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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 14. Dezember 2017, berichtigt durch Beschluss vom 25. Januar 2018, wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof trägt der Kläger 2/5 und der Beklagte, der seine Revision zurückgenommen hat, 3/5.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 6. Februar 2014 über das Vermögen der früheren Rechtsanwältin B. A. (nachfolgend: Schuldnerin) am 24. Juli 2014 eröffneten Insolvenzverfahren.
Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten widerrief die Rechtsanwaltskammer Braunschweig am 4. Juli 2013 die Zulassung der Schuldnerin als Rechtsanwältin. In der Zeit vom 5. Juli bis 31. Dezember 2013 war der beklagte Rechtsanwalt als Abwickler der Kanzlei der Schuldnerin bestellt. Die laufenden von der Schuldnerin für Mandanten geführten Rechtsstreitigkeiten übertrug der Beklagte auf sich selbst oder andere Rechtsanwälte.
Vorliegend nimmt der Kläger im Wege der Stufenklage den Beklagten auf Rechnungslegung hinsichtlich seiner Tätigkeit als Abwickler der Kanzlei der Schuldnerin in Anspruch, auf Auskunft über die in seinem Besitz befindlichen Akten der Schuldnerin und Herausgabe dieser Akten, auf Auskehr von Einnahmeüberschüssen und auf Schadensersatz hinsichtlich der Honorare der Schuldnerin, die infolge verspäteter Rechnungslegung und Auskunft nicht mehr beitreibbar sind. Das Landgericht hat den Beklagten durch Teilurteil auf der ersten Stufe zur Rechnungslegung und Auskunftserteilung über die in seinem Besitz befindlichen Akten der Schuldnerin verurteilt. Die Verurteilung des Beklagten zur Rechnungslegung ist rechtskräftig geworden. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Verurteilung zur Auskunftserteilung dahin eingeschränkt, dass der Beklagte über die in seinem Besitz befindlichen Akten der Schuldnerin mit Ausnahme derjenigen Handakten, die von ihm oder anderen Anwälten aus seinem Haus als laufende Verfahren übernommen worden sind, Auskunft zu erteilen hat. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Ersturteils.
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Erfüllung von Informationspflichten sei nicht erforderlich, wenn feststehe, dass der Gläubiger des Informationsanspruchs auf Grund der Auskunft keinesfalls etwas fordern könne. Scheide ein Anspruch auf Herausgabe aus, sei auch ein Anspruch auf Auskunft nicht gegeben. Ein Anspruch auf vollständige Herausgabe der Akten und Auskunftserteilung sei nicht begründet.
Der Auskunfts- und Herausgabeanspruch umfasse zunächst die allgemeinen Kanzleiakten der Schuldnerin. Hinsichtlich der Handakten sei zwischen den bei Übernahme der Abwicklung bereits abgeschlossenen Verfahren und den noch laufenden Verfahren zu differenzieren. Soweit die Verfahren bei Übernahme der Abwicklung bereits erledigt gewesen seien, habe der Beklagte als Abwickler die betreffenden Akten an den Kläger herauszugeben. Die Schuldnerin sei Eigentümerin der Handakten, soweit sie keine Unterlagen der Mandanten enthielten. Ein Recht, dem Kläger die Akten vorzuenthalten, begründe § 55 BRAO nicht. Da der Abwickler nicht verpflichtet sei, diese Akten aufzubewahren, habe er sie herauszugeben.
