BGH 8. Zivilsenat, Urteil vom 20.02.2019, VIII ZR 66/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen VIII ZR 66/18 (BGH)

vom 20. Februar 2019 (Mittwoch)


Datenquelle: www.rechtsprechung-im-internet.de (Direktlink)

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 9. Februar 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

1

Die Klägerin ist eine private Krankenversicherung. Sie nimmt die Beklagte als Trägerin eines Krankenhauses auf Rückerstattung von Umsatzsteuer in Anspruch. Das von der Beklagten betriebene Krankenhaus stellt in seiner hauseigenen Apotheke patientenindividuell Zytostatika (Krebsmedikamente zur Anwendung in der Chemotherapie) her.

2

Für die in den Jahren 2012 und 2013 erfolgte Abgabe solcher Medikamente an ambulant behandelte Versicherungsnehmer der Klägerin stellte die Beklagte diesen Rechnungen aus, die die Einzelpreise für die einzelnen Substanzen und auch die jeweils angesetzte Zubereitungspauschale für Zytostatika-Lösungen auflisteten sowie dabei für jede Position einen Umsatzsteuersatz in Höhe von 19 % auswiesen. Die Beklagte hat geltend gemacht, in den Rechnungen seien auch Positionen enthalten, die keine Zytostatika oder patientenindividuelle Zubereitungen betroffen hätten und damit umsatzsteuerpflichtig seien. Die Versicherungsnehmer der Klägerin zahlten auf die genannten Rechnungen an die Beklagte einen Gesamtbetrag von 26.984,19 €, den sie von der Klägerin erstattet erhielten. Hiervon entfällt ein Betrag von 4.308,40 € auf die angesetzte Umsatzsteuer.

3

Die Beklagte führte die in Ansatz gebrachten Umsatzsteuerbeträge an das zuständige Finanzamt ab. Ob und in welcher Höhe sie dabei einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, ist bislang ungeklärt. Dass die Umsatzsteuer bestandskräftig festgesetzt worden sei, macht die Beklagte nicht geltend.

4

Am 24. September 2014 erging ein Urteil des Bundesfinanzhofs (Az. V R 19/11; veröffentlicht in BFHE 247, 369), wonach die im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten Heilbehandlung erfolgte Verabreichung individuell für den einzelnen Patienten von einer Krankenhausapotheke hergestellter Zytostatika als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) (aF; seit 1. Januar 2009: § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) steuerfrei ist. Unter dem 28. September 2016 folgte ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (Az. III C 3 - S 7170/11/10004; veröffentlicht in UR 2016, 891), das auf die genannte Entscheidung des Bundesfinanzhofs sowie - unter anderem - auf die Möglichkeit einer Berichtigung der wegen unrichtigen Ausweises der Steuer geschuldeten Beträge nach dem Umsatzsteuergesetz und auf einen dann eintretenden (rückwirkenden) Ausschluss der hierauf bezogenen Vorsteuerabzüge hinwies. Die Klägerin forderte daraufhin die Beklagte erfolglos zur Rückerstattung der vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge auf.

5

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin einen auf Bereicherungsrecht gestützten Anspruch aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer auf Rückzahlung von insgesamt 4.308,40 € nebst Zinsen gegen die Beklagte geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

6

Die Revision hat Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht (LG Aachen, Urteil vom 9. Februar 2018 - 6 S 118/17, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

8

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihren Versicherungsnehmern an die Beklagte geleisteten Umsatzsteuer in Höhe von 4.308,40 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Verbindung mit §§ 86, 194 Abs. 2 VVG zu.

9

In Höhe dieses Umsatzsteuerbetrags sei die Leistung der Versicherungsnehmer der Klägerin an die Beklagte ohne Rechtsgrund erfolgt. Die von der Beklagten abgerechneten Leistungen hätten sämtlich im Rahmen einer ambulant im Krankenhaus durchgeführten Heilbehandlung verabreichte und individuell von der Krankenhausapotheke hergestellte Zytostatika betroffen und seien damit - wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. September 2014 (aaO) ergebe - nicht umsatzsteuerpflichtig gewesen. Die Beklagte habe zwar geltend gemacht, einzelne, konkret bezeichnete Rechnungspositionen hätten der Umsatzsteuer unterlegen. Es fehle aber an Vorbringen dazu, auf welcher anderen Grundlage die genannten Positionen abgerechnet worden seien, so dass nicht habe ermittelt werden können, ob es sich insoweit um umsatzsteuerpflichtige Leistungen gehandelt habe.

10

Da die Rechnungsbeträge zu Unrecht Umsatzsteuer in Höhe von 4.308,40 € eingeschlossen hätten und dieser Betrag auch von den Versicherungsnehmern der Klägerin an die Beklagte entrichtet worden sei, liege eine ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten vor. Denn im Verhältnis der Beklagten zu den Versicherungsnehmern der Klägerin seien Nettoentgeltvereinbarungen anzunehmen, die zur Folge hätten, dass die Umsatzsteuer einen selbständigen Entgeltbestandteil darstelle, der bei Bestehen einer Umsatzsteuerpflicht entweder einen Anspruch auf Umsatzsteuerzahlung oder im Falle der Umsatzsteuerfreiheit schlicht keine Verpflichtung zur Entrichtung des angesetzten Umsatzsteueranteils begründe.

