Datenquelle: www.rechtsprechung-im-internet.de (Direktlink)
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 14. November 2017 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 7.500 €
I.
Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte bietet Verbrauchern gewerblich Luftbildaufnahmen ihrer Hausgrundstücke nebst Umgebung zum Erwerb an. Dabei verwendet die Beklagte digitales Bildmaterial, das durch eine Drittfirma beim Überfliegen eines bestimmten Gebiets ohne Kenntnis der Grundstücksbewohner und ohne eine Auftragserteilung aufgenommen worden ist. Sodann ermitteln Außendienstmitarbeiter der Beklagten die Namen und Anschriften von Anwohnern des betroffenen Gebiets und suchen diese - ohne vorherige Kontaktaufnahme und Bestellung von Fotomaterial - an der Haustür auf, um ihnen die Anfertigung von Fotoabzügen anzubieten. Den Anwohnern werden kleinformatige Übersichtsbilder vorgelegt, auf denen unter anderem das von ihnen bewohnte Anwesen abgebildet ist. Entschließt sich ein Kunde zum Erwerb einer Luftbildaufnahme, wird der zu vergrößernde Bildausschnitt vereinbart und - nach Angabe von Format und gegebenenfalls bestellter Rahmung - später als Fotografie gefertigt.
Das von der Beklagten verwendete Vertragsformular enthält den Hinweis: "Sie können Ihre Vertragserklärung nicht widerrufen […]". Im Falle einer Widerrufserklärung behandelt die Beklagte diese als Vertragskündigung durch den Kunden und rechnet den vereinbarten Preis, der für ein gerahmtes Foto zwischen 300 € und 400 € und für einen ungerahmten Abzug bei etwa 22 € liegt, unter Abzug ersparter Aufwendungen (9 € bis 11 €) ab.
Auf Antrag des Klägers ist die Beklagte in erster Instanz verurteilt worden, es zu unterlassen, Verbrauchern bei Verträgen der hier in Rede stehenden Art, ein Widerrufsrecht nicht einzuräumen, es ferner zu unterlassen, Verbraucher nicht über ihr gesetzliches Widerrufsrecht und dessen Folgen zu belehren, sowie es zu unterlassen, Verbrauchern gegenüber mitzuteilen, für diese Vertragsart bestünde kein gesetzliches Widerrufsrecht. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht (OLG Brandenburg, GRUR-RR 2018, 72) hat die Revision nicht zugelassen.
Mit der beabsichtigten Revision, deren Zulassung sie mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt, möchte die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Sie meint, ihre Beschwer betrage jedenfalls mehr als 20.000 €.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO).
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat zunächst die Auffassung vertreten, die nach § 2 ZPO in Verbindung mit § 3 ZPO zu schätzende Beschwer der in den Vorinstanzen unterlegenen Beklagten sei an dem vom Berufungsgericht aufgrund der Angaben des Klägers festgesetzten Gebührenstreitwert von 10.000 € für jeden der drei gestellten Unterlassungsanträge auszurichten und belaufe sich somit auf 30.000 €.
Nachdem der Senat die Beklagte durch Beschluss vom 4. Dezember 2018 darauf hingewiesen hat, dass der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer mit Rücksicht auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 34 ff. mwN) im gegebenen Fall 20.000 € nicht übersteigt, macht die Beschwerde nunmehr geltend, die Beschwer der Beklagten sei an der wirtschaftlichen Einbuße zu messen, die ihr entstünde, wenn Verbraucher von dem gesetzlichen Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Gebrauch machten. Selbst wenn das Widerrufsrecht nur bei einem Zehntel der abgeschlossenen Verträge ausgeübt werde, ergäben sich jährliche Einbußen von 31.905,32 € durch nutzlos aufgewandte Herstellungskosten und vernichtete Retouren.
2. Die Sichtweise der Beschwerde steht weder in ihrer ursprünglichen noch in ihrer nach dem Hinweis des Senats geänderten Argumentation mit der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang.
a) Danach orientieren sich der Gebührenstreitwert und auch die Beschwer in Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- oder anderen Verstößen (UKlaG) regelmäßig an dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung einer gesetzwidrigen AGB-Bestimmung, nicht hingegen an der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselverbots (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, aaO Rn. 34; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 147/17, RdE 2018, 251 Rn. 5; vom 23. Februar 2017 - III ZR 390/16, juris Rn. 4; vom 20. September 2016 - VIII ZR 239/15, RdE 2017, 297 Rn. 5; vom 29. Juli 2015 - IV ZR 45/15, VersR 2016, 140 Rn. 3; vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, juris Rn. 6). Auf diese Weise sollen Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken geschützt werden (BGH, Beschlüsse vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, aaO; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 147/17, aaO; vom 20. September 2016 - VIII ZR 239/15, aaO; vom 23. Februar 2017 - III ZR 390/16, aaO; vom 29. Juli 2015 - IV ZR 45/15, aaO; vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, aaO).
Diese Erwägungen gelten nicht nur für die Fälle des Verbots von gesetzwidrigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 1 UKlaG), sondern auch für eine - wie im Streitfall - im Hinblick auf eine verbraucherschutzgesetzwidrige Praxis im Sinne des § 2 UKlaG (hier § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UKlaG) erhobene Verbandsklage (BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, aaO; vom 22. November 2016 - I ZR 184/15, VersR 2017, 507 Rn. 16; vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, aaO Rn. 35). Sie sind nicht nur für die Festlegung des Gebührenstreitwerts, sondern auch für die nach § 2 ZPO in Verbindung mit § 3 ZPO zu schätzende Beschwer der in der Vorinstanz unterlegenen Partei, und zwar nicht allein für die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, sondern auch für die Bemessung der Beschwer des im Unterlassungsprozess unterlegenen Gegners maßgebend (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 147/17, aaO; vom 23. Februar 2017 - III ZR 390/16, aaO; vom 19. Januar 2017 - III ZR 296/16, juris Rn. 4; vom 20. September 2016 - VIII ZR 239/15, aaO; vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, juris Rn. 5).
b) Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der hiergegen von der Beschwerde vorgebrachten Einwände fest.
Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstands bei Rechtsmitteln richtet sich - wie sich aus § 2 ZPO ergibt - nach den Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO. Dies gilt auch für die Ermittlung des Wertes der im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde mit der Revision geltend zu machenden Beschwer nach § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02, NJW-RR 2004, 638 unter II; vom 23. Juli 2015 - XI ZR 263/14, BGHZ 206, 276 Rn. 3; jeweils mwN). Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde vorliegend der Ansicht ist, im Rahmen der letztgenannten Bestimmung gälten die vorstehend (unter 2 a) beschriebenen, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Wertbemessungsgrundsätze nicht, weil in § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO nur die Rede von dem Wert der geltend zu machenden Beschwer sei, verkennt sie, dass diese Regelung eine Bestimmung, auf welche Weise dieser Wert zu ermitteln ist, gerade nicht trifft, sondern vielmehr voraussetzt (BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, NJW 2002, 3180 unter II; vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02, aaO).
Der Wert der mit der Revision nach § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO geltend zu machenden Beschwer bemisst sich daher - wenn wie hier Sondervorschriften nicht eingreifen - nach dem gemäß § 3 Halbs. 1 ZPO nach freiem Ermessen zu ermittelnden Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung (BGH, Beschluss vom 9. November 2018 - VI ZR 5/18, juris Rn. 3). Dieses ist bei Verbandsklagen nach den bereits dargestellten gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen zu bestimmen. Für eine in der Beschwerde anklingende (nicht ausgeführte) analoge Heranziehung der Grundsätze des § 9 ZPO auf Unterlassungsklagen nach §§ 1, 2 UKlaG ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen einer Analogie kein Raum.
3. Die vorstehend genannten Grundsätze schließen es zwar nicht von vornherein aus, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer nach § 1 UKlaG angegriffenen AGB-Bestimmung oder - wie hier - einer nach § 2 UKlaG angefochtenen Praxis für die betroffenen Verkehrskreise ausnahmsweise Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel oder die Zulässigkeit einer bestimmten Praxis nicht nur für die beklagte Partei und ihre Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist, etwa weil es dabei um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (BGH, Beschlüsse vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, aaO Rn. 36; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 147/17, aaO Rn. 6; vom 23. Februar 2017 - III ZR 390/16, aaO Rn. 6; vom 19. Januar 2017 - III ZR 296/16, aaO Rn. 5; vom 20. September 2016 - VIII ZR 239/15, aaO Rn. 6; vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, aaO Rn. 7; vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, aaO Rn. 6).
Solche Umstände zeigt die Beschwerde aber nicht auf. Sie stellt in ihrem Schriftsatz vom 21. Januar 2019 nunmehr auf nutzlos aufgewandte Herstellungskosten der Beklagten ab und macht geltend, aufgrund dessen sei es für sie ebenso wie für alle Unternehmen der Branche von existentieller Bedeutung, ob bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen der hier in Rede stehenden Art ein Widerrufsrecht nach §§ 312b, 355 BGB bestehe oder ob es gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen sei. Diese Ausführungen genügen für die Darlegung einer branchenweiten wesentlichen Bedeutung der Vertragspraxis der Beklagten jedoch nicht.
a) Der Beschwerdeführer muss, um dem Revisionsgericht die Prüfung der in § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO geregelten Wertgrenze von 20.000 € zu ermöglichen, bereits innerhalb der laufenden Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (auch) darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will (BGH, Beschlüsse vom 27. Juni 2002 - V ZR 148/02, NJW 2002, 2720 unter II 3 a; vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, aaO; vom 7. November 2002 - LwZR 9/02, juris Rn. 9; vom 15. Juli 2003 - XI ZR 93/02, juris Rn. 1; vom 22. September 2004 - IV ZR 21/04, juris Rn. 9; vom 21. September 2009 - II ZR 250/07, ZIP 2009, 2156 Rn. 2; vom 10. April 2014 - V ZR 174/13, juris Rn. 5; vom 21. Juni 2018 - V ZB 254/17, NJW-RR 2018, 1421 Rn. 5).
Daran fehlt es im Hinblick auf die erst im Schriftsatz vom 21. Januar 2019 nachträglich - nach Ablauf der Frist zur Begründung der Beschwerde - vorgetragenen tatsächlichen Umstände, die in der Beschwerdebegründung nicht einmal im Ansatz geltend gemacht worden sind. Dort hat sich die Beschwerde lediglich auf die (nicht mit einer Begründung versehene) Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts bezogen, das der Streitwertbemessung des Landgerichts gefolgt ist, die wiederum auf den nicht erläuterten Angaben des Klägers in der Klageschrift beruht.
b) Ungeachtet dessen erschöpft sich das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde, dass ein Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen nach Maßgabe der §§ 312b, 355 BGB die Existenz sämtlicher Unternehmen dieser Branche in Frage stelle, in einer bloßen, nicht ansatzweise konkretisierten Behauptung der Beschwerde. Insbesondere macht sie dabei nicht äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geltend, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird. Die Beschwerde trägt schon nicht vor, dass andere Unternehmen der Branche vergleichbare Vertragsbestimmungen verwenden. Ebenso wenig zeigt die Beschwerde auf, dass über den hier entschiedenen Rechtsstreit hinaus weitere Streitverfahren - noch dazu mit divergierenden Ergebnissen - über das hier in Rede stehende Widerrufsrecht des Verbrauchers geführt worden sind.
III.
Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zuzulassen hätte. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Dr. Fetzer |
|
Dr. Hessel |
|
Dr. Bünger |
|
Kosziol |
|
Dr. Schmidt |
|