Handakten zu den Verfahren, die der Beklagte als Abwickler übernommen habe und die noch nicht abgeschlossen seien, seien im vorliegenden Fall nicht herauszugeben. Das Eigentum an diesen Handakten habe die Schuldnerin verloren, weil die Verfahren im Einverständnis der Mandanten auf Rechtsanwälte im Hause des Beklagten übertragen worden seien. Daraus folge, dass die Mandate gegenüber der Schuldnerin gekündigt worden seien, so dass diese keine Rechte an den Akten habe. Die Akten seien von dem Abwickler an die Mandanten herausgegeben und übereignet worden (§ 929 BGB), die sie in einem nächsten Schritt an den neuen Anwalt herausgegeben hätten. Die Herausgabe habe auch an den neuen Anwalt direkt, ohne den Zwischenschritt der Übergabe an den Mandanten, erfolgen können. Zu der Übereignung sei der Beklagte als Abwickler berechtigt gewesen, weil er hinsichtlich der anwaltlichen Rechte und Pflichten an die Stelle der Schuldnerin getreten sei. Durch den Übergang der Akten aus der Kanzlei der Schuldnerin auf die neuen Anwälte habe die Schuldnerin und damit auch der Kläger sämtliche Herausgaberechte verloren.
Auch insolvenzrechtlich spreche nichts gegen die Übernahme der Handakten durch einen neuen Rechtsanwalt. Zwar unterfielen die Handakten grundsätzlich dem Insolvenzbeschlag. Da der Beklagte nur bis zum 31. Dezember 2013 zum Abwickler bestellt und das Verfahren erst am 24. Juli 2014 eröffnet worden sei, bestehe kein Anhalt dafür, dass Handakten erst nach Verfahrenseröffnung auf einen neuen Anwalt übergegangen seien.
Durch die Beschränkung des Herausgabeanspruchs entstünden dem Kläger keine unzumutbaren Nachteile. Er könne Auskunft verlangen, welche Mandanten nach Übernahme der Abwicklung das Mandatsverhältnis zu der Schuldnerin beendet hätten und ob der Schuldnerin gegen diese Mandanten noch offene Gebührenforderungen zustünden.
II.
Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Prüfung Stand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Handakten aberkannt, die von dem Beklagten oder anderen Anwälten als laufende Verfahren übernommen wurden.
Die Auskunftspflicht des Abwicklers aus § 666 BGB, § 53 Abs. 9 Satz 2, § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Auftragsgeber die begehrte Information zur Vorbereitung weiterer Ansprüche benötigt. Vielmehr genügt das allgemeine Interesse des Auftragsgebers, die Tätigkeit des Beauftragten zu kontrollieren (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2011 - III ZR 105/11, NJW 2012, 58 Rn. 13). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Auskunftspflicht ohne Einschränkungen besteht. Der Anspruch aus § 666 BGB ist grundsätzlich von dem Auftrag beziehungsweise Geschäftsbesorgungsverhältnis abhängig, dessen Absicherung er dient. Inhalt und Grenzen der Auskunftspflichten sind anhand des konkreten Rechtsverhältnisses zu bestimmen, wobei auf dieser Grundlage nach Treu und Glauben der Maßstab der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit gilt. Die Erfüllung der Informationspflichten aus § 666 BGB ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn feststeht, dass der Gläubiger des Informationsanspruchs auf Grund der Auskunft und Rechenschaftslegung keinesfalls etwas fordern könnte (BGH, Urteil vom 16. Juni 2016 - III ZR 282/14, WM 2017, 1569 Rn. 29). Im Streitfall dient das Auskunftsbegehren nach der ausdrücklichen, von dem Kläger gewählten Antragsfassung ausschließlich der Vorbereitung eines Herausgabeanspruchs hinsichtlich der im Besitz des Beklagten befindlichen Akten. Damit ist das Auskunftsbegehren an den verfolgten Anspruch auf Herausgabe der Akten gekoppelt. Besteht ein Anspruch auf Herausgabe der Akten nicht, kann der Kläger, der mit Rücksicht auf den ihm rechtskräftig zuerkannten Anspruch auf Rechnungslegung ein weitergehendes mit dem Herausgabeverlangen verbundenes Informationsinteresse nicht dargelegt hat, folgerichtig über deren Verbleib keine Auskunft verlangen.
2. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit der Kläger Auskunft über allgemeine Kanzleiakten und über abgeschlossene Verfahren betreffende, im Besitz des Beklagten befindliche Handakten verlangt. Insoweit ist die Entscheidung des Vordergerichts in Rechtskraft erwachsen. Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet allein noch ein Auskunftsbegehren hinsichtlich der Handakten, die bei Beginn der Abwicklertätigkeit laufende Verfahren zum Gegenstand haben. Unstreitig hat der Beklagte in seiner Eigenschaft als Abwickler die laufenden Verfahren der Schuldnerin unter Überlassung der Handakten entweder selbst übernommen oder auf andere Anwälte übertragen. Bei dieser Sachlage hat die Schuldnerin das Eigentum an den Handakten verloren. Folglich scheidet ein Herausgabeanspruch auf der Grundlage des neben § 667 BGB anwendbaren § 985 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1960 - VIII ZR 89/59, BGHZ 34, 122, 123 f; MünchKomm-BGB/Schäfer, 7. Aufl., § 667 Rn. 7) aus. Mithin besteht auch keine Auskunftspflicht des Beklagten.
a) Die Schuldnerin war Eigentümerin der Handakten, soweit es sich um Aktenbestandteile handelte, die sie für sich selbst gefertigt hatte oder die für sie bestimmt waren. Das von dem Kläger verfolgte Begehren trägt diesem Umstand Rechnung, weil es sich auf die Herausgabe der im Eigentum der Schuldnerin stehenden Aktenteile beschränkt.
aa) Die Bestandteile einer Handakte können, wenn diese - wie im Streitfall - geheftet ist, voneinander getrennt werden, ohne dass der eine oder andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (§ 93 BGB). Aus dieser Erwägung sind die einzelnen in einer Handakte vereinigten Schriftstücke nicht wesentliche Bestandteile einer Sache, sondern können Gegenstand besonderer Rechte sein. Mangels Anwendbarkeit des § 947 BGB handelt es sich um einen Inbegriff von Sachen im Sinne des § 260 BGB. Darum können an den einzelnen Schriftstücken, welche in einer Handakte zusammengefasst werden, unterschiedliche Eigentumsrechte bestehen (RG, JW 1926, 2222).
bb) Urkunden, Schriftstücke und andere Unterlagen, die der Mandant dem Rechtsanwalt überlässt, werden Inhalt der Handakte. Das Eigentum des Mandanten an diesen Schriftstücken wird durch die Einfügung in die Handakte nicht berührt (Fiala/von Walter, DStR 1998, 694, 696; Tauchert/Schulze-Grönda, BRAK-Mitt. 2010, 115, 118 f; Bräuer, AnwBl. 2017, 440, 441). Schriftstücke, die der Anwalt in Wahrnehmung seines Auftrags für den Mandanten entgegennimmt und an ihn gemäß § 667 BGB, § 50 Abs. 3 BRAO hinauszugeben hat, gehen unmittelbar in das Eigentum des Mandanten über. Der Anwalt wird bei dem Eigentumserwerb hinsichtlich der dinglichen Einigung als Vertreter (§ 164 Abs. 1 BGB) und hinsichtlich der Übergabe als Besitzmittler (§§ 929, 868, 675 BGB) des Mandanten tätig (Fiala/von Walter, aaO; Jungk in Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, 5. Aufl., Kap. IV Rn. 159; Weinland in Henssler/Gehrlein/Holzinger, Handbuch der Beraterhaftung, 2018, Kap. 3 Rn. 36). Die ihm gehörenden Unterlagen sind dem Mandanten spätestens mit Mandatsende auszuhändigen (Jungk, aaO Rn. 163). Dagegen erwirbt der Rechtsanwalt das Eigentum an den Schriftstücken, die er für sich selbst gefertigt hat oder die für ihn bestimmt sind (Fiala/von Walter, aaO; Jungk, aaO Rn. 159; Weinland, aaO).
