BGH 5. Zivilsenat, Beschluss vom 06.12.2018, V ZB 79/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen V ZB 79/18 (BGH)

vom 6. Dezember 2018 (Donnerstag)


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Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 7. März 2018 und der Beschluss des Landgerichts Ingolstadt - 3. Zivilkammer - vom 30. April 2018 den Betroffenen für den Zeitraum vom 7. März bis 29. April 2018 und vom 12. bis 15. Mai 2018 in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

I.

1

Der Betroffene ist pakistanischer Staatsangehöriger. Am 23. Februar 2018 versuchte er in einem grenzüberschreitend verkehrenden Fernbus nach Deutschland einzureisen. Da er keine Identitäts- oder aufenthaltslegitimierenden Dokumente mit sich führte, wurde ihm die Einreise mit schriftlichem Bescheid der Bundespolizei verweigert. Der Betroffene hatte sich bereits 2015 in Deutschland aufgehalten und erfolglos die Gewährung von Asyl beantragt. Nachdem das Amtsgericht zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung vom 24. Februar 2018 Sicherungshaft bis zum 9. März 2018 angeordnet hatte, hat es mit Beschluss vom 7. März 2018 Haft bis zum 22. Mai 2018 zur Sicherung der Zurückweisung des Betroffenen nach Pakistan angeordnet. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Haft spätestens am 15. Mai 2018 endet. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene die Feststellung, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts ihn für den Zeitraum vom 7. März bis 29. April 2018 und vom 12. bis 15. Mai 2018 in seinen Rechten verletzt haben.

II.

2

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Anordnung von Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig. Dass das Amtsgericht dem Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen auf Verlegung des Anhörungstermins nicht nachgekommen sei, begegne angesichts des bereits erfolgten organisatorischen Aufwandes für die notwendigen Ladungen keinen rechtlichen Bedenken.

III.

3

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

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1. Das Amtsgericht hat gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen, weil es dem Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen auf Verlegung des Anhörungstermins nicht nachgekommen ist.

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a) Einem Verfahrensbevollmächtigten muss die Möglichkeit eingeräumt werden, an dem Termin zur Anhörung des Betroffenen teilzunehmen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert einem Betroffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen. Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft. Es kommt nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf dem Fehler beruht (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - V ZB 167/16, juris Rn. 7).

6

b) Danach hätte das Amtsgericht dem Terminverlegungsantrag des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen entsprechen müssen. Es hat, nachdem der Antrag der Behörde am 6. März 2018 bei Gericht eingegangen war, für den Folgetag am 7. März 2018 um 13.30 Uhr einen Termin zur Anhörung des Betroffenen bestimmt. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen, der sich am Nachmittag des 6. März 2018 bei dem Amtsgericht für den Betroffenen angezeigt hatte, wurde von dem Termin am 7. März 2018 benachrichtigt. Er stellte sogleich im Hinblick auf einen von ihm am selben Tag vor dem Verwaltungsgericht Berlin wahrzunehmenden Termin einen Verlegungsantrag. Vor diesem Hintergrund, insbesondere angesichts der sehr kurzfristigen Ladung, hätte das Amtsgericht eine Terminverlegung vornehmen müssen, damit die Anhörung des Betroffenen in Anwesenheit seines Verfahrensbevollmächtigten erfolgen konnte.

7

Einer Terminverlegung stand nicht entgegen, dass im Zeitpunkt des Eingangs des Verlegungsantrags am 7. März 2018 um 12.35 Uhr schon organisatorische Maßnahmen für den um 13.30 Uhr anberaumten Termin erfolgt waren. Bestimmt der Haftrichter für den Folgetag einen Termin zur persönlichen Anhörung des Betroffenen und beantragt dessen Verfahrensbevollmächtigter wegen Terminkollision eine Terminverlegung, ist dem Verlegungsantrag auch dann zu entsprechen, wenn bereits organisatorische Vorbereitungen zur Bereitstellung des Betroffenen und zur Ladung des Dolmetschers getroffen worden sind. Danach hätte der Haftrichter angesichts des Umstandes, dass er am 6. März 2018 für den darauffolgenden Tag den Anhörungstermin anberaumt hatte, von dem der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen nur einige Stunden vorher Kenntnis erhalten und damit keine Möglichkeit mehr hatte, zeitliche Dispositionen zu treffen, zur Wahrung der Rechte des Betroffenen den Anhörungstermin verlegen müssen. Die von dem Amtsgericht getroffenen Terminvorbereitungen können die Beschneidung elementarer Rechte des Betroffenen nicht rechtfertigen. Eine Terminverlegung war zeitlich auch möglich, weil sich der Betroffene aufgrund der vorläufigen Haftanordnung noch bis zum 9. März 2018 in Zurückweisungshaft befand. Zudem bestand die Möglichkeit, die Haft bis zur Anhörung des Betroffenen in Anwesenheit seines Verfahrensbevollmächtigten im Wege der einstweiligen Anordnung zu verlängern.

8

c) Der Verfahrensfehler des Amtsgerichts ist - mit Wirkung für die Zukunft (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - V ZB 167/16, juris Rn. 9) - in der Beschwerdeinstanz geheilt worden. Das Beschwerdegericht hat den Betroffenen am 26. April 2018 in Anwesenheit seines Verfahrensbevollmächtigten nochmals angehört und am 30. April 2018 über die Fortdauer der Haft entschieden. Damit ist am 30. April 2018 Heilung des Verfahrensfehlers eingetreten (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2018 - V ZB 71/17, FGPrax 2018, 136 Rn. 6).

9

2. Darüber hinaus rechtfertigt der Haftantrag der beteiligten Behörde nur eine Haftdauer bis zum 11. Mai 2018, nicht - wie das Beschwerdegericht meint - bis zum 15. Mai 2018. Nach den Angaben der Behörde wurden die Passbeschaffungsdokumente am 28. Februar 2018 bei der Botschaft eingereicht. Nach ihren weiteren Angaben benötigten die pakistanischen Behörden für die Bearbeitung der Passersatzausstellung ohne Sachbeweis acht Wochen. Die anschließende Organisation einer unbegleiteten Rückführung und Flugbuchung nehme zwei Wochen in Anspruch. Schließlich wurde ein weiterer Tag für etwa auftretende Hindernisse angesetzt. Unter Zugrundelegung dieser Darstellung war nur eine Haftanordnung bis zum 11. Mai 2018 gerechtfertigt.

IV.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.

Stresemann     

      

Schmidt-Räntsch     

      

Weinland

      

Göbel     

      

Haberkamp