BSG 8. Senat, Urteil vom 28.08.2018, B 8 SO 1/17 R

Das Urteil unter dem Aktenzeichen B 8 SO 1/17 R (BSG)

vom 28. August 2018 (Dienstag)


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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. März 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

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Im Streit sind Ansprüche auf Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe für die Zeit vom 1.7.2013 bis 31.1.2014, die der Beklagte unter Hinweis auf einzusetzendes Vermögen abgelehnt hat.

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Der 1964 geborene Kläger ist als beamteter Studienrat in Vollzeit beschäftigt. Er ist aufgrund einer infantilen Zerebralparese schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und unter Zuerkennung der Nachteilsausgleiche aG, RF und H. Er war im streitbefangenen Zeitraum pflegebedürftig nach der Pflegestufe III gemäß §§ 14, 15 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI; in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung). Die notwendige Pflege und Assistenz rund um die Uhr stellte er durch von ihm beschäftigte Pflege- und Assistenzkräfte sicher. Der beklagte überörtliche Träger der Sozialhilfe gewährte ihm ua für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2010 Leistungen der Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten und zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben sowie der Hilfe zur Pflege für persönliche Assistenten "in der Ausgestaltung als Arbeitgebermodell" (Bescheide vom 16.9.2010 und vom 25.10.2010); ab März 2011 gewährte er solche Leistungen ohne schriftliche Bescheide zu erlassen. Er überwies monatliche "Abschlagszahlungen" in Höhe von 9600 Euro an den Kläger; in der Folge erfolgte in unregelmäßigen Abständen eine endgültige Abrechnung.

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Der Kläger verfügte am 31.12.2012 über Vermögen aus einer Kapitallebensversicherung (Rückkaufswert am 31.3.2012 15 821,84 Euro) sowie einem Bausparvertrag (Guthaben in Höhe von 1754,48 Euro). Nachdem dem Beklagten dies spätestens im Mai 2013 bekannt geworden war, stellte er die Gewährung der Leistungen zum 1.7.2013 ein, weil der Kläger abzüglich eines Schonvermögens in Höhe von 2600 Euro das Vermögen in Höhe von 14 976,30 Euro einzusetzen habe (Bescheid vom 14.6.2013; Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 17.7.2013). Im November 2013 verwertete der Kläger die Kapitallebensversicherung und erhielt einen Betrag von 20 717,17 Euro. Der Beklagte nahm am 31.1.2014 die Zahlung von Leistungen wieder auf.

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Die auf Leistungen der Sozialhilfe ab 1.7.2013 gerichtete Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts <SG> Köln vom 15.10.2014; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Nordrhein-Westfalen <NRW> vom 17.3.2016). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger habe für die Zeit vom 1.7.2013 bis zum 31.1.2014 keinen Anspruch auf Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) iVm § 55 Abs 2 Nr 6, 7 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) für persönliche Assistenten in der Ausgestaltung als sog Arbeitgebermodell. Er erfülle zwar die persönlichen Voraussetzungen, sei aber nicht hilfebedürftig, weil er über zu berücksichtigendes Vermögen verfügt habe.

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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er macht einen Verstoß gegen § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII und gegen § 90 Abs 3 SGB XII geltend.

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Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. März 2016 und des Sozialgerichts Köln vom 15. Oktober 2014 sowie den Bescheid vom 14. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die Hilfe zur Pflege und die Eingliederungshilfe für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis zum 31. Januar 2014 zu übernehmen.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

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Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Zu Unrecht ist das LSG davon ausgegangen, dass den Ansprüchen des Klägers im streitigen Zeitraum zu berücksichtigendes Vermögen uneingeschränkt entgegenstand.

