BGH Kartellsenat, Beschluss vom 09.10.2018, KRB 60/17

Das Urteil unter dem Aktenzeichen KRB 60/17 (BGH)

vom 9. Oktober 2018 (Dienstag)


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Kartellbußgeldsache: Möglichkeit der sofortigen Vernehmung eines Zeugen und Reichweite der Aufklärungspflicht des Tatrichters; Anforderungen an die Begründung des einen Beweisantrag ablehnenden Beschlusses - Flüssiggas III

Auf die Rechtsbeschwerde der Nebenbetroffenen wird das Urteil des 4. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. März 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.

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Das Oberlandesgericht hat gegen die Nebenbetroffene wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Verbot des § 1 GWB, begangen durch Geschäftsführer ihrer Komplementärin, eine Geldbuße in Höhe von sieben Millionen Euro, zahlbar in vier Raten, festgesetzt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Nebenbetroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensbeanstandung Erfolg.

I.

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Nach den Urteilsfeststellungen war die Nebenbetroffene in ein flächendeckendes Kartell von Versorgungsunternehmen auf dem bundesweiten Flüssiggasmarkt für Tankgas eingebunden, das eine Bestandskundenabsprache traf. Die Nebenbetroffene gehörte - wie gesondert verfolgte weitere Nebenbetroffene - zu den führenden Anbietern von Flüssiggas für private wie gewerbliche Endverbraucher und war Mitglied im D.              e.V. (D. ), dem größten Interessenverband deutscher Flüssiggasunternehmen mit im Jahr 1996 ca. 80 und im Jahr 2005 noch ca. 52 Mitgliedern. Die Anzahl der Tankgas-Endverbraucher belief sich im Jahr 1996 auf rund 420.000 und sank bis zum Jahr 2004 auf etwa 406.000. Die Nutzung des Gases erfolgte unter anderem in Tankanlagen zu Heizzwecken. Die Nebenbetroffene vermietete überwiegend Flüssiggastanks an ihre Endabnehmer. Ein geringerer Teil der belieferten Tanks stand im Eigentum der Kunden.

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Schon in den 1970er Jahren schlossen sich die führenden Versorgungsunternehmen zu regionalen Transportgemeinschaften zusammen, um steigende Transportkosten für die Ausfuhr des Flüssiggases zu senken. Bereits die Kooperationspartner in diesen Ausfuhrgesellschaften hatten abgesprochen, sich keine Kunden "abspenstig zu machen". Etwa in den Jahren 1995 bis 1997 kam es zu einer "Neuaufstellung" der regional verstreut agierenden Ausfuhrkooperationen. Unter Zusammenführung von deren Ausfuhrgeschäft in Gemeinschaftsunternehmen erfolgte die Gründung der in den alten Bundesländern tätigen f.                                  und der in den neuen Bundesländern tätigen f. (Ost)                              sowie der deutschlandweit agierenden Tr.                                . Die beiden zuerst genannten Gesellschaften wurden im Jahr 2000 zu einer Kommanditgesellschaft f. verschmolzen. Die R.               , eine aus der R.                         hervorgegangene Tochtergesellschaft der Nebenbetroffenen, war bis dahin als Kommanditistin an der f. (Ost) beteiligt. In der f. war die K.                eine der Kommanditistinnen. Diese weitere Tochtergesellschaft der Nebenbetroffenen behielt die Gesellschafterstellung auch nach der Zusammenlegung der f. -Gesellschaften im Jahr 2000 bei.

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In den Zusammenkünften und Unterredungen, die den bundesweiten Gründungen von f. und Tr.   vorausgingen, versprachen die Vertreter und Verhandlungsführer der Gründungsgesellschafterinnen einander zumindest stillschweigend einen Bestandskundenschutz auch in den neuen Ausfuhrgesellschaften. Dieser "Nichtangriffspakt" hatte einen allgemeinen - auch kooperationsübergreifenden ("über Kreuz") - Verzicht auf Wettbewerb in Bezug auf Bestandskunden zum Gegenstand und erfasste Endverbraucher von Flüssiggas, die ein Kartellmitglied bereits beliefert hatte. Hierbei handelte es sich um ca. 80 Prozent der Flüssiggaskunden. Die assoziierten Kooperationspartnerinnen der Ausfuhrgemeinschaften ohne Gesellschafterstellung traten diesen auf der Basis des ihnen bekannten Bestandskundenschutzes bei.