11

Zwar hätten die Vertragsparteien keine Vereinbarung über die Höhe des geschuldeten Entgelts getroffen. Auch die Vorschrift des § 632 BGB komme nicht zur Anwendung. Der Verkäufer von Medikamenten könne aber durch die Ausübung eines ihm zukommenden Leistungsbestimmungsrechts nach §§ 315, 316 BGB den Preis festlegen, was in der Regel durch die (erste) Rechnungstellung geschehe (vgl. OLG Köln, Urteil vom 22. Juni 2012 - 20 U 27/12, juris). Diese Befugnis erstrecke sich auch auf die Frage, ob ein in der verlangten Vergütung enthaltener Umsatzsteueranteil selbständiger oder unselbständiger Entgeltbestandteil sein solle. Von dem ihr zukommenden Bestimmungsrecht hinsichtlich der geschuldeten Gegenleistung habe die Beklagte durch den gesonderten Ausweis von Netto- und Umsatzsteuerbeträgen in den gestellten Rechnungen dahin Gebrauch gemacht, dass die Umsatzsteuer ein selbständiger Preisbestandteil habe sein sollen, bezüglich dessen die Zahlungspflicht der Versicherungsnehmer der Klägerin allein davon abhänge, ob es sich tatsächlich um ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft handele. Aus diesem Grunde könne die Beklagte nicht geltend machen, dass die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs maßgebender Faktor bei der Preiskalkulation gewesen sei.

12

Die Beklagte könne sich auch nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf eine Entreicherung berufen. Denn es treffe sie eine vertragliche Nebenpflicht, die erstellten Rechnungen zu berichtigen, so dass sie die gezahlten Umsatzsteuerbeträge vom Finanzamt erstattet verlangen könne, wonach ihre Bereicherung fortbestehe. Die Interessenlage sei mit der eines Unternehmers vergleichbar, der als Leistungsempfänger ohne eine ordnungsgemäße Rechnung des Leistenden einen Vorsteuerabzug nicht geltend machen könne. Für diese Fälle habe die höchstrichterliche Rechtsprechung aus den Geboten von Treu und Glauben eine Nebenpflicht zur ordnungsgemäßen Rechnungserteilung beziehungsweise zu einer Berichtigung einer Rechnung abgeleitet. Zwar handele es sich bei den Versicherungsnehmern der Klägerin nicht um Unternehmer, so dass bei diesen kein Vorsteuerabzug im Raume gestanden habe. Da aber die Beklagte eine Rechnung gemäß § 14 UStG erteilt und hierdurch ihr Leistungsbestimmungsrecht nach §§ 315, 316 BGB dahingehend ausgeübt habe, dass die Umsatzsteuer selbständiger Entgeltbestandteil habe sein sollen, sei auch bei den Versicherungsnehmern der Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Ausstellung einer richtigen Rechnung entstanden, mit dem eine entsprechende Nebenpflicht der Beklagten einhergehe.

13

Eine solche Nebenpflicht führe für die Beklagte auch nicht zu einem untragbaren Ergebnis im Hinblick auf ihren Verwaltungsaufwand. Dass damit ein außergewöhnlicher Aufwand verbunden sei, habe die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Zudem reiche die Nebenpflicht der Beklagten nur soweit, solche Rechnungen zu berichtigen, die Gegenstand bereicherungsrechtlicher Rückforderungsansprüche seien.

14

Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht verjährt, da die Klägerin nach dem Forderungsübergang erst mit dem bereits angeführten Urteil des Bundesfinanzhofs Kenntnis von dem Rückforderungsanspruch erlangt habe. Deshalb habe die dreijährige Regelverjährungsfrist (§ 195 BGB) gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Schluss des Jahres 2014 zu laufen begonnen und sei durch die erfolgte Klageerhebung rechtzeitig gehemmt worden.

II.

15

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht (§ 86 Abs. 1 Satz 1, § 194 Abs. 2 VVG) auf vollständige Rückzahlung der Beträge, die den von ihren Versicherungsnehmern jeweils geleisteten und von ihr erstatteten Umsatzsteueranteilen von 19 % entsprechen, mithin auf eine Rückzahlung von 4.308,40 € (nebst Zinsen), nicht bejaht werden.

16

Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die zwischen den Versicherungsnehmern der Klägerin und der Beklagten zustande gekommenen Entgeltvereinbarungen als Nettopreisabreden eingestuft, bei denen die Umsatzsteuer einen selbständigen Entgeltbestandteil darstelle und daher die Zahlungspflicht der Versicherungsnehmer der Klägerin insoweit allein davon abhänge, ob es sich tatsächlich um ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft handele. Dabei hat es zu Unrecht angenommen, der Beklagten sei bezüglich der geschuldeten Gegenleistung ein Leistungsbestimmungsrecht nach §§ 315, 316 BGB eingeräumt worden, das diese mit Rechnungstellung wirksam dahin ausgeübt habe, dass der Umsatzsteueranteil selbständiger - und damit im Falle der Umsatzsteuerfreiheit nach Bereicherungsrecht rückforderbarer - Preisbestandteil gewesen sei. Daraus hat es die unzutreffende Rechtsfolge abgeleitet, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs sei maßgebender Faktor bei der Preiskalkulation gewesen.