b) Der auf die im Eigentum der Schuldnerin stehenden Teile der Handakten gerichtete Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) ist nicht begründet, soweit die Handakten Verfahren zum Gegenstand haben, die der Beklagte selbst übernommen oder auf andere Rechtsanwälte übertragen hat. Die Eigentumsrechte der Schuldnerin an diesen Handakten sind untergegangen.
aa) Der auf Herausgabe klagende Eigentümer muss sowohl sein Eigentum als auch den Besitz des Beklagten an der herauszugebenden Sache zur Zeit der Klageerhebung beweisen (BGH, Urteil vom 12. Mai 1982 - VIII ZR 132/81, WM 1982, 749, 750; MünchKomm-BGB/Baldus, 7. Aufl., § 985 Rn. 243; Fritzsche in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, 4. Aufl., § 985 Rn. 41 ff). Niemand kann zu einer Leistung verurteilt werden, deren Unmöglichkeit im Zeitpunkt der Verurteilung bereits feststeht. Demnach ist eine Herausgabeklage nach § 985 BGB abzuweisen, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Beklagte den Besitz an der herauszugebenden Sache verloren hatte (BGH, aaO).
bb) Ein Herausgabeanspruch ist schon deshalb nicht begründet, weil die Schuldnerin im Zuge der Mandatsbeendigung das Eigentum an den laufenden Verfahren betreffenden Handakten verloren hat.
(1) Die öffentliche Bestellung eines Kanzleiabwicklers erfolgt zum Schutz der Mandanten, für die im Interesse der Rechtssicherheit die reibungslose Fortführung der laufenden Angelegenheiten sichergestellt werden soll, und in diesem Zusammenhang auch zur Wahrung des Ansehens der Anwaltschaft. Zur Beendigung der schwebenden Angelegenheiten stehen dem Abwickler gemäß § 55 Abs. 2 Satz 3 BRAO die anwaltlichen Befugnisse zu, die der frühere Rechtsanwalt hatte. Der Abwickler gilt gemäß § 55 Abs. 2 Satz 4 BRAO für die schwebenden Angelegenheiten als von der Partei bevollmächtigt, sofern diese nicht für die Wahrnehmung ihrer Rechte in anderer Weise gesorgt hat. Die Partei ist weder an den Abwickler gebunden, noch muss sie ihren Auftrag von dem Abwickler fortführen lassen (Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 55 Rn. 21a). Darum entscheidet der Mandant als Herr des Verfahrens darüber, ob er eine Fortsetzung der Mandatsbetreuung durch den Abwickler wünscht (Feuerich/Weyland/Schwärzer, aaO Rn. 21). Folglich waren die Mandanten der Schuldnerin in Einklang mit der Würdigung des Berufungsgerichts berechtigt, erteilte Mandate zu kündigen (Feuerich/Weyland/Schwärzer, aaO Rn. 21a; Tauchert/Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 55 BRAO Rn. 26). Zudem können Anwaltsverträge einvernehmlich zwischen dem Abwickler und dem Mandanten aufgehoben werden (Nolzen, Die Abwicklung einer Rechtsanwaltskanzlei, 2008, S. 33; Tauchert/Schulze-Grönda, BRAK-Mitt. 2010, 115, 116). Die Angelegenheiten der Mandanten der Schuldnerin wurden im Rahmen neuer Verträge von dem Beklagten selbst oder anderen Rechtsanwälten übernommen. Ob eine vom Abwickler veranlasste Überführung laufender Verfahren auf sich selbst oder andere Rechtsanwälte dem Sinn und Zweck der Abwicklung entspricht, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
(2) Anlässlich der Mandatswechsel hat der Beklagte als Abwickler namens der Schuldnerin deren Eigentum an den Handakten (Feuerich/Weyland/Schwärzer, aaO § 53 Rn. 64, § 55 Rn. 35c; Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 53 BRAO Rn. 118) auf die Mandanten übertragen (§ 929 Satz 1 BGB).