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Zur Optimierung und Sicherung des Bestandskundenschutzes bestand im Rahmen der Ausfuhrkooperationen ein Meldewesen. Sofern ein Versorgungsunternehmen eine Auslieferung an einen Kunden begehrte, der in den Datenbanken für einen anderen Versorger erfasst war, informierte die f. - wie auch die Tr.   - hierüber beide Unternehmen. Diese "Wettbewerbsmeldungen" schufen eine gegenseitige potentielle und praktizierte Kontrolle der Kartellmitglieder. Als Folge der Kartellabsprache fand ein wirksamer Preiswettbewerb um Bestandskunden der an ihr beteiligten Versorgungsunternehmen weithin nicht mehr statt. Wie ebenfalls angestrebt schuf das Kartell unter den ihm angehörenden, überregional orientierten Flüssiggasunternehmen ferner einen erhöhten, nicht markt- und wettbewerbskonformen Verhaltensspielraum, Kundenstämme und Unternehmensbeteiligungen zu erwerben sowie neue Tochtergesellschaften zu gründen.

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Im Tatzeitraum ab 1997 setzten bei der Nebenbetroffenen, die ihre Kunden über die f. -Gesellschaften mit Flüssiggas beliefern ließ, der vorsätzlich handelnde Geschäftsführer ihrer Komplementärin J.   T.   und ab Ende 2001 dessen Nachfolger U. T.   die Bestandskundenabsprache um. Der im Jahr 2010 verstorbene J.   T.   war bis Oktober 2001 zugleich eine der Leitungspersonen der R. . Zumindest bis zu den Durchsuchungen durch das Bundeskartellamt Anfang Mai 2005 setzten die Leitungspersonen der Kartellmitglieder die festgestellte Kartellabsprache weiter um.

II.

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Die Rechtsbeschwerde hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, mit der die Rechtsbeschwerdeführerin die rechtswidrige Ablehnung eines auf die Vernehmung des Zeugen M.   gerichteten Beweisantrags geltend macht. Auf die weiteren Verfahrensrügen und die Sachrüge kommt es daher nicht mehr an.

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1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

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Mit Beweisantrag vom 5. Dezember 2014 beantragte die Nebenbetroffene erstmals, ihren langjährigen Vertriebsleiter und Prokuristen M.   als Zeugen zu vernehmen. Dies lehnte das Oberlandesgericht zunächst mit der Begründung ab, der Antrag beinhalte keine konkreten Beweistatsachen und es fehle an der erforderlichen Konnexität zwischen Beweistatsachen und Beweismittel. In einem ergänzenden Beschluss stützte es die Ablehnung auch darauf, dass die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei.

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In der Hauptverhandlung am 29. Januar 2015 stellte die Nebenbetroffene sodann einen weiteren Beweisantrag, der sich erneut auf die Vernehmung des - an diesem Hauptverhandlungstag anwesenden, von der Nebenbetroffenen über einen Gerichtsvollzieher geladenen und damit präsenten - Zeugen M.   richtete. Er sollte insbesondere Folgendes bekunden: Die Nebenbetroffene sei aktiv durch Mitarbeiter des Außendienstes an die Bestandskunden (Kunden, die bereits einmal Flüssiggas bei einem anderen Unternehmen bezogen haben) anderer Unternehmen herangetreten, um diese als Kunden zu gewinnen. Er habe nie gegenteilige Anweisungen ausgegeben. Vielmehr habe er alle seine Mitarbeiter - beispielhaft finden sich in dem Antrag acht Namen - stets ausdrücklich angehalten, den Wettbewerbern aus dem Kreis der D. Mitglieder und f. -Gesellschafter, insbesondere den gesondert verfolgten Nebenbetroffenen, Bestandskunden abzuwerben. Gemeinsam mit der Geschäftsleitung der Nebenbetroffenen habe er Strategien entwickelt, wie solche Bestandskunden anderer Flüssiggasunternehmen des D.  als Kunden gewonnen und abgeworben werden können, so z.B. das Zählermodell oder die Einrichtung von Netzversorgungen.

