesse an der Offenbarung der begehrten amtlichen Informationen ist kein Raum (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, Vorb §§ 3 bis 6 Rn. 53). Dies schließt es entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts aus, im Rahmen von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFB unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kernbereichsschutz eine Interessenabwägung vorzunehmen. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entspricht das Abwägungserfordernis der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte. In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Regierungsfunktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 - BVerfGE 137, 185 Rn. 170 und Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 - BVerfGE 110, 199 <219 f.>, juris Rn. 53).
Um den Ausgleich interorganschaftlicher Rechtsbeziehungen geht es beim Rückgriff auf den Kernbereichsschutz im Rahmen von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG nicht. Es gibt keinen Gleichlauf des Informationsrechts des privaten Antragstellers nach dem Informationsfreiheitsgesetz mit dem Informationsrecht des Parlaments. Der Private ist namentlich nicht dazu berufen, im Wege einer aufgedrängten Prozessstandschaft Rechte des Parlaments geltend zu machen. Eine solche Ausdehnung ist weder von Verfassungs wegen geboten noch ist das Zugangsrecht im Informationsfreiheitsgesetz in dieser Weise ausgestaltet. Das Informationsfreiheitsgesetz will zwar die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte und Transparenz stärken und vor allem auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen (BT-Drs. 15/4493 S. 1 und 6; BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 20). Dem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung steht aber im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes nur ein einfachgesetzlicher Informationsanspruch gegenüber, der weder über Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG noch sonst - etwa über das Demokratieprinzip - verfassungsrechtlich geboten ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 14 und vom 22. März 2018 - 7 C 30.15 - NVwZ 2018, 1401 Rn. 32 m.w.N.). Ein Rückgriff auf die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kernbereichsschutz entwickelten Abwägungsgrundsätze käme mithin nur dann in Betracht, wenn die Anwendung der Ausschlussgründe des Informationsfreiheitsgesetztes zu Schutzlücken führte und deswegen auf die verfassungsunmittelbaren Grenzen des Informationsanspruchs zurückgegriffen werden müsste (BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 31). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
c) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unzulässigen Vermengung der Einbindung des Kernbereichsschutzes in den absoluten Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG und dessen unmittelbarer Anwendung zum Schließen von Schutzlücken. Es betont zwar zutreffend die hohe Schutzwürdigkeit der Erörterungen im Kabinett und die einengende Vorwirkung einer möglichen Offenlegung der Kabinettsprotokolle. Die dann naheliegende Versagung des Informationszugangs steht aber nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts noch unter dem Vorbehalt der nachfolgenden Abwägung mit dem Informationsbegehren des Klägers. Diese fehlerhafte Erwägung trägt die Entscheidung, auch wenn die Abwägung des Oberverwaltungsgerichts zu Lasten des Informationszugangsbegehrens ausgeht.
d) Die Versagung des begehrten Informationszugangs zum Verlaufsprotokoll erweist sich aber im Ergebnis als richtig, weil dieser auch bei Anwendung der zutreffenden Maßstäbe ausgeschlossen ist.
Die Darlegungslast für das Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG liegt bei der informationspflichtigen Behörde. Sie muss Tatsachen vorbringen, aus denen sich nachvollziehbar eine Beeinträchtigung des Schutzgutes ergeben kann, und darlegen, dass nachteilige Auswirkungen auf den (künftigen) behördlichen Entscheidungsprozess zu erwarten sind. Entsprechendes gilt für den Einwand, der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung stehe einer Offenlegung von Unterlagen entgegen. Während bei laufenden Vorgängen grundsätzlich der Hinweis auf die in dieser Situation gebotene Wahrung der Entscheidungsautonomie der Regierung genügt, kommt es bei abgeschlossenen Vorgängen zu einer Umkehr der Argumentationslast, die mit pauschalen Verweisen nicht erfüllt wird. Vielmehr muss nachvollziehbar dargelegt werden, aus welchem Grund die angeforderten Unterlagen dem exekutiven Kernbereich zuzuordnen sind und warum sie selbst nach Abschluss des Vorgangs nicht herausgegeben werden können. Die Begründungsanforderungen richten sich auch nach der Nähe der Unterlagen zum innersten Bereich der Willensbildung der Bundesregierung (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 12 f. m.w.N.).