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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 14.6.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.7.2013 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte die Übernahme der beantragten Kosten abgelehnt hat. In zeitlicher Hinsicht hat der Kläger die Klage nach Weitergewährung der Leistungen durch den Beklagten auf die Zeit vom 1.7.2013 bis zum 31.1.2014 begrenzt. Sein Begehren verfolgt er richtigerweise mit der auf Geldleistungen gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4, § 56 SGG). Zutreffend hat das LSG ausgeführt, dass die vom SG vorgenommene Umstellung auf ein Feststellungsbegehren nicht dem erklärten Willen des Klägers entsprach, weil sich der angefochtene Verwaltungsakt nach dem Einsatz des Vermögens nicht erledigt hatte und der Kläger weiterhin die Auszahlung einer Geldleistung begehrt hat, auch wenn er zwischenzeitlich sein Vermögen aufgebraucht hatte. Unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet ist der Anspruch des Klägers allerdings nur wegen der Leistungen der Hilfe zur Pflege, die er durch von ihm selbst beschäftigte Pflegekräfte sicherstellt (vgl § 66 Abs 4 Satz 2 SGB XII in der Fassung durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003 <BGBl I 3022>; im Folgenden alte Fassung <aF>).

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Der Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe, die sowohl als Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben als auch als Hilfen zum selbstbestimmten Wohnen und zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben in Betracht kommen und die ggf im Wege eines Schuldbeitritts zu gewähren gewesen wären (vgl nur BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 25 ff), richtet sich hier aber ebenfalls auf eine Geldleistung. Der Kläger hat sich sogleich nach Ablehnung die Leistungen der Eingliederungshilfe selbst beschafft und bereits im Widerspruchsverfahren die Erstattung der ihm tatsächlich entstandenen Kosten nach § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX geltend gemacht. Diesen Antrag auf Erstattung kann er zulässigerweise im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen (vgl BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8, RdNr 9 und 16 f; Bundessozialgericht <BSG> Urteil vom 20.4.2016 - B 8 SO 20/14 R - RdNr 12; anders die Konstellation in BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 24 RdNr 12). Dabei ist auch die Verurteilung zur Leistung dem Grunde nach zulässig (vgl § 130 Abs 1 Satz 1 SGG), wie sie der Kläger nach Präzisierung seines Klageantrags im Revisionsverfahren beantragt. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des LSG scheidet die Gewährung von Geldleistungen "im Arbeitgebermodell" wegen der Eingliederungshilfe dagegen mangels Rechtsgrundlage aus; denn der Kläger hat ausdrücklich keine budgetierte Geldleistung mit einer Obergrenze gewählt (vgl § 17 SGB IX; hier in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005 <BGBl I 818>, im Folgenden aF; insbesondere § 17 Abs 3 SGB IX aF); die erbrachten Leistungen sind vielmehr im Einzelnen abgerechnet worden. Da nur die Erstattung von bereits verauslagten Kosten im Streit steht, ist schließlich eine Beiladung der Assistenzkräfte nicht erforderlich (vgl nur BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8, RdNr 16).

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Der Senat kann schon nicht abschließend feststellen, ob der Beklagte vorliegend als örtlich und sachlich zuständiger Träger gehandelt hat. Das LSG hat zwar als Grundlage für die sachliche Zuständigkeit des Beklagten § 97 Abs 1, 2 SGB XII iVm §§ 1, 2 Abs 1 Buchst a Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land NRW (AG-SGB XII NRW) und § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst a, Nr 2 Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW (AV-SGB XII NRW; beide vom 16.12.2004 <GV NRW 816 bzw 817> hier in der Fassung vom 5.3.2013 bzw vom 11.5.2009) herangezogen, ohne aber ausreichende Feststellungen zur Art der erbrachten Leistung zu treffen, die seine Annahme einer Zuständigkeit des Beklagten nach diesen Vorschriften nachvollziehbar werden lassen. Eine Zuständigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst a AV-SGB XII NRW liegt jedenfalls nicht nahe, da weder eine Hilfegewährung in einer teilstationären noch in einer stationären Einrichtung erkennbar wird, noch ersichtlich ist, dass der Kläger zum dort genannten Personenkreis (mit geistigen und/oder seelischen Behinderungen) gehört.

