BGH 12. Zivilsenat, Beschluss vom 26.06.2019, XII ZB 11/19

Das Urteil unter dem Aktenzeichen XII ZB 11/19 (BGH)

vom 26. Juni 2019 (Mittwoch)


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Beschwerdewert bezüglich der Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Zugewinnausgleichsverfahren

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 29. November 2018 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

Beschwerdewert: bis 500 €

I.

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Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbund in Form eines Stufenantrags über Zugewinnausgleich.

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Das Amtsgericht hat den Antragsgegner durch Teilversäumnisbeschluss verpflichtet, über sein Anfangsvermögen zum 9. September 1999, sein Trennungsvermögen zum 2. März 2015 und sein Endvermögen zum 30. Juni 2016 Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines geordneten Vermögensverzeichnisses, und zwar insbesondere hinsichtlich Konten, Sparkonten, Depots und sonstiger Finanzanlagen, Sparguthaben, Fortführungswerten von Lebensversicherungen, Immobilienbesitz, Verbindlichkeiten, des Kraftfahrzeugs, Kunstgegenständen und Antiquitäten und seines Einzelunternehmens mit Aktiva und Passiva per 31. Dezember 2015 und dessen Umsätzen/Gewinnen der Jahre 2014 und 2015. Ferner hat es den Antragsgegner verpflichtet, die Auskunft zu belegen, insbesondere durch Kontoauszüge zu Konten, Sparkonten, Depots und sonstigen Anlagen sowie Sparguthaben, durch schriftliche Auskünfte zu den Fortführungswerten der Lebensversicherungen, durch Grundbuchauszüge, durch Kontoauszüge zu Darlehen und Darlehensverträge, durch Vorlage des Kraftfahrzeugbriefs nebst Beschreibung des Erhaltungszustands, durch Vorlage von Fotografien und eventuellen Expertisen sowie durch Vorlage der Anlagenverzeichnisse, Jahresumsatzsteuererklärungen und Jahresabschlüsse 2014 bis 2016 bezüglich des Einzelunternehmens.

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Nachdem der Antragsgegner Einspruch eingelegt hatte, hat das Amtsgericht den Teilversäumnisbeschluss aufrechterhalten. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde hat das Oberlandesgericht verworfen, weil der Wert der Beschwer 600 € nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

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Die gemäß §§ 112 Nr. 2, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, § 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.

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1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der auf "bis zu 500 €" festzusetzende Beschwerdewert erreiche den nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderlichen Beschwerdewert nicht. Der Antragsgegner sei durch den Senatsvorsitzenden bereits auf die ständige Rechtsprechung des Beschwerdegerichts hingewiesen worden, wonach der Aufwand zur Erteilung der geschuldeten Auskünfte in den Fällen der vorliegenden Art den Beschwerdewert grundsätzlich nicht erreiche. Selbst wenn zur Erteilung der Auskunft die Einschaltung des Steuerberaters des Antragsgegners erforderlich werden sollte, sei nicht davon auszugehen, dass dessen Kosten bei tatkräftiger Unterstützung durch den Antragsgegner den Beschwerdewert übersteigen sollten, zumal nähere Ausführungen zum Zeit- und Kostenaufwand insoweit fehlten.

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2. Diese Ausführungen stehen im Ergebnis im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

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a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nach dem - mit dem Auskunftsanspruch vorbereiteten - beabsichtigten Leistungsanspruch bemisst, sondern nach dem Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem hier ersichtlich nicht vorliegenden Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist dafür auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Februar 2019 - XII ZB 499/18 - FamRZ 2019, 818 Rn. 9 mwN).

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Hierfür ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zur Bewertung des vom Auskunftspflichtigen aufzuwendenden Zeitaufwands grundsätzlich auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass die zur Auskunftserteilung erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden können. Der Auskunftspflichtige, der in Abweichung hiervon behauptet, dass ihm dies nicht möglich sei, hat die Gründe hierfür im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2018 - XII ZB 82/18 - FamRZ 2018, 1529 Rn. 6 und vom 16. August 2017 - XII ZB 429/16 - FamRZ 2017, 1947 Rn. 11 mwN).

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Das Beschwerdegericht hat demgegenüber in dem der angefochtenen Entscheidung vorausgehenden Hinweis des Vorsitzenden ohne diesbezügliche Anhaltspunkte ausgeführt, der zeitliche Aufwand des Antragsgegners für die zu erteilende Auskunft werde auf maximal zehn Stunden geschätzt, die nach § 22 JVEG maximal mit 21 € pro Stunde zu vergüten seien. Die Rechtsbeschwerde erhebt gegen diese Ausführungen keinerlei Bedenken.

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b) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, eine Überschreitung des Beschwerdewerts sei nicht ausgeschlossen, weil hinsichtlich der Verpflichtung zur Belegvorlage auch Kopierkosten und Kosten des Grundbuchamts für Grundbuchauszüge zu berücksichtigen seien.