17

Die Klägerin kann aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB) der zwischen den Versicherungsnehmern der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Verträge (dazu unter II 2 a) gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Satz 1, § 194 Abs. 2 VVG nur Rückzahlung der Beträge verlangen, die der von ihren Versicherungsnehmern auf die gestellten Rechnungen geleisteten Umsatzsteuer für Zytostatika abzüglich der von der Beklagten hierfür gegebenenfalls in Abzug gebrachten Vorsteuer, mithin also dem von der Beklagten letztlich insoweit an das Finanzamt abgeführten Teil der Umsatzsteuer entsprechen (dazu unter II 2 b).

18

1. Auf die zwischen den Versicherungsnehmern der Klägerin und der Beklagten begründeten Vertragsverhältnisse ist, soweit die Herstellung und die Veräußerung von Zytostatika betroffen sind, Werklieferungsrecht (§ 651 BGB aF; heute § 650 BGB) anzuwenden. Dabei haben die Vertragsparteien - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - bezüglich der Entgeltpflicht der Versicherungsnehmer der Klägerin (§ 433 Abs. 2 BGB) stillschweigend Bruttopreisabreden getroffen, bei denen die im Preis eingeschlossene Umsatzsteuer von 19 % einen unselbständigen Entgeltbestandteil bildet. Dies führt dazu, dass einerseits eine Rückforderung der Beträge, die auf die zu Unrecht für die verabreichten Zytostatika angesetzten Umsatzsteueranteile entfallen, - anders als bei den vom Berufungsgericht bejahten Nettopreisabreden - nicht per se möglich ist, dass sie aber andererseits auch nicht - wie etwa bei einer von der Revision angenommenen nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bis zur Grenze der Unbilligkeit bindenden (einseitigen) (Brutto-)Preisbestimmung der Beklagten gemäß § 316 BGB - gänzlich ausgeschlossen ist.

19

a) Werden von einer Krankenhausapotheke an einen privat versicherten Patienten zur ambulanten Behandlung in der Klinik individuell hergestellte Krebsmedikamente entgeltlich abgegeben, ist auf das zwischen dem Krankenhaus und dem Patienten bestehende Vertragsverhältnis Werklieferungsrecht (§ 650 BGB; bis 31. Dezember 2017: § 651 BGB aF) anzuwenden, so dass bezüglich der Entgeltpflicht § 433 Abs. 2 BGB gilt (vgl. etwa OLG Köln, NJW-RR 2012, 1520, 1521). Teilweise wird ein solches Vertragsverhältnis in der Instanzrechtsprechung als Behandlungsvertrag nach § 611 BGB (heute: §§ 630a, 630b BGB) eingeordnet mit der Folge, dass dann zumindest die übliche Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB) geschuldet wäre (vgl. etwa LG Köln, Urteil vom 18. Juli 2018 - 25 S 15/17; Revision anhängig unter dem Az. VIII ZR 264/18).

20

Hierbei wird außer Acht gelassen, dass die ambulante Heilbehandlung durch den zuständigen Krankenhausarzt und die Abgabe der Krebsmedikamente durch die Krankenhausapotheke zwei selbständige Leistungen (ärztliche Behandlung durch den Arzt; Herstellung der Medikamente durch die Apotheke) darstellen, die entweder im Rahmen zweier getrennter Vertragsverhältnisse oder als selbständige Teile eines einheitlichen typengemischten Vertrags mit dem Krankenhausträger als Betreiber der Ambulanz erbracht werden. Auch im letztgenannten Fall wäre die Bereitstellung der Arzneimittel - ungeachtet des Schwerpunkts des Vertrags - nach den Grundsätzen des Werklieferungsrechts zu beurteilen, da diese Leistungen separat berechnet werden und eine Apotheke keine ärztlichen Leistungen vornimmt (vgl. BT-Drucks. 17/10448, S. 18). Nur auf diese Weise wird bei Annahme eines einheitlichen Vertragsverhältnisses der durch wesensverschiedene eigenständige Leistungspflichten begründeten Eigenart des Vertragsverhältnisses Rechnung getragen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1980 - VIII ZR 326/79, NJW 1981, 341 unter 3 b cc; Beschluss vom 21. April 2005 - III ZR 293/04, NJW 2005, 2008 unter II 3).

21

b) Bezüglich des somit nach § 433 Abs. 2 BGB zu erbringenden Kaufpreises für patientenindividuell im Rahmen einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus hergestellte Zytostatika herrscht in der einschlägigen Instanzrechtsprechung weitgehend Uneinigkeit darüber, ob ein privat versicherter Patient eine darin enthaltene Umsatzsteuer auch dann schuldet, wenn diese - wie hier - aus materiell-rechtlicher Sicht gar nicht angefallen ist (vgl. die Nachweise bei Makoski/Clausen, ZMGR 2018, 231, 233 ff.). Dieses Bild zeigt sich auch, wenn man allein die bislang beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren zugrunde legt.

22

aa) Teilweise wird bezüglich der in den gestellten Rechnungen im steuerrechtlichen Sinne (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8, § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG) gesondert ausgewiesenen oder - wie hier - lediglich unstreitig darin enthaltenen Umsatzsteuer mit unterschiedlichen Begründungen (einseitiges Preisbestimmungsrecht der Krankenhausapotheke; stillschweigend getroffene Vergütungsvereinbarung) eine Bruttopreisabrede angenommen, also die Umsatzsteuer nur als unselbständiger Entgeltbestandteil gewertet (so etwa OLG Schleswig, Urteil vom 20. Dezember 2017 - 4 U 69/17, juris [nachfolgend Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 7/18, zur Veröffentlichung bestimmt]; LG Essen, Urteil vom 27. Februar 2018 - 15 S 162/17, juris [nachfolgend Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 115/18, zur Veröffentlichung bestimmt]; LG Chemnitz, Urteil vom 2. November 2018 - 3 S 7/18 [Revision anhängig unter dem Az. VIII ZR 360/18]; LG Darmstadt, Urteil vom 4. Oktober 2018 - 6 S 56/18 [Revision anhängig unter dem Az. VIII ZR 351/18]; LG Köln, Urteil vom 18. Juni 2018 - 25 S 15/17 [Revision anhängig unter dem Az. VIII ZR 264/18]; wohl auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 5. Juli 2018 - 4 S 5126/17 [Revision anhängig unter dem Az. VIII ZR 247/18]).