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Die landesrechtlich geregelte sachliche Zuständigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 2 AV-SGB XII NRW, auf die sich das LSG daneben bezogen hat, bestimmt eine umfassende Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe für alle Leistungen der Eingliederungshilfe und weitere Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII für den Fall, dass Leistungen der Eingliederungshilfe mit dem Ziel der Ermöglichung selbstständigen Wohnens zu erbringen sind. Sind neben der Hilfe zur Pflege und den Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben aber keine weiteren Hilfen zu erbringen, dürfte auch diese Zuständigkeit des Beklagten vorliegend nicht gegeben sein. Schon für die Klärung der Zuständigkeit ist damit eine Abgrenzung der (nachrangigen) Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten und zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (vgl § 55 Abs 2 Nr 6 und 7 SGB IX aF) von der Hilfe zur Pflege erforderlich (zur Abgrenzung im Einzelnen später), die das LSG nicht vorgenommen hat. Die abschließende Auslegung des Landesrechts dahin, ob ggf auch die Gewährung einer Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten in nur geringem Umfang zur Begründung der Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für alle dort genannten Leistungen führt, bleibt dem LSG vorbehalten.

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Eine abweichende bundesrechtliche Zuständigkeit für die Leistungen der Eingliederungshilfe im Verhältnis zum Kläger könnte sich schließlich daraus ergeben, dass ein anderer Träger als der Beklagte wegen dieser Leistungen als sog erstangegangener Träger iS des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX aF (insoweit in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003 <BGBl I 3022>) zuständig geworden und (mangels Weiterleitung innerhalb von zwei Wochen) im Außenverhältnis (behinderter Mensch/Rehabilitationsträger) geblieben ist. Die in § 14 Abs 1 und 2 SGB IX aF geregelte Zuständigkeit erstreckt sich dann auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind (dazu grundlegend BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 8 mwN) und wäre der Änderung durch Landesrecht nicht zugänglich. Da unklar ist, seit wann und durch wen Leistungen der Eingliederungshilfe der nunmehr streitigen Art gewährt werden, lässt sich vom Senat auch wegen einer möglichen Zuständigkeit auf Grundlage von § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX aF keine Aussage treffen.

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Auch in der Sache kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Zutreffend hat das LSG zwar ausgeführt, dass mit der angefochtenen Entscheidung keine zuvor ausgesprochene Bewilligung aufgehoben worden ist, deren Rechtmäßigkeit an §§ 45, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zu messen wäre. Der Beklagte hat eine solche Bewilligung für einen längeren Zeitraum als einen Monat zuletzt im Jahr 2010 für die Zeit vom 1.1.2010 bis 31.12.2010 erlassen; in der Folge ist in der Auszahlung von Leistungen jeweils nur eine monatsweise Bewilligung zu sehen. Es fehlen aber die notwendigen Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG), die die weitere Prüfung erlauben würden, welche Ansprüche auf Hilfen nach dem Fünften und Sechsten Kapitel des SGB XII in welcher Höhe überhaupt bestanden und inwieweit dafür Vermögen und ggf auch Einkommen einzusetzen war. Entgegen der Auffassung des LSG hat der Kläger sein Vermögen jedenfalls nur teilweise einzusetzen; insoweit ist ihm ein Freibetrag zu belassen, der dem eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei Prüfung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) entspricht.

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Wegen der streitigen Ansprüche kommt angesichts der vom LSG festgestellten Pflegestufe nach dem SGB XI und der Notwendigkeit einer Assistenz rund um die Uhr in erster Linie ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach § 19 Abs 3 iVm § 61 Abs 1, § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII aF in Betracht, wobei die besonderen Einkommensgrenzen nach §§ 85 ff SGB XII zur Anwendung kommen. Danach ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten (§ 61 Abs 1 Satz 1 SGB XII aF). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sind unter den weiteren Voraussetzungen des § 65 Abs 1 Satz 2 1. Alt SGB XII aF die angemessenen Kosten für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft - hier im sog Arbeitgebermodell nach § 66 Abs 4 Satz 2 SGB XII aF - zu übernehmen.

