BGH Kartellsenat, Beschluss vom 11.12.2018, EnVR 48/17

Das Urteil unter dem Aktenzeichen EnVR 48/17 (BGH)

vom 11. Dezember 2018 (Dienstag)


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Energiewirtschaftsrechtliches Verwaltungsverfahren: Rechtmäßigkeit der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die zweite Regulierungsperiode durch die Bundesnetzagentur - Eigenkapitalzinssatz

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Die Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 100.000 Euro festgesetzt.

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A. Die Betroffene, die ein Strom- und ein Gasverteilernetz betreibt, wendet sich gegen die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze gemäß § 7 Abs. 6 StromNEV und § 7 Abs. 6 GasNEV (im Folgenden nur: StromNEV) für die zweite Regulierungsperiode.

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Mit Beschluss vom 31. Oktober 2011 (BK4-11-304) hat die Bundesnetzagentur den Eigenkapitalzinssatz zur Bestimmung der Erlösobergrenzen für die Betreiber von Strom- und Gasnetzen in der zweiten Regulierungsperiode für Neuanlagen auf 9,05 % vor Steuern und für Altanlagen auf 7,14 % vor Steuern festgelegt.

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Das Beschwerdegericht hat diesen Beschluss insoweit aufgehoben, als die Festlegung nach Nr. 2 ihres Tenors unter dem Vorbehalt des Widerrufs stand. Die weitergehende, auf vollständige Aufhebung und Neubescheidung gerichtete Beschwerde der Betroffenen ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Die Bundesnetzagentur tritt dem Rechtsmittel entgegen.

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B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

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I. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Die Bundesnetzagentur habe den Basiszinssatz für risikolose Kapitalanlagen zu Recht auf 3,80 % festgelegt. Sie sei nicht gehalten gewesen, für die Ermittlung dieses Zinssatzes nur Wertpapiere mit einer Restlaufzeit von mehr als sieben oder neun Jahren zu berücksichtigen. Die von ihr herangezogenen Werte erfassten auch Wertpapiere mit einer Restlaufzeit von zwanzig Jahren und mehr und bildeten somit die von der Betroffenen geforderte langfristige Kapitalbindung ab. Dass die Bundesnetzagentur in anderen Regulierungsbereichen nur Wertpapiere mit längerer Restlaufzeit berücksichtige, führe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Darüber hinaus habe der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass auch Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren nicht als kurzfristig anzusehen seien. Anders als bei Wertpapieren mit langer Laufzeit werde die Verzinsung bei einer Netzinvestition alle fünf Jahre an ein Marktniveau angepasst. Deshalb sei die Regelung in den Netzentgeltverordnungen eine Näherungslösung in dem Wissen, dass es die perfekte Lösung nicht gebe. Der Sachverständige habe darüber hinaus analysiert, ob der festgelegte Zinssatz das Risiko der Netzbetreiber unabhängig von den Berechnungsvorgaben der Verordnungen angemessen abbilde. Hierbei sei er durchweg zu Vergleichswerten gelangt, die unterhalb des festgelegten Zinssatzes lägen.

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II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

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1. Wie der Senat bereits im Zusammenhang mit der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die erste Regulierungsperiode ausgeführt hat, unterliegt die Beurteilung der in § 7 Abs. 4 und 5 StromNEV normierten tatsächlichen Grundlagen für die Bemessung des Eigenkapitalzinssatzes der uneingeschränkten Überprüfung durch den Tatrichter. Der Regulierungsbehörde steht aber in einzelnen Beziehungen ein Beurteilungsspielraum zu, soweit die Verordnung keine näheren Vorgaben enthält. In der Rechtsbeschwerdeinstanz kann die Entscheidung des Tatrichters hinsichtlich beider Bereiche nur eingeschränkt überprüft werden, nämlich darauf, ob er erhebliches Vorbringen der Beteiligten unberücksichtigt gelassen, wesentliche Beurteilungsfaktoren außer Betracht gelassen oder offenkundig fehlgewichtet, Rechtsgrundsätze der Zinsbemessung verkannt oder der Nachprüfung der Regulierungsentscheidung sonst unrichtige rechtliche Maßstäbe zu Grunde gelegt hat (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 – EnVR 42/13, NVwZ-RR 2015, 452 Rn. 21 ff. und 33 f. - Stadtwerke Rhede GmbH).