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Diesen Antrag (und weitere Beweisanträge) der Nebenbetroffenen lehnte das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 5. Februar 2015 gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ab. Zur Begründung teilte es - unter Anwendung von § 77 Abs. 3 OWiG - lediglich mit, dass es die begehrten Beweiserhebungen zur Aufklärung des Sachverhalts im Rahmen des ihm zustehenden Ermessensspielraums nicht - zumindest nicht mehr - für erforderlich halte. Auch die Aufklärungspflicht gebiete die Vernehmung des Zeugen nicht. Hiergegen erhobene Gegenvorstellungen der Verteidigung blieben erfolglos.

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In den Urteilsgründen ist zur Begründung, weshalb das Oberlandesgericht die beantragte Vernehmung des Zeugen M.   abgelehnt hat, ausgeführt, dass dessen Einweihung wie die Einweihung weiterer Personen in die Kartellabsprache schon wegen der damit verbundenen Mitwisserschaft aus der Sicht der Kartellanten auf Leitungsebene riskant und für die Umsetzung der Absprache in den Versorgungsunternehmen letztlich auch nicht notwendig gewesen sei. So verwundere es nicht, wenn diese Personen keine Kartellabsprachen selbst trafen, keine Kenntnis von solchen Absprachen besaßen oder hätten erlangen müssen und keine entsprechenden Anweisungen erhielten oder erteilten. Dahingehende Beweiserhebungen seien zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich gewesen (vgl. UA S. 107). Im Übrigen heißt es (UA S. 109): "Soweit die Nebenbetroffene allgemein gehaltene Erinnerungen von Vorgesetzten behauptet, Bestandskunden mit Niedrigpreisen abzuwerben, waren diese mit Blick auf die langjährig praktizierte wettbewerbliche Zurückhaltung allenfalls geeignet, die Abwerbung von Bestandskunden freier Anbieter (den "Restwettbewerb") zu fördern, oder sie wurden seitens der Mitarbeiter auf das Verhalten gegenüber hartnäckig nachfragenden Fremdkunden gemünzt."

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2. Die Verfahrensrüge, mit der die Beschwerdeführerin die rechtswidrige Ablehnung ihres Beweisantrags vom 29. Januar 2015 rügt, ist zulässig erhoben. Die Beschwerdeführerin trägt die notwendigen Tatsachen vor, die dem Senat die Prüfung ermöglichen, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn dem Beschwerdevorbringen sind der vollständige Inhalt des Beweisantrags und des ihn ablehnenden Gerichtsbeschlusses sowie die Umstände zu entnehmen, die den Beschluss fehlerhaft machen (vgl. dazu OLG Bamberg, OLGSt StPO § 244 Nr. 25; OLG Hamm, StRR 2010, 105 juris Rn. 6; SVR 2007, 151, 152; Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl., § 77 Rn. 50; Lemke/Mosbacher, OWiG, 2. Aufl., § 77 Rn. 31). Ob die Verfahrensrüge auch den weiteren Anforderungen an eine allgemeine Aufklärungsrüge genügen muss, kann hier dahinstehen. Denn dem Rügevorbringen ist ausreichender Sachvortrag dazu zu entnehmen, warum sich das Tatgericht zu der begehrten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen.

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Die Beschwerdeführerin musste für die Zulässigkeit ihrer Verfahrensrüge wegen der zugleich erhobenen Sachrüge den Urteilsinhalt nicht vortragen. Ist der gerichtliche Ablehnungsbeschluss - wie hier - mit einer Kurzbegründung nach § 77 Abs. 3 OWiG versehen, zählen zu den fehlerrelevanten Umständen auch die Urteilsgründe. Denn das Tatgericht hat im Urteil nachprüfbar zu begründen, weshalb die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich war (vgl. BT-Drucks. 10/5083, S. 22; BayObLGSt 2003, 7, 9; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 77 Rn. 26; KK-OWiG/Senge, 5. Aufl., § 77 Rn. 43). Die Urteilsgründe hat der Senat allerdings bereits auf die Sachrüge der Nebenbetroffenen zur Kenntnis zu nehmen.