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Liegen die genannten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege vor, was das LSG bislang im Einzelnen ungeprüft gelassen hat, ist zu prüfen, inwieweit dem Kläger die Aufbringung der für die Hilfen erforderlichen Mittel aus Einkommen und Vermögen zuzumuten war (vgl § 19 Abs 3 SGB XII). Ausgehend von seiner Rechtsansicht zum Vermögenseinsatz nach § 90 SGB XII hat das LSG bislang keine Feststellungen zum Einkommen getroffen. Die Prüfung des LSG, das gesamte im November 2013 tatsächlich zugeflossene Kapital aus der Lebensversicherung sei zu berücksichtigen und stehe dem Anspruch auch während des gesamten streitigen Zeitraums entgegen, ist aber nicht rechtsfehlerfrei erfolgt.

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Einzusetzen ist nach § 90 Abs 1 SGB XII das gesamte verwertbare Vermögen. Hierzu zählen alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld und Geldeswert (vgl zuletzt BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 8 RdNr 22 mwN). Verwertbar ist Vermögen dann, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können (stRspr; vgl BSG aaO; BSG Urteil vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - RdNr 17; entsprechend zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende: BSGE 115, 148 = SozR 4-4200 § 12 Nr 23; BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 20; BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 24 RdNr 15; im Einzelnen später). Wegen des hier innegehabten Vermögens in Form einer Kapitallebensversicherung und eines Bausparvertrags ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass keiner der in § 90 Abs 2 Nr 1 bis 8 SGB XII geregelten Tatbestände vorliegt, nach denen Vermögen oder Vermögensgegenstände ausnahmsweise geschützt sind.

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Soweit der Kläger das Vermögen aus der in Vollzeit ausgeübten Tätigkeit als Studienrat angespart hat, ist aber auf Grundlage von § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII der ihm zustehende Freibetrag nach § 2 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII ( DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII ; hier in der Fassung von Art 15 des Gesetzes vom 27.12.2003; im Folgenden aF) unter Berücksichtigung einer besonderen Notlage, die sich aus der Schwere und Dauer seiner Behinderung und seinen übrigen Lebensumständen, insbesondere der von ihm ausgeübten Erwerbstätigkeit, ergibt, angemessen auf den Betrag zu erhöhen, der dem in § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II genannten Betrag entspricht, mithin (bei Vollendung des 49. Lebensjahres im Juli 2013) auf 8100 Euro.

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Nach § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII darf Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung "kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte". Die genaue Höhe der geschützten Beträge bestimmt sich nach § 96 Abs 2 SGB XII (in der Fassung der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006 <BGBl I 2407>) iVm der DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF. Nach § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF beträgt das Schonvermögen bei den Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII im Grundsatz 2600 Euro, wobei die Erhöhung dieser Werte zum 1.1.2005 berücksichtigt hat, dass (anders als nach dem Bundessozialhilfegesetz <BSHG>) der Regelbedarf stärker auf eine Pauschalierung angelegt ist und ein Ansparbetrag aus der Leistung für den Regelbedarf auch in den Vermögensfreibetrag einfließen soll. Der jeweilige Betrag orientiert sich an den regelmäßig zu erwartenden Ansparungen (BT-Drucks 15/1514 S 74).

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Der Betrag von 2600 Euro ist jedoch (wie bereits unter Geltung des BSHG) nach § 2 Abs 1 Satz 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF angemessen zu erhöhen, wenn im Einzelfall eine besondere Notlage der nachfragenden Person besteht. Bei der Prüfung, ob eine besondere Notlage besteht, sowie bei der Entscheidung über den Umfang der Erhöhung sind vor allem Art und Dauer des Bedarfs sowie besondere Belastungen zu berücksichtigen (Satz 2). Es handelt sich dabei um unbestimmte Rechtsbegriffe, die gerichtlich in vollem Umfang zu überprüfen sind; insbesondere bei der Prüfung, welche Erhöhung angemessen ist, steht dem Sozialhilfeträger Ermessen nicht zu (vgl Mecke in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 90 SGB XII RdNr 90; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 2 Abs 1 Satz 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII, RdNr 2; anders Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 90 RdNr 84, Stand November 2014).

