BSG, Beschluss vom 05.02.2019, B 11 AL 36/18 B

Das Urteil unter dem Aktenzeichen B 11 AL 36/18 B (BSG)

vom 5. Februar 2019 (Dienstag)


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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

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I. Bei dem im Jahre 1982 geborenen Kläger besteht seit Geburt eine schwere cerebrale Bewegungsstörung mit erheblichen motorischen Einschränkungen der oberen und unteren Extremitäten. Eine im April 2011 beantragte Kostenübernahme für einen Werkstattplatz in der E-Werkstatt in Hamburg-F , sowie ein spezielles Computerprogramm und Erstattung von Taxikosten lehnte die Beklagte ab, weil es sich bei dieser Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) anders als bei der von ihr vorgeschlagenen WfbM Ei nicht um eine auf schwerstbehinderte Menschen spezialisierte Einrichtung handele, dort erst ein geeigneter Arbeits- und Ausbildungsplatz geschaffen werden müsse und zusätzliche Fahrtkosten anfielen. Nach klageabweisendem Gerichtsbescheid vom 2.9.2014 hat die Beklagte dem Kläger im Berufungsverfahren auf der Grundlage einer Eingliederungsvereinbarung vom 7.2.2017 während des Berufungsverfahrens Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für ein Eingangsverfahren im Lebenshilfewerk E gGmbH in Sch (Schleswig-Holstein) bewilligt. Die Maßnahme beendete der Kläger auf eigenen Wunsch Ende Mai 2017. Hierzu hat er vorgetragen, die Maßnahme sei nicht geeignet gewesen. Er begehre nach wie vor die Zuweisung zu einer Behindertenwerkstatt der E-Werkstätten, allerdings zu dem Standort in Hamburg A (Betrieb E West).

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Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 18.5.2018). Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vom 18.5.2018 gestellten Antrags verfolge der Kläger die Zuweisung in die WfbM Betrieb E Nord ausdrücklich weiter. Allerdings hätten sich die ablehnenden Bescheide erledigt, weil er die ursprünglich favorisierte Aufnahme in die WfbM Betrieb E Nord nach der Beweisaufnahme vom 23.11.2016 nicht mehr weiterverfolgt habe und sich durch den Abschluss der einvernehmlichen Eingliederungsvereinbarung mit der Aufnahme in den Eingangsbereich der WfbM Lebenshilfewerk E gGmbH in Sch einverstanden erklärt habe. Das daneben seit Juni 2017 verfolgte Begehren auf Zuweisung in die WfbM Betrieb E West sei weder nach § 96 SGG noch nach § 99 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Die Voraussetzungen einer Klageänderung lägen nicht vor, weil eine solche nicht sachdienlich sei und die Beklagte widersprochen habe.

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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger einen Verfahrensmangel.

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II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig, weil er den allein geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) einer Verletzung des § 123 SGG nicht hinreichend bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

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Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht habe den Klageantrag zu seinem Nachteil ausgelegt. Er habe im Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren begehrt, nicht in die von der Beklagten vorgeschlagene WfbM in Schleswig-Holstein, sondern in die WfbM Betrieb E Nord in Hamburg-F, zugewiesen zu werden. Dort könne er besser gefördert werden, weshalb er von seinem Wahlrecht als Behinderter Gebrauch gemacht habe. Innerhalb des WfbM Betriebs E Nord sei es zu organisatorischen Änderungen gekommen, weshalb die Maßnahme nunmehr von der WfbM Betrieb E West angeboten werde. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich der zugrunde liegende Bescheid hierdurch erledigt habe. Das Berufungsgericht habe seinen Klageantrag nach der zugrunde liegenden Interessenlage auslegen und berücksichtigen müssen, dass es bei organisatorisch nicht mit der Beklagten verbundenen Leistungsanbietern häufiger zu organisatorischen Änderungen komme. Ausdrücklich habe er keine Versorgung mit einer WfbM in Schleswig-Holstein, sondern eine solche in Hamburg begehrt. Das LSG verletze sein rechtliches Gehör, wenn es keine Klageauslegung zu seinen Gunsten ermögliche. Durch den Abschluss einer einvernehmlichen Eingliederungsvereinbarung habe er sich auch nicht von seinem Klagebegehren gelöst, sondern nur einer befristeten Aufnahme in die WfbM Lebenshilfewerk E gGmbH in Sch zugestimmt. Das Berufungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass eine sachdienliche Klageänderung nicht vorliege.

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Eine Verletzung des § 123 SGG (zu einem solchen Verfahrensmangel vgl BSG vom 29.3.2001 - B 7 AL 214/00 B - SozR 3-1500 § 123 Nr 1) zeigt der Kläger mit diesem Vortrag nicht in schlüssiger Weise auf. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Hieraus ergibt sich, dass sich die Bindung des Gerichts auf den erhobenen Anspruch (sog Klagebegehren) bezieht. In seiner Beschwerdebegründung hat der Kläger lediglich behauptet, dass die von ihm favorisierte Maßnahme nunmehr von der WfbM E West angeboten werde. Er hat jedoch schon nicht dargetan, welche konkreten Anträge er vor diesem Hintergrund zum Schluss des Berufungsverfahrens verfolgt hat und warum die zumindest hilfsweise Beantragung der Zuweisung in eine Maßnahme dieses Trägers unterblieben ist (vgl zu den Anforderungen an die Bezeichnung des Verfahrensmangels einer Verletzung des § 123 SGG: BSG vom 20.9.2016 - B 13 R 207/16 B - juris RdNr 7 mwN). Insofern hätte der Kläger die Inhalte der jeweiligen Maßnahmen in den unterschiedlichen WfbM-Betrieben auch vor dem Hintergrund des Zeitablaufs und der von ihm selbst angeführten organisatorischen und inhaltlichen Änderungen substantiiert darlegen müssen. Nur mit einem Tatsachenvortrag zur Ausgestaltung der Maßnahmen hätte er dazu vortragen können, dass entgegen den Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Klageänderung iS des § 99 Abs 3 SGG vorgelegen hat und dass ein Vorverfahren hinsichtlich der erst im Verlaufe des Berufungsverfahrens begehrten Maßnahme bei der WfbM E West entbehrlich war. Zugleich fehlt es an einem ausreichenden Vortrag dazu, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Mangel beruhen kann (BSG vom 7.12.2017 - B 5 R 176/17 B - juris RdNr 8).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.