23

Die unterschiedlichen Begründungsansätze führen zu abweichenden Rechtsfolgen. Ein vereinbartes Bruttoentgelt deckt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich auch die Aufwendung für die vom Leistenden zu entrichtende Umsatzsteuer ab, die in diesem Fall nur einen unselbständigen Bestandteil des vereinbarten Entgelts darstellt (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. Februar 1988 - VIII ZR 64/87, BGHZ 103, 284, 287; vom 26. Juni 1991 - VIII ZR 198/90, BGHZ 115, 47, 50; vom 11. Mai 2001 - V ZR 492/99, NJW 2001, 2464 unter II 1; vom 28. Februar 2002 - I ZR 318/99, NJW 2002, 2312 unter II 1; Beschluss vom 29. Januar 2015 - IX ZR 138/14, juris Rn. 3; jeweils mwN; BSG, NJOZ 2009, 1914 Rn. 17). Dies hat zur Folge, dass - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - weder der Leistende eine wider sein Erwarten anfallende Umsatzsteuer von seinem Vertragspartner nachfordern (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. Februar 1988 - VIII ZR 64/87, aaO; vom 28. Februar 2002 - I ZR 318/99, aaO unter II) noch der Leistungsempfänger im Falle der Umsatzsteuerfreiheit den auf die Umsatzsteuer entfallenden Anteil seiner Vergütung zurückverlangen kann (vgl. hierzu BSG, aaO Rn. 25).

24

Wird - wie manche Stimmen annehmen (vgl. LG Essen, Urteil vom 27. Februar 2018 - 15 S 162/17, aaO [nachfolgend Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 115/18]; LG Chemnitz, Urteil vom 2. November 2018 - 3 S 7/18 [Revision anhängig unter dem Az. VIII ZR 360/18]) - der Bruttopreis einseitig von der Krankenhausapotheke im Rahmen eines Preisbestimmungsrechts nach § 316 BGB bestimmt, wäre die Rückforderung zu Unrecht bezahlter Umsatzsteuer wegen der Bindungswirkung nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gänzlich ausgeschlossen, weil eine solche Zuvielforderung bei im Übrigen nicht zu beanstandenden Preisen nicht zur Unbilligkeit des Gesamtbetrags führen würde.

25

bb) Andere Stimmen werten die getroffenen Abreden als Nettopreisvereinbarungen und sehen daher die Umsatzsteuer als eigenständigen Preisanteil nur dann als geschuldet an, wenn materiell-rechtlich eine entsprechende Steuerpflicht besteht (vgl. etwa das Berufungsgericht; OLG Braunschweig, Urteil vom 22. Mai 2018 - 8 U 130/17, juris Rn. 20 ff. [Revision anhängig unter dem Az. VIII ZR 212/18]). Die Selbständigkeit des Umsatzsteueranteils bei einer Nettopreisvereinbarung führt dazu, dass eine vom Leistenden angesetzte, dem Gesetz nach aber nicht angefallene Umsatzsteuer von diesem ohne Rechtsgrund vereinnahmt und daher ohne weiteres gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB an den Vertragspartner herauszugeben ist (vgl. auch Senatsurteil vom 2. November 2005 - VIII ZR 39/04, NJW 2006, 364 Rn. 14).

26

c) Das Berufungsgericht hat angenommen, die jeweiligen Vertragsparteien hätten der Beklagten ein einseitiges Preisbestimmungsrecht nach §§ 316, 315 Abs. 3 Satz 1 BGB eingeräumt, das diese dahin ausgeübt habe, dass die für die Veräußerung von Zytostatika angesetzte Umsatzsteuer als selbständiger Preisbestandteil verlangt, also ein Nettopreis bestimmt worden sei. Dies ist in mehrfacher Hinsicht von Rechtsfehlern beeinflusst.

27

aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Vertragsparteien keine Entgeltvereinbarung bezüglich der Herstellung und Lieferung von Zytostatika getroffen, sondern es vielmehr der Beklagten überlassen hätten, einseitig den Preis nach Maßgabe der §§ 316, 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zu bestimmen. Es bleibt bereits unklar, worauf sich die Annahme des Berufungsgerichts gründet, die Vertragsparteien hätten keine stillschweigende Übereinkunft über die konkret geschuldete Vergütung getroffen. Selbst wenn es aber an einer konkreten Entgeltvereinbarung fehlte, führte dies nicht dazu, dass der Beklagten die Befugnis eingeräumt wäre, die Vergütung einseitig nach den Grundsätzen der §§ 316, 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zu bemessen.

