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Keine Kumulation von Nutzungsersatz und Prozesszinsen bei Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 21. Zivilsenats des Kammergerichts vom 1. Dezember 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 17.333,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 17.046,84 € seit dem 1. Februar 2012 und aus 286,37 € seit dem 14. August 2012 verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 1 des Landgerichts Berlin vom 8. Februar 2016 zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten bleibt zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 75% und die Beklagte 25%.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Der Kläger kaufte im Jahr 1999 von der Beklagten eine Eigentumswohnung. Den Kaufpreis von 126.442 € zahlte er am 1. September 1999. Im Jahr 2007 verurteilte das Kammergericht die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der mit der Wohnung verbundenen Gebrauchsvorteile des Klägers, mithin zur Zahlung von 96.015,73 € nebst 4% Zinsen gemäß § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB i.V.m. § 291 BGB aF seit dem 1. September 1999 Zug um Zug gegen Rückauflassung und Herausgabe der Wohnung, da der Kaufvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden und daher nichtig sei. Am 27. Juli 2007 zahlte die Beklagte diesen Betrag zurück. Außerdem zahlte sie dem Kläger die für die Zeit vom 1. September 1999 bis 27. Juli 2007 ausgeurteilten Zinsen von 30.398,84 €.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger - soweit hier von Interesse - auf der letzten Stufe der von ihm erhobenen Stufenklage Herausgabe der von der Beklagten aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 17.333,21 € stattgegeben. Das Kammergericht hat dem Kläger Nutzungsersatz in Höhe von 47.732,05 € nebst Zinsen zugesprochen.
Mit der von dem Kammergericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger gemäß § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292, § 987 BGB ein Anspruch auf Herausgabe von aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen in Form ersparter Zinsen zu. Unter Zugrundelegung eines geschätzten Zinssatzes von 4,8% für 85 Monate und von 4,5% für weitere 10 Monate habe die Beklagte im Zeitraum vom 1. September 1999 bis zum 27. Juli 2007 aus dem erlangten Kaufpreis Nutzungen in Höhe von 47.732,05 € gezogen. Hierauf seien die von der Beklagten auf den Kaufpreis für die Zeit vom 1. September 1999 bis zum 27. Juli 2007 an den Kläger geleisteten Zinsen gemäß § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB i.V.m. § 291 BGB aF von 4%, mithin 30.398,84 €, nicht anzurechnen. Zwar stehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Gläubiger neben dem Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB nicht auch noch ein Anspruch auf Prozesszinsen zu. Diese Rechtsprechung könne jedoch keine Anwendung finden, wenn der Empfänger des Geldbetrages - wie hier - bei Leistungsempfang bösgläubig gewesen sei. Die in § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB enthaltenen Regelungen räumten dem Leistenden bei Bösgläubigkeit des Empfängers einen Anspruch auf Verzugs- bzw. Prozesszinsen unabhängig von tatsächlichen Nutzungen oder ersparten Aufwendungen ein. Wenn der bösgläubige Empfänger darüber hinaus auch noch Nutzungen aus der Leistung gezogen habe, habe er diese gesondert zu erstatten.
II.
Die Revision der Beklagten, die sich infolge der zulässigerweise beschränkten Revisionszulassung (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 198/14, NJW 2015, 3371 Rn. 7) nur dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die von ihr auf den Kaufpreisrückzahlungsanspruch geleisteten Prozesszinsen von 30.398,84 € nicht auf den Anspruch des Klägers auf Herausgabe der aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen von 47.732,05 € (§ 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292, § 987 BGB) angerechnet hat, ist in der Hauptsache begründet.
1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dem Bereicherungsgläubiger neben dem Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB aus einem rechtsgrundlos überlassenen Geldbetrag nicht kumulativ ein Anspruch auf Prozesszinsen für den überlassenen Geldbetrag zu. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Prozesszinsen die Funktion haben, den Nachteil auszugleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen. Durch die Zuerkennung des Anspruchs auf Herausgabe gezogener Nutzungen ist dieser Nachteil ausgeglichen. Die zusätzliche Zubilligung von Prozesszinsen würde den Bereicherungsgläubiger ohne Grund besser stellen, als er bei rechtzeitiger Zahlung gestanden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 79/97, NJW 1998, 2529, 2531; Urteil vom 25. April 2017 - XI ZR 573/15, NJW 2017, 2104 Rn. 44). Daher kommt für ein und denselben Zeitraum entweder nur der Anspruch auf Nutzungsersatz oder nur der Anspruch auf Prozesszinsen - je nach dem, welcher für den Gläubiger günstiger ist - zum Tragen (vgl. Büttner, BB 1970, 233, 236).
2. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts scheidet eine Kumulation von Nutzungsersatz und Prozesszinsen für den nach § 812 Abs. 1 BGB erlangten Geldbetrag auch dann aus, wenn der Bereicherungsschuldner - wie hier - der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen ist.
Bei der verschärften Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB wird der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten wie ein rechtshängiger Anspruch behandelt, was u.a. zur Anwendung der Regeln über die Zahlung von Prozesszinsen (§ 291 BGB) führt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rn. 14). Damit schuldet der bösgläubige Bereicherungsschuldner Prozesszinsen nicht erst ab Eintritt der Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs nach § 812 Abs. 1 BGB, sondern schon ab den in § 819 Abs. 1 BGB angegebenen Zeitpunkten, weil er ab Kenntniserlangung von dem mangelnden Rechtsgrund auf die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs nicht vertrauen darf (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 436/12, NJW 2014, 1294 Rn. 13). Durch diese zeitliche Vorverlagerung der Pflicht zur Zahlung von Prozesszinsen verändert sich aber nicht deren Funktion als Nachteilsausgleich. Auch bei einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner haben Prozesszinsen allein den Zweck, für einen Ausgleich der dem Gläubiger durch die Vorenthaltung des ihm zustehenden Geldbetrages entstehenden Nachteile zu sorgen. An die Vorenthaltung des nach § 812 Abs. 1 BGB herauszugebenden Geldbetrages knüpft aber auch die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen an - unabhängig davon, ob sie ihre Grundlage in § 818 Abs. 1 BGB oder in § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 3, § 987 BGB hat. Sie unterwirft die dem Bereicherungsschuldner aus dem erlangten Geldbetrag zugeflossenen Vorteile der Herausgabepflicht und hat damit ebenso wie Prozesszinsen eine Ausgleichsfunktion für die Vorenthaltung von Kapital. Könnte der Bereicherungsgläubiger im Falle der verschärften Haftung des Schuldners nach § 819 Abs. 1 BGB für den von diesem nach § 812 Abs. 1 BGB herauszugebenden Geldbetrag kumulativ Prozesszinsen und Nutzungsersatz verlangen, stünde er besser, als wenn der Bereicherungsschuldner ihm den Geldbetrag sofort mit der Kenntniserlangung von dem mangelnden Rechtsgrund wieder zurückgezahlt hätte; in letzterem Fall könnte der Bereicherungsgläubiger aus dem Geldbetrag selbst nicht doppelt Vorteile ziehen. Brächte man sowohl Prozesszinsen als auch Nutzungsersatz in Ansatz, erhielte der Bereicherungsgläubiger dagegen doppelten Ausgleich, so dass der Verpflichtung zur Zahlung von Prozesszinsen anstelle eines Kompensationscharakters ausschließlich Strafcharakter zukäme (vgl. Büttner, BB 1970, 233, 236). Dies ist jedoch weder mit der Funktion von Prozesszinsen noch mit dem Grund der Haftungsverschärfung in § 819 Abs. 1 BGB zu vereinbaren, der darin besteht, dass den Bereicherungsschuldner ab Kenntniserlangung von dem mangelnden Rechtsgrund gesteigerte Sorgfaltspflichten im Umgang mit dem Erlangten treffen und er gleichsam als „Verwahrer fremden Guts“ angesehen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 436/12, NJW 2014, 1294 Rn. 13). Eine Bestrafungsfunktion kommt der Regelung des § 819 Abs. 1 BGB dagegen nicht zu.
3. Danach hat sich der Kläger auf seinen Anspruch auf Nutzungsersatz in Höhe von 47.732,05 € die bereits vereinnahmten Prozesszinsen von 30.398,84 € anrechnen zu lassen, so dass ihm in der Hauptsache nur der von dem Landgericht zuerkannte Zahlungsanspruch von 17.333,21 € zusteht.
4. Der von dem Berufungsgericht zuerkannte Anspruch des Klägers auf Zahlung von Prozesszinsen auf die herauszugebenden Nutzungen beruht auf § 291 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 - XI ZR 573/15, NJW 2017, 2104 Rn. 44); hiergegen wendet sich die Revision auch nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
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