BGH 12. Zivilsenat, Beschluss vom 12.06.2019, XII ZB 51/19

Das Urteil unter dem Aktenzeichen XII ZB 51/19 (BGH)

vom 12. Juni 2019 (Mittwoch)


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Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Amberg vom 15. Januar 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Wert: 5.000 €

I.

1

Die 90jährige Betroffene leidet an einem organischen Psychosyndrom, wegen dessen sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Sie wünscht die Bestellung ihres Sohns, des Beteiligten zu 2, zum Betreuer.

2

Das Amtsgericht hat eine Betreuung für "alle Angelegenheiten incl. Entgegennahme, Öffnung und Anhalten der Post" eingerichtet und die Beteiligte zu 3 als Berufsbetreuerin sowie die Beteiligte zu 4 als Ersatzbetreuerin bestimmt.

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Dagegen hat der Sohn Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat das von ihm unzutreffend als "sofortige" Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Sohns.

II.

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Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

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1. Die Beschwerdebefugnis des Sohns der Betroffenen für das Verfahren der Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass seine (Erst-)Beschwerde erfolglos geblieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Januar 2019 - XII ZB 489/18 - FamRZ 2019, 618 Rn. 4 mwN).

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2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Ungeeignetheit des Sohns als Betreuer ergebe sich hinlänglich aus den Akten. Er habe versäumt, geeignete Kleidung und Kosmetika für die Betroffene von sich aus dem Heim zur Verfügung zu stellen. Einer gesonderten Aufforderung vonseiten des Heims habe es dafür nicht bedurft. Versuche einer Kontaktaufnahme vonseiten des Heims zu dem Sohn seien im Übrigen erfolglos geblieben. Auch habe der Sohn offenbar Bußgelder aus Verkehrsordnungswidrigkeiten vom Konto der Betroffenen beglichen, obgleich sie diese aufgrund ihrer Bettlägerigkeit nicht selbst begangen haben könne.

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3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

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a) In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Landgericht allerdings von der Beschwerdeberechtigung des Sohns ausgegangen.

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Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen unter anderem seinen Abkömmlingen zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. Ist ein Angehöriger erstinstanzlich nicht beteiligt worden, steht ihm kein Beschwerderecht zu, unabhängig davon, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist. Die Hinzuziehung eines Beteiligten (§ 7 FamFG) kann auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen (Senatsbeschluss vom 13. März 2019 - XII ZB 523/18 - FamRZ 2019, 915 Rn. 6 mwN).

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Wie der Senat bereits entschieden hat, steht die Nichterwähnung im Entscheidungsrubrum einer tatsächlichen Hinzuziehung nicht entgegen. Eine Beteiligung setzt aber die Möglichkeit voraus, dass die beteiligte Person - in welcher Art und Weise auch immer - auf das Verfahren in derselben Instanz Einfluss nehmen kann. Erforderlich ist mithin, dass das Gericht dem Beteiligten eine solche Einflussnahme ermöglichen will und dies zumindest konkludent zum Ausdruck bringt. Es bedarf daher immer eines vom Gericht gewollten Hinzuziehungsakts, unabhängig davon, ob es sich um einen Muss-Beteiligten im Sinne von § 271 Abs. 1 FamFG oder - wie hier - um einen Kann-Beteiligten nach § 274 Abs. 4 FamFG handelt (Senatsbeschluss vom 13. März 2019 - XII ZB 523/18 - FamRZ 2019, 915 Rn. 7 f. mwN).

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Bejaht hat dies der Senat insbesondere für den Fall, dass ein Angehöriger des Betroffenen bei der erstinstanzlichen Anhörung nicht nur anwesend war, sondern vom Gericht in diese einbezogen wurde (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 493/15 - FamRZ 2016, 626 Rn. 6). So liegt der Fall auch hier. Nachdem der Sohn über sein Antragsrecht gemäß § 7 Abs. 4 FamFG belehrt worden war, war er beim Anhörungstermin nicht nur zugegen, sondern ist auch befragt und dadurch in die Entscheidungsfindung einbezogen worden.

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b) Die angefochtene Entscheidung kann schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht als verfahrensfehlerhaft, dass das Landgericht keinen Verfahrenspfleger für die Betroffene bestellt hat.

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aa) Gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG ist die Bestellung in der Regel erforderlich, wenn Gegenstand des Verfahrens die Bestellung eines Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erweiterung des Aufgabenkreises hierauf ist. Gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 FamFG kann von der Bestellung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Nach § 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG ist die Nichtbestellung zu begründen. Dabei unterfällt es der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht, ob die den Tatsacheninstanzen obliegende Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen worden ist (Senatsbeschluss vom 27. Juni 2018 - XII ZB 559/17 - FamRZ 2018, 1604 Rn. 8).

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bb) Der angefochtene Beschluss enthält indessen keine Begründung für die unterbliebene Bestellung eines Verfahrenspflegers. Deshalb lässt sich weder feststellen, aus welchen Erwägungen von der Anordnung einer Verfahrenspflegschaft abgesehen wurde, noch dass diese Entscheidung ermessensfehlerfrei zustande gekommen ist. Dass die vor dem Landgericht anwaltlich nicht vertretene Betroffene ihre Interessen selbst hätte wahrnehmen können, erscheint schon angesichts des für alle Angelegenheiten angenommenen Betreuungsbedarfs fernliegend. Hinzukommt, dass sich die Instanzgerichte über den Betreuungswunsch der Betroffenen (§ 1897 Abs. 4 BGB) hinweggesetzt haben. Schon dies lässt sich nicht mit der Annahme vereinbaren, die Betroffene könne ihre Interessen in dem Betreuungsverfahren sachgerecht selbst wahrnehmen.

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4. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.

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Bei seiner erneuten Befassung wird das Landgericht auch zu prüfen haben, ob die Betreuung in "allen Angelegenheiten" gemäß § 1896 Abs. 2 BGB erforderlich ist. Für welche Aufgabenbereiche ein Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Dabei genügt es, wenn ein Handlungsbedarf in dem betreffenden Aufgabenkreis jederzeit auftreten kann (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2019 - XII ZB 397/18 - FamRZ 2019, 638 Rn. 12 mwN). Bei der Anordnung einer Betreuung für alle Angelegenheiten bedarf es konkreter Darlegung, dass Handlungsbedarf in allen Angelegenheiten besteht.

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Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose     

      

Günter     

      

Nedden-Boeger

      

Botur     

      

Krüger