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Eine "besondere Notlage" im Sinne dieser Vorschrift besteht allerdings nicht schon dann, wenn sich die nachfragende Person in einer Lage befindet, die typischerweise zur Hilfebedürftigkeit führt. Solche Notlagen, die das SGB XII gerade abdeckt, sind für sich genommen keine "besonderen" iS des § 2 Abs 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF. Die Betroffenheit durch Pflegebedürftigkeit bzw das Angewiesensein auf Leistungen der Eingliederungshilfe berücksichtigt § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF bereits typisierend, indem bei Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel (ebenso wie bei Erreichen der Altersgrenze von 60 Jahren) gegenüber der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ein (nach bisherigem Recht) um 1000 Euro höherer Freibetrag besteht (so auch BVerwG Buchholz 436.0 § 88 BSHG Nr 30).

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§ 2 Abs 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF lehnt sich vielmehr wegen der Bestimmung einer besonderen Notlage erkennbar an die Formulierungen in § 87 Abs 1 Satz 2 SGB XII an (vgl Mecke, aaO, § 90 SGB XII RdNr 91; Hohm, aaO, § 2 Abs 1 Satz 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII, RdNr 3; Lücking, aaO, K § 90 RdNr 85). Maßgebend für den angemessenen Mitteleinsatz bei Einkommen oberhalb der Einkommensgrenze sind nach dieser Vorschrift insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der nachfragenden Person. Soweit aus solchen Umständen Schwerstpflegebedürftigkeit folgt, sieht § 87 Abs 1 Satz 3 SGB XII eine pauschale Verschonung des Einkommens in Höhe von 60 vH des die allgemeine Einkommensgrenze übersteigenden Einkommens vor (dazu BSGE 113, 221 = SozR 4-3500 § 87 Nr 1, RdNr 28). Diese in § 87 Abs 1 Satz 2 SGB XII genannten Gesichtspunkte berücksichtigt die in § 1 Abs 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF vorgenommene Differenzierung des Freibetrags allein nach der Art der Hilfe nicht. Wegen der Bestimmung der besonderen Notlage für eine nachfragende Person, deren Erwerbseinkommen zugleich nach § 87 Abs 2 SGB XII geschützt ist, ist damit im Einzelfall unter Anlegung der in § 87 Abs 2 SGB XII genannten Kriterien auch eine Erhöhung des Vermögensfreibetrags nach § 2 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF vorzunehmen (ebenso zur Rechtslage vor dem 1.1.2017 Geiger in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 11. Aufl 2018, § 90 RdNr 67; anders SG Karlsruhe Urteil vom 21.5.2013 - S 1 SO 1369/12 - juris RdNr 26, wonach die Einkommensfreistellung für sich genommen die besondere Notlage ausreichend abdeckt). § 2 Abs 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF ermöglicht so den Wertungswiderspruch aufzulösen, der sich ergäbe, wenn geschütztes Erwerbseinkommen über den Monat seines Zuflusses hinaus nicht für den Lebensstandard eingesetzt werden könnte, der nach der Wertung des § 87 Abs 2 SGB XII angesichts der besonderen Umstände aber ermöglicht werden soll.