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2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Einbeziehung von Wertpapieren mit einer Restlaufzeit von sieben Jahren und weniger als zulässig angesehen hat.

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a) Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 StromNEV darf der Eigenkapitalzinssatz den auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse nach § 7 Abs. 5 StromNEV nicht überschreiten.

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Der Wortlaut dieser Vorschrift sieht eine weitere Differenzierung zwischen einzelnen Kategorien von Wertpapieren der darin festgelegten Art nicht vor. Dies spricht für den von der Bundesnetzagentur eingeschlagenen Weg, den gemittelten Wert heranzuziehen, den die Deutsche Bundesbank in ihrer Statistik unter der Rubrik "Insgesamt" für alle Arten von Wertpapieren inländischer Emittenten ausweist.

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b) Ob sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt, dass die Regulierungsbehörde stattdessen den Wert für diejenige Unterkategorie von Wertpapieren heranzuziehen hat, deren Anlagestruktur möglichst weitgehende Ähnlichkeiten mit der Investition in ein Strom- oder Gasnetz aufweist, kann dahingestellt bleiben. Auch bei Anlegung dieses Maßstabes erweist sich die Entscheidung des Beschwerdegerichts als frei von Rechtsfehlern.

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aa) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts erfasst die Statistik der Deutschen Bundesbank Wertpapiere mit einer Gesamtlaufzeit von mehr als vier Jahren. Die längste Laufzeit beträgt mehr als 55 Jahre.

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Diese Variationsbreite entspricht, wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang entschieden hat, der typischen Nutzungsdauer der zu einem Versorgungsnetz gehörenden Gegenstände. Eine Auswahl, die sich nicht nur an der Laufzeit, sondern auch an der Restlaufzeit der Wertpapiere orientiert, hat der Senat auf der Grundlage der damals getroffenen tatsächlichen Feststellungen als wenig einleuchtend angesehen, weil auch für die Verzinsung des Eigenkapitals nicht nach der voraussichtlichen Restnutzungsdauer des jeweiligen Netzes unterschieden wird (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - EnVR 42/13, NVwZ-RR 2015, 452 Rn. 39 - Stadtwerke Rhede GmbH).

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bb) Aus dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde zur Bedeutung der Restlaufzeit eines Wertpapiers für die zu erwartende Umlaufsrendite und aus den von ihr wiedergegebenen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach der von der Bundesnetzagentur herangezogene Wert einen Anlagehorizont von durchschnittlich fünf Jahren widerspiegle, während ein Netz typischerweise mehr als zehn Jahre genutzt werde, ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

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Aus diesem Vorbringen ergibt sich zwar, dass der Restlaufzeit im Zeitpunkt der Anlage ausschlaggebende Bedeutung für die Rendite zukommt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde folgt daraus indes nicht zwingend, dass als Vergleichsmaßstab Wertpapiere mit einer Restlaufzeit von mehr als sieben Jahren heranzuziehen sind.

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Das Beschwerdegericht hat sich mit dieser Fragestellung befasst und ist in tatrichterlicher Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass auch eine Restlaufzeit von fünf bis zehn Jahren nicht als kurzfristig anzusehen ist. Es hat den von der Bundesnetzagentur herangezogenen Wert unter Bezugnahme auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen als besonders geeignet angesehen, weil ein Wertpapier typischerweise über die gesamte Laufzeit denselben Zinssatz bietet, während die Verzinsung einer Netzinvestition typischerweise Schwankungen unterliegt.

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Diese Erwägungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Sie tragen vielmehr der von der Betroffenen postulierten Vorgabe, dass die Anlagestruktur der berücksichtigten Wertpapiere die Besonderheiten einer Netzinvestition möglichst weitgehend widerspiegeln muss, in angemessener Weise Rechnung.

