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Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München - 34. Zivilsenat - vom 16. November 2015 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 300.000 €.
I.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft italienischen Rechts in der Rechtsform einer società a responsibilità limitata. Sie erwirkte am 19. November 2013 vor dem italienischen Tribunale di Gorizia eine Sicherstellungsbeschlagnahme („sequestro conservativo“) gegen G. H. (im Folgenden: Schuldner). Hierdurch wurde sie ermächtigt, die Sicherstellungsbeschlagnahme bis zu einem Betrag von 1.000.000 Euro auf bewegliche und unbewegliche, materielle und immaterielle Werte sowie Forderungen des Schuldners vorzunehmen. Mit Beschluss vom 22. August 2014 erklärte das Oberlandesgericht die Entscheidung in Deutschland für vollstreckbar.
Am 23. April 2015 hat die Antragstellerin beantragt, eine verteilte Sicherungshypothek an dem im Rubrum genannten, in Deutschland belegenen Grundbesitz des Schuldners (einer Eigentumswohnung nebst zwei Tiefgaragenstellplätzen) einzutragen. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen, weil die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht eingehalten worden sei. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Antragstellerin weiterhin die Eintragung der Sicherungshypothek erreichen. Mit Beschluss vom 11. Mai 2017 (abgedruckt u.a. in RIW 2018, 305) hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„Ist es mit Art. 38 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vereinbar, eine im Recht des Vollstreckungsstaates vorgesehene Frist, aufgrund derer aus einem Titel nach Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr vollstreckt werden darf, auch auf einen funktional vergleichbaren Titel anzuwenden, der in einem anderen Mitgliedsstaat erlassen und in dem Vollstreckungsstaat anerkannt und für vollstreckbar erklärt worden ist?“
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Vorlagefrage mit Urteil vom 4. Oktober 2018 (Società Immobiliare Al Bosco Srl, C-379/17, EU:C:2018:806, veröffentlicht u.a. in RIW 2018, 756) wie folgt beantwortet:
„Art. 38 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der für die Vollziehung eines Arrestbefehls eine Frist gilt, nicht entgegensteht, wenn es um einen Arrestbefehl geht, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde und dem im Vollstreckungsmitgliedstaat Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist.“
II.
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts (OLG München, FGPrax 2016, 68 ff.) steht der beantragten Eintragung der Ablauf der in § 929 Abs. 2 ZPO geregelten Vollziehungsfrist von einem Monat entgegen. Die dem ausländischen Titel nach Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 verliehene Vollstreckbarkeit decke sich inhaltlich mit der einem entsprechenden inländischen Titel zukommenden Vollstreckbarkeit. Die Vollstreckung als solche richte sich nach der lex fori. Da die Sicherstellungsbeschlagnahme nach italienischem Recht mit einem deutschen Arrestbeschluss vergleichbar sei, seien die hierfür maßgeblichen Verfahrensvorschriften und damit auch § 929 Abs. 2 ZPO einzuhalten. In die Entscheidungshoheit des ausländischen Staates werde hierdurch nicht eingegriffen, da die Vollziehungsfrist die zwangsweise Durchsetzung eines erstrittenen Arresttitels, nicht aber dessen Wirksamkeit als solche beschränke.
III.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die italienische Entscheidung vom 19. November 2013 ist nach der Verordnung Nr. 44/2001 in Deutschland für vollstreckbar erklärt worden; diese Verordnung ist auch weiterhin anzuwenden, weil die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung vor dem 10. Januar 2015 ergangen ist (Art. 66 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, Società Immobiliare Al Bosco Srl, C-379/17, EU:C:2018:806 Rn. 22). Grundlage der Zwangsvollstreckung in Deutschland ist die inländische Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 1993 - IX ZB 55/92, BGHZ 122, 16, 18 mwN). Wird - wie hier - die Eintragung einer Sicherungshypothek beantragt, hat das Grundbuchamt die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung selbständig zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2013 - V ZB 151/12, ZfIR 2013, 779 Rn. 7 mwN).
2. Rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet ordnet das Beschwerdegericht die italienische Sicherstellungsbeschlagnahme funktional wie einen Arrestbefehl nach deutschem Recht ein. Infolgedessen richtet sich die Zwangsvollstreckung aus der inländischen Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung nach den deutschen Vorschriften über die Vollziehung des Arrestbefehls.
a) Zu den maßgeblichen Verfahrensvorschriften gehört auch § 929 Abs. 2 ZPO. Die dort geregelte Monatsfrist erfasst auch die Vollziehung eines Arrestbefehls, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen und in Deutschland für vollstreckbar erklärt worden ist. Nach der auf Vorlage des Senats ergangenen Entscheidung des Gerichtshof der Europäischen Union steht Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 der Anwendung einer solchen, im Recht des Vollstreckungsstaats vorgesehenen Frist nicht entgegen (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, Società Immobiliare Al Bosco Srl, C-379/17, EU:C:2018:806 Rn. 51). An diese Auslegung des Unionsrechts sind die nationalen Gerichte gebunden (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 33).
b) Danach ist der Arrestbefehl nicht mehr vollziehbar. Der Lauf der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO wird im Anwendungsbereich von Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 durch den Zugang (vgl. § 10 Abs. 3 AVAG) der Vollstreckbarerklärung an den Gläubiger in Gang gesetzt (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, Società Immobiliare Al Bosco Srl, C-379/17, EU:C:2018:806 Rn. 50). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts war mehr als ein Monat seit dem Zugang der Vollstreckbarerklärung an die Gläubigerin verstrichen, als die Eintragung der Sicherungshypothek beantragt wurde. Da gemäß § 932 Abs. 3 ZPO der Eintragungsantrag maßgeblich ist, ist die Vollziehungsfrist nicht eingehalten.
IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Gegenstandswert ist nach dem Nennbetrag der verteilten Arresthypothek festgesetzt worden (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GNotKG).
Stresemann |
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