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3. Die Verfahrensrüge ist begründet. Die Verfahrensweise des Oberlandesgerichts war rechtsfehlerhaft, denn sie kann sich nicht auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG stützen.

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a) Ein durchgreifender Rechtsfehler liegt bereits darin, dass dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen ist, dass die beantragte Vernehmung des Zeugen M.   nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Oberlandesgerichts - das den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt hielt - zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich war (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Im Anschluss an einen Gerichtsbeschluss mit einer Kurzbegründung nach § 77 Abs. 3 OWiG muss den Urteilsgründen zumindest im Zusammenhang zu entnehmen sein, weshalb die zusätzlich beantragte Beweiserhebung an der Überzeugung des Gerichts nichts geändert hätte und für die Aufklärung entbehrlich war (vgl. OLG Jena, VRS 106, 302, 303; OLG Zweibrücken, MDR 1991, 1192, 1193; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 77 Rn. 26).

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Dies lassen die Urteilsgründe mit Blick auf die geltend gemachten Beweisbehauptungen nicht erkennen. Das Urteil verhält sich nur zur fehlenden Kenntnis von der Kartellabsprache und zu unterbliebenen Weisungen des Zeugen an Außendienstmitarbeiter, nicht an Kunden anderer Kartellmitglieder heranzutreten. Das Oberlandesgericht übergeht hiermit die unter Beweis gestellten Behauptungen, dass die Nebenbetroffene Bestandskundenwettbewerb auch gegenüber anderen D. -Mitgliedsunternehmen inklusive den f. -Gesellschafterinnen betrieben habe und der Zeuge seine Mitarbeiter im Vertrieb stets zur Abwerbung der Kunden angehalten habe. Hiermit setzen sich die weiteren pauschalen Ausführungen des Oberlandesgerichts, die auf die Abwerbung von Kunden der freien Anbieter abstellen (UA S. 109), ebenfalls nicht auseinander. Zudem ist unklar, ob sich diese Ausführungen überhaupt auf den Zeugen M.   beziehen.

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b) Auch in der Sache liegen die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen M.   vom 29. Januar 2015 nicht vor. Die Ablehnung einer Beweiserhebung aufgrund der vorweggenommenen Beweiswürdigung nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG setzt voraus, dass die Grundlagen für die bereits gewonnene Überzeugung so verlässlich sind, dass die Möglichkeit, diese Überzeugung könne durch eine weitere Beweisaufnahme erschüttert werden, vernünftigerweise auszuschließen ist (vgl. BayObLGSt 1994, 67, 69; OLG Brandenburg, NZV 2013, 49; OLG Celle, NZV 2010, 634, 635; KG, NZV 2002, 416). Entscheidend ist die - auch für einen Beweisermittlungsantrag maßgebliche - Amtsaufklärungspflicht gemäß § 77 Abs. 1 OWiG (vgl. KK-OWiG/Senge, 5. Aufl., § 77 Rn. 16; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 77 Rn. 11, 14). Daher hängt die Pflicht des Tatrichters, den Sachverhalt weiter zu erforschen, einmal davon ab, wie gesichert das Beweisergebnis erscheint. Ihr Umfang orientiert sich aber auch am Gewicht dessen, was mit zusätzlichen Ermittlungen noch bewiesen werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2004 - KRB 23/04, WuW/E DE-R 1469, 1470 - nicht verlesener Handelsregisterauszug; BeckOK OWiG/Hettenbach, 19. Ed., § 77 Rn. 16; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 77 Rn. 11).