28

(1) Das Berufungsgericht hat übersehen, dass eine vertragliche Vereinbarung über die für die gefertigten Krebsmedikamente konkret geschuldete Vergütung auch noch nach der Herstellung oder gar der Verabreichung der Medikamente erfolgen kann. Eine solche Einigung kann unter den hier gegebenen besonderen Umständen (Vertragsgegenstand, keine angemeldeten oder ersichtlichen Bedenken gegen die Angemessenheit der verlangten Vergütung; Erstattung durch den privaten Krankenversicherer der Patienten) insbesondere dadurch erzielt werden, dass der Versicherungsnehmer des privaten Krankenversicherers die von dem Krankenhaus jeweils in den gestellten Rechnungen geforderten Beträge durch vorbehaltlos erbrachte Zahlungen entsprechend § 151 BGB billigt und dadurch die bis dahin bezüglich der konkreten Vergütungshöhe bestehende Vertragslücke schließt (Senatsurteile vom heutigen Tag - VIII ZR 7/18, unter II 1 c aa (2) (b) (cc); VIII ZR 115/18, unter II 1 c aa (1); VIII ZR 189/18, unter II 1 c aa (1); jeweils zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch BSG, NJOZ 2009, 1914 Rn. 16). Dieser Möglichkeit hat sich das Berufungsgericht verschlossen und ist stattdessen in Einklang mit einer in der Instanzrechtsprechung häufiger vertretenen Auffassung (vgl. etwa OLG Köln, NJW-RR 2012, 1520, 1521) zu der Einschätzung gelangt, dass die jeweiligen Vertragsparteien der Beklagten ein einseitiges Preisbestimmungsrecht nach § 316 BGB mit der Bindungswirkung nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB eingeräumt hätten.

29

(2) Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar darf bei Individualerklärungen deren Auslegung durch den Tatrichter vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 55/15, BGHZ 212, 248 Rn. 35; vom 25. April 2018 - VIII ZR 176/17, NJW 2018, 2472 Rn. 30). Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht jedoch unterlaufen.

30

(a) Ein Patient, der von einem Krankenhaus ambulant mit von der hauseigenen Apotheke individuell hergestellten Zytostatika behandelt wird, kommt zwar regelmäßig nicht mit der Apotheke in Kontakt und erhält grundsätzlich vorher auch keine Informationen über die konkret geschuldete Höhe der Vergütung. Aus diesem Umstand kann jedoch nicht abgeleitet werden, Patient und Krankenhaus hätten keine konkreten Preisabreden getroffen, sondern letzterem ein Preisbestimmungsrecht nach den Grundsätzen der §§ 315, 316 BGB (so aber etwa OLG Köln, aaO) mit der Bindungswirkung des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB eingeräumt. Denn dies wird weder dem eingeschränkten Anwendungsbereich des § 316 BGB noch der beiderseitigen Interessenlage gerecht.

31

(aa) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist schon seit langem anerkannt, dass bei fehlenden Preisabreden eine Heranziehung des § 316 BGB nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Die genannte Vorschrift stellt lediglich eine nur im Zweifel eingreifende gesetzliche Auslegungsregel dar, der gegenüber die Vertragsauslegung den Vorrang hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 13. März 1985 - IVa ZR 211/82, BGHZ 94, 98, 101 f. mwN; vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742 Rn. 18). Daher kann eine Vertragslücke nicht durch Rückgriff auf § 316 BGB geschlossen werden, wenn und weil dies dem Interesse der Vertragsparteien und ihrer wirklichen oder mutmaßlichen Willensrichtung typischerweise nicht entspricht (vgl. etwa BGH, Urteile vom 13. März 1985 - IVa ZR 211/82, aaO S. 102 mwN; vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, aaO). Vielmehr ist es geboten, die bestehende Lücke durch Auslegung (BGH, Urteil vom 13. März 1985 - IVa ZR 211/82, aaO S. 103 f.) oder durch Anwendung der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, wobei im letztgenannten Fall die den Gegenstand der Leistung und die das Vertragsverhältnis prägenden Umstände maßgebend sind (vgl. etwa BGH, Urteile vom 4. April 2006 - X ZR 122/05, BGHZ 167, 139 Rn. 10; vom 26. September 2006 - X ZR 181/03, NJW-RR 2007, 103 Rn. 20; vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, aaO).

32

(bb) Gemessen an diesen Maßstäben hat ein einseitiges Preisbestimmungsrecht der Beklagten nach § 316 BGB von vornherein auszuscheiden. Es spricht einiges dafür, dass sich die Beteiligten - was im Wege der Parteiautonomie ohne weiteres möglich ist - stillschweigend bereits bei der Zurverfügungstellung der Zytostatika gegen spätere Rechnungstellung konkludent dahin geeinigt haben, dass diese Medikamente nur gegen Zahlung eines angemessenen und grundsätzlich erstattungsfähigen Entgelts geliefert werden sollen und dass über deren konkrete Höhe später noch eine Übereinkunft erzielt werden muss (vgl. hierzu etwa BGH, Urteile vom 28. Juni 1982 - II ZR 226/81, NJW 1982, 2816 unter 1; vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 44). Die betroffenen Patienten, wie hier die Versicherungsnehmer der Klägerin, erhalten die benötigten Medikamente in dem Bewusstsein, dass sie hierfür eine angemessene Vergütung zu erbringen haben. Durch die gewählte Vorgehensweise - Zurverfügungstellung der Zytostatika gegen spätere Rechnungstellung - gibt das Krankenhaus (hier die Beklagte) zu erkennen, dass sie damit einverstanden ist, die konkret geschuldete Vergütung erst im Nachhinein zu vereinbaren.

