Datenquelle: www.rechtsprechung-im-internet.de (Direktlink)
Berufungsbegründung: Erforderlichkeit eines ausdrücklichen Sachantrags
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. Oktober 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: bis 1.200.000 €
I.
Die klagende Eigentümergemeinschaft fordert von der beklagten Architektengesellschaft sowie deren beiden Gesellschaftern Schadensersatz wegen der Verletzung von Pflichten bei der Planung und Überwachung der Arbeiten zur Errichtung einer Industriehalle. Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 25. Mai 2018 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.278.500 € nebst Zinsen sowie von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt und darüber hinaus festgestellt, dass die Beklagten zum Ersatz des weitergehenden Schadens verpflichtet sind.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagten haben mit der fristgerecht eingereichten Berufungsbegründung vom 23. August 2018 zunächst beantragt, "das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und zurückzuweisen". Nachdem das Berufungsgericht die Beklagten darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung möglicherweise unzulässig sei, haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 19. September 2018 beantragt, "in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils an die Berufungsbeklagte 256.000,- € zu entrichten. Im Übrigen wird das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen." Hilfsweise haben sie weiter beantragt, den Rechtsstreit zurückzuverweisen mit der Maßgabe, den Kostenvorschuss auf der Grundlage eines Abzugs "neu für alt" und eines Mitverschuldens der Klägerin neu zu ermitteln.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit Beschluss vom 1. Oktober 2018 als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses und unter Abweisung der weitergehenden Klage die Abänderung des landgerichtlichen Urteils, soweit die Beklagten zur Zahlung von mehr als 256.000 € verurteilt worden sind, sowie hilfsweise die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht begehren.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Berufung der Beklagten sei unzulässig und gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, weil die Begründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO entspreche. Der Umfang der Anfechtung sei nach der Berufungsbegründung vom 23. August 2018 vollkommen unklar. Zwar könne der Antrag auf Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und sinngemäß auf Zurückverweisung der Sache an das Landgericht in der Regel dahin verstanden werden, dass mit ihm die Weiterverfolgung der erstinstanzlichen Sachanträge erstrebt werde. Dieses Verständnis scheide im vorliegenden Fall aus, weil die Begründung im Übrigen erkennen lasse, dass die Beklagten das Urteil des Landgerichts nur teilweise hätten anfechten wollen. Die Begründung befasse sich lediglich mit der Frage einer summenmäßigen Haftungsbegrenzung, eines Abzugs "neu für alt" und eines Mitverschuldens der Klägerin.
Die erfolgte Ergänzung der Berufungsbegründung mit Schriftsatz vom 19. September 2018 verdeutliche zusätzlich, dass nur eine Teilanfechtung gewollt gewesen sei, und benenne erstmals ihren Umfang. Danach solle die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung lediglich in einem den Betrag von 256.000 € übersteigenden Umfang angegriffen werden. Dieser Betrag erschließe sich weder aus der ersten Berufungsbegründung vom 23. August 2018 noch aus dem angefochtenen Urteil.
Die mit Schriftsatz vom 19. September 2018 erfolgte Antragsfassung möge zwar den Umfang der Anfechtung hinreichend umschreiben. Diese Begründung sei indes verspätet, weil sie beim Berufungsgericht erst am 21. September 2018 und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei.
2. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und in der Sache auch begründet, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung der Verfahrensgrundrechte der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung der Beklagten zulässig.
a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das erstinstanzliche Urteil angefochten wird und welche Abänderungen beantragt werden. Für diese Erklärung bedarf es keiner ausdrücklichen Stellung eines Sachantrags; es reicht aus, wenn die Begründung den Schluss auf die Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Begehrens zulässt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2012 - V ZB 176/11 Rn. 6; Versäumnisurteil vom 22. März 2006 - VIII ZR 212/04 Rn. 8 m.w.N., NJW 2006, 2705). Bei der Beurteilung ist im Grundsatz davon auszugehen, dass ein Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung gerichtet ist, diese also insoweit angreift, als der Rechtsmittelführer durch sie beschwert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2012 - V ZB 176/11 Rn. 6; Beschluss vom 9. September 2008 - VI ZB 53/07 Rn. 5 m.w.N., NJW-RR 2009, 208).
b) Nach diesen Maßgaben sind die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 23. August 2018 in Verbindung mit dem darin gestellten Verfahrensantrag dahin auszulegen, dass das Urteil des Landgerichts zunächst insgesamt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt werden sollte.
Die Beklagten haben mit der Berufungsbegründung geltend gemacht, es sei eine summenmäßige Haftungsbegrenzung vereinbart worden, das Landgericht habe zu Unrecht einen Abzug "neu für alt" nicht vorgenommen und zudem ein Mitverschulden der Klägerin nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Auch wenn diese Umstände im Ergebnis lediglich zu einer teilweisen Abweisung der Klage führen können, haben die Beklagten gleichwohl das Urteil des Landgerichts mit der Berufung in vollem Umfang zur Überprüfung stellen wollen. Dies ergibt sich daraus, dass sie ohne Einschränkung die Aufhebung des angefochtenen Urteils und - sinngemäß - die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht beantragt haben. Dieses Rechtsschutzziel folgt nicht nur aus dem - sprachlich unvollkommen formulierten - Antrag zu Beginn der Berufungsbegründung, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und "zurückzuweisen", sondern ergibt sich auch aus dem Abschlusssatz dieses Schriftsatzes, wonach "aus Sicht der Berufungskläger … daher das Urteil aufzuheben und zurückzuverweisen" ist. Dass der Inhalt der Berufungsbegründung sich nur mit einzelnen Aspekten der angefochtenen Entscheidung befasst, steht dem nicht entgegen. Insoweit dürfen die Anforderungen an den Berufungsantrag nicht mit den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsgründe verknüpft werden (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 22. März 2006 - VIII ZR 212/04 Rn. 10, NJW 2006, 2705).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt der Umstand, dass die Beklagten auf den gerichtlichen Hinweis hin mit Schriftsatz vom 19. September 2018 ihren Berufungsantrag dahin neu gefasst haben, dass sie unter Abweisung der weitergehenden Klage die Abänderung des landgerichtlichen Urteils begehrt haben, soweit die Beklagten zur Zahlung von mehr als 256.000 € verurteilt worden sind, nicht dazu, die zunächst uneingeschränkt eingelegte Berufung als unzulässig zu bewerten. Mit der auf gerichtlichen Hinweis erfolgten Neuformulierung des Berufungsantrags haben die Beklagten den Berufungsangriff teilweise reduziert. Die darin liegende teilweise Berufungsrücknahme lässt jedoch nicht den Rückschluss zu, dass die Beklagten die Berufung von vornherein beschränkt einlegen wollten.
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar, § 577 Abs. 3 ZPO. Insbesondere genügt die Berufungsbegründung der Beklagten vom 23. August 2018 den an eine Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO inhaltlich zu stellenden Anforderungen.
Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen nicht; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Jedoch muss die Berufungsbegründung auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 - VII ZR 274/17 Rn. 13, BauR 2019, 967 = NZBau 2019, 295; Beschluss vom 2. Dezember 2015 - VII ZB 48/13 Rn. 12, BauR 2016, 711 = NZBau 2016, 159; Beschluss vom 20. Oktober 2015 - VI ZB 18/15, NJW-RR 2015, 1532, juris Rn. 8; Beschluss vom 22. Mai 2014 - IX ZB 46/12, juris Rn. 7, jeweils m.w.N.).
Diesen Vorgaben genügt die Berufungsbegründung der Beklagten vom 23. August 2018. Die Beklagten haben darin die rechtlichen Gesichtspunkte bezeichnet, die ihrer Auffassung nach vom Landgericht fehlerhaft beurteilt worden sind und daher eine Abänderung des landgerichtlichen Urteils rechtfertigen. Sie haben mit ihren Ausführungen zu einer vereinbarten summenmäßigen Haftungsbegrenzung, dem Erfordernis eines Abzugs "neu für alt" sowie zur Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin hinreichend ausgeführt, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils sie mit der Berufung aus welchen rechtlichen Gründen bekämpfen wollen. Ob die Berufung der Beklagten mit der gegebenen Begründung in der Sache in vollem Umfang Erfolg haben kann, ist keine Frage der Zulässigkeit der Berufung, sondern ihrer Begründetheit.
III.
Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben. Das Berufungsgericht wird sich mit der Begründetheit des im Schriftsatz vom 19. September 2018 formulierten Berufungsantrags zu befassen haben.
Pamp |
|
Kartzke |
|
Graßnack |
|
Sacher |
|
Borris |
|