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Das festgestellte Vertriebsverhalten der Nebenbetroffenen hat das Oberlandesgericht den Urteilsgründen zufolge aus dem von Zeugen bestätigten unterbliebenen Bestandskundenwettbewerb durch die Tr.   -Gesellschafterinnen und durch andere f. -Gesellschafterinnen abgeleitet. Die beantragte Vernehmung des langjährigen Vertriebsleiters und Prokuristen der Nebenbetroffenen ließ demgegenüber direkten Aufschluss über deren eigenes Vertriebsverhalten erwarten. Das behauptete Vertriebsverhalten der Nebenbetroffenen spräche im Falle seiner Erwiesenheit indiziell gegen den vorgeworfenen Kartellverstoß. Der Zeuge M.   , zu dessen Tätigkeiten nach dem Antragsinhalt die Führung und Steuerung der Vertriebsmitarbeiter im Innen- und Außendienst sowie die Planung und Durchführung von Marketing-Aktivitäten gehörten, war damit ein tatrelevanter, zentraler Entlastungszeuge. Die Vernehmung dieses Zeugen war unter Aufklärungsgesichtspunkten zwingend geboten (vgl. zu Entlastungszeugen allgemein auch BayObLGSt 1996, 180, 181; KG, StraFo 2012, 22; OLG Jena, VRS 108, 219, 220; OLG Düsseldorf, NZV 1999, 260; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 77 Rn. 14), zumal es sich mit Blick auf die Höhe der möglichen Geldbuße und den Verfahrensgegenstand um eine Sache von hervorgehobener Bedeutung handelt (§ 77 Abs. 1 Satz 2 OWiG).

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c) Des Weiteren sprach auch die Präsenz des Entlastungszeugen für dessen Vernehmung. Im Bußgeldverfahren ist § 245 Abs. 2 StPO nach allgemeiner Auffassung zwar unanwendbar (vgl. OLG Hamm, VRS 57, 35, 37; LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 245 Rn. 9; SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 245 Rn. 8; KK-OWiG/Senge, 5. Aufl., § 77 Rn. 1, 12; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 77 Rn. 27). Dessen Rechtsgedanke, die Wahrheitserforschung zu stärken (vgl. näher LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 245 Rn. 1), ist aber zumindest in Sachen von gesteigerter Bedeutung nicht ohne Relevanz. Vielmehr kann auch die Möglichkeit, einen Zeugen sofort zu vernehmen, ein Umstand sein, der für die Reichweite der Aufklärungspflicht des Tatrichters bedeutsam und bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen ist.

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d) Hinzu kommt, dass das vorliegende Kartellbußgeldverfahren aufgrund seiner rechtlichen und tatsächlichen Komplexität, die auch in der Dauer der Hauptverhandlung zum Ausdruck kommt, nicht zu den von § 77 Abs. 3 OWiG erfassten Regelfällen zählt, in denen Beweisanträge mit einer bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden dürfen. Zumindest wenn es in derartigen Kartellbußgeldsachen um zentrale Fragen geht, ist bereits in dem ablehnenden Gerichtsbeschluss (§ 244 Abs. 6 StPO) zu begründen, aus welchen Gründen die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.

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Einer Vorwegnahme der gesamten, den Urteilsgründen vorbehaltenen Beweiswürdigung bedarf es dazu nicht. Die für die Ablehnung wesentlichen Überlegungen sind aber so weit zu benennen, dass den Verfahrensbeteiligten ermöglicht wird, ihr weiteres Prozessverhalten auf die der Ablehnung zugrunde liegende Auffassung einzurichten, und das Rechtsbeschwerdegericht die antizipatorische Würdigung auf Rechtsfehler überprüfen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 3 StR 373/07, NStZ 2008, 109, 110; LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 165; MüKoStPO/Trüg/Habetha, § 244 Rn. 173). Ein solches Vorgehen wahrt das rechtliche Gehör der (Neben-) Betroffenen. Zugleich dient die Begründung des Beschlusses, in dem die für die Ablehnung wesentlichen Gesichtspunkte in ihrem tatsächlichen Kern nachvollziehbar darzulegen sind, der Selbstkontrolle des Tatrichters.

III.

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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch der Bußgeldausspruch der rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten hätte. Der Günstigkeitsvergleich gemäß § 4 Abs. 3 OWiG wies einen Rechtsfehler zu Lasten der Nebenbetroffenen auf. Denn die Mehrerlösschätzung - und damit die Bestimmung des Bußgeldrahmens gemäß § 81 Abs. 2 GWB 1999 - entsprach aus den Gründen der Senatsbeschlüsse vom heutigen Tag in den Sachen KRB 51/16, KRB 58/16 und KRB 10/17 nicht den rechtlichen Anforderungen.

Limperg     

      

Meier-Beck     

      

Raum   

      

Sunder     

      

Hohoff