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Die Klägerin betreibt als anerkannte freie Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe unter anderem Wohngruppen, in denen regelmäßig jeweils sechs Kinder und Jugendliche von drei Erziehern betreut werden. Im Rahmen der hierbei praktizierten alternierenden Betreuung (WaB-Modell) wohnt abwechselnd jeweils einer der Erzieher für zwei bis sieben Tage durchgehend in der Wohngruppe. Der zweite Erzieher hat tagsüber Dienst; der dritte Erzieher hat frei. Die Klägerin erstellt für die Erzieher individuelle monatliche Dienstpläne, aus denen sich die täglichen Arbeitszeiten ergeben.
Zwischen der Klägerin und anderen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe einerseits und dem Beklagten andererseits ist seit geraumer Zeit streitig, ob das Arbeitszeitgesetz auf die in WaB-Gruppen tätigen Erzieher Anwendung findet. Mit Bescheid vom 8. Januar 2014 gab der Beklagte der Klägerin unter anderem auf, die Dienstpläne der Erzieher so zu gestalten, dass die tägliche Arbeitszeit von maximal zehn Stunden nicht überschritten werde und die gesetzlichen Ruhezeiten eingehalten würden; ferner seien die Dienstpläne nach ihrer Erstellung dem Beklagten vorzulegen. Widerspruch und Klage gegen diese Anordnungen hatten keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat auch die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage der getroffenen Anordnungen sei § 17 Abs. 2 ArbZG. Dem stehe § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG nicht entgegen, denn eine Anwendung dieser Ausnahmeregelung auf das von der Klägerin praktizierte Modell sei mit Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht vereinbar. Die Tätigkeit der bei der Klägerin im WaB-Modell tätigen Erzieher weise nicht die in Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vorausgesetzten besonderen Merkmale auf, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs konkretisiert worden seien. Die Tätigkeit der Erzieher sei im Hinblick auf die von der Klägerin erstellten Dienstpläne sowohl im Voraus festgelegt als auch messbar. Ferner sei sie nicht frei bestimmbar, da die während der Dienstzeiten auftretenden Phasen der Untätigkeit gleichwohl als Arbeitszeit zu qualifizieren seien. Eine auf § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG beruhende Ausnahme sei auch nicht von Art. 17 Abs. 2 und 3 Buchst. b und c der Richtlinie 2003/88/EG gedeckt. Diese Tatbestände eröffneten keine Abweichungsmöglichkeiten von den Bestimmungen über die wöchentliche Höchstarbeitszeit, die in den Wohngruppen der Klägerin regelmäßig überschritten werde. Zudem wären solche Abweichungen nur auf der Grundlage von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern möglich, die hier nicht vorlägen. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 ArbZG seien erfüllt. Der Beklagte habe das ihm von der Vorschrift eröffnete Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Er sei in Anbetracht der hier vorliegenden Verstöße auch gegen Unionsrecht grundsätzlich verpflichtet gewesen, Gefahrenabwehrmaßnahmen zu ergreifen. Besondere Gründe, gleichwohl von einem Einschreiten abzusehen, lägen nicht vor.
Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, das Berufungsurteil leide an mehreren Verfahrensfehlern. Das Berufungsgericht habe außerdem den Regelungsgehalt von § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG verkannt. Die Erzieher in den WaB-Gruppen erfüllten die Voraussetzungen dieser Vorschrift, deren Anwendung durch das Unionsrecht nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern geboten sei. Der angefochtene Bescheid enthalte keine ausreichende Begründung und sei ermessensfehlerhaft.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. November 2017 in der Fassung der beiden Berichtigungsbeschlüsse vom 16. Februar 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. März 2015 zu ändern und Nr. 1 Buchst. a und b sowie Nr. 2 des Bescheides des Beklagten vom 8. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt. Er schließt sich der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts und des Beklagten an und führt aus, die Intention des historischen Gesetzgebers stehe der Anwendbarkeit des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG auf die in den WaB-Gruppen tätigen Erzieher entgegen.
