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Festsetzung des Geschäftswerts bei mehreren klagenden Wohnungseigentümern
Die Gegenvorstellung des Klägers zu 1 gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes im Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
I.
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2018 hat der Senat die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 28. Februar 2017 auf deren Kosten als unzulässig verworfen und den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens auf 167.200 € festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Kläger zu 1 mit Schreiben vom 4. Dezember 2018, in dem er unter Hinweis auf die Obergrenze des § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG geltend macht, der Gegenstandswert sei lediglich auf 5.000 € festzusetzen.
II.
Die zulässige Gegenvorstellung des Klägers zu 1 ist unbegründet. Es besteht keine Veranlassung, den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens von Amts wegen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG) auf 5.000 € oder einen anderen Betrag herabzusetzen.
1. Die Festsetzung des Gegenstandswerts durch den Senat beruht auf den sich aus dem angegriffenen Urteil des Landgerichts Dortmund ergebenden Werten zu den einzelnen Streitgegenständen, die noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens waren. Dabei ist auch berücksichtigt worden, dass nach § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG der Streitwert das Fünffache des Wertes der Einzelinteressen der Kläger nicht überschreiten darf.
2. Der Einwand des Klägers, die Obergrenze des § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG werde überschritten, gibt keinen Anlass zu einer Abänderung der Wertfestsetzung.
a) Gemäß § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG, der auch für das Beschwerdeverfahren gilt (Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2018 - V ZR 239/17, MDR 2019, 282 Rn. 4), darf der Wert „in keinem Fall den Verkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen übersteigen“. Die Frage, wie die Obergrenze des § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG bei mehreren Klägern zu bestimmen ist, wird unterschiedlich beantwortet. Nach einer Ansicht ist der höchste Einzelverkehrswert heranzuziehen (LG Frankfurt, ZWE 2015, 284, 285; Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 49a GKG Rn. 9; Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl., § 49a Rn. 6), während andere den niedrigsten Einzelverkehrswert für maßgebend halten (AG Leipzig, ZMR 2017, 102, 105; Suilmann in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 49a GKG Rn. 6; Einsiedler, ZMR 2008, 765, 766). Nach einer dritten Ansicht sind in einem solchen Fall die Einzelverkehrswerte der Wohnungseigentumsrechte aller Kläger zu addieren (Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 4. Aufl., Anhang zu § 50 Rn. 9; BeckOK Kostenrecht/Toussaint [1.12.2018], § 49a GKG Rn. 22).
b) Der Senat hat diese Frage bislang offengelassen (Beschluss vom 6. Dezember 2018 - V ZR 239/17, MDR 2019, 282 Rn. 5). Er beantwortet sie im Sinne der zuletzt genannten Ansicht. Bei mehreren Klägern entspricht der Verkehrswert des Wohnungseigentums, der nach § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG die absolute Obergrenze des Geschäftswerts bildet, der Summe der Einzelverkehrswerte der Wohnungseigentumsrechte aller klagenden Wohnungseigentümer.
aa) Hierfür spricht schon der Wortlaut. Das Gerichtskostengesetz verwendet den Begriff „des Klägers“ auch außerhalb von § 49a GKG nicht zur Bezeichnung eines speziellen individuellen Klägers, sondern im Sinne von „Klagepartei“ (vgl. z.B. §§ 51, 52 GKG). Dieser Sprachgebrauch liegt auch dem ursprünglichen Vorschlag der Bundesregierung für einen nicht Gesetz gewordenen § 50 Abs. 2 WEG-E („Verkehrswert ihres Wohnungseigentums“) und den aus diesem Vorschlag auf Anregung des Bundesrats entwickelten heutigen § 49a GKG zugrunde (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 41 f., 53, 76).
