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Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Säumniszuschlägen und Kosten der Forderungsverwaltung. Ihm wurde 1997 ein Grundstück zurückübertragen, für das seiner Rechtsvorgängerin eine Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz bewilligt und 1981 ausgezahlt worden war. Mit Bescheid vom 12. November 1998 forderte der Beklagte deshalb Ausgleichsleistungen in Höhe von 7 536,60 DM gemäß § 349 Lastenausgleichsgesetz (LAG) vom Kläger zurück. Dieser Bescheid wurde Rechtsanwalt T. zugestellt, dem der Kläger 1993 eine Vollmacht erteilt hatte und von dem der Kläger im Restitutionsverfahren vertreten worden war. Rechtsanwalt T. erhob im Dezember 1998 "namens und in Vollmacht des Klägers" Klage gegen den Rückforderungsbescheid. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten wurde das Verfahren eingestellt. Als der Kläger trotz Mahnung keine Zahlungen leistete, betrieb der Beklagte - erfolglos - die Zwangsvollstreckung in das Grundstück. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 erhob er Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 7 777 € sowie Kosten der Forderungsverwaltung in Höhe von 315,18 €. Der Kläger hat Klage erhoben und geltend gemacht, Rechtsanwalt T. sei nur für das Restitutionsverfahren und nicht zum Empfang des Rückforderungs- und Leistungsbescheides bevollmächtigt gewesen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die dagegen eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die vom Kläger aufgeworfene Frage,
ob eine durch den Erklärungsempfänger vorformulierte anwaltliche Vollmachtserklärung - gegebenenfalls analog § 305c Abs. 2 BGB - anhand des Verständnisses und aus Sicht des Erklärenden auszulegen ist,
bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie sich, soweit erheblich, ohne Weiteres aus dem Gesetz und der einschlägigen bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lässt.
Danach sind anwaltliche Vollmachten entsprechend §§ 133 und 157 BGB auszulegen, soweit sich ihr Umfang nicht schon aus gesetzlichen Regelungen wie § 81 ZPO ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1988 - 8 C 8.86 - Buchholz 340 § 9 VwZG Nr. 12 S. 2 f.; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 - VII ZB 64/07 - WM 2008, 1656 Rn. 21). Hier ist die gesetzliche Umschreibung des Umfangs der Prozessvollmacht (§ 81 ZPO i.V.m. § 173 VwGO) nicht einschlägig. Zum einen wurde die fragliche Zustellung nach Abschluss des Rückübertragungsverfahrens vorgenommen, in dem Rechtsanwalt T. als Bevollmächtigter des Klägers aufgetreten war. Zum anderen ging die Vollmacht nach den revisionsrechtlich bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO) über eine Prozessvollmacht für das abgeschlossene Rückübertragungsverfahren hinaus. Rechtsanwalt T. war bevollmächtigt, den Kläger "in allen seinen Angelegenheiten aus eigenem Recht sowie aus Erbrecht betreffend seiner Eigentumsrechte an in dem Gebiet der DDR belegenem Vermögen aller Art vor Gerichten, Behörden und Banken sowie sonstigen privaten oder juristischen Personen zu vertreten" und erstreckte dies ausdrücklich auf die gerichtliche Vertretung und auf alle Prozesshandlungen, insbesondere auf die Vornahme und Entgegennahme von Zustellungen.
Nach §§ 133, 157 BGB sind anwaltliche Vollmachten vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Bestimmung ihres Umfangs (vgl. § 81 ZPO) ebenso wie sonstige empfangsbedürftige Willenserklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Danach ist maßgeblich, wie der Empfänger den in der Erklärung zum Ausdruck gekommenen Willen des Erklärenden unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1988 - 8 C 8.86 - Buchholz 340 § 9 VwZG Nr. 12 S. 2 f.; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 - VII ZB 64/07 - WM 2008, 1656 Rn. 21). Für eine analoge Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB dahingehend, dass vorformulierte anwaltliche Vollmachten nach dem Verständnis und aus der Sicht des Erklärenden auszulegen wären, bleibt kein Raum. Schon die Voraussetzungen einer Analogie liegen nicht vor. Außerdem ist § 305c Abs. 2 BGB kein solcher Auslegungsgrundsatz zu entnehmen.