33

Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob den Erklärungen der Vertragsparteien im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu entnehmen ist, dass sie sich bereits bei Verabreichung der Medikamente stillschweigend über die Grundsätze der Preisbemessung geeinigt haben. Denn falls dies nicht der Fall gewesen sein sollte, ergäbe sich jedenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung, dass der Beklagten ein Rückgriff auf die Bemessungsgrundsätze der §§ 316, 315 BGB versagt ist. Bei dem Erwerb von durch die Krankenhausapotheke individuell hergestellten Zytostatika für eine ambulante Krankenhausbehandlung entspricht es weder den Interessen der Beteiligten noch deren mutmaßlichem Willen, dass das Krankenhaus eine einseitige Preisbestimmung nach §§ 316, 315 BGB vornimmt.

34

Ein privatversicherter Patient hat kein erkennbares Interesse daran, dem Träger einer Krankenhausapotheke, zu der er nicht einmal Kontakt aufgenommen hat, das Recht einzuräumen, die Höhe der geschuldeten Gegenleistung nach freiem Ermessen und damit bis zur Grenze der Unbilligkeit (§§ 316, 315 BGB) einseitig zu bestimmen. Denn in einem solchen Fall wäre er gezwungen, auch einen Betrag zu bezahlen, der sogar an der Obergrenze der Spanne läge, die sich noch innerhalb der Billigkeit bewegte (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1985 - IVa ZR 211/82, aaO S. 102). Dass dies seinen Interessen zuwiderläuft, ergibt sich bereits daraus, dass der Patient darauf angewiesen ist, von seiner Krankenversicherung (und gegebenenfalls zusätzlich von anderer Stelle) eine Kostenerstattung zu erhalten, was wiederum voraussetzt, dass angemessene und grundsätzlich erstattungsfähige Preise berechnet werden. Das Krankenhaus hat ebenfalls kein berechtigtes Interesse daran, einen über das Angemessene (einschließlich einer üblichen Gewinnspanne) hinausgehenden, allein nach billigem Ermessen festzusetzenden Preis zu verlangen.

35

Im Hinblick auf diese Interessenlage entspräche ein solches Vorgehen auch nicht dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien. Soweit dies den beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren zu entnehmen ist, haben die Krankenhäuser sich bei ihrer Preisbemessung auch nicht an § 316 BGB, sondern an den Preisen der verarbeiteten Ausgangsstoffe orientiert (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 9. Mai 2018 - VIII ZR 135/17, NJW-RR 2018, 942 Rn. 25) und lediglich (angemessene) Zuschläge (insbesondere Zubereitungspauschale in Höhe von 90 €; vgl. § 5 Abs. 1 Arzneimittelpreisverordnung [AMPreisVO]) zur Vergütung ihrer Eigenleistung verlangt.

36

(b) Damit käme das vom Berufungsgericht angenommene einseitige Preisbestimmungsrecht der Beklagten selbst dann nicht in Betracht, wenn es - was im Streitfall keiner endgültigen Klärung bedarf - an einer Vergütungsabrede der Vertragsparteien (zunächst) gefehlt hätte. Denn die in diesem Fall bestehende Vertragslücke wäre nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung, die der Senat selbst vornehmen könnte, weil weitere auslegungsrelevante Feststellungen nicht zu erwarten sind, dahin zu schließen, dass ein angemessener, grundsätzlich von den Krankenversicherern erstattungsfähiger Preis geschuldet gewesen wäre.

37

Eine solche Lückenschließung ist aber im Streitfall deswegen entbehrlich (geworden), weil die Vertragsparteien dadurch nachträglich wirksame Preisabreden getroffen haben, dass die Beklagte dem Versicherungsnehmer der Klägerin für die verabreichten Medikamente jeweils Rechnungen unter Ausweis der verlangten Beträge gestellt und dieser deren Angebote durch vorbehaltlose Zahlungen gemäß § 151 BGB angenommen hat. Da der Senat an das rechtsfehlerhaft gewonnene Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts nicht gebunden ist und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat diese Auslegung selbst vornehmen (vgl. etwa Senatsurteil vom 25. April 2018 - VIII ZR 176/17, aaO Rn. 32 mwN). Durch die gewählte Vorgehensweise - Bekanntgabe der Preise erst im Rahmen der Rechnungstellung - brachte die Beklagte zum Ausdruck, dass sie auf die Erklärung einer Annahme des Vergütungsangebots dem Versicherungsnehmer der Klägerin gegenüber verzichtete und es aus ihrer Sicht vielmehr genügte, dass dieser den Rechnungsbetrag ausglich. Mit der vorbehaltlosen Begleichung des Rechnungsbetrags bestätigte der Versicherungsnehmer der Klägerin die Annahme dieses Angebots nach außen (§ 151 BGB; dazu bereits unter II 1 c aa (1); vgl. Senatsurteile vom heutigen Tag - VIII ZR 7/18, unter II 1 c aa (2); VIII ZR 115/18, unter II 1 c aa (1); VIII ZR 189/18, unter II 1 c aa (1); jeweils zur Veröffentlichung bestimmt; auch BSG, NJOZ 2009, 1914 Rn. 16; RGZ 129, 109, 113).

38

bb) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht weiter den gestellten Rechnungen entnommen, dass die Beklagte jeweils Nettopreise verlangt, also die angesetzte Umsatzsteuer als selbständigen Entgeltanteil gefordert habe. Diese Auffassung stützt es darauf, dass die Rechnungen sowohl Nettobeträge als auch die Umsatzsteuer auswiesen.