bb) Für dieses Verständnis der Norm sprechen auch systematische Erwägungen. In der Vorschrift selbst wird ausdrücklich in kumulativer Form auch das Wohnungseigentum der auf seiner Seite Beigetretenen genannt. Wenn aber im Fall des Beitritts auch die Verkehrswerte des Wohnungseigentums der Beigetretenen hinzuzurechnen sind, muss Entsprechendes erst recht für den Fall gelten, dass auf der Klägerseite mehrere Kläger stehen. Nur das entspricht dem in § 39 Abs. 1 GKG geregelten allgemeinen Grundsatz, wonach mehrere Streitgegenstände in einem Verfahren zusammengerechnet werden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Dass letzteres für den Fall der subjektiven Klagehäufung von dem Gesetzgeber beabsichtigt gewesen sein könnte, lässt sich dem Wortlaut des § 49a Abs. 1 Sätze 2 und 3 GKG nicht entnehmen (vgl. auch KG, ZMR 2014, 230, 232). Zu berücksichtigen ist ferner, dass auch bei der Ermittlung der Beschwer im Rahmen einer Anfechtungsklage die Einzelbelastungen der Rechtsmittelführer zusammengerechnet werden, wenn diese nicht wirtschaftlich identisch sind (Senat, Urteil vom 2. Oktober 2015 - V ZR 5/15, WuM 2015, 754 Rn. 6).
cc) Die Zusammenrechnung der Einzelverkehrswerte der Wohnungseigentumsrechte der klagenden Wohnungseigentümer bei § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG entspricht auch dem Verständnis, das überwiegend zu § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG vertreten wird. Danach darf der Streitwert das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen das Fünffache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten. Die Wertgrenze des § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG bestimmt sich bei einer subjektiven Klagehäufung nach der Summe der Einzelinteressen aller Kläger und der auf ihrer Seite Beigetretenen (vgl. KG, ZMR 2014, 230, 232; OLG Bamberg, ZMR 2011, 887 f.; LG München I, ZMR 2012, 995; Hartmann, Kostengesetze, 48. Auflage, § 49a GKG, Rn. 5; Riecke, MDR 2019, 266, 272 f.). Zwar wird insoweit vertreten, dass bei einer Beschlussanfechtung durch mehrere Eigentümer als Streitgenossen (§ 47 Satz 1 WEG) zur Ermittlung des Mindestinteresses auf denjenigen Streitgenossen mit dem höchsten Einzelinteresse und zur Ermittlung des Höchstbetrages auf jenen mit dem geringsten Einzelinteresse abzustellen sei (Suilmann in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 49a GKG Rn. 17). Diese Auffassung findet aber im Wortlaut des Gesetzes keine Grundlage. Nach der ausdrücklichen Anordnung in § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG sind bei der Bestimmung des Einzelinteresses die Interessen des Klägers und der auf seiner Beigetretenen zu berücksichtigen. Mit dieser gesetzgeberischen Wertung ist es nicht vereinbar, von einer Addition der Interessen aller Kläger abzusehen. Dies gilt im gleichem Maße für die in § 49a Abs. 1 Satz 3 WEG bestimmte Obergrenze.
dd) Stattdessen auf den niedrigsten oder höchsten Einzelverkehrswert abzustellen, lässt sich auch nicht unter Rückgriff auf Sinn und Zweck der Obergrenze rechtfertigen. Die Vorschrift dient der Durchsetzung des Justizgewährleistungsanspruchs. Sie soll zwar vermeiden, dass ein bezogen auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers unverhältnismäßig hohes Kostenrisiko entsteht (BT-Drucks. 16/887, S. 42; Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2018 - V ZR 239/17, MDR 2019, 282 Rn. 5). Der einzelne Kläger wird bei einer Addition der Einzelinteressen wie auch bei der Addition der Verkehrswerte des Wohnungseigentums aller klagenden Wohnungseigentümer nach der gesetzgeberischen Wertung aber nicht mit einem Kostenrisiko belastet, das außer Verhältnis zu seinem Interesse an dem Verfahren steht. Das bestehende Kostenrisiko wird durch die Gebührendegression bei einem steigenden Streitwert, die Möglichkeit einer Mehrfachvertretung durch einen Prozessbevollmächtigten sowie durch die Verteilung der Kosten im Innenverhältnis der Kläger (vgl. hierzu Fölsch, MDR 2016, 335, 336) abgefedert.
c) Dass die Summe der Einzelverkehrswerte der Wohnungen der Kläger zu 1 und 2 niedriger ist als der festgesetzte Gegenstandswert, lässt sich nicht feststellen.