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(1) Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass die für die Erfüllung der Auskunfts- und insbesondere der Belegvorlageverpflichtung erforderlichen Kopierkosten fraglos zu dem Aufwand gehören, nach dem sich das hier maßgebliche Interesse des das Rechtsmittel führenden Auskunftsverpflichteten bemisst (Senatsbeschluss vom 21. November 2018 - XII ZB 351/18 - FamRZ 2019, 464 Rn. 5). In jenem Fall war der Antragsgegner vom Amtsgericht verpflichtet worden, für jeweils drei Jahre seine "Einkommenssteuererklärungen mit allen Anlagen" sowie - zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit und Gewerbe - "sämtliche Einnahmen- und Überschussrechnungen, Bilanzen mit Gewinn- und Verlustrechnungen, Kontennachweisen und Anlagespiegeln, Gewinnermittlungen und Jahresabschlüsse" vorzulegen. Der Auskunftspflichtige hatte - belegt durch ein Schreiben seiner Steuerberaterkanzlei - darauf hingewiesen, dass pro Einkommenssteuererklärung wegen der jeweils umfangreichen Anlagen rund 1.000 Seiten zu kopieren seien, und zudem ausgeführt, für die Vorlage der Jahresabschlüsse der verschiedenen Gesellschaften, an denen er beteiligt sei, müssten rund 700 Seiten pro Jahr kopiert werden. Dem ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar.

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Der Antragsgegner hat vor dem Beschwerdegericht Kopierkosten selbst dann nicht geltend gemacht, als das Beschwerdegericht darauf hingewiesen hat, dass der nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht sein dürfte. Vielmehr hat der Antragsgegner auf den Hinweis lediglich vorgetragen, dass er freiberuflich als beratender Betriebswirt tätig sei und die erforderlichen Auskünfte nicht ohne Hinzuziehung seiner Steuerberatungsgesellschaft erteilen könne, deren Kosten in jedem Fall über dem Mindestgegenstandswert von 600 € lägen. Dieser Einwand wird mit der Rechtsbeschwerde zutreffend nicht weiterverfolgt.

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(2) Auch die zur Erfüllung der Belegvorlageverpflichtung erforderlichen Kosten für die Grundbuchauszüge gehören grundsätzlich - ebenso wie die Kopierkosten - zu dem Aufwand, nach dem sich das hier maßgebliche Interesse des das Rechtsmittel führenden Auskunftsverpflichteten bemisst.

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Allerdings hat der Antragsgegner auch derartige Kosten vor dem Beschwerdegericht nicht geltend gemacht. Entsprechender Vortrag kann im Rechtsbeschwerdeverfahren auch nicht nachgeholt werden. Denn das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht auf der Grundlage des ihm vorliegenden Vortrags feststellen konnte (vgl. insoweit BGH Beschluss vom 16. April 2013 - VI ZB 50/12 - NJW-RR 2013, 1077 Rn. 4, 9), und kann hinsichtlich der Wertfestsetzung nur überprüfen, ob das Beschwerdegericht die Grenzen seines Ermessens überschritten hat oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH Beschluss vom 28. April 2008 - II ZB 27/07 - NJW-RR 2008, 1455 Rn. 4 mwN).

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c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Verpflichtung zur Belegvorlage in erheblichem Umfange keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe, so dass ein weiterer Kostenaufwand des Antragsgegners entstehe, entweder durch den Aufwand an Zeit und Kosten für die Erstellung nicht vorhandener Belege oder für die Abwehr der Vollstreckung aus dem nicht vollstreckungsfähigen Titel.

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Allerdings hat der Senat bereits entschieden, dass es sich werterhöhend auswirken kann, wenn der Verpflichtete nicht existente Belege erstellen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2018 - XII ZB 637/17 - FamRZ 2018, 1762 Rn. 11 und vom 11. März 2015 - XII ZB 317/14 - FamRZ 2015, 838 Rn. 13 ff.) oder gewärtigen muss, auf die Erfüllung der insoweit unmöglichen Leistung in Anspruch genommen zu werden und sich hiergegen oder gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Titel ohne vollstreckbaren Inhalt zur Wehr setzen zu müssen (Senatsbeschluss vom 2. September 2015 - XII ZB 132/15 - FamRZ 2015, 2142 Rn. 13 mwN). Der Senat hat dazu indessen wiederholt ausgeführt, dass erst nach Vornahme der gebotenen Auslegung des Titels festgestellt werden kann, ob der Titel einen nicht vollstreckbaren Inhalt hat, die Belegvorlageverpflichtung auch die Erstellung nicht existenter Unterlagen umfasst oder eine Auskunftsverpflichtung in einem solchen Fall tatsächlich auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist (Senatsbeschlüsse vom 12. September 2018 - XII ZB 588/17 - FamRZ 2018, 1934 Rn. 25 mwN). Ergibt die Auslegung aber, dass nur die bereits existenten Belege beziehungsweise diejenigen vorzulegen sind, die einen konkreten Bezug zu der zu erteilenden Auskunft haben, fehlt es an einer Unmöglichkeit der Belegvorlage. So liegt es aber hier.

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Das Amtsgericht hat den Antragsgegner einerseits verpflichtet, Auskunft über sein Anfangsvermögen zum 9. September 1999, sein Trennungsvermögen zum 2. März 2015 und sein Endvermögen zum 30. Juni 2016 zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines geordneten Vermögensverzeichnisses bezogen auf die jeweiligen Einsatztage, welches die vorhandenen einzelnen Vermögenspositionen in ihren wertbildenden Faktoren konkretisiert. Andererseits hat das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet, seine Auskunft zu belegen. Sowohl hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung als auch bezüglich der Belegvorlageverpflichtung werden dabei zahlreich spezifische Einzelpositionen aufgezählt. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass diese Aufzählungen auch tatsächlich nicht vorhandene Vermögenspositionen umfassen sollte, sind weder dargelegt noch ersichtlich. Der Antragsgegner vermag selbst keine Position und keinen Beleg konkret zu benennen, deren Angabe beziehungsweise Vorlage ihm unmöglich sein soll. Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür dargelegt oder ersichtlich, dass der Teilversäumnisbeschluss des Amtsgerichts keinen vollstreckbaren Inhalt haben sollte.

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