(a) Die Einigung über den Eigentumsübergang ist ein dinglicher Vertrag, dessen Zustandekommen sich nach den allgemeinen für Rechtsgeschäfte geltenden Regeln richtet. Erforderlich sind deshalb zum einen ein Übereignungsangebot des bisherigen Eigentümers und zum anderen eine Annahme dieses Angebots durch den Erwerber. Ob der Einigungswille vorhanden ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Auslegung von Rechtsgeschäften (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2015 - V ZR 240/14, NJW 2016, 1887 Rn. 9).
Der Beklagte konnte ein wirksames Übereignungsangebot gegenüber den Mandanten abgeben. Der Abwickler, der nur Mandate des ehemaligen Rechtsanwalts in eigener Person weiterführt (BGH, Beschluss vom 21. April 1966 - VII ZB 2/66, NJW 1966, 1362), aber nicht in allgemeine Verträge und Eigentumsrechte des ehemaligen Rechtsanwalts einrückt (Feuerich/Weyland/Schwärzer, aaO § 55 Rn. 20c), ist ebenso wie ein allgemeiner Vertreter gemäß § 53 Abs. 10 Satz 1, § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO in der Lage, namens des früheren Rechtsanwalts im bürgerlich-rechtlichen Sinne (Lambertz, Der Kanzleiabwickler, 2004, S. 108 ff; Nolzen, Die Abwicklung einer Rechtsanwaltskanzlei, 2008, S. 129) über Kanzleigegenstände und folglich auch die Handakten zu verfügen (Nolzen, aaO S. 34, 136; Tauchert/Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 55 BRAO Rn. 32; Feuerich/Weyland/Schwärzer, aaO § 55 Rn. 33; Lambertz, aaO S. 86, 116 f; vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1995 - VIII ZR 94/94, NJW 1995, 2026, 2027; BT-Drucks 11/3253, S. 23). Die weisungsfreie (Feuerich/Weyland/Schwärzer, aaO), zudem unbeschränkte Verfügungsbefugnis des Beklagten aus § 53 Abs. 10 Satz 1, § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO (Lambertz, aaO S. 114) gilt generell bis zur Beendigung der Abwicklung. Für einen der Wirksamkeit der Übereignung entgegenstehenden Missbrauch der Vertretungsmacht besteht kein Anhalt, wenn der Abwickler - wie im Streitfall - nach Vertragsende den Mandanten die Handakte zur Wahrnehmung ihrer Belange durch einen neuen Anwalt übereignet. Bis zur Beendigung der Abwicklung am 31. Dezember 2013 wurde wegen der erst auf den Antrag vom 6. Februar 2014 am 24. Juli 2014 erfolgten Verfahrenseröffnung eine vorrangige Verfügungsbefugnis des Klägers (§ 80 Abs. 1 InsO) nicht begründet (vgl. Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 55 BRAO Rn. 103). Die Mandanten haben das Angebot auf Übereignung der Akten angenommen.
(b) Die zur Eigentumsübertragung ferner erforderliche Übergabe setzt voraus, dass der Erwerber unmittelbaren (§ 854 BGB) oder mittelbaren (§ 868 BGB) endgültigen Besitz an der Sache erlangt (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2015 - V ZR 240/14, NJW 2016, 1887 Rn. 21). Die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach das Eigentum der Schuldnerin von dem Beklagten auf der Grundlage einer entsprechenden Einigung durch Übergabe der Handakten auf die Mandanten übertragen wurde (§ 929 Satz 1 BGB), ist, ohne dass es angesichts der unstreitigen tatsächlichen Weitergabe der Akten einer näheren Sachverhaltsklärung bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1975 - VIII ZR 179/74, WM 1976, 153, 154), nicht zu beanstanden.
