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Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Entziehung des gesetzlichen Richters - Übertragung der Berufung auf den Berichterstatter - Entscheidung des Sozialgerichts durch Gerichtsbescheid - wesentliche Änderung der Prozesslage - erstmalige substantiierte Berufungsbegründung vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung
Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
I. Im Streit steht in der Sache die Übernahme von Kosten, die für den Zuzug der Ehefrau des Klägers, einer in China lebenden Chinesin, nach Deutschland erforderlich sind, als Leistungen der Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) bzw die Unterstützung bei der Inanspruchnahme von Stiftungsgeldern hierfür.
Den Antrag des Klägers, der selbst Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bezieht, hat die Beklagte mit der Begründung abgelehnt, die vom Kläger dargestellte Situation rechtfertigte nicht den Einsatz öffentlicher Mittel; der Kläger mache keinen eigenen Bedarf, sondern ausschließlich Kosten geltend, die seiner Ehefrau entstünden. Die Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Frankfurt am Main vom 24.7.2017; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts <LSG> vom 6.12.2017).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG rügt der Kläger Verfahrensmängel. Das LSG habe sein rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 Grundgesetz <GG> iVm § 62 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) und auch das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) verletzt, indem es ihn nicht vor der Übertragung des Verfahrens auf den Berichterstatter (§ 153 Abs 5 SGG) angehört habe. Dieser Verfahrensmangel sei auch nicht durch rügelose Einlassung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG geheilt worden, weil er daran nicht teilgenommen habe. Es mangele seinem Begehren auch nicht an der Erfolgsaussicht, weil er in einer mehr als 31 Seiten umfassenden Berufungsbegründung, vorgelegt vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, dargelegt habe, warum von der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auszugehen sei. Folglich sei eine wesentliche Änderung der Prozesslage eingetreten, sodass das LSG deshalb eine Rückübertragung habe vornehmen müssen. Außerdem liege ein Verstoß gegen § 75 Abs 2 SGG (notwendige Beiladung) darin, dass es das LSG unterlassen habe, das Jobcenter zum Verfahren notwendig beizuladen.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Kläger macht zu Recht einen Verfahrensmangel geltend, auf dem das angefochtene Urteil auch beruht (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG hat gegen das Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) verstoßen, weil es am 6.12.2017 nach § 153 Abs 5 SGG in der Besetzung mit nur einem Berufs- und zwei ehrenamtlichen Richtern (sog kleiner Senat) entschieden hat, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht mehr gegeben waren.
Gesetzlicher Richter für die Entscheidung von Verfahren vor dem LSG ist grundsätzlich ein Senat in der Besetzung mit dem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGG). Hiervon macht ua § 153 Abs 5 SGG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444) eine Ausnahme. Danach kann das LSG nach seinem Ermessen in den Fällen einer Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) durch Beschluss der berufsrichterlichen Mitglieder des Senats die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Hiervon hat das LSG durch Beschluss vom 24.10.2017 Gebrauch gemacht, ohne den Kläger jedoch zuvor anzuhören, obwohl dies notwendig gewesen wäre (vgl dazu nur BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 16). Diese Gehörsverletzung führt zwar noch nicht per se zu einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank und damit zu einem absoluten Revisionsgrund (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 1 Zivilprozessordnung <ZPO>), weil das Verfahren vom Berichterstatter dem Senat zur Entscheidung über eine (Rück-)Übernahme vorgelegt werden und eine Übernahme durch den Senat erfolgen muss, wenn sich nach der Übertragung auf den Berichterstatter wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage erweist, dass die Sache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist oder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 202 SGG iVm § 526 Abs 2 Satz 1 Nr 2 ZPO).
Eine solch wesentliche Änderung der Prozesslage hat der Senat bereits in der Konstellation bejaht, in der der Einzelrichter aufgrund der nachgeholten Anhörung (zur Korrektur eines Gehörsverstoßes) zum Ergebnis gelangt, dass die Rechtssache entgegen der ursprünglichen Annahme doch grundsätzliche Bedeutung hat oder besondere Schwierigkeiten aufweist (BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 16 RdNr 17 mwN), soweit der Gehörsverstoß nicht, zB durch rügeloses Einlassen zur Sache im Termin zur mündlichen Verhandlung, geheilt wird.
Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art 101 Abs 1 Satz 2, Art 103 GG gilt nichts anderes für den Fall, in dem noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung des sog kleinen Senats die Berufung erstmals substantiiert begründet wird (so auch zur erstmaligen Vorlage einer substantiierten Berufungsbegründung nach Zugang der Anhörungsmitteilung im Rahmen des § 153 Abs 4 SGG, vgl nur: BSG Beschluss vom 19.10.2016 - B 14 AS 155/16 B - juris RdNr 2; BSG Beschluss vom 2.11.2015 - B 13 R 203/15 B - juris RdNr 12; Beschluss vom 17.12.2013 - B 11 AL 82/13 B - juris RdNr 10; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl 2017, § 153 RdNr 20a mwN; zur vergleichbaren prozessualen Situation im Rahmen des § 124 Abs 2 SGG: BSG Beschluss vom 6.10.2016 - B 5 R 45/16 B - juris RdNr 19) und der Einzelrichter damit erkennen kann, dass das Verfahren entgegen der ursprünglichen Annahme entweder tatsächliche bzw rechtliche Schwierigkeiten aufweist oder von grundsätzlicher Bedeutung ist. Gerade vor dem Hintergrund einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren in erster Instanz ist nicht ausgeschlossen, dass das SG den von einem unvertretenen Kläger an das Gericht herangetragenen Lebenssachverhalt oder den Gegenstand der geltend gemachten Ansprüche nicht vollständig erfasst hat und gerade dies in der Berufungsbegründung hinreichend substantiiert behauptet wird.
So liegt der Fall hier. Mit seinem umfassenden Berufungsschriftsatz hat der Kläger erstmals ausgeführt, warum er den Gerichtsbescheid des SG für unzutreffend hält. Er hat nicht nur darauf hingewiesen, dass der 14. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mittlerweile die Revision gegen das Urteil des LSG vom 20.5.2016 (L 7 AS 848/14) zugelassen habe, das die von ihm geltend gemachten Kosten für das Umgangsrecht mit seiner in China lebenden Ehefrau zum Gegenstand hat (Az: B 14 AS 169/17 B), sondern hat darüber hinaus ua ausgeführt, dass das SG aus seiner Sicht den Streitgegenstand verkannt habe. Es habe zum einen über die "Auszahlung" von Stiftungsmitteln und nicht über die Pflicht der Beklagten zur Unterstützung bei der Beantragung solcher Hilfen entschieden. Zudem habe das SG nicht über die von ihm beantragten Kosten für den Spracherwerb seiner Ehefrau in China entschieden; die von ihm damals außerdem noch geltend gemachten Kosten für die Visumbeschaffung verfolge er hingegen wegen geänderter ausländerrechtlicher Rechtslage nicht mehr.
Weil der Berichterstatter folglich das Verfahren nach Vorlage der Berufungsbegründung nicht dem Senat zur Entscheidung über die Übernahme vorgelegt hat, liegt eine Verletzung des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG vor. Der darin liegende Verfahrensmangel ist ein absoluter Revisionsgrund (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO), bei dem das Beruhen der Entscheidung auf dem Verfahrensfehler vermutet wird. Denn der Verfahrensfehler führt nicht nur zu einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (§§ 62, 153 Abs 5 SGG, Art 103 Abs 1 GG), sondern auch zu einer unvorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (nur mit Berufsrichtern) und damit zu einer Verletzung des Rechts des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG).
Offenbleiben kann deshalb, ob der vom Kläger darüber hinaus gerügte Verstoß gegen § 75 Abs 2 SGG, die unterbliebene notwendige Beiladung des Jobcenters, vorliegt - was allerdings fernliegend erscheint. Denn auch wenn der Kläger leistungsberechtigt nach dem SGB II ist, sind die von ihm in der Sache geltend gemachten Ansprüche nach den §§ 67 ff und § 73 SGB XII bzw auf Beratung und Unterstützung bei der Auszahlung von Stiftungsmitteln allein gegen den hier bereits beklagten Sozialhilfeträger zu richten und gerichtet.
Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen. Hiervon macht der Senat zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen Gebrauch.