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Entgegen der Auffassung des Beklagten und des LSG führen die dauerhaften Einschränkungen, die der Kläger durch seine Behinderung in seiner allgemeinen Lebensführung hinnehmen muss, soweit er das Vermögen aus Einkommen aus einer durchgehend ausgeübten, vollschichtigen Tätigkeit angespart hat, zu einer Anhebung des ihm zustehenden Freibetrags auf Grundlage des § 2 Abs 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF. Insbesondere die (lebenslange) Dauer und Schwere der Beeinträchtigungen - nicht dagegen die Höhe der daraus folgenden Bedarfe, die durch Sozialleistungen im Wesentlichen gedeckt sind - ist ein bedeutsames Kriterium, das für die Anhebung der Grenzen spricht (so zu § 87 SGB XII Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 87 RdNr 13). Diese gesetzgeberische Wertung wird insbesondere bei Pflegebedürftigkeit daraus erkennbar, dass schon das Vorliegen von Schwerstpflegebedürftigkeit für sich genommen zu einer weitergehenden pauschalen Verschonung von Einkommen führt (dazu BSGE 113, 221 = SozR 4-3500 § 87 Nr 1, RdNr 28). Vorliegend braucht nicht abschließend entschieden zu werden, ob ein höherer Freibetrag bezogen auf sämtliche im Fünften bis Neunten Kapitel genannten Hilfearten in Betracht kommt. Soweit es sich nicht um eine Lebenslage handelt, die ua von einer dauerhaften Bedürftigkeit gekennzeichnet ist, erscheint das Vorliegen einer "besonderen Notlage" aber von vornherein ausgeschlossen. Dieser Erwägung entspricht auch der vom Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.1.2017 durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz <BTHG> vom 23.12.2016 <BGBl I 3234>) umgesetzten erheblichen Privilegierung von Vermögen nur bei Leistungen nach dem Sechsten und Siebten Kapitel.

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Neben der besonderen persönlichen Betroffenheit durch die Art und Schwere der Behinderung, die zu Schwerstpflegebedürftigkeit auf Dauer führt, ist leitender Gesichtspunkt für die Anhebung des Freibetrags vorliegend die vollschichtige Erwerbstätigkeit des Klägers. Eine Anhebung des Vermögensfreibetrags nach § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII iVm der DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF ist in der "besonderen Notlage", in der sich der Kläger befindet, auf das Vermögen beschränkt, das aus dem Einkommen aus dieser Tätigkeit angespart worden ist. Nach seinem Vortrag ist dies sowohl wegen der Beiträge für die Kapitallebensversicherung als auch für den Bausparvertrag der Fall; dies mag das LSG im Einzelnen noch überprüfen. Entscheidend ist wegen dieses Aspekts, dass es dem Kläger - trotz seiner Hilfebedürftigkeit und um den dargestellten Wertungswiderspruch mit § 87 Abs 2 SGB XII aufzulösen - ermöglicht werden muss, in gewissem Umfang eine soziale Stellung aufzubauen, die einem nicht behinderten und nicht pflegebedürftigen Menschen, der im Übrigen bei vollschichtiger Erwerbstätigkeit in ähnlichen Lebensverhältnissen lebt, gleichkommt. Ob Schwerstpflegebedürftigkeit für sich genommen ohne weitere Umstände zu einer Erhöhung des Vermögensfreibetrags nach § 2 Abs 1 DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII aF führen kann, erscheint zweifelhaft (vgl nunmehr aber § 60a SGB XII in der Fassung des BTHG), kann hier aber offenbleiben. Die genannten Aspekte, die hier zu einer angemessenen Erhöhung des Barbetrags nach § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII führen, können für sich genommen jedenfalls keine weitergehende Privilegierung des Vermögens nach § 90 Abs 3 SGB XII begründen (entsprechend auch für das Verhältnis von § 87 Abs 1 Satz 3 SGB XII zu § 87 Abs 1 Satz 2 SGB XII BSGE 113, 221 = SozR 4-3500 § 87 Nr 1, RdNr 29).