Der Beklagte war im Rahmen des gemäß § 53 Abs. 9, § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO mit der Schuldnerin kraft Geschäftsbesorgung (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2003 - AnwZ (B) 62/02, BGHZ 156, 362, 367; Scharmer in Hartung/Scharmer, aaO § 55 BRAO Rn. 94, § 53 Rn. 80; Feuerich/Weyland/Schwärzer, aaO § 55 BRAO Rn. 20a) begründeten Besitzmittlungsverhältnisses unmittelbarer Fremdbesitzer der im Eigentum der Schuldnerin stehenden Akten (Scharmer in Hartung/Scharmer, aaO § 53 BRAO Rn. 118; Feuerich/Weyland/Schwärzer, aaO § 53 Rn. 64). Die gemäß § 929 Satz 1 BGB erforderliche Übergabe fand statt, indem der Beklagte als Besitzmittler für die Schuldnerin den unmittelbaren Besitz an den Akten auf die Mandanten übertrug (vgl. RGZ 137, 23, 25 ff; Staudinger/Wiegand, BGB, 2017, § 929 Rn. 48). Anschließend konnten die Mandanten die ihnen übereigneten Handakten den neu gewählten Anwälten aushändigen. Als Alternative konnte eine Übergabe nach § 929 Satz 1, § 868 BGB dadurch geschehen, dass der Beklagte die Akten unter Aufgabe des unmittelbaren Besitzes auf Weisung der Mandanten den diesen durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbundenen (§ 675 BGB) neuen Anwälten als Besitzmittler der Mandanten aushändigte (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1975 - VIII ZR 179/74, WM 1976, 153, 154; MünchKomm-BGB/Oechsler, 7. Aufl., § 929 Rn. 56). Soweit der Beklagte selbst Mandate übernahm, wurde die Übergabe der Handakten gemäß § 929 Satz 1, § 868 BGB durch einen Besitzmittlerwechsel vollzogen, indem der Beklagte seinen Besitzmittlerwillen vereinbarungsgemäß zugunsten der Mandanten und nicht mehr der Schuldnerin ausübte (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1984 - VIII ZR 244/83, BGHZ 92, 280, 288; vom 22. Februar 2010 - II ZR 286/07, NJW-RR 2010, 983 Rn. 23 f; MünchKomm-BGB/Oechsler, aaO § 929 Rn. 66).
cc) Jegliche Ansprüche der Schuldnerin aus § 985 BGB an den Handakten scheitern danach jedenfalls an ihrem fehlenden Eigentum. Soweit der Anspruch die auf andere Anwälte übertragenen Akten zum Gegenstand hat, fehlt es zudem an einem Besitz des Beklagten.
3. Ein aus § 667 Fall 1 BGB, § 53 Abs. 9 Satz 2, § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO eröffneter Anspruch auf Herausgabe der Handakten ist ebenfalls nicht begründet.
a) Der Abwickler einer Kanzlei muss gleich dem allgemeinen Vertreter eines Rechtsanwalts mit der Beendigung seiner Tätigkeit gemäß § 667 BGB, § 53 Abs. 9 Satz 2, § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO das zur Ausführung des Auftrags Erhaltene und das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herausgeben. Der Abwickler hat zur Ausführung des Auftrags die Handakten der Schuldnerin übernommen (Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 53 BRAO Rn. 84; Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 53 Rn. 64). Soweit der Beklagte die Handakten Mandanten überlassen hat, ist er zu einer Herausgabe nicht in der Lage, so dass allenfalls sekundäre, von dem Auskunftsverlangen nicht umfasste Ansprüche aus §§ 280 ff BGB verbleiben (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - III ZR 206/01, NJW 2002, 2459, 2460; vom 17. April 2008 - III ZR 27/06, NJW-RR 2008, 1373 Rn.12).
