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Vertragsarzt - Entziehung der Zulassung - Verletzung der Fortbildungspflicht - Nachweis einer ausreichenden fachlichen Fortbildung - gröbliche Pflichtverletzung
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. August 2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7336 Euro festgesetzt.
I. Umstritten ist die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen Verletzung der Fortbildungspflicht.
Der 1942 geborene Kläger ist als Psychologischer Psychotherapeut im Bezirk der zu 1. beigeladenen KÄV zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Nachdem er bis zum 30.6.2009 keinen Nachweis über eine ausreichende fachliche Fortbildung nach § 95d SGB V erbracht hatte, kürzte die zu 1. beigeladene KÄV sein Honorar zunächst um 10 %, sodann um 25 %. Unter Hinweis auf ein mögliches Zulassungsentziehungsverfahren gab sie dem Kläger mit Schreiben vom 10.3.2011 und 18.7.2011 nochmals Gelegenheit, den Nachweis über die Erbringung der notwendigen 250 Fortbildungspunkte bis zum 31.8.2011 vorzulegen. Dem kam der Kläger nicht nach.
Auf Antrag der zu 1. beigeladenen KÄV entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger mit Wirkung vom 23.2.2012 die Zulassung. Der beklagte Berufungsausschuss wies den Widerspruch zurück. Im Klageverfahren ist der Kläger erfolglos geblieben. Im Berufungsverfahren hat der Beklagte nach Hinweis des LSG auf einen möglichen Anhörungsmangel erneut entschieden und die Entziehung der Zulassung bestätigt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Kläger habe trotz Honorarkürzungen seine vertragspsychotherapeutischen Pflichten gröblich verletzt, indem er weder innerhalb des gesetzlich bestimmten Fünfjahreszeitraums noch innerhalb der darauf folgenden zwei Jahre den Nachweis über eine ausreichende fachliche Fortbildung erbracht habe. Unabhängig davon sei ihm die Zulassung auch deshalb zu entziehen, weil er seit mehr als zehn Jahren keine vertragspsychotherapeutische Tätigkeit in nennenswertem Umfang mehr erbracht habe. In den Quartalen IV/2014 bis III/2015 habe er insgesamt nur vier Fälle abgerechnet.
Das LSG ist dem Vorbringen des Klägers nicht gefolgt, er sei seiner Fortbildungsverpflichtung durch eigene Forschungsarbeiten nachgekommen. Der fehlende Nachweis der Erfüllung der Fortbildungspflicht trägt nach Auffassung des LSG die Entscheidung des Beklagten zur Entziehung der Zulassung; auf die Frage, ob die Zulassung auch wegen Nichtausübung der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit entzogen werden könne, komme es nicht an.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie Verfahrensmängel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend. Vorrangig begehrt er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist. Hierzu führt er aus, seine Bevollmächtigte habe die Einlegungs- und Begründungsfrist für das am 14.9.2016 zugestellte Urteil notiert und sich den 14.11.2016 - letzter Tag der Frist - terminfrei gehalten, um die Beschwerde fristgerecht zu begründen. An diesem Tag sei seine Bevollmächtigte erheblich erkrankt und nicht in der Lage gewesen, die Begründung zu fertigen oder die vorgesehene anwaltliche Vertreterin zu bitten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist gewährt werden könnte. Vieles spricht dafür, dass der Fristversäumnis ein Verschulden der Bevollmächtigten zugrunde liegt, das dem Kläger nach § 73 Abs 6 Satz 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO zugerechnet werden müsste. Insbesondere ist fraglich, ob es den Kläger entlastet, dass seine Bevollmächtigte geltend macht, am Tag des Fristablaufs so schwer erkrankt zu sein, dass sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, in ihrem Wohnhaus ein Stockwerk hinunter ins Erdgeschoss zu gehen, um über das Festnetztelefon die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Die Bevollmächtigte des Klägers räumte selbst ein, am Tag des Fristablaufs kein Handy zur Verfügung gehabt zu haben, und macht geltend, wegen der baulichen Situation ihres Hauses - Lehmbau - ohnehin nicht mobil telefonieren zu können. Ob damit hinreichende organisatorische Vorkehrungen für den Fall einer plötzlich auftretenden Erkrankung belegt sind, ist fraglich. Es gehört zu den selbstverständlichen Pflichten eines Einzelanwalts ohne regelmäßig mehr als nur stundenweise tätige Bürokraft, durch die Bereithaltung eines Mobiltelefons dafür zu sorgen, dass er im Falle einer jedenfalls nicht lebensbedrohlichen Erkrankung in der Lage ist, die notwendigen Maßnahmen zu treffen bzw durch die anwaltliche Vertretung treffen zu lassen. Weitere Sachaufklärung insbesondere hinsichtlich der Frage, ob es am nicht näher bezeichneten Wohnort der Bevollmächtigten Gebäude gibt, in denen Mobiltelefonsignale generell nicht empfangen bzw gesendet werden können, ist nicht erforderlich. Die Beschwerde hätte - ihre Zulässigkeit nach Gewährung von Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist unterstellt - keine Aussicht auf Erfolg.
2. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage, ob eine Verletzung der Fortbildungspflicht gemäß § 95d Abs 3 SGB V vorliegt, "wenn eine fortlaufende langjährige, praxisbezogene und prämierte Forschungsarbeit nachgewiesen wird", wäre nicht klärungsbedürftig. Es kommt im Rahmen des § 95d Abs 3 SGB V nicht auf den Nachweis einer "Forschungsarbeit" an, sondern auf den Nachweis einer ausreichenden fachlichen Fortbildung. Dies setzt die Anerkennung der Fortbildung in der vom Gesetz vorgesehenen Form (§ 95d Abs 2 SGB V) voraus. In Bezug auf die vom Kläger verfasste Forschungsarbeit steht aufgrund des vor dem Verwaltungsgericht (VG) gegen die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen geführten Verfahrens rechtskräftig fest, dass der Kläger keinen Anspruch auf Neubewertung dieser - nur mit einem Fortbildungspunkt bewerteten - Forschungsarbeit hat (Urteil des VG Göttingen vom 28.8.2013 - 1 A 116/12 - Juris sowie nachfolgend Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 24.6.2014 - 8 LA 168/13 - Juris).
Nicht klärungsbedürftig ist auch die weitere Rechtsfrage, ob "eine Verletzung der Fortbildungsverpflichtung gemäß § 95d Abs 3 SGB V als gröblich im Sinne des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V anzusehen ist, wenn eine langjährige Forschungsarbeit nachgewiesen wird". Wann eine Pflichtverletzung als "gröblich" anzusehen ist, ist durch die Rechtsprechung des Senats geklärt. Danach ist eine Pflichtverletzung gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist (stRspr, vgl BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2). Davon ist nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des Senats auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, sodass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt bzw Vertragspsychotherapeuten nicht mehr zugemutet werden kann (stRspr des BSG vgl etwa BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BVerfGE 69, 233, 244 = SozR 2200 § 368a Nr 12 S 30). Für die Gröblichkeit der Pflichtverletzung ist entscheidend, welchen Stellenwert die verletzte Pflicht hat und wie schwer der Verstoß unter Berücksichtigung seiner Eigenart wiegt (BSGE 110, 270 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 33). Allein Ausmaß und Schwere der Pflichtverletzung sind Maßstab dafür, ob den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung eine Fortsetzung der Zusammenarbeit zuzumuten ist. Diese Maßstäbe gelten auch dann, wenn der Pflichtverstoß des Vertragsarztes in einer Verletzung der Fortbildungspflicht besteht (Senatsbeschluss vom 11.2.2015 - B 6 KA 37/14 B - RdNr 8 - Juris). Ebenso ist geklärt, dass der Verstoß gegen § 95d Abs 1 und 2 SGB V grundlegende vertragsärztliche Pflichten betrifft (Senatsbeschluss vom 11.2.2015 - B 6 KA 37/14 B - RdNr 10 - Juris) und dass eine gröbliche Pflichtverletzung grundsätzlich kein Verschulden erfordert.
3. Soweit der Kläger rügt, das LSG habe im Zusammenhang mit der im laufenden Berufungsverfahren nachgeholten (erneuten) Entscheidung des beklagten Berufungsausschusses verfahrensrechtliche Pflichten iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG verletzt, ist nicht erkennbar, gegen welche Vorgabe das LSG verstoßen haben könnte. Im Übrigen bezieht sich der Vorwurf des Klägers allein auf den Umstand, dass der Beklagte die Entziehung der Zulassung auch wegen der Nichtausübung der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit durch den Kläger verfügt hat. Darauf hat das LSG seine Entscheidung indessen ausdrücklich nicht gestützt. Verfahrensfehler des LSG iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sind nur solche, die das Verfahren auf dem Weg zur Feststellung der das Urteil im Kern tragenden Erwägungen des Gerichts betreffen. Getragen wird die Entscheidung des LSG von der - zutreffenden - Annahme eines gravierenden Verstoßes des Klägers gegen die Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V. Dazu hat der Kläger keine Verfahrensrügen angebracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm den §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger auch die Kosten des von ihm ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).
Die Feststellung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz vom 24.8.2016, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).