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Der Aspekt des Angewiesenseins auf staatliche Hilfe kann aber auch in den Konstellationen, die durch Vermögen aus dauerhafter Erwerbstätigkeit mit weitergehend geschütztem Erwerbseinkommen bei gleichzeitiger Schwerstpflegebedürftigkeit gekennzeichnet sind, bei der Beurteilung der Angemessenheit der Anhebung des Vermögensfreibetrags nicht gänzlich außer Acht bleiben. Der Höhe nach ist der angemessene Betrag, der aus dem angesparten Vermögen als weitergehender finanzieller Spielraum verbleibt, deshalb unter diesem Gesichtspunkt zu begrenzen, wovon auch der Kläger ausgeht. Mangels anderer gesetzlicher Maßstäbe kann für die Fälle des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII, in denen ein bestimmter Einsatz der geschützten Vermögensbeträge nicht vorgegeben ist, wegen Vermögens aus Erwerbstätigkeit nur auf den Freibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II als Höchstbetrag zurückgegriffen werden. Zwar gibt das SGB II für die vorliegende Konstellation unmittelbar keine solche Wertung vor (anders im Fall einer gemischten Bedarfsgemeinschaft bei Prüfung der Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel; dazu BSGE 112, 61 = SozR 4-3500 § 90 Nr 5); denn es sind keine Leistungen nach dem SGB II (auch nicht mittelbar) im Streit. Ohnehin wird ein beamteter, in Vollzeit arbeitender Lehrer auf solche Hilfen bzw nach seiner Pensionierung auf Hilfen nach dem Vierten Kapitel kaum angewiesen sein. Allein der Betrag aus § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II gibt aber einen Anhaltspunkt dafür, welcher Lebensstandard nach der Wertung des Gesetzgebers bei (fortbestehenden) Erwerbsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen verbleiben soll. Hierauf kann sich auch der Kläger, der weiterhin vollschichtig erwerbstätig ist, berufen (unabhängig davon, ob er leistungsberechtigt nach dem SGB II wäre), nicht aber auf einen höheren Betrag, der sich in anderen Zusammenhängen (etwa im Steuerrecht oÄ) ergeben mag. Im vorliegend streitigen Zeitraum war schließlich die Diskussion um einen erheblich höheren Freibetrag (derzeit 25 000 Euro) sowohl bei der Hilfe zur Pflege als auch der Eingliederungshilfe (vgl § 60a SGB XII und § 66a SGB XII in der Fassung des BTHG) noch nicht so weit vorangeschritten, dass eine Heranziehung dieses Werts vertretbar erscheint.

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Besondere finanzielle Belastungen, die nicht vom SGB XII abgedeckt werden und für die das Vermögen vorgehalten werden müsste, hat der Kläger bislang nicht geltend gemacht. Solche Gesichtspunkte sind indes nicht bei der angemessenen Höhe des allgemeinen Vermögensfreibetrags nach § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII zu berücksichtigen, sondern allein im Rahmen der Prüfung nach § 90 Abs 3 SGB XII. Ob weitergehende, bislang nicht aktenkundige Umstände vorliegen, aus denen sich eine besondere Härte wegen eines Vermögenseinsatzes über 8100 Euro hinaus ergibt, wird das LSG ggf zu prüfen haben.

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Von dem Gesamtbetrag des Vermögens des Klägers, den das LSG bezogen auf den 1.7.2013 ebenfalls nicht festgestellt hat (insoweit ist auch das Schicksal des Bausparvertrags unklar geblieben), sind unter den genannten Voraussetzungen damit jedenfalls 8100 Euro als Vermögensfreibetrag geschützt. Die weitere Prüfung, ob das übrige Vermögen vom 1.7.2013 an verwertbar war, hat das LSG nicht durchgeführt. Allein der Hinweis, das Vermögen sei im November 2013 tatsächlich verwertet worden, trägt nicht den Schluss, es habe in den Monaten davor bereits zur Verfügung gestanden. Insbesondere welcher Zeit es hier bedurfte, um die Lebensversicherung und den Bausparvertrag zu kündigen, ist nicht festgestellt. War das Vermögen in der Zeit vor November 2013 bereits verwertbar, überstieg es aber 8100 Euro, scheidet ein Anspruch schließlich nicht allein deshalb aus, weil das SGB XII keinen "fiktiven Vermögensverbrauch" kennt. Dies ist im Ausgangspunkt zwar zutreffend (vgl nur BSG SozR 4-3500 § 19 Nr 4 RdNr 15 mwN), und zwar auch soweit ein Rechtsstreit wegen der Verwertbarkeit und des Einsatzes des Vermögens anhängig ist (vgl BVerwGE 106, 105; BSGE 123, 188 = SozR 4-4200 § 9 Nr 16, RdNr 39). Soweit der Leistungsberechtigte das Vermögen aber im laufenden Rechtsstreit durch die Tilgung von nach der Leistungsablehnung deswegen eingegangenen Schulden aufbraucht, kann es für die Zeiträume nach einem solchen Verbrauch nicht mehr als bereites Mittel eingesetzt werden. Soweit wegen des Mitteleinsatzes ein Rechtsstreit anhängig ist, trägt der Einwand nicht, Vermögen dürfe nach der Verwertung nicht zur Schuldentilgung bezogen auf vergangene streitbefangene Monate eingesetzt werden (vgl zu diesem Gesichtspunkt wegen Leistungen für die Vergangenheit überhaupt bereits BVerwGE 40, 343, 346; 58, 68, 74).

