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Das Ministerium der Finanzen des Beklagten erteilte dem Kläger am 10. November 2014 eine Erlaubnis zur Veranstaltung einer Fernsehlotterie und zu deren Eigenvertrieb im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2019. Mit Bescheid vom 4. Januar 2016 setzte es für die Erteilung der Erlaubnis für das Jahr 2016 eine Gebühr in Höhe von 159 507 € fest. Das Verwaltungsgericht hat die vom Kläger angefochtene Gebührenfestsetzung mit Urteil vom 26. Januar 2017 aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Gebühr sei von einer sachlich unzuständigen Behörde festgesetzt worden. Die Geschäftsverteilungsanordnung der Landesregierung Rheinland-Pfalz dürfe das Ministerium der Finanzen nicht als zuständige Behörde bestimmen, weil einer solchen Regelung § 9 Abs. 7 GlüStV entgegenstehe. Die sachliche Zuständigkeit dieses Ministeriums folge auch nicht aus § 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und 7 Landesglücksspielgesetz Rheinland-Pfalz - LGlüG -.
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).
1. Die Fragen,
ob § 9 Abs. 7 GlüStV auch dann anwendbar ist, wenn ein Interessenkonflikt zwischen dem Veranstalter von Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential und einer Erlaubnisbehörde, die ansonsten für die Finanzen des Landes zuständig ist, gar nicht entstehen kann,
ob die Anwendung des § 9 Abs. 7 GlüStV ausgeschlossen ist, wenn es um die Erlaubniserteilung einschließlich der Festsetzung von Gebühren für eine Lotterie mit geringerem Gefährdungspotential durch eine oberste Finanzbehörde geht, wenn nach den Feststellungen eines Berufungsgerichts gar kein Interessenkonflikt zwischen dieser obersten Landesbehörde und dem Erlaubnisbewerber bei dieser Glücksspielart ersichtlich ist und
ob es als wesentliche Begründung für eine restriktive Anwendung des § 9 Abs. 7 GlüStV und dem Ausschluss einer Anwendbarkeit für die Erlaubniserteilung für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential ausreicht, wenn bereits andere effektive Kontroll- und Begleitinstanzen beim Handeln einer obersten Finanzbehörde eingeschaltet sind,
bedürfen keiner revisionsgerichtlichen Klärung. Sie lassen sich ohne Weiteres auf Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation beantworten (BVerwG, Beschluss vom 24. August 1999 - 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270>). § 9 Abs. 7 des Glücksspielstaatsvertrages in der Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland - GlüStV - vom 15. Dezember 2011 verbietet seinem eindeutigen Wortlaut nach ausnahmslos die Ausübung der Glücksspielaufsicht durch eine Behörde, die für die Finanzen des Landes zuständig ist. Die Entstehungsgeschichte und der daraus abzuleitende Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten keine Einschränkung ihres Anwendungsbereichs in Fällen, in denen ein Interessenkonflikt zwischen dem Veranstalter einer Lotterie mit geringerem Gefährdungspotential und der Behörde, die für die Finanzen des Landes zuständig ist, nicht ersichtlich ist. Die Vorschrift zielt entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf die Vermeidung von konkreten Interessenkonflikten, die daraus folgen können, dass die für Glücksspielaufsicht zuständige Behörde zugleich für die Aufsicht über staatlich organisiertes Glücksspiel und für die Erteilung von Erlaubnissen für die Konkurrenten dieses Glücksspiels zuständig ist. Sie will vielmehr sicherstellen, dass die für die Einhaltung der Anforderungen des Spielerschutzes und der Suchtbekämpfung bei der Veranstaltung, der Vermarktung und dem Vertrieb von Glücksspielen zuständigen Behörden ausnahmslos eine ausreichende Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates aufweisen. Das ergibt sich aus der Erläuterung zur entsprechenden Regelung im Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages vom 1. Januar 2008 vom 6. Dezember 2006 (vgl. etwa LT-Drs. BW 14/1930, S. 39). Zu § 9 Abs. 6, dessen Formulierung, soweit hier von Bedeutung, § 9 Abs. 7 des Glücksspielstaatsvertrages in der Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland entspricht, wird dort ausgeführt, die Glücksspielaufsicht dürfe nicht durch eine Behörde ausgeübt werden, die für die Finanzen des Landes zuständig sei. Damit werde einer Forderung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, wonach der Gesetzgeber die Einhaltung der Anforderungen des Spielerschutzes und der Suchtbekämpfung durch geeignete Kontrollinstanzen sicherzustellen habe, die eine ausreichende Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates aufweisen müssten.