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil steht überwiegend mit revisiblem Recht im Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO). Soweit es gegen Bundesrecht verstößt, erweist es sich aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170, 1171), zuletzt geändert durch Art. 12a des Gesetzes vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500, 2512) auf die in den WaB-Gruppen beschäftigten Erzieher nicht nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG ausgeschlossen ist (1.). Ferner hat es die angefochtenen Anordnungen ohne Verstoß gegen Bundesrecht auf § 17 Abs. 2 ArbZG gestützt und im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Beklagte das ihm von dieser Vorschrift eröffnete Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat (2.). Die Verfahrensrügen greifen nicht durch (3.).
1. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG ist das Arbeitszeitgesetz nicht anzuwenden auf Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen. Hier fehlt es schon am Merkmal des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft, so dass es auf die Frage, ob die Tätigkeit der Erzieher als eigenverantwortlich anzusehen ist, nicht ankommt.
a) Ein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft setzt ein gemeinsames Wohnen und Wirtschaften auf längere Zeit voraus, das auf personelle Kontinuität sowie nahezu permanente Verfügbarkeit des Arbeitnehmers angelegt und davon geprägt ist, dass sich Arbeits- und Ruhezeiten nicht voneinander trennen lassen.
Dieses Verständnis folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm. Der Begriff des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft enthält zum einen den räumlich-gegenständlichen Aspekt des gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens. Zum anderen erfordert das Tatbestandsmerkmal mit den Begriffen des Zusammenlebens und der Gemeinschaft in zeitlicher und personeller Hinsicht eine nicht unbeträchtliche Stetigkeit und Dauerhaftigkeit.
Mit der dargestellten Interpretation wird dem Willen des Gesetzgebers entsprochen. Das Arbeitszeitgesetz soll dann keine Anwendung finden, wenn die besonderen Lebens- und Arbeitsbedingungen bestimmter Arbeitnehmer die durch das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht vorgeschriebene Unterscheidung zwischen Freizeit und Arbeit nicht zulassen (vgl. BT-Drs. 12/6990 S. 44). Eine solche Unterscheidung ist dann nicht möglich, wenn das Arbeitsverhältnis von nahezu permanenter Verfügbarkeit des Arbeitnehmers geprägt ist. Ist das hingegen nicht der Fall und wechseln sich Arbeits- und Ruhephasen ab, liegen keine besonderen Lebens- und Arbeitsbedingungen vor, die nach der Absicht des Gesetzgebers zur Unanwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes führen sollen.
Systematische und teleologische Erwägungen stützen dieses Ergebnis. Die vier in § 18 Abs. 1 ArbZG genannten Personengruppen zeichnen überwiegend die Vorgaben in Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 S. 9) nach (Wank, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Aufl. 2019, § 18 ArbZG Rn. 1). Hieraus wird die unionsrechtliche Prägung der nationalen Norm deutlich. Sie ist für die Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers maßgeblich, weil das einschlägige Unionsrecht für das nationale Recht das maßgebliche Regelwerk darstellt (BT-Drs. 15/1587 S. 29).
Das Arbeitszeitgesetz dient der Umsetzung des europäischen Arbeitszeitrechts - der Richtlinie 2003/88/EG und der vorangegangenen Richtlinie 93/104/EG - (BT-Drs. 15/1587 S. 29) und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Das gilt auch für die hier in Rede stehenden Ausnahmen von der Anwendung des Arbeitszeitrechts, die mit Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG in Einklang stehen müssen. Danach können die Mitgliedstaaten von den Schutzbestimmungen der Richtlinie abweichen, wenn die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann. Damit sind - wie es der nationale Gesetzgeber auch aufgegriffen hat - "besondere" Eigenschaften der in Rede stehenden Tätigkeit für eine Ausnahme vom Arbeitszeitrecht erforderlich.
Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass eine an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG orientierte Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG zur Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes auf die in den WaB-Gruppen tätigen Bediensteten der Klägerin führt. Nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs muss die in Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vorgesehene Abweichung so ausgelegt werden, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglicht, unbedingt Erforderliche begrenzt wird; außerdem gilt Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG lediglich für Arbeitnehmer, deren gesamte Arbeitszeit (und nicht nur ein Teil hiervon) wegen der besonderen Merkmale die in der Norm genannten Besonderheiten aufweist (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02 [ECLI:EU:C:2003:437], Jaeger - Rn. 89, vom 14. Oktober 2010 - C-428/09 [ECLI:EU:C:2010:612], Union syndicale Solidaires Isère - Rn. 40 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16 [ECLI:EU:C:2017:617], Hälvä - Rn. 31 f.). Die an Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG anknüpfende nationale Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG ist daher ebenfalls eng auszulegen und findet nur dann Anwendung, wenn ihre Voraussetzungen im Hinblick auf die gesamte in Rede stehende Arbeitszeit gegeben sind. Dies lässt die Annahme eines Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft nur dann zu, wenn es wegen des dauerhaften gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens und der nahezu permanenten Verfügbarkeit des Arbeitnehmers nicht möglich ist, Phasen der Arbeit einerseits und Zeiträume der Ruhe und Freizeit andererseits - die durch das Arbeitszeitrecht gerade gewährleistet werden sollen - voneinander abzugrenzen.
Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2003/88/EG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 183 S. 1) vom Anwendungsbereich der zuerst genannten Richtlinie ausgenommene "spezifische" Tätigkeit ebenfalls nur bei Vorliegen bestimmter Besonderheiten gegeben ist. Diese Ausnahme setzt Umstände außerordentlicher Schwere und außerordentlichen Umfangs voraus. Sie sind - im hier interessierenden Bereich der Betreuung von Kindern und Jugendlichen - dann zu bejahen, wenn Pflegeeltern ein Kind "durchgängig und auf lange Zeit angelegt in ihrem Haushalt und in ihrer Familie betreuen" und wegen dieser Eingliederung in den eigenen Haushalt keine Festlegung der Arbeitszeit erfolgt (EuGH, Urteil vom 20. November 2018 - C-147/17 [ECLI:EU:C:2018:926], Sindicatul Familia Constanţa - Rn. 67, 74, 77). Auch aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass nur eine auf Kontinuität und Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft im dargestellten Sinne die Anwendung des europäischen Arbeitszeitrechts ausschließt.
Dieses Normverständnis verstößt nicht gegen Art. 24 Abs. 2 der Europäischen Grundrechtecharta (GRC). Danach muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen das Kindeswohl eine vorrangige Erwägung sein. § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG verletzt diese unionsrechtliche Vorgabe nicht. Insoweit darf allerdings nicht die einzelne Vorschrift isoliert in den Blick genommen werden. Vielmehr bedarf es einer Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs, in den die Norm gestellt ist. Zutreffend hat das Berufungsgericht daher angenommen, dass der nationale Gesetzgeber nicht nur dem von Art. 24 Abs. 2 GRC geschützten Rechtsgut des Kindeswohls, sondern ebenso weiteren Gewährleistungen der Grundrechtecharta Rechnung zu tragen hat. Hierzu gehört insbesondere das von Art. 31 Abs. 2 GRC garantierte Recht jeder Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.
Gemessen hieran ist Art. 24 Abs. 2 GRC nicht verletzt. Den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und daher den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts lassen sich schon keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Kindeswohl durch das dargestellte Verständnis des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG berührt sein könnte. Sollten Rechtspositionen der betreuten Kinder und Jugendlichen hiervon betroffen sein, folgt hieraus keine Verletzung des Art. 24 Abs. 2 GRC. Vielmehr hat der Gesetzgeber deren Grundrechtsposition mit dem kollidierenden Grundrechtsschutz der betroffenen Arbeitnehmer gemäß Art. 31 Abs. 2 GRC zu einem wechselseitigen, beiderseits verhältnismäßigen Ausgleich gebracht. Denn § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG konkretisiert den aus Art. 31 Abs. 2 GRC folgenden Anspruch der Arbeitnehmer auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten. Etwaigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die aus den damit unionsrechtlich notwendigen Beschränkungen der Arbeitszeit folgen könnten, hat der Gesetzgeber bereits dadurch vorgebeugt, dass er in § 5 Abs. 3 ArbZG und insbesondere in § 7 ArbZG Abweichungen von den Regelungen über die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeit zugelassen hat.
Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es zur Beantwortung der Fragen des Unionsrechts, die sich im vorliegenden Fall stellen, keiner Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV. Die Pflicht zu einer solchen Vorlage besteht für ein letztinstanzliches nationales Gericht unter anderem dann nicht, wenn die Frage bereits durch den Gerichtshof geklärt ist oder wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2015 - C-160/14 [ECLI:EU:C:2015:565], Ferreira da Silva e Brito - Rn. 38). So liegt es hier. Der Gerichtshof hat Art. 17 der Richtlinie 2003/88/EG in mehreren Entscheidungen (insbesondere in den Urteilen vom 14. Oktober 2010 - C-428/09 - und vom 26. Juli 2017 - C-175/16 -) ausgelegt und dessen Regelungsgehalt damit geklärt. Diesen Urteilen lässt sich auch kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die daran anknüpfende Interpretation des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG gegen Art. 24 Abs. 2 GRC verstoßen könnte, zumal der Gerichtshof in den zitierten und weiteren Fällen mit Sachverhalten befasst war, die die Betreuung von Kindern und Jugendlichen zum Gegenstand hatten. Es bestehen daher keine vernünftigen Zweifel daran, dass das dargestellte Verständnis des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG dem Unionsrecht entspricht.
b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Anwendung des Arbeitszeitgesetzes auf das WaB-Modell nicht nach Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2003/88/EG ausgeschlossen ist. Insoweit fehlt es bereits an einer Grundlage im nationalen Recht, da Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG Abweichungen nur im Weg von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen von Sozialpartnern zulässt. Derartige Regelungen existieren nicht. Zudem ermöglicht Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG - auch in den Fällen des Absatzes 3 dieser Vorschrift - Abweichungen nur unter der Voraussetzung, dass die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in bestimmten Ausnahmefällen einen angemessenen Schutz erhalten. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gebunden ist, nicht erfüllt.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG nicht gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese Norm verbietet grundrechtseinschränkende Gesetze, die nicht allgemein sind, sondern nur für den Einzelfall gelten. Die Anforderung, dass das Gesetz allgemein zu sein hat, ist dann erfüllt, wenn sich wegen der abstrakten Fassung der gesetzlichen Tatbestände nicht absehen lässt, auf wie viele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet, wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolgen möglich ist. Dass der Gesetzgeber konkrete Fälle zum Anlass seiner Regelung nimmt, verleiht dieser nicht den Charakter eines Einzelfallgesetzes, wenn sie nach Art der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet ist, unbestimmt viele weitere Fälle zu regeln (BVerfG, Urteil vom 2. März 1999 - 1 BvL 2/91 - BVerfGE 99, 367 <400>). So verhält es sich hier. § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG trifft keine Regelung, deren Rechtsfolgen nur einmal eintreten könnten, sondern ist - unabhängig von dem konkreten Anlass für die Norm (vgl. dazu BT-Drs. 12/6990 S. 44) - abstrakt formuliert.
d) Das Arbeitszeitgesetz ist damit auf die in den Wohngruppen mit alternierender Betreuung tätigen Bediensteten der Klägerin anwendbar. Die Klägerin erstellt nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts individuelle Dienstpläne, aus denen sich die täglichen Arbeitszeiten der Erzieher ergeben. Deren Tätigkeit ist daher nicht davon geprägt, dass sich Arbeits- und Ruhezeiten nicht voneinander trennen ließen. Sie ist ferner nicht auf personelle Kontinuität und nahezu permanente Verfügbarkeit des einzelnen Erziehers angelegt, da dessen jeweiliger durchgehender Verbleib in den Wohngruppen auf Phasen von zwei bis sieben Tagen beschränkt ist.
2. a) Revisionsrechtlich fehlerfrei hat das Berufungsgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 ArbZG bejaht. Die Klägerin verstößt mit dem von ihr praktizierten WaB-Modell kontinuierlich gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Höchstarbeitszeit und Ruhepausen (§§ 3 ff. ArbZG). Das ist unter den Beteiligten auch nicht streitig. Die angefochtenen Anordnungen sind daher zur Erfüllung der sich aus dem Arbeitszeitgesetz ergebenden Verpflichtungen, die die Klägerin aufgrund ihres abweichenden Rechtsstandpunktes zu dessen Anwendbarkeit nicht einhält, erforderlich.
b) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, § 17 Abs. 2 ArbZG eröffne der zuständigen Behörde auf der Rechtsfolgenseite ein so genanntes intendiertes Ermessen, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Das wäre nur dann der Fall, wenn § 17 Abs. 2 ArbZG dahin auszulegen wäre, dass die Behörde bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm im Regelfall einzuschreiten hätte und eine gegenteilige Entscheidung nur beim Vorliegen besonderer Gründe gerechtfertigt wäre (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Juli 1985 - 8 C 22.83 - BVerwGE 72, 1 <6> und vom 16. Juni 1997 - 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <57>). Ein derartiger Regelungsgehalt ist § 17 Abs. 2 ArbZG nicht beizumessen.