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Das erfordert vor einer abschließenden Entscheidung hier die weitere Prüfung, wie hoch vom 1.7.2013 an der monatliche Anspruch insbesondere unter Berücksichtigung des Einkommens des Klägers gewesen wäre, in welcher Höhe dem Kläger Aufwendungen für die Hilfe zur Pflege tatsächlich entstanden sind, wer diese (ggf endgültig getragen) hat und inwieweit das tatsächlich einzusetzende Vermögen (also abzüglich des Freibetrags) zur Tilgung solcher Schulden verwandt worden ist. Erst dann kann abschließend beurteilt werden, für welche Leistungszeiträume ab der Verwertung des Vermögens im November 2013 tatsächlich noch einzusetzendes Vermögen vorhanden war.

30

Als Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Kostenerstattung wegen selbstbeschaffter Leistungen der Eingliederungshilfe anstelle des Anspruchs auf Schuldbeitritt kommt § 15 Abs 1 Satz 4 2. Alt SGB IX in Betracht (vgl bereits BSGE 102, 126 = SozR 4-3500 § 54 Nr 3, RdNr 11). Danach sind selbstbeschaffte Leistungen zu erstatten, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Ob solche Leistungen zu Unrecht abgelehnt worden sind, kann schon deshalb nicht geprüft werden, weil unklar geblieben ist, welche Leistungen der Eingliederungshilfe überhaupt zu erbringen waren. Das LSG wird deshalb zu ermitteln haben, in welchem Umfang hier Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 53, 54 SGB XII iVm § 33 SGB IX aF erforderlich waren. Wegen dieser Hilfen, auf die der Kläger zur dauerhaften Ausübung seines Berufs angewiesen sein dürfte, ist sowohl die Berücksichtigung von Einkommen als auch von Vermögen ausgeschlossen (vgl § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 6, Satz 2 SGB XII). Soweit diese Leistungen notwendig waren und von dem Kläger eingesetzte Kräfte solche Hilfen erbracht haben, deren Kosten nicht (was bislang ebenfalls nicht geprüft ist) tatsächlich von einem anderen Träger (insbesondere dem Integrationsamt) getragen worden sind, besteht ein Ersatzanspruch des Klägers für den gesamten streitigen Zeitraum.

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Wegen möglicher weiterer Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 Abs 1 Satz 1, § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 und 2 SGB IX aF steht - wie bereits oben ausgeführt - schon nicht fest, ob sie neben der Hilfe zur Pflege überhaupt zu erbringen waren. Bereits die Hilfe zur Pflege erfasst auch Maßnahmen etwa der Kommunikation, der Freizeitgestaltung und der Bildung (vgl nur BSGE 123, 171 = SozR 4-3500 § 66 Nr 1, RdNr 24 mwN). Soweit die notwendige Teilhabe in Bezug auf ein selbstbestimmtes Wohnen und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben allein durch eine pflegerische Unterstützung verwirklicht wird, scheiden Leistungen nach § 54 SGB XII iVm § 55 Abs 2 Nr 6 und 7 SGB IX aF aus (vgl Luthe in jurisPK-SGB IX, 2. Aufl 2015, § 55 RdNr 45). Den Umfang der daneben noch erforderlichen Hilfen wird das LSG zu prüfen haben. Wegen der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen sind solche Leistungen nicht weitergehend als die Hilfe zur Pflege privilegiert, sodass wegen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit auf die obigen Ausführungen zu verweisen ist.

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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.