aa) Das Gericht muss den gemäß § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG für die Obergrenze maßgeblichen Verkehrswert schätzen. Da eine sachverständige Begutachtung im Rahmen der Streitwertfestsetzung nicht in Betracht kommt, ist es Sache der Partei, dem Gericht die für die Schätzung erforderliche Tatsachengrundlage zu unterbreiten (Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2018 - V ZR 239/17, MDR 2019, 282 Rn. 6).
bb) Den Vortrag, seine Wohnung habe lediglich einen Verkehrswert von 5.000 €, belegt der Kläger zu 1 lediglich mit der „Einschätzung“ eines Sachverständigenbüros für die Bewertung von Immobilien und Grundstücken vom 29. Juli 2009. Indessen stellt diese schon keine geeignete Grundlage für die Schätzung des Verkehrswertes des Wohnungseigentums des Klägers zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (§ 40 GKG) im Jahr 2014 dar, weil sie sich hinsichtlich der darin genannten Verkaufspreise für bezugsfertige Wohnungen in der Wohnanlage auf die Verhältnisse des Jahres 2009 bezieht. Hinzu kommt, dass die Kosten für die Fertigstellung der 28,35 qm großen Wohneinheit und für die Beseitigung von Mängeln nicht ansatzweise erläutert werden. Es fehlt schon an einer nachvollziehbaren Darstellung der notwendigen Arbeiten. Auch erscheint die Einschätzung des Sachverständigen, dass die Wohnung auch nach ihrer Fertigstellung wahrscheinlich nicht zu vermarkten sei, weil es an einem Balkon fehle und dies bei Ferienwohnungen ein „KO-Kriterium“ darstelle, zumindest fragwürdig. Im Übrigen folgt der Schätzung des Verkehrswertes durch den Sachverständigen auf lediglich 1.000 € selbst der Kläger nicht. Er folgt dem Berufungsgericht, das den Verkehrswert der Wohnung auf 5.000 € geschätzt, jedoch nicht nachvollziehbar begründet hat.
cc) Ausführungen zu dem Wert der Wohnung der Klägerin zu 2 hat der Kläger zu 1 nicht gemacht, obwohl ihm nach eigenen Angaben bekannt war, dass es auf diesen Wert ankommen konnte. Er hat nämlich in seinem Schreiben vom 9. Januar 2019 ausgeführt, der Ansicht von „Obergerichten wie z.B. des LG Frankfurt“, (in der oben zitierten Entscheidung vom 15. April 2015 - 2-09 T 335/14, ZWE 2015, 284), dass die Werte mehrerer Kläger zu addieren seien, sei nicht zu folgen; gleichwohl hat er den Wert der Einheit der Klägerin zu 2 mit 20.000 € und den der Wohnung des am Beschwerdeverfahren vor dem Senat nicht mehr beteiligten Klägers zu 3 mit 10.000 € angeben. Die Angabe zu dem - hier zu berücksichtigenden - Wert der Wohnung der Klägerin zu 2 hat der Kläger zu 1 nicht näher erläutert. Zu der Größe, dem Zustand und der Ausstattung der Wohnung finden sich in seinen Schreiben, mit welchen er die Gegenstandsfestsetzung durch den Senat angreift, keinerlei Angaben. Auch hier bleibt offen, zu welchem Preis die Wohnung erworben wurde.
dd) Eine Schätzung kann und darf nur vorgenommen werden, wenn und soweit die festgestellten Umstände hierfür eine genügende Grundlage abgeben. Sie hat zu unterbleiben, wenn - wie hier - greifbare Anhaltspunkte fehlen (st. Rspr., z.B. BGH, Versäumnisurteil vom 11. März 2004 - VII ZR 339/02, MDR 2004, 960; Urteil vom 22. Oktober 1987 - III ZR 197/86, NJW-RR 1988, 410). Mangels ausreichender Darlegung geeigneter Schätzungsgrundlagen kann nicht festgestellt werden, dass die Festsetzung des Gegenstandswerts durch den Senat die Obergrenze des § 49a Abs. 1 Satz 3 GKG überschreitet.
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