Hiergegen spricht bereits der Wortlaut der Norm, bei der es sich um eine Generalklausel ohne Einschränkung des behördlichen Handlungsspielraums handelt. Ein Anhaltspunkt dafür, dass § 17 Abs. 2 ArbZG ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde im Regelfall vorsieht, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr wird die Aufsichtsbehörde ermächtigt, die "erforderlichen" Maßnahmen anzuordnen; diese an eine der Prüfungsstufen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angelehnte Formulierung deutet darauf hin, dass die Norm auch ein ermessensfehlerfreies Absehen von behördlichem Einschreiten zulässt.
Nichts anderes folgt aus der Entstehungsgeschichte. Mit dem Inkrafttreten des Arbeitszeitgesetzes wurde die bis dahin geltende Vorschrift über die Arbeitsaufsicht und die Behördenzuständigkeit in § 27 der Arbeitszeitordnung (ArbZO) durch § 17 ArbZG abgelöst. Nach § 27 Abs. 3 ArbZO fanden auf die Befugnisse und Obliegenheiten der Aufsichtsbehörden die Vorschriften in § 139b GewO Anwendung, so dass diesen Behörden alle amtlichen Befugnisse der Ortspolizeibehörden zustanden (§ 139b Abs. 1 Satz 2 GewO). Ihnen war daher in Anwendung der polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklauseln (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1989 - 1 C 3.87 - Buchholz 451.23 Arbeitszeitrecht Nr. 7 S. 8 f.; Wiebauer, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand Januar 2019, § 139b Rn. 10) für ihre Maßnahmen ein pflichtgemäßes - und kein intendiertes - Ermessen eröffnet. Hieran hat die Ersetzung des § 27 ArbZO durch § 17 ArbZG nichts geändert. Den Gesetzesmaterialien zu § 17 Abs. 2 ArbZG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Vorgängerregelung in § 27 ArbZO weitgehend übernehmen (BT-Drs. 12/5888 S. 32) und dabei gerade keine Änderung auf der Rechtsfolgenseite herbeiführen wollte.
Systematische Gesichtspunkte, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten, lassen sich dem Arbeitszeitgesetz nicht entnehmen. Angesichts der Formulierung der Norm als Generalklausel ist schließlich ihre Zielrichtung darin zu sehen, der Behörde auf Rechtsfolgenseite umfängliche Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen und - etwa bei geringfügigen Verstößen oder auch bei freiwilliger Herstellung rechtmäßiger Zustände aufgrund behördlicher Hinweise - ein Absehen von Maßnahmen mit Regelungswirkung zuzulassen, ohne dass der Entscheidungsspielraum auf eine grundsätzliche Obliegenheit zum Einschreiten eingeengt wäre.
c) Die Revision hat gleichwohl keinen Erfolg, denn das Berufungsurteil erweist sich aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die mangels durchgreifender Verfahrensrügen nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen. Der Beklagte hat das ihm eröffnete Ermessen erkannt und ordnungsgemäß (§ 40 VwVfG, § 114 Satz 1 VwGO) ausgeübt. Er hat - anknüpfend an die zahlreichen Verstöße der Klägerin gegen das Arbeitszeitgesetz - ausgeführt, dass eine einvernehmliche Lösung unter den Beteiligten gescheitert sei. Angesichts des Schutzzieles des Arbeitszeitgesetzes, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten, sei eine Anordnung nach § 17 Abs. 2 ArbZG geboten. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Dass der Beklagte nur gegen die Klägerin eingeschritten ist, nicht aber gegen andere Träger der Kinder- und Jugendhilfe, beruht auf einer Absprache zwischen den Beteiligten, die eine Klärung der Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG im Rahmen eines gerichtlichen Pilotverfahrens zum Gegenstand hatte, und führt schon deshalb nicht auf einen Ermessensfehler. Den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich ferner nicht entnehmen, dass die Anordnungen des Beklagten Auswirkungen auf das Wohl der in den Einrichtungen der Klägerin betreuten Kinder und Jugendlichen hätte, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen gewesen wären. Die angefochtene Verfügung steht schließlich auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einklang.
3. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.