Die Parteien des Staatsvertrages wollten mit der Vorschrift also sicherstellen, dass stets eine organisatorische Distanz zwischen der Behörde, die die Aufgabe der Glücksspielaufsicht wahrnimmt, und der Behörde, die für die fiskalischen Interessen des Staates zuständig ist, besteht. Das gilt unabhängig davon, ob die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine solche Distanz nur in Fallgestaltungen fordert, in denen Interessenkonflikte tatsächlich auch entstehen können, weil die für Glücksspielaufsicht zuständige Behörde gleichzeitig für die Betreuung staatlich organisierten Glücksspiels und für die Beaufsichtigung damit konkurrierender privater Angebote zuständig ist. Die Vertragsparteien des Glücksspielstaatsvertrages haben die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den zitierten Erläuterungen zufolge ersichtlich weiter verstanden, nämlich im Sinne einer ausnahmslosen Distanz zwischen der jeweils für Glücksspielaufsicht zuständigen Behörde und der Behörde, die für die Wahrung der fiskalischen Interessen eines Landes zuständig ist. Ein Wille, die durch § 9 Abs. 7 GlüStV normierten organisatorischen Inkompatibilitäten nicht über das verfassungsrechtlich Gebotene hinaus zu erstrecken, lässt sich den Erläuterungen dagegen nicht entnehmen. Für eine einschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs des § 9 Abs. 7 GlüStV im Sinne der Argumentation des Beklagten ist danach kein Raum.
Sie wäre selbst nach dem vom Beklagten angenommenen Normzweck nicht erforderlich. Soweit keine konkreten Interessenkonflikte bestehen sollten, wäre die Anwendung der ausnahmslosen Inkompatibilitätsregelung zwar nicht durch den Normzweck geboten, aber auch nicht zweckwidrig. Außerdem widerspräche eine teleologische Reduktion des § 9 Abs. 7 GlüStV, deren Umfang sich erst aus der Prüfung möglicher Interessenkonflikte im konkreten Fall ergäbe, dem rechtsstaatlichen Erfordernis einer eindeutig bestimmten, für jeden Betroffenen erkennbaren Regelung der sachlichen Zuständigkeit für außenwirksame Maßnahmen.
2. Mit der Frage,
ob die Regelung des § 9 Abs. 7 GlüStV nicht aufgrund der landesrechtlichen Regelungen über die Zuständigkeitszuweisung betreffend die Erlaubniserteilung für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotenzial an das für Lotteriewesen zuständige Ministerium nach § 15 Abs. 1 LGlüG zu einer einschränkenden Interpretation des § 9 Abs. 7 GlüStV führt, wobei hier eine Kollisionslage bezüglich von genuinem Landesrecht (LGlüG) und dem Zustimmungsgesetz zum GlüStV vorliegt und ein Vorrang des Landesrechts aus § 15 Abs. 1 GlüStV besteht. Hat damit die Zuständigkeitsregelung in § 15 Abs. 1 GlüStV oder gegebenenfalls auch eine Zuständigkeitseröffnung durch Art. 105 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz in Verbindung mit der Zuständigkeitsübertragung durch die Landesregierung einen Vorrang gegenüber der Regelung des § 9 Abs. 7 GlüStV?
möchte der Beklagte nach den Erläuterungen seiner Beschwerdebegründung geklärt wissen, ob die Regelung des § 9 Abs. 7 GlüStV eine Sperrwirkung gegenüber der auf Art. 105 Abs. 2 Satz 1 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz gestützten Anordnung über die Geschäftsverteilung der Landesregierung Rheinland-Pfalz vom 12. November 2014 (GVBl. S. 295) entfalten kann. Der damit skizzierte Normkonflikt führt nicht auf eine das revisible Recht betreffende Rechtsfrage. Ob die genannte Anordnung sich gegenüber § 9 Abs. 7 GlüStV durchsetzen kann, wäre vielmehr durch Auslegung von Art. 105 Abs. 2 Satz 1 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz - einer nicht revisiblen Norm - zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 6 BN 2.99 - NVwZ-RR 2000, 339 f., juris Rn. 8 f.).
3. Die weitere Frage,
ob die Frage der Klärung der sachlichen Zuständigkeit bei der Anwendung des § 15 LGlüG, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Normen des GlüStV steht, zu dem revisiblen, also vom BVerwG zu überprüfenden Recht gehört und insoweit das BVerwG auf der Grundlage des § 33 GlüStV auch Landesrecht auslegen und anwenden kann,
kann ohne Weiteres auf Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation beantwortet werden. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO können nur solche Rechtsfragen zur Zulassung der Revision führen, die revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO betreffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. August 2002 - 9 B 35.02 - NVwZ-2002, 1505). Dazu gehört § 15 LGlüG nicht. Klärungsbedürftige Fragen zu § 33 GlüStV werden nicht aufgeworfen.
4. Die Frage,
ob ein offensichtlicher Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze der Gesetzesauslegung vorliegt, wenn ein Gericht den klaren Wortlaut einer Zuständigkeitsnorm (Begriff des "für das Lotteriewesen zuständigen Ministeriums") in einer Weise versteht, dass es ja noch einer zusätzlichen gesetzlichen Zuständigkeitsnorm bedarf,
führt noch nicht auf eine revisible Rechtsfrage. Die (angeblich) unrichtige Anwendung allgemeiner Auslegungsgrundsätze auf eine irrevisible Norm würde für sich genommen noch keinen Verstoß gegen revisibles Recht begründen. Voraussetzung dafür wäre vielmehr, dass das Auslegungsergebnis mit revisiblem Recht unvereinbar wäre.