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Dem steht nicht entgegen, dass die durchschnittliche Restnutzungsdauer des Sachanlagevermögens eines Netzbetreibers nach dem für die rechtliche Überprüfung als zutreffend zugrunde zu legenden Vortrag der Betroffenen ungewichtet mindestens zwanzig und gewichtet mindestens vierzig Jahre beträgt. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts kann ein Anleger, der in ein Netz investiert, ungeachtet dieses Umstands nicht damit rechnen, dass die Verzinsung über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren hinweg konstant bleibt. Selbst bei einer typischen Anlagedauer von zwanzig Jahren und mehr kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass allein die Verzinsung von Wertpapieren mit einer ähnlich langen Restlaufzeit als zulässiger Vergleichsmaßstab in Betracht kommt. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es folglich aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht den gemittelten Wert als besser geeignet angesehen hat.

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3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

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a) Der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung verpflichtet eine Behörde, eine durch Verwaltungsvorschriften vorgegebene oder durch tatsächliche Übung entstandene Verwaltungspraxis bei der Ausübung eines Ermessensspielraums einzuhalten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 23. Juni 2009 - EnVR 19/08, ZNER 2009, 261 Rn. 9; Beschluss vom 17. Juli 2018 - EnVR 12/17, ZNER 2018, 413 Rn. 26). Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit unter dem Blickwinkel des Gleichbehandlungsgebots ist die in ständiger Praxis geübte tatsächliche Handhabung (BVerwG, Urteil vom 5. November 1999 - 2 A 3/98, ZBR 1999, 308, juris Rn. 10; Beschluss vom 29. Juni 2017 - 1 WB 11/16 Rn. 40).

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Im Streitfall betrifft die geltend gemachte Verwaltungspraxis nur die Regulierung von Telekommunikationsnetzen. Dass die Bundesnetzagentur die dort angewendeten Grundsätze in ständiger Praxis auch auf Strom- oder Gasnetze anwendet, ist weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Damit fehlt es an einer Verwaltungspraxis, die zu einer Selbstbindung führen könnte.

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Die von der Rechtsbeschwerde angeführten Regelungen in der Geschäftsordnung der Bundesnetzagentur könnten allenfalls dann zu einer abweichenden Beurteilung führen, wenn sie in ständiger Verwaltungspraxis dahin angewendet würden, dass die Zinssätze für Strom- und Gasnetze im Wesentlichen nach denselben Kriterien bestimmt werden wie diejenigen für Telekommunikationsnetze. Auch hierfür ist nichts ersichtlich.

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b) Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) geboten.

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Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Entscheidung für die Investition in ein Telekommunikationsnetz von ähnlichen Parametern beeinflusst wird wie die Entscheidung für die Investition in ein Strom- oder Gasnetz. Selbst wenn insoweit gewisse Parallelen bestünden, könnte hieraus nicht abgeleitet werden, dass die Bestimmung des Eigenkapitalzinssatzes trotz des unterschiedlichen rechtlichen Rahmens in jeder Hinsicht nach denselben Grundsätzen erfolgen muss oder dass trotz eines unterschiedlichen methodischen Ansatzes jedenfalls der Basiszinssatz für eine risikolose Anlage in gleicher Weise zu bestimmen ist.

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4. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts wird durch dessen Ausführungen zu den ergänzenden Berechnungen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach sich auf der Grundlage einer anderen Berechnungsmethode ein geringerer Zinssatz ergibt, nicht in Frage gestellt.

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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die vom gerichtlichen Sachverständigen zur Bildung von Vergleichswerten herangezogene Methode ihrerseits den Vorgaben von § 7 Abs. 4 und 5 StromNEV entspricht. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, ergäbe sich daraus nicht, dass der von der Bundesnetzagentur festgelegte Zinssatz nicht plausibel ist. Zusätzliche Gesichtspunkte, die eine solche Schlussfolgerung nahelegen könnten, zeigt die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang nicht auf.

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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.

Limperg     

      

Grüneberg     

      

Bacher

      

Sunder     

      

Deichfuß