BGH 12. Zivilsenat, Beschluss vom 06.02.2019, XII ZB 393/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen XII ZB 393/18 (BGH)

vom 6. Februar 2019 (Mittwoch)


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Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 27. Juli 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

I.

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Die Betroffene wendet sich gegen die für sie eingerichtete Betreuung.

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Nachdem das Amtsgericht für die Betroffene zunächst eine vorläufige Betreuerin bestellt hatte, hat es nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen die Beteiligte zu 1 zur berufsmäßigen Betreuerin für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge einschließlich der damit zusammenhängenden Aufenthaltsbestimmung bestellt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen ohne erneute Anhörung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

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Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

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1. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Landgericht nicht von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen hätte absehen dürfen.

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a) Nach § 278 Abs. 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch unter anderem voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist (Senatsbeschluss vom 21. November 2018 - XII ZB 57/18 - juris Rn. 5 mwN).

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b) Gemessen hieran durfte das Landgericht nicht von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG absehen. Die Anhörung der Betroffenen durch das Amtsgericht ist mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet.

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aa) Der Betroffenen ist das eingeholte Sachverständigengutachten zur Betreuungsbedürftigkeit vor dem Anhörungstermin nicht überlassen worden.

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(1) Wird dem Betroffenen das Sachverständigengutachten nicht rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen, leidet die Anhörung an einem wesentlichen Verfahrensmangel (Senatsbeschluss vom 21. November 2018 - XII ZB 57/18 - juris Rn. 6 mwN). Von einer Bekanntgabe des Gutachtens mit seinem vollen Wortlaut kann nur abgesehen werden, wenn zu besorgen ist, die Bekanntgabe werde die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden. In einem solchen Fall muss jedoch dem anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt werden, diesem das Gutachten übergeben werden und die Erwartung gerechtfertigt sein, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2017 - XII ZB 18/17 - FamRZ 2017, 1323 Rn. 11 mwN).

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(2) Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, lässt sich der Akte nicht entnehmen, dass der Betroffenen das eingeholte Sachverständigengutachten zur Betreuungsbedürftigkeit überlassen worden ist. Ebenso wenig ergibt sich dies aus den von den Instanzgerichten getroffenen Feststellungen.

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Zwar folgt aus der Stellungnahme des Verfahrenspflegers, dass ihm das Sachverständigengutachten mit der Bekanntgabe des amtsgerichtlichen Beschlusses übersandt worden ist. Das vermag die Bekanntgabe des Gutachtens an die Betroffene aber schon deshalb nicht zu ersetzen, weil ausweislich des Sachverständigengutachtens nicht zu besorgen war, dass die Bekanntgabe die Gesundheit der Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden werde. Überdies konnte der Verfahrenspfleger das Gutachten auch erst nach Erlass der Hauptsacheentscheidung mit der Betroffenen besprechen.

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bb) Außerdem ist die Anhörung der Betroffenen in Abwesenheit des Verfahrenspflegers und somit verfahrensfehlerhaft erfolgt.

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(1) Der Verfahrenspfleger ist vom Gericht im selben Umfang an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen wie der Betroffene. Das Betreuungsgericht muss durch die Benachrichtigung des Verfahrenspflegers vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann. Außerdem steht dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungsrecht zu. Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, ist sie verfahrensfehlerhaft und verletzt den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschluss vom 16. August 2017 - XII ZB 450/16 - FamRZ 2017, 1864 Rn. 9 mwN).

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(2) Ausweislich des Anhörungsprotokolls des Amtsgerichts vom 13. Juni 2018 wurde der Verfahrenspfleger, der im Übrigen erst in dem angefochtenen Beschluss selben Datums in der Hauptsache bestellt worden ist, "versehentlich" nicht zu dem Anhörungstermin geladen.

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2. Ebenso rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass das Sachverständigengutachten verfahrensfehlerhaft erstellt worden ist.

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a) § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG sieht für das Betreuungsverfahren eine förmliche Beweisaufnahme vor. Danach hat der Sachverständige den Betroffenen gemäß § 280 Abs. 2 Satz 1 FamFG vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen, wobei er vor der Untersuchung des Betroffenen bereits zum Sachverständigen bestellt sein und ihm den Zweck der Untersuchung eröffnet haben muss, damit der Betroffene sein Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, sinnvoll ausüben kann (vgl. Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 691/12 - FamRZ 2013, 1725 Rn. 8 mwN).

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Das schließt zwar nicht aus, dass auch der behandelnde Arzt zum Sachverständigen bestellt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - XII ZB 383/10 - FamRZ 2010, 1726 Rn. 9 zur Unterbringung). Jedoch muss der Arzt dem Betroffenen in einem solchen Fall deutlich zu erkennen geben, dass er von seiner Bestellung zum Sachverständigen an (auch) als Gutachter tätig sein wird. In dieser Funktion muss er den Betroffenen untersuchen und darf sich für sein Gutachten nicht darauf beschränken, die aus der vorherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten.

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b) Weder den Gerichtsakten noch dem Gutachten oder den sonst getroffenen Feststellungen lässt sich entnehmen, dass die Sachverständige diesen Anforderungen Rechnung getragen hat. Vielmehr stützt sich das Sachverständigengutachten vom 26. April 2018 auf "die Untersuchung der Betroffenen während der stationären Krankenhausbehandlung seit dem 20.03.2018". Die Sachverständige ist indes erst durch Beschluss vom 17. April 2018 als Gutachterin bestellt worden. Ob sie die Betroffene danach als Sachverständige untersucht hat, geht aus dem Gutachten nicht hervor.

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3. Gemäß § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, damit dieses in einem ordnungsgemäßen Verfahren die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

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Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das – verfahrensfehlerfrei festgestellte – Fehlen einer Krankheitseinsicht für die Beurteilung, dass der Betroffene keinen freien Willen im Sinne des § 1896 Abs. 1a BGB bilden kann, genügt (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 336/17 - FamRZ 2018, 134 Rn. 16 f. mwN).

Klinkhammer     

      

Schilling     

      

Nedden-Boeger

      

Botur     

      

Guhling