Die darauf zielende weitere Frage,
ob die Auslegung des § 15 Abs. 1 LGlüG, die die Verneinung einer Norm über die sachliche Zuständigkeit zur Folge hat, zu einer Verletzung des Art. 20 Abs. 3 GG und des Art. 3 GG in der Weise geführt hat, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Anwendung von irrevisiblem Landesrecht sich so weit vom zugrunde gelegten Gesetz entfernt hat, dass die Begründung der Entscheidung den Zusammenhang mit der Norm nicht mehr hinreichend erkennen lässt und damit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, auch nicht als richterliche Rechtsfortbildung, verständlich ist,
geht davon aus, dass die Auslegung des irrevisiblen § 15 Abs. 1 LGlüG durch das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Einzelfall mit dem Willkürverbot und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar sei. Sie legt jedoch keinen revisionsrechtlichen Klärungsbedarf bezüglich der genannten Vorschriften des Grundgesetzes dar und kann daher nicht zur Zulassung der Revision führen.
5. Der Beklagte möchte sinngemäß weiter wissen,
ob sich aus dem Grundgedanken des § 3 Abs. 3 VwVfG eine Fortführungsbefugnis der bisher zuständigen Behörde ableiten lässt, die in der Annahme ihrer Zuständigkeit von Anfang an dem Bürger gegenüber mit dessen Einverständnis auch die Interessen aller Bundesländer bei der Erteilung glücksspielrechtlicher Erlaubnisse einschließlich der Zusatzentscheidung wahrgenommen hat?
Die Frage könnte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat weder festgestellt, dass das Ministerium der Finanzen für die Entscheidung des vorliegenden Falles ursprünglich zuständig gewesen ist, noch dass es von Anfang an im Einverständnis des Klägers die Interessen aller Bundesländer gegenüber diesem wahrgenommen hat.
Die von dem Beklagten aufgeworfene Frage lässt sich zudem ohne Weiteres auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation beantworten. § 3 Abs. 3 VwVfG ist auf den vorliegenden Fall weder unmittelbar noch entsprechend - auch nicht dem Grundgedanken nach - anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die nur die örtliche Zuständigkeit betreffende Vorschrift schon nicht entsprechend auf Fälle angewendet werden, in denen eine einmal begründete sachliche Zuständigkeit einer Behörde entfällt. Das Verwaltungsverfahrensgesetz enthält sich einer Normierung von Fragen der sachlichen Zuständigkeit zugunsten anderweitiger Regelungen im Zusammenhang mit dem materiellen Recht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1989 - 6 C 38.88 - BVerwGE 84, 3 <8 f.>).
6. Die vom Beklagten als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage:
Kann ein oberstes Landesgericht, nachdem es in einem früheren Verfahren die sachliche Zuständigkeit einer obersten Landesbehörde bejaht hat, was einer über Jahre hinweg geltenden Rechtslage entsprach, nach Ablauf von mehreren Jahren nunmehr einen gegenteiligen Standpunkt vertreten? Ist es nicht aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und damit aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips (vgl. nur BVerfGE 74, 129 <152> m.w.N., auch BFH, Großer Senat, Beschluss vom 17.12.2007, Drs. 2/04 - BFHE 220, 129 - juris Rn. 98 f.) geboten, für einen Übergangszeitraum an der alten, die Zuständigkeit bejahenden Rechtsprechung festzuhalten, so dass erst nach einem Übergangszeitraum, auf den sich die Beteiligen einrichten können, die neue Bewertung durch die Rechtsprechung mit Wirkung für die Zukunft gilt?
rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Sie würde sich in einem Revisionsverfahren schon nicht stellen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat eine solche Fallgestaltung gerade nicht festgestellt, sondern ausgeführt, dass sich aus seiner von dem Beklagten zitierten Entscheidung vom 21. November 2014 - 6 A 10562/14.OVG - nichts für die sachliche Zuständigkeit des Ministeriums der Finanzen entnehmen lasse. Die formulierte Frage reicht zudem nicht über den vorliegenden Einzelfall hinaus, denn sie möchte der Sache nach lediglich geklärt wissen, ob das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall die Zuständigkeit des Ministeriums der Finanzen für einen Übergangszeitraum aus dem Rechtsstaatsprinzip hätte ableiten müssen. Klärungsbedürftige Fragen zu diesem Prinzip wirft sie nicht auf.
7. Die schließlich aufgeworfene Frage,
ob es treuwidrig ist und damit kein Rechtsschutzinteresse eines Klägers vorliegen kann, wenn dieser erst nach Jahren, nachdem er über Jahre ständig mit der betreffenden Erlaubnisbehörde in Kontakt getreten ist, mit ihr verhandelt hat und positive Erlaubnisbescheide erhalten hat, später die fehlende sachliche Zuständigkeit rügt, wenn es um die Überprüfung eines im Annexwege folgenden Gebührenbescheides geht?,
hat ebenfalls keine fallübergreifende Bedeutung. Der Beklagte möchte damit geklärt wissen, ob das Oberverwaltungsgericht - aus Gründen, die es zudem nicht festgestellt hat - das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers hätte verneinen müssen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist damit nicht dargetan.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG.