BVerwG 8. Senat, Beschluss vom 20.05.2019, 8 BN 1/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 8 BN 1/18 (BVerwG)

vom 20. Mai 2019 (Montag)


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Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit mehrerer Vorschriften der Verordnung des Antragsgegners über erweiterte Ladenöffnungszeiten in Kur- und Erholungsorten, Weltkulturerbestädten sowie in anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr (Bäderverkaufsverordnung - BädVerkVO M-V) vom 11. Dezember 2015 (GVBl. M-V 2015 S. 631 ff.). Die Verordnung wurde laut Präambel aufgrund § 10 Satz 1 des Ladenöffnungsgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 18. Juni 2007 (GVBl. M-V S. 226) in Verbindung mit dem Organisationserlass des Ministerpräsidenten vom 18. November 2011 (ABl. M-V S. 1066), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 25. September 2014 (ABl. M-V S. 1086), durch das Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus des Antragsgegners im Einvernehmen mit dessen Justizministerium erlassen. Auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht die Verordnung mit Ausnahme des § 6 (Ordnungswidrigkeiten/Beschäftigtenschutzregelungen) für unwirksam erklärt und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

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Die dagegen eingelegte Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

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Die Beschwerdebegründung bezeichnet keine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme (zu diesen Kriterien vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

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Die von ihr aufgeworfene Frage,

ob das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO entfällt, wenn ein Antragsteller eine nahezu identische Norm in einem anderen Bundesland nicht nur nicht angreift, sondern im Rahmen einer über 5 Jahre laufenden Vereinbarung mit dem Normgeber diese Norm als noch rechtmäßig akzeptiert?,

bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie ohne Weiteres anhand des Gesetzes unter Berücksichtigung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung - verneinend - zu beantworten ist. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag entfällt, wenn der Antragsteller sein Rechtsschutzziel entweder auf anderem Wege einfacher und mindestens ebenso gut erreichen kann, oder wenn eine antragsgemäße Entscheidung seine Rechtsposition nicht verbessern könnte. Beides trifft in dem mit der Frage umschriebenen Fall nicht zu. Das Rechtsschutzbedürfnis wäre in einem solchen Fall auch nicht wegen rechtsmissbräuchlicher Antragstellung zu verneinen. Ein Rechtsmissbrauch könnte vorliegen, wenn der Antragsteller sich in einem Normenkontrollverfahren wegen einer Norm des Antragsgegners in einer Weise verhielte, die seinem früheren - vorprozessualen oder prozessualen - Verhalten betreffend denselben Streitgegenstand widerspräche (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2000 - 4 BN 54.00 - juris Rn. 4 m.w.N.). Ein solcher Sachverhalt wird mit der aufgeworfenen Frage aber nicht bezeichnet. Sie stellt dem Vorgehen des Antragstellers im Normenkontrollverfahren kein widersprüchliches Verhalten im Rechtsverhältnis zum selben Antragsgegner gegenüber, sondern zieht Vergleiche zum Verhalten gegenüber einem Dritten, das von diesem erlassene, mit den verfahrensgegenständlichen Vorschriften überdies nicht völlig inhaltsgleiche Regelungen betrifft. Eine darüber hinausgehende Obliegenheit, sämtliche für unwirksam gehaltene ähnliche Regelungen gleich welchen Normgebers parallel anzugreifen, lässt sich dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprechend § 242 BGB nicht entnehmen. Vielmehr steht es jedem von verschiedenen Normen Betroffenen frei zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche dieser Vorschriften er in einem Normenkontrollverfahren zur Überprüfung stellen will. Für eine prozessrechtliche Verpflichtung des Normbetroffenen zur Gleichbehandlung von Normgebern, die sogar über deren Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG hinausginge, gibt es keine rechtliche Grundlage.

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Die weiter gestellte Frage,

ob ein Normgeber einer Verordnung gegen das im Grundgesetz bzw. einer Landesverfassung verankerte Zitiergebot verstößt, wenn er die ermächtigende Einzelvorschrift aus dem Gesetz nicht zitiert, aus der sich die Zuständigkeit einer das Einvernehmen mit der Verordnung erklärenden anderen Behörde ergibt, wenn tatsächlich die andere, richtige Behörde gehandelt hat?,

betrifft, soweit sie sich auf das landesverfassungsrechtliche Zitiergebot bezieht, kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). In Bezug auf das Zitiergebot des Grundgesetzes (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG) würde sich die Frage im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Oberverwaltungsgericht diese Norm nicht angewendet hat.

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Wie die Beschwerdebegründung einräumt, hat es die Unwirksamkeit der für nichtig erklärten Vorschriften allein auf einen Verstoß gegen Art. 57 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern gestützt. Eine entscheidungstragende Anwendung des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ergibt sich nicht schon daraus, dass die einschlägige bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung als Auslegungshilfe bei der Interpretation der landesverfassungsrechtlichen Vorschrift herangezogen wurde. Eine Anwendung von Bundesrecht läge nur vor, wenn das Oberverwaltungsgericht angenommen hätte, durch Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG zu einer mit dieser Regelung übereinstimmenden Auslegung des landesverfassungsrechtlichen Zitiergebots verpflichtet zu sein (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Januar 2003 - 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313 <317> und vom 7. Dezember 2006 - 4 C 16.04 - BVerwGE 127, 208 Rn. 13). Das zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Es ergibt sich auch nicht aus den von ihr bezeichneten Urteilserwägungen.

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Das Oberverwaltungsgericht leitet den Regelungsgehalt des landesverfassungsrechtlichen Zitiergebots daraus her, dass - auch - die Landesverfassung ein "gewaltenteilende[s] System" errichtet und dass ihr Art. 57 Abs. 1 Satz 3 - ebenso wie Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG - dazu dient, den Ermächtigungsrahmen einer Verordnung offenzulegen. Damit geht es von einer Parallelität der Regelungsinhalte aus, die auf die Vergleichbarkeit der verfassungsrechtlichen Systeme und nicht auf die Annahme gestützt wird, Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verpflichte zu einer dieser Vorschrift entsprechenden Auslegung des landesverfassungsrechtlichen Zitiergebots. Auch die Rechtsfolge einer Verletzung des Art. 57 Abs. 1 Satz 3 der Landesverfassung entwickelt das Oberverwaltungsgericht nicht aus einer Annahme bundesverfassungsrechtlicher Vorgaben, sondern aus dem Zweck der landesrechtlichen Bestimmung und aus allgemeinen Regeln der Normgeltung. Deren Gültigkeit bejaht es für das Landesrecht ebenso wie für das Bundesrecht, allerdings wiederum nur im Sinne einer parallelen Geltung und nicht aufgrund der Erwägung, bundesverfassungsrechtlich zu einer landesrechtlichen Geltungsannahme verpflichtet zu sein.

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Selbst wenn die Vorinstanz Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG als rechtlichen Maßstab für die Auslegung des Landesrechts herangezogen hätte, wären die Anforderungen an die substantiierte Darlegung einer fallübergreifenden, grundsätzlichen Bedeutung für eine nicht überschaubare Vielzahl von Fällen nicht erfüllt. Die Beschwerdebegründung legt dafür nichts dar, sondern konzentriert sich auf das verfahrensgegenständliche Versäumnis, eine die zitierte gesetzliche Ermächtigung modifizierende, die Zuständigkeit für die vorbehaltene Zustimmung ändernde gesetzliche Regelung mit aufzuführen.

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Davon unabhängig bedürfte die aufgeworfene Frage auch keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie ohne Weiteres nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG zu bejahen wäre. Nach dem Regelungszweck des Zitiergebots, eine Überprüfung der Befugnis des Verordnungsgebers zum Erlass der Regelung zu ermöglichen, kann es für dessen Verletzung nur auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Ermächtigungszitate ankommen, nicht jedoch darauf, ob eine bei der Normsetzung mitwirkende, nach den zitierten Regelungen unzuständige Behörde tatsächlich zuständig war (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF 3/90 - BVerfGE 101, 1 <42>).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.