39

(1) Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht zwar erkannt, dass nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig - auch wenn sich die Vertragsparteien nicht ausdrücklich darauf verständigt haben (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1988 - VIII ZR 64/87, BGHZ 103, 284, 287) - vom Vorliegen einer Bruttopreisabrede auszugehen ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vertragsparteien einen "Nettopreis" vereinbart haben, wofür auch ein Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte maßgeblich sein kann (BGH, Urteile vom 14. Januar 2000 - V ZR 416/97, WM 2000, 915 unter II 1 mwN; vom 11. Mai 2001 - V ZR 492/99, NJW 2001, 2464 unter II 1; vom 28. Februar 2002 - I ZR 318/99, NJW 2002, 2312 unter II 1; BSG, aaO Rn. 17).

40

(2) Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze aber deswegen nicht für anwendbar gehalten, weil eine Entgeltabrede nicht getroffen, sondern durch die Beklagte eine einseitige Preisbestimmung vorgenommen worden sei. Dabei hat es nicht nur verkannt, dass der Beklagten - wie bereits ausgeführt - ein Preisbestimmungsrecht nach §§ 316, 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht eingeräumt worden ist, sondern hat sich auch den Blick dafür verschlossen, dass es für die Einordnung als "Bruttopreis- oder Nettopreisabrede" stets allein darauf ankommt, ob die Erklärungen der Vertragspartner ausdrücklich oder mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, dass ein Nettopreis geschuldet sein soll. Dies gilt nicht nur in den Fällen, in denen (stillschweigend) eine konkrete Entgeltvereinbarung getroffen worden ist, sondern auch dann, wenn der Leistende den Preis einseitig nach §§ 316, 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt haben sollte.

41

In der vorliegend in Frage stehenden Sachverhaltskonstellation sind die maßgeblichen Erklärungen der Krankenhäuser in den Rechnungstellungen zu sehen, deren Inhalt im Wege der Auslegung zu ermitteln ist. Die hierin liegende Erklärung der Krankenhäuser wird von den Instanzgerichten unterschiedlich ausgelegt. Manche Gerichte sehen darin richtigerweise ein an den Patienten gerichtetes Angebot auf Abschluss einer Vergütungsvereinbarung (siehe hierzu etwa OLG Schleswig, Urteil vom 20. Dezember 2017 - 4 U 69/17, juris Rn. 27, 38 [bestätigt durch Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 7/18, unter II 1 c aa (2)]). Andere - so auch das Berufungsgericht - werten die Rechnungstellung als Ausübung eines einseitigen Preisbestimmungsrechts des Krankenhauses, die aber häufig - anders als vom Berufungsgericht - als Bruttopreisbestimmung angesehen wird (so etwa LG Essen, Urteil vom 27. Februar 2018 - 15 S 162/17, juris [nachfolgend Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 115/18, aaO]).

42

(a) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der in den Rechnungstellungen zu sehenden Erklärungen der Beklagten kann aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bestand haben. Seine Deutung, in den Rechnung-stellungen sei die Ausübung eines einseitigen Preisbestimmungsrechts dahin erfolgt, dass ein Nettopreis verlangt werde, verstößt gegen den höchstrichterlich anerkannten Auslegungsgrundsatz, dass ein Nettoentgelt nur dann anzunehmen ist, wenn dies ausdrücklich oder wenigstens mit hinreichender Deutlichkeit den maßgeblichen Erklärungen der Vertragsparteien zu entnehmen ist. Aus den Angaben in den gestellten Rechnungen ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gerade nicht, dass der von der Beklagten jeweils verlangte Preis die Umsatzsteuer als von den Versicherungsnehmern der Klägerin in zivilrechtlicher Hinsicht selbständig zu entrichtenden Preisbestandteil ausweist.

43

Zwar ist dort für jedes einzelne Medikament ein "Einzelpreis" und ein "Gesamtpreis" aufgeführt sowie unter der Rubrik "MWSt" ein Umsatzsteueranteil in Höhe eines Steuersatzes von 19 % angegeben. Der "Einzelpreis" ist in den Fällen, in denen nur eine Medikamenteneinheit abgerechnet wurde, unter der Rubrik "Menge" mit dem Faktor "1" versehen und damit identisch mit deren Nettopreis. Werden mehrere Einheiten (in der Rubrik "Menge" aufgeführt) in Rechnung gestellt, gibt der "Einzelpreis" den Nettopreis für eine Einheit wieder. Aus der an dieser Stelle allein interessierenden zivilrechtlichen Sicht ist daher der Sache nach, anders als die Revision meint, die tatrichterliche Bewertung des Berufungsgerichts - eine bindende tatsächliche Feststellung (vgl. hierzu Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 314 Rn. 3) liegt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht vor -, dass die Rechnungen auch Nettobeträge enthalten, nicht zu beanstanden. Anderes gilt allerdings - dazu unter II 2 a aa (3) - in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht; insoweit hat das Berufungsgericht ohne Rücksicht auf die deutlich formaleren Anforderungen des Umsatzsteuerrechts das Vorliegen von "Rechnungen iSv § 14 UStG" bejaht. Die vom Berufungsgericht unzutreffend bewerteten steuerrechtlichen Anforderungen stellen jedoch dessen Bewertung, dass sich den Rechnungen auch Nettopreise entnehmen lassen, nicht in Frage.