Daran gemessen hat die Beklagte nachvollziehbar dargetan, dass bei einem Zugang des Klägers zum Verlaufsprotokoll wegen einengender Vorwirkungen eine konkrete und ernsthafte Gefährdung des Beratungsprozesses im Kabinett und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Bundesregierung wahrscheinlich sind. Dies folgt nach dem maßgeblichen Kriterium der Nähe zur gubernativen Entscheidung bereits daraus, dass der Antrag auf den "Kernbereich des Kernbereichs" zielt. Die Kabinettssitzung ist der genuine Raum der Bundesregierung für Beratungen. Deren in § 22 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg) vom 11. Mai 1951 (GMBl S. 137), zuletzt geändert durch Beschluss vom 22. Oktober 2002 (GMBl S. 848), bestimmte Vertraulichkeit ist eine wesentliche Rahmenbedingung für die Funktionsfähigkeit der Regierung. Sie garantiert und schützt einen unbefangenen und freien Meinungsaustausch der Kabinettsmitglieder. Dazu gehört auch die Möglichkeit, vorläufige und noch nicht ausgereifte oder pointierte Argumente in die Entscheidungsfindung einzubringen, die wegen anderer Überzeugungen oder mit Rücksicht auf eine Konsensfindung wieder verworfen werden. Die im Verlaufsprotokoll vermerkten Wortbeiträge dokumentieren diesen Beratungsvorgang und Entscheidungsprozess im Kabinett. Vor diesem Hintergrund ist evident, dass eine Offenlegung des Verlaufsprotokolls die Funktionsfähigkeit der Regierung beeinträchtigen kann, weil die Kabinettsmitglieder sich nicht mehr offen und unbefangen äußern würden, wenn sie damit rechnen müssten, dass das Verlaufsprotokoll nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens öffentlich zugänglich wäre.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es für die Schutzwürdigkeit des Verlaufsprotokolls weder auf den konkreten Beratungsgegenstand bzw. dessen politische Brisanz noch - vorbehaltlich archivrechtlicher Fristen - den Zeitablauf seit der Beschlussfassung durch das Kabinett oder die fehlende Schutzwürdigkeit der Kabinettsmitglieder als "exponierte Spitzenpolitiker" an. Ebenso wenig relevant ist die vom Oberverwaltungsgericht angeführte - zwischenzeitlich ohnehin weitgehend entfallene - personelle Teilkontinuität. Der Schutz zielt auf den Entscheidungsprozess und die Akzeptanz der getroffenen (einheitlichen) Entscheidung und - damit zusammenhängend - die Bewahrung der Autorität der sich beratenden Stelle (vgl. Jaus, Öffentliche Belange als Schranken von Informationsansprüchen, 2016, S. 79). Die Bundesregierung als das kollegial gebildete Verfassungsorgan, das maßgeblich an der Aufgabe der Staatsleitung teil hat, kann nur dann gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften bestehen, wenn es "mit einer Stimme spricht". Hat sich die Bundesregierung durch einen, nach § 20 Abs. 1 GOBReg in der Regel in gemeinschaftlicher Sitzung gefassten Mehrheitsbeschluss eine Meinung gebildet, so müssen alle Bundesminister diese Auffassung gegenüber dem Parlament vertreten; für "Minderheitenauffassungen" innerhalb der Bundesregierung ist im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens kein Raum (vgl. § 28 Abs. 2 GOBReg; Honnacker/Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, Stand 1969, § 28 Rn. 4). Diese Einheitlichkeit der Politik der Bundesregierung würde in Frage gestellt, wenn sich das Kabinettsgeheimnis nicht wahren ließe und interne Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Auffassungen in der Kabinettssitzung öffentlich würden. Die - ungeachtet einer Ermächtigung der Bundeskanzlerin zur Offenlegung nach § 22 Abs. 3 Satz 2 GOBReg - fortdauernde Vertraulichkeit der Beratungsinterna dient damit dem präventiven Schutz der Funktionsfähigkeit der Regierung.
Der Einwand des Klägers, so verstanden führe der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu einer Bereichsausnahme für die Bundesregierung, greift nicht durch. Bei Vorgängen, die - wie die Verlaufsprotokolle - einer typisierenden Betrachtung zugänglich sind, kann die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen auch auf allgemeinen Erfahrungswerten beruhen. Eine allgemeine Bereichsausnahme für alle Unterlagen des Bundeskanzleramts, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen anfallen, wird damit nicht geschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 17).
2. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum Informationszugang zur Teilnehmerliste halten revisionsrichterlicher Überprüfung ebenfalls nicht in jeder Hinsicht stand.
a) Gegen die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Teilnehmerliste betreffe nicht den von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG geschützten Beratungsvorgang und lasse keine Rückschlüsse auf den Standpunkt einzelner Kabinettsmitglieder zu, wendet sich die Beklagte mit Recht nicht.
b) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Zugang zur Teilnehmerliste könne auch nicht nach § 3 Nr. 4 IFG versagt werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang unter anderem dann nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. § 3 Nr. 4 IFG überlässt als Rezeptionsnorm den besonderen Geheimnisschutz den in Bezug genommenen Spezialvorschriften. Was nach diesen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 14). Eine solche bereichsspezifische Vertraulichkeitspflicht ergibt sich hier weder aus § 22 Abs. 3 GOBReg noch aus der Einstufung der Teilnehmerliste als Verschlusssache.
aa) § 22 Abs. 3 GOBReg stellt bereits keine "Rechtsvorschrift" im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG dar. Nach der Rechtsprechung des Senats erfasst dieser Begriff nur Normen mit Außenwirkung (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 16). Eine solche weist § 22 Abs. 3 GOBReg nicht auf. Die Geschäftsordnung der Bundesregierung enthält ungeachtet der umstrittenen Frage nach ihrer rechtlichen Qualifizierung als Verfassungssatzung, Norm "sui generis" oder "autonome Satzung" (offen gelassen in BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1991 - 3 C 45.90 - BVerwGE 89, 121 <125>, juris Rn. 35) nur Regierungsinnenrecht und berechtigt und verpflichtet als solches nur die Mitglieder der Bundesregierung; das rechtliche Verhältnis zu anderen Bundesorganen oder zum Bürger betrifft sie nicht (vgl. Uhle/Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 65 Rn. 49; Oldiges/Brinktrine, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 65 Rn. 38; Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 15. Mai 2018, Art. 65 Rn. 17; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 65 Rn. 9; Hermes, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 65 Rn. 47). Daran ändert der Umstand, dass sie im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht wird, nichts. Mangels Pflicht zur förmlichen Verkündung ist diese keine Voraussetzung für ihre Gültigkeit (vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Oktober 2008, Art. 65 Rn. 118).
Zwar hat die Geschäftsordnung insoweit "begrenzte Außenwirkung", als auch andere Personen, die über die Regierungsmitglieder hinaus an Kabinettssitzungen teilnehmen oder an der Vorbereitung beteiligt sind, hieran gebunden sind. Diese Bindung beruht jedoch nicht auf ihrer Geltung als autonomes Recht, sondern auf dem Weisungsrecht der Mitglieder der Bundesregierung gegenüber ihren Beamten und dem Hausrecht des Bundeskanzlers als geborenem Leiter der Kabinettssitzung (vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Oktober 2008, Art. 65 Rn. 112; BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1991 - 1 D 75.90 - BVerwGE 93, 202 <206 f.>, juris Rn. 121 "mittelbare Geltung").
Die Qualität einer allgemeinverbindlichen Rechtsvorschrift kommt § 22 Abs. 3 GOBReg entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deshalb zu, weil die Geschäftsordnungsautonomie der Bundesregierung in Art. 65 Satz 4 GG verankert ist und eine Regelung der Geschäftsordnung durch formelles Parlamentsgesetz ausscheidet. Art. 65 Satz 4 GG ermächtigt die Bundesregierung lediglich dazu, die organschaftlichen Beziehungen innerhalb des obersten Exekutivorgans durch Binnenrecht auszugestalten. Im Übrigen ist der Gesetzgeber nicht gehindert, im Informationsfreiheitsgesetz einen speziellen Ausschlussgrund vorzusehen.
bb) Ungeachtet dessen begegnet auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Teilnehmerliste werde nicht von § 22 Abs. 3 GOBReg erfasst, keinen Bedenken. An dieser Feststellung ist der Senat entgegen der Auffassung der Beklagten durch die Qualifizierung des § 3 Nr. 4 IFG als Rezeptionsnorm nicht gehindert. Sie befreit nicht davon, den Inhalt und die Grenzen des bereichsspezifischen Geheimnisschutzes zu bestimmen.