b) Zudem besteht sowohl hinsichtlich der den Mandanten überlassenen als auch der im Besitz des Beklagten befindlichen Handakten kein Herausgabeanspruch, weil der Abwickler von der Herausgabepflicht außer durch Erfüllung auch dann frei wird, wenn er das zur Ausführung des Auftrags Erhaltene oder aus der Geschäftsbesorgung Erlangte bestimmungsgemäß verwendet hat (BGH, Urteil vom 6. Juni 2002, aaO; vom 17. April 2008, aaO Rn. 9; vom 8. Januar 2009 - IX ZR 229/07, NJW 2009, 840 Rn. 19; vom 21. Juni 2012 - III ZR 291/11, NJW 2012, 3366 Rn. 27). Dies ist im Streitfall anzunehmen. Die Mandanten hatten die vertraglichen Bindungen zu der Schuldnerin nach § 55 Abs. 2 Satz 4 BRAO gelöst. Ist ein Auftrag durch Kündigung beendet (Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, 4. Aufl., § 50 Rn. 17; Tauchert/Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 50 BRAO Rn. 8), kann sich der Abwickler der Aufbewahrungspflicht des § 50 Abs. 2 Satz 2 BRAO entledigen, indem er die Handakten gemäß § 50 Abs. 2 Satz 3 BRAO an die Mandanten herausgibt (Tauchert/Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, aaO § 55 BRAO Rn. 69; Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 55 BRAO Rn. 89). Von dieser Möglichkeit hat der Beklagte Gebrauch gemacht, um aufwendige Aufbewahrungspflichten zu vermeiden (Scharmer in Hartung/Scharmer, aaO § 55 BRAO Rn. 92 f). Im Zusammenhang mit der Herausgabe war der Beklagte gemäß § 53 Abs. 10 Satz 1, § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO kraft Gesetzes berechtigt, zugunsten der Mandanten über die im Eigentum der Schuldnerin stehenden Teile der Handakten zu verfügen. Weisungen der Schuldnerin unterlag er dabei nicht (§ 53 Abs. 10 Satz 2 BRAO). Folglich ist ein Herausgabeanspruch nicht gegeben, weil die betroffenen Gegenstände der Schuldnerin nicht mehr gebühren (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - III ZR 9/05, NJW 2006, 986 Rn. 10).
4. Durch die Abweisung des Auskunftsanspruchs wird der Kläger entgegen dem Revisionsvorbringen nicht rechtlos gestellt. Der Kläger hat das Auskunftsbegehren durch die gewählte Antragstellung ausdrücklich auf den Herausgabeanspruch beschränkt. Ein weitergehender Auskunftsanspruch kann ihm folglich gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zugesprochen werden, zumal eine Klageerweiterung im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zulässig ist (BGH, Urteil vom 3. April 2003 - I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 350 f; vom 29. Juni 2006 - I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 Rn. 24).
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, kann dem Kläger ein Auskunftsanspruch im Hinblick darauf zustehen, welche Mandate der Schuldnerin auf andere Rechtsanwälte übertragen wurden. Der Abwickler hat dem Insolvenzverwalter gemäß § 53 Abs. 9 Satz 2, § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO, § 666 BGB über den Stand eines jeden Auftrags, insbesondere über die Entstehung von Vergütungsforderungen und die Vereinnahmung von Gebühren, Rechenschaft zu erteilen (Lambertz, Der Kanzleiabwickler, 2004, S. 128; Nolzen, Die Abwicklung einer Rechtsanwaltskanzlei, 2008, S. 212; Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 55 BRAO Rn. 55; Tauchert/Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 55 BRAO Rn. 32). Im Verhältnis zu dem Beklagten, dessen Tätigkeit als Abwickler im Streitfall geraume Zeit vor Verfahrenseröffnung endete, ist § 97 InsO, der nur Auskunftspflichten des Schuldners statuiert, nicht einschlägig (Nolzen, aaO S. 211; aA Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 55 BRAO Rn. 108). Ein solches von dem Herausgabeverlangen unabhängiges Auskunftsbegehren kann der Kläger, falls es nicht von der rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten zur Rechnungslegung erfasst ist, gesondert verfolgen.
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