44

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann aus dem Umstand, dass sich den Rechnungen aufgrund der Angabe der Einzelpreise letztlich auch die einzelnen Nettobeträge entnehmen lassen, nicht abgeleitet werden, dass es sich deswegen um "Nettoentgeltabreden" handele (eingehend hierzu Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 115/18, unter II 1 c bb (2), zur Veröffentlichung bestimmt). Die Ausweisung eines "Einzelpreises", des Gesamtbetrags und des Umsatzsteuersatzes sowie die Angabe der im verlangten Rechnungsbetrag enthaltenen Umsatzsteuer lassen nicht den belastbaren Schluss zu, dass damit in zivilrechtlicher Hinsicht allein die Nettobeträge endgültig und der Umsatzsteueranteil nur im Falle des Bestehens einer Umsatzsteuerpflicht geschuldet sein sollten. Denn solche Angaben können auch allein deswegen erfolgt sein, um - wozu die Beklagte nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG befugt, wenn auch nicht verpflichtet war - eine Rechnung mit den in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8 UStG erforderlichen Angaben zu erstellen (Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 115/18), was der Beklagten allerdings - wie noch näher dazulegen sein wird - nicht vollständig gelungen ist.

45

(b) Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass ein Nettopreis geschuldet ist und somit die zu Unrecht angesetzte Umsatzsteuer ohne weiteres nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB aus übergegangenem Recht (§ 86 Abs. 1 Satz 1, § 194 Abs. 2 VVG) an die Klägerin zurückzugewähren ist, kann folglich keinen Bestand haben. Vielmehr ist entsprechend dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geprägten Grundsatz, dass regelmäßig von einem Bruttopreis auszugehen ist, auch vorliegend eine Bruttopreisvereinbarung anzunehmen, die - wie bereits ausgeführt - spätestens mit Übersendung der Rechnung und vorbehaltloser Zahlung der verlangten Beträge (stillschweigend) gemäß § 151 BGB zustande gekommen ist (vgl. hierzu Senatsurteile vom heutigen Tag - VIII ZR 7/18, unter II 1 c und VIII ZR 115/18, unter II 1 c; jeweils zur Veröffentlichung bestimmt). Da auch insoweit weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat diese Auslegung der Erklärungen der Vertragsparteien selbst vornehmen. Die in den verlangten Beträgen enthaltene Umsatzsteuer war damit als unselbständiger Bestandteil der Vergütung geschuldet.

46

2. Aus den getroffenen Bruttopreisabreden folgt - anders als dies bei einer in den Grenzen der Billigkeit bindenden (Brutto-)Preisbestimmung der Beklagten nach § 316 BGB der Fall wäre - nicht, dass es der Klägerin aus übergegangenem Recht gänzlich verwehrt wäre, die auf die zu Unrecht angesetzten Umsatzsteueranteile entfallenden Beträge teilweise wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzufordern. Vielmehr stehen der Klägerin gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, § 194 Abs. 2 VVG auf sie übergegangene Rückzahlungsansprüche ihrer Versicherungsnehmer aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB) der zwischen den Versicherungsnehmern der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Verträge zu. Denn diese Vereinbarungen sind ergänzend dahin auszulegen, dass die Versicherungsnehmer der Klägerin nicht verpflichtet sein sollen, den in der vereinbarten Vergütung eingeschlossenen unselbständigen Umsatzsteueranteil auch dann zu tragen, wenn und sobald für die Beklagte die Möglichkeit besteht, ihrerseits einen Rückerstattungsanspruch betreffend die von ihr abgeführte Umsatzsteuer gegen das Finanzamt geltend zu machen.

47

a) Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB) liegen vor.

48

Der Senat kann die gebotene ergänzende Vertragsauslegung, die in erster Linie dem Tatrichter obliegt, selbst vornehmen, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht notwendig sind und es auch keiner Ermittlung von Erfahrungswissen oder Verkehrssitten bedarf (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2004 - I ZR 49/02, NJW-RR 2005, 687 unter A I 2 c; vom 18. Februar 2000 - V ZR 334/98, NJW-RR 2000, 894 unter II 3; jeweils mwN).

49

Die Verträge zwischen den Versicherungsnehmern der Klägerin und der Beklagten weisen - was das Berufungsgericht angesichts seiner unzutreffenden Annahme von Nettopreisabreden übersehen hat - infolge ihrer nicht bedachten Unvollständigkeit eine planwidrige Regelungslücke auf, die auch nicht durch das dispositive Recht geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2012 - XII ZR 40/10, NJW 2012, 844 Rn. 24 mwN; vom 4. März 2004 - III ZR 96/03, BGHZ 158, 201, 206 f.; Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl., § 157 Rn. 6 mwN). Denn die getroffenen Preisvereinbarungen lassen eine Bestimmung vermissen, die erforderlich ist, um den den geschlossenen Verträgen jeweils zu Grunde liegenden Regelungsplan der Vertragsparteien zu verwirklichen, so dass ohne die Vervollständigung der Abreden eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 370/13, NJW 2015, 1167 Rn. 24 mwN; vom 11. Januar 2012 - XII ZR 40/10, aaO mwN).

50

Die planwidrige Regelungslücke besteht darin, dass die Vertragsparteien entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder ausdrücklich noch konkludent bestimmt haben, wie ihre jeweilige Preisabrede vor dem Hintergrund der ihnen nicht bekannten,