(1) Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 GOBReg sind die Sitzungen der Bundesregierung vertraulich. Unzulässig sind ohne besondere Ermächtigung des Bundeskanzlers insbesondere Mitteilungen über Ausführungen einzelner Bundesminister, über das Stimmenverhältnis und über den Inhalt der Niederschrift (Satz 2). Die Formulierung "Inhalt der Niederschrift" zwingt nicht zu einem Normverständnis, das die Teilnehmerliste einschließt. Zwar mag die Teilnehmerliste ebenso wie die Angabe von Datum, Ort und Uhrzeit nach der Verwaltungspraxis der Beklagten zu den üblichen Formalien der Niederschrift nach § 27 Abs. 1 Satz 1 GOBReg zählen. Diese rein formale Verknüpfung reicht aber nicht aus, um den Vertraulichkeitsschutz auf die Teilnehmerliste zu erstrecken.
Abweichendes folgt nicht daraus, dass bei der Auslegung der Geschäftsordnungen von Verfassungsorganen im Hinblick auf ihre Funktion und ihren Adressatenkreis insbesondere Tradition und Staatspraxis mit heranzuziehen sind, wie sie sich durch die historische und politische Entwicklung geformt haben (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 1 BvR 337/92 - BVerfGE 91, 148 <171 f.>, juris Rn. 119; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1991 - 3 C 45.90 - BVerwGE 89, 121 <126>, juris Rn. 37). Dass die Kabinettsprotokolle - wie bei Protokollen gemeinhin üblich - eine Teilnehmerliste umfassen, belegt allenfalls eine ständige Verwaltungsübung bei ihrer formalen Gestaltung, gibt aber für die Frage, ob die Vertraulichkeit der Sitzungen sich seit jeher auch auf die Teilnehmerliste bezieht, nichts her.
(2) Der Schutzzweck des § 22 Abs. 3 GOBReg gebietet keine Vertraulichkeit der Teilnehmerliste. Nach ihrem Sinn und Zweck sowie ihrer "Binnensystematik" zielt die Vorschrift auf die materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit des substanziellen Inhalts der Niederschrift; dazu gehört die Teilnehmerliste nicht. Materiell hat § 22 Abs. 3 GOBReg eine ähnliche Bedeutung wie das Beratungsgeheimnis im gerichtlichen Verfahren. Sie gewährleistet einen umfassenden Geheimnisschutz für Kabinettssitzungen, indem sie sich nicht nur auf einzelne Ausführungen der Mitglieder der Bundesregierung oder auf Protokollinhalte erstreckt, sondern den gesamten Hergang der Beratung und Abstimmung in Kabinettssitzungen vor unbefugter Offenbarung schützt. Diese unbeschränkte sachliche Reichweite des § 22 Abs. 3 Satz 1 GOBReg folgt aus dem Wortlaut, der keine materiell-rechtlichen Ausnahmen vom Geheimnisschutz zulässt, sowie aus einem Umkehrschluss zu der Formulierung "insbesondere" in § 22 Abs. 3 Satz 2 GOBReg (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1991 - 1 D 75.90 - BVerwGE 93, 202 <205>, juris Rn. 118). § 22 Abs. 3 Satz 1 GOBReg dient insoweit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung (vgl. Busse, GOBReg, 2. Aufl. 2014, § 22 Rn. 13).
Die Parallele zum Beratungsgeheimnis im gerichtlichen Verfahren gibt für eine Auslegung, die auch die Teilnehmerliste erfasst, nichts her. Sie stützt vielmehr die Auffassung, dass der Vertraulichkeitsschutz an die materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit des Inhalts der Sitzung anknüpft. Das Beratungsgeheimnis im gerichtlichen Verfahren erstreckt sich nicht auf die Namen und Funktionen der Teilnehmer. Entgegen der Auffassung der Beklagten lassen sich auch die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil des 1. Disziplinarsenats zur "unbeschränkten sachlichen Reichweite" des § 22 Abs. 3 Satz 1 GOBReg und zum Regelungszusammenhang der Sätze 1 und 2 nicht in ihrem Sinne verstehen. Sie beziehen sich darauf, dass nach dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt der beschuldigte Beamte in einem Buch Äußerungen von Kabinettsmitgliedern in den Kabinettssitzungen zitiert sowie Stimmungen und das Verhalten einzelner Kabinettsmitglieder dargestellt und dabei als Gedächtnisstütze auf eigene Notizen aus den Kabinettssitzungen zurückgegriffen hatte. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, und dies mit einem Umkehrschluss aus § 22 Abs. 3 Satz 2 GOBReg begründet, dass der Vertraulichkeitsschutz sich nicht nur auf den im Protokoll verschriftlichten Sitzungsinhalt, sondern gleichermaßen auf das gesprochene Wort und die im Protokoll nicht wiedergegebenen atmosphärischen und tatsächlichen Vorgänge erstreckt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1991 - 1 D 75.90 - BVerwGE 93, 202 <205 f.>, juris Rn. 119).
(3) Gegen eine Auslegung, nach der § 22 Abs. 3 GOBReg auch die Teilnehmerliste erfasst, spricht überdies der Regelungszusammenhang mit der Vorschrift des § 23 Abs. 1 und 2 GOBReg, die - in Verbindung mit § 22 Abs. 1 GOBReg - den Kreis der regelmäßigen Teilnehmer an Kabinettssitzungen (und ihrer Vertreter) abstrakt bestimmt; die Nichterwähnung des Bundeskanzlers in § 23 Abs. 1 GOBReg ist ein redaktionelles Versehen. Welche Personen die in den § 22 Abs. 1, § 23 Abs. 1 und 2 GOBReg aufgeführten Ämter und Positionen bekleiden, ist - mit Ausnahme des Schriftführers und gegebenenfalls des persönlichen Referenten des Bundeskanzlers - in der Öffentlichkeit bekannt bzw. mithilfe der im Internet verfügbaren Organigramme der Bundesbehörden ohne Weiteres zu ermitteln. Die abstrakte Benennung der regelmäßigen Teilnehmer sagt zwar nichts darüber aus, welche Personen an einer bestimmten Kabinettssitzung teilgenommen haben. Sie zeigt aber, dass der Geschäftsordnungsgeber die Teilnahme an einer Kabinettssitzung durch die hierzu kraft ihres Amtes oder ihrer Funktion berufenen Personen nicht als geheimhaltungsbedürftigen Umstand betrachtet.
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, die formelle Einstufung der Teilnehmerliste als Verschlusssache VS-Geheim reiche für § 3 Nr. 4 IFG nicht aus, die Einstufung müsse vielmehr auch materiell den Geheimhaltungsbedürfnissen des § 3 Nr. 2 der Verschlusssachenanweisung (VSA) vom 31. März 2006 in der Fassung vom 26. April 2010 (GMBl. 2010, S. 846; jetzt § 2 Abs. 2 Nr. 2 der VSA vom 10. August 2018, GMBl. 2018, S. 826) i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG) vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2732), entsprechen, steht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 52 ff.).
c) Nicht mit revisiblem Recht vereinbar ist dagegen die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Zugang zur Teilnehmerliste sei in Ermangelung eines überwiegenden Informationsinteresses des Klägers im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG nur mit Einwilligung der Teilnehmer möglich; insoweit hat das Oberverwaltungsgericht der Berufung der Beklagten zu Unrecht stattgegeben und diese nur zur Neubescheidung nach Durchführung eines Drittbeteiligungsverfahrens verpflichtet.
aa) Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG darf Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Das "Ob" und das Maß der Schutzwürdigkeit hängen in erster Linie von der Art der personenbezogenen Daten ab; mit zunehmender Sensibilität des Datums steigt auch dessen Schutzwürdigkeit und sein Gewicht in der Abwägung. Für bestimmte Arten personenbezogener Daten wird die Abwägung in § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 4 IFG vorweggenommen bzw. ausgeschlossen. Besonders sensitive (sensible) personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 Bundesdatenschutzgesetz in der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung - BDSG a.F. - (Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO -) sind nach § 5 Abs. 1 Satz 2 IFG abwägungsfest; sie dürfen nur mit Einwilligung des Betroffenen zugänglich gemacht werden. § 5 Abs. 2 IFG enthält für Informationen, die mit einem Dienst- oder Amtsverhältnis oder Mandat des Dritten in Zusammenhang stehen, und bei Informationen, die einem Berufs- oder Amtsgeheimnis unterliegen, eine vorweggenommene Abwägung zugunsten des Schutzinteresses des Dritten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 19). Demgegenüber geht § 5 Abs. 3 IFG bei bestimmten funktionsbezogenen Daten von Gutachtern und Sachverständigen von einem überwiegenden Informationsinteresse aus. Vom Abwägungserfordernis ausgenommen sind nach § 5 Abs. 4 IFG funktionsbezogene Daten von Bearbeitern, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 26). Diese Regelungssystematik orientiert sich im Grundsatz an der vom Bundesverfassungsgericht für Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) entwickelten Sphärentheorie, die zwischen der Intim-, Privat- und der Sozialsphäre unterscheidet.
Neben der Frage, welche Sphäre des Persönlichkeitsrechts betroffen ist, ist für die Schutzwürdigkeit der personenbezogenen Daten zu berücksichtigen, welche Funktion bzw. Stellung der Betroffene in der Behörde bzw. im öffentlichen Leben wahrnimmt und welche Schwere die Beeinträchtigung und ihre Folgen voraussichtlich haben werden; niedrigere Amts- und Funktionsträger verdienen größeren Schutz als höhere und als Personen der Zeitgeschichte (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2004 - 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115 <136>, juris Rn. 59).
bb) Daran gemessen ist die Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, das Schutzinteresse der Sitzungsteilnehmer sei oberhalb der Schwelle des § 5 Abs. 4 IFG einzustufen, nicht tragfähig. Sie wird den Anforderungen an eine einzelfallbezogene Identifizierung und Gewichtung der widerstreitenden Interessen nicht gerecht und verfehlt die in § 5 IFG geregelten Vorgaben sowie die in der Rechtsprechung anerkannten Maßstäbe für die Bemessung der Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten. Zwar ist § 5 Abs. 4 IFG hier nicht unmittelbar einschlägig, weil die regelmäßigen Teilnehmer an der Kabinettssitzung nicht als "Bearbeiter" im Sinne von § 5 Abs. 4 IFG qualifiziert werden können. Nach der Rechtsprechung des Senats unterfallen diesem Begriff nur diejenigen Bediensteten einer Behörde, die mit einem bestimmten Verwaltungsvorgang befasst gewesen sind, zu dem Informationszugang begehrt wird. Das Informationsbegehren muss sich auf Daten beziehen, die Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 27.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 22 Rn. 14 f.). An einem so gearteten Funktionszusammenhang zwischen konkretem Verwaltungsvorgang und zuständigem (Sach)Bearbeiter fehlt es hier.
Dass § 5 Abs. 4 IFG nicht unmittelbar anwendbar ist, befreit aber nicht von der Notwendigkeit, die Interessen der Beteiligten anhand der Umstände des Einzelfalls zu identifizieren und zu gewichten. Die Abwägung wird durch die gesetzgeberischen Wertungen in § 5 Abs. 2 bis 4 IFG zwar vorstrukturiert; die Hervorhebung des schutzwürdigen Interesses in § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jedoch unabhängig davon normative Substanz. So darf der Dritte seine Einwilligung zum Informationszugang nur dann verweigern, wenn sein Geheimhaltungsinteresse schutzwürdig ist (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 44). Bei Daten, die nicht unter die Sonderregelungen in den Absätzen 2 bis 4 fallen, diesen aber nahestehen, kommt eine Orientierung an der dortigen Qualifizierung des Interesses als besonders, weniger oder nicht schützenswert in Betracht (Guckelberger, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand 1. August 2018, § 5 IFG Rn. 29; Debus, NJW 2015, 981 <983>).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich jedenfalls das Interesse der Kabinettsmitglieder, der Chefs des Bundeskanzleramtes, des Bundespräsidialamtes und des Bundespresseamtes sowie ihrer jeweiligen Vertreter (vgl. § 22 Abs. 1, § 23 Abs. 1 und 2 GOBReg) an einer Geheimhaltung ihrer Namen und Funktionsbezeichnungen in der Teilnehmerliste zur Kabinettssitzung vom 29. August 2012 als nicht schutzwürdig; Gleiches gilt für die Staatsminister beim Bundeskanzleramt, die in der Regel ebenfalls an den Kabinettssitzungen teilnehmen. Betroffen ist lediglich ihre Sozialsphäre. Zudem handelt es sich bei diesen Personen ausnahmslos um hochrangige Amts- und Funktionsträger sowie - zum überwiegenden Teil - Personen des öffentlichen Lebens. Wenn nach der gesetzlichen Wertung des § 5 Abs. 4 IFG schon jeglicher Sachbearbeiter kein schutzwürdiges Interesse daran hat, dass die personenbezogenen Daten, die mit seiner dienstlichen Tätigkeit in einem konkreten Vorgang zusammenhängen, vertraulich bleiben, muss dies erst recht für die ranghohen und exponierten Teilnehmer an einer Kabinettssitzung gelten. Überdies ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, welche nachteiligen Folgen die Offenlegung der Teilnahme oder Nichtteilnahme dieser Personen an der Kabinettssitzung haben könnte. Die Teilnehmerliste weist keinen inhaltlichen Bezug zur Entscheidungsfindung auf und erlaubt keine Rückschlüsse auf den Standpunkt einzelner Kabinettsmitglieder. Der Einwand der Beklagten, auch die durch die Teilnehmerliste dokumentierte Abwesenheit eines Kabinettsmitglieds könne einen Rechtfertigungsdruck bewirken, ist fernliegend. Abgesehen davon, dass das Kabinett als Kollegialorgan entscheidet und das Informationsbegehren des Klägers nicht auf die abwesenden, sondern die anwesenden Personen zielt, kann das Fehlen eines Kabinettsmitglieds in einer Sitzung vielfältige Gründe haben und lässt daher keine weitergehenden Rückschlüsse zu.
Für die nicht dem Kreis der politischen Beamten zugehörigen Ministerialbeamten, die darüber hinaus regelmäßig oder gelegentlich zu einzelnen Tagesordnungspunkten an Kabinettssitzungen teilnehmen, kann ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse zwar nicht von vornherein verneint werden. Es hat aber, weil auch bei diesen wegen des dienstlichen Zusammenhangs, in dem die Daten anfallen, nur die Sozialsphäre betroffen ist und nachteilige Folgen für den Fall der Offenlegung ihrer Teilnahme nicht dargetan sind, nur geringes Gewicht. Für Überlegungen dazu, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen sich exponierte Amts- oder Funktionsträger, die ausnahmsweise als Gäste an Kabinettssitzungen teilnehmen, auf ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse berufen könnten, gibt der vorliegende Sachverhalt keinen Anlass.
Der nur geringen Schutzwürdigkeit der personenbezogenen Daten der Sitzungsteilnehmer ohne politische Ämter/Funktionen steht entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ein überwiegendes Informationsinteresse des Klägers gegenüber. Zwar ist die Information, dass der damalige Staatsminister im Bundeskanzleramt E. v.K. an der Kabinettssitzung vom 29. August 2012 teilgenommen hat, inzwischen öffentlich zugänglich (vgl. BT-Drs. 17/12047 S. 2 zu Frage Nr. 1). Damit hat sich das Informationsbegehren des Klägers aber weder erledigt noch ist sein Informationsinteresse nachträglich entfallen. Es bezog sich - ungeachtet dessen, dass die erforderliche Begründung (§ 7 Abs. 1 Satz 2 IFG) ursprünglich vor allem auf die Person des Staatsministers abhob - neben dem Verlaufsprotokoll von vornherein auf die gesamte Teilnehmerliste, mithin darauf, welche Personen an der bzw. im Vorfeld der Beschlussfassung der Bundesregierung über den Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht mitgewirkt haben. Für dieses Informationsbegehren, an dem der Kläger auch nach Bekanntwerden der Teilnahme des Staatsministers an der Kabinettssitzung vom 29. August 2012 festgehalten hat, streitet nicht nur sein privates Interesse, sondern auch das Interesse der Allgemeinheit an Transparenz und Aufklärung über die Aufgabenwahrnehmung öffentlicher Stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 25; BT-Drs. 15/4493 S. 13). Das gilt umso mehr, als es um ein besonders hervorgehobenes Gremium geht (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 20).
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 VwGO.