Das Beschwerdevorbringen zeigt keine planwidrige, nicht schon durch §§ 133 und 157 BGB geschlossene Regelungslücke auf, die eine Analogie erforderte. Entgegen der Darstellung des Klägers führt die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont bei anwaltlich vorformulierten Vollmachten nicht dazu, dass der Bevollmächtigte kraft überlegenen Wissens den Umfang seiner Befugnisse selbst bestimmen könnte oder gar nur sein überlegenes Verständnis der Erklärung maßgeblich wäre. Zu den für ihn erkennbaren und für die Auslegung maßgeblichen Umständen der Erklärung gehören nämlich auch die Interessenlage und gegebenenfalls die Grenzen der Rechts- und Sachkenntnisse seines Mandanten. Diese Umstände sind bei der Auslegung anwaltlich vorformulierter Vollmachten ebenso wie bei der Auslegung sonstiger vorformulierter Erklärungen zu berücksichtigen (zu Letzteren vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 - I ZR 40/95 - NJW 1997, 3087 <3087 f.>).
Selbst wenn eine Lücke vorläge und durch analoge Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB zu schließen wäre, hätte dies jedenfalls nicht zur Folge, dass die Vollmacht nach dem Verständnis und der Sicht des Erklärenden auszulegen wäre. § 305c Abs. 2 BGB bestimmt, dass Zweifel zulasten des Verwenders der vorformulierten Vertragsbedingungen gehen. Damit ist nur gesagt, dass eine bei mehrdeutigen Klauseln verbleibende Unsicherheit über deren Bedeutung im Sinne der für den Verwender nachteiligsten Deutungsalternative aufzulösen ist (BGH, Urteil vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08 - BGHZ 180, 257 Rn. 11). Dies setzt voraus, dass nach Anwendung der einschlägigen Auslegungsregeln mehrere Deutungsalternativen verbleiben. Dagegen regelt § 305c Abs. 2 BGB nicht, dass nur das Verständnis, die Sichtweise und der subjektive Erklärungswille eines Vertragspartners für die Auslegung maßgeblich sind. Vielmehr müssen auch vorformulierte Geschäftsbedingungen nach ständiger Rechtsprechung nicht nach den Vorstellungen eines Beteiligten, sondern nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so ausgelegt werden, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (vgl. BGH, Urteile vom 17. Januar 1989 - XI ZR 54/88 - BGHZ 106, 259 <264 f.>, vom 15. November 2006 - VIII ZR 166/06 - WM 2007, 1142 Rn. 19 und vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08 - BGHZ 180, 257 Rn. 11 m.w.N.). Eine über eine Analogie zu § 305c Abs. 2 BGB hinausgehende Verabsolutierung des subjektiven Erklärungswillens wäre mit der Funktion der schriftlichen Anwaltsvollmacht nicht vereinbar. Da diese dazu geeignet und bestimmt ist, die Tatsache und den Umfang der Bevollmächtigung nachzuweisen, kann ihr Umfang schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht einseitig nach der subjektiven Kenntnis und Vorstellung des Erklärenden und unabhängig vom objektiven Empfängerhorizont bestimmt werden. Eine Auslegung vorformulierter anwaltlicher Vollmachten allein nach dem Verständnis und der Sichtweise des Vollmachtgebers scheidet damit aus.
Die vom Kläger darüber hinaus für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage,
ob an dem Grundsatz der Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung anhand des objektiven Empfängerhorizonts auch dann festzuhalten ist, wenn die Vollmachtserklärung nicht eindeutig formuliert wurde,
würde sich im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil sie von einem anderen Sachverhalt ausgeht als die angegriffene Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat gerade nicht festgestellt, die anwaltliche Vollmacht sei nicht eindeutig formuliert. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass eine eindeutig - nämlich eindeutig umfassend - formulierte Vollmacht erteilt wurde, die sämtliche Angelegenheiten betreffend das im Beitrittsgebiet belegene, eigene und ererbte Vermögen des Klägers einschloss. Zu den das zurückverlangte Vermögen betreffenden Angelegenheiten gehörte unzweideutig auch die mit der Restitution verknüpfte Rückabwicklung von zuvor für den Eigentumsverlust gewährten Ausgleichsleistungen. Dabei kam es nicht darauf an, ob der Rückzahlungsanspruch bereits im Restitutionsverfahren selbst durch Verrechnung mit einer vermögensrechtlichen Entschädigung zu berücksichtigen war (so etwa geschehen im Verfahren betreffend das ebenfalls vom Kläger zurückverlangte Grundstück E.straße ... in D., in dem der Verrechnungsbescheid vom 11. März 1998 ebenfalls an Rechtsanwalt T. zugestellt wurde, vgl. Bl. 76 ff. der vom Verwaltungsgericht beigezogenen Akte des Ausgleichsamts B.), oder ob der Rückzahlungsanspruch wegen der Naturalrestitution des Grundstücks (hier des Grundstücks B.straße ... in R.) im Anschluss an die Rückübertragung durch Rückforderungsbescheid geltend gemacht werden musste (vgl. § 349 Abs. 1 Satz 4, § 349 Abs. 3a bis c und § 349 Abs. 5 LAG, § 32 Abs. 1 Satz 4